Verwaltungsrecht

Übernahme von Tarifbeschäftigten in das Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  6 CE 20.1191

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20597
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
BBG § 9 S. 1, § 10
BLV § 50 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Herleitung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung aus Einzelmerkmalen ist gesondert zu begründen, wenn einzelnen Beurteilungskriterien eine besondere Bedeutung zukommt. (Rn. 16 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anordnungsanspruch besteht nicht, wenn die Übernahme in das Beamtenverhältnis auch bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer fehlerfreien Beurteilung nicht möglich erscheint. (Rn. 29 und 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 E 19.2459 2020-04-16 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. April 2020 – AN 16 E 19.02459 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.177,14 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Übernahme von Tarifbeschäftigten in das Beamtenverhältnis auf Probe im Rahmen der Verbeamtungsaktion 2018 beim Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt).
Sie ist seit März 2015 Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst der Antragsgegnerin beim Bundesamt und in die Entgeltgruppe 6 TVöD eingruppiert. Am 23. November 2018 bewarb sie sich auf die Ausschreibung vom 20. November 2018 zur Verbeamtung von Tarifangestellten in der Laufbahn des mittleren Dienstes auf ein nach A 6 bewertetes Amt. Für die im Auswahlverfahren letztlich zu berücksichtigenden 876 Bewerber um die zur Verfügung stehenden 670 Planstellen wurden nach den Vorgaben der Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des BMI (ohne Bundespolizei) vom 7. April 2017 (Beurteilungsrichtlinie) Anlassbeurteilungen für den Zeitraum 1. Januar 2018 bis 1. Januar 2019 erstellt. Für die Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Probe wurden gemäß dem Auswahlvermerk der Antragsgegnerin vom 22. November 2019 nur die Bewerber ausgewählt, die dabei die Gesamtnote 9, 8 oder 7 erzielt haben. Der Gesamtpersonalrat stimmte der Verbeamtung der ausgewählten Bewerber zu; die Gleichstellungsbeauftragte und die Gesamtvertrauensperson schwerbehinderter Menschen erhoben gegen die beabsichtigte Maßnahme keine Einwendungen.
Mit Schreiben vom 28. November 2019 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie in der Anlassbeurteilung vom 18. September 2019 mit der Gesamtnote 6 beurteilt worden sei. Ihre Verbeamtung sei nicht möglich, weil nur solche Bewerber zum Zuge kommen könnten, die in der Anlassbeurteilung mindestens die Gesamtnote 7 erreicht hätten. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Am 10. Dezember 2019 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht zunächst beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die im Auswahlverfahren zur Statusänderung ausgewählten Tarifbeschäftigten in der Laufbahn des mittleren Dienstes in das Beamtenverhältnis auf Probe zu berufen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Hauptsacheverfahren rechtskräftig entschieden worden ist. Später hat die Antragstellerin diesen Antrag dahingehend beschränkt, dass sich die vorläufige Untersagung auf nur eine der ausgeschriebenen Planstellen der Besoldungsgruppe A 6 bezieht.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 16. April 2020 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Weder die Auswahlentscheidung noch die ihr zugrunde gelegte Anlassbeurteilung der Antragstellerin vom 18. September 2019 mit der Gesamtnote 6 seien rechtlich zu beanstanden.
Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.
Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat. Denn sie kann keine erneute – rechtsfehlerfreie – Entscheidung über ihre Bewerbung um Übernahme in das Beamtenverhältnis und Übertragung eines nach A 6 bewerteten Amtes in der Verbeamtungsrunde 2018 beanspruchen. Zwar dürfte die Auswahlentscheidung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts deshalb fehlerhaft sein, weil das abschließende Gesamturteil in der ihr zugrundeliegenden Anlassbeurteilung der Antragstellerin wohl nicht ausreichend begründet ist (1.). Dennoch kann die Beschwerde jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil eine Übernahme der Antragstellerin in das Beamtenverhältnis bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer fehlerfreien dienstlichen Beurteilung nicht ernsthaft möglich erscheint (2.).
1. Die streitige Auswahlentscheidung dürfte zwar an einem Rechtsfehler leiden. Denn das abschließende Gesamturteil der ihr zugrundeliegenden Anlassbeurteilung der Antragstellerin ist wohl nicht ausreichend begründet. Die übrigen Einwände sind hingegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, nicht begründet.
a) Die Entscheidung über die Übernahme einer Tarifangestellten in das Beamtenverhältnis ist entgegen der Auffassung der Beschwerde am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen.
Nach dieser Verfassungsbestimmung hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Das gilt insbesondere auch bei der Entscheidung über einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Das in dieser Vorschrift (und ebenfalls in § 9 Satz 1 BBG) statuierte Leistungsprinzip gehört als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zum Kernbereich von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl. BVerfG, B.v. 5.7.1983 – 2 BvR 460/80 – juris Rn. 35; BVerwG, U.v. 28.6.1966 – II C 10.64 – juris Rn. 35). Zu diesen Strukturprinzipien gehört auch der Grundsatz, dass sich sowohl Ernennungen als auch Beförderungen nach der Leistung, Befähigung und Persönlichkeit des Bewerbers zu bestimmen haben. Jeder Bewerber auf Übernahme in das Beamtenverhältnis kann daher verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz oder durch andere verfassungsmäßige Vorgaben – wie z.B. das Vorhandensein freier Stellen und der Wille des Dienstherrn, diese zu besetzen – gedeckt sind (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch).
Dieser Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung über den Bewerbungsanspruch steht nicht nur – wie die Antragstellerin offensichtlich meint – dem bereits eingestellten Beamten bei der Bewerbung um höhere Ämter zu, sondern auch demjenigen Bewerber, der zwar bereits im öffentlichen Dienst angestellt ist und damit schon ein öffentliches Amt innehat, jedoch noch außerhalb des beamteten öffentlichen Dienstes steht und sich um die Übernahme in das Beamtenverhältnis bemüht (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 22.09 – juris Rn. 16). Ein Auswahlverfahren ist nur dann nicht den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG unterworfen, wenn die betroffenen Stellen durch eine bloße Änderung des Aufgabenbereiches, eine Umsetzung, eine Abordnung oder eine den Status nicht berührende Versetzung besetzt werden sollen. Davon kann vorliegend aber nicht die Rede sein. Denn die begehrte Berufung in das Beamtenverhältnis kann nicht ohne Ernennung (§ 10 BBG) und damit gerade nicht ohne einen Statuswechsel erlangt werden.
b) Eine solche von Art. 33 Abs. 2 GG erfasste Auswahlentscheidung, wie sie hier zur Prüfung steht, muss anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhenden dienstlichen Beurteilungen vorgenommen werden. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – ZBR 2016, 128 Rn. 58; BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – NVwZ-RR 2012, 71/72; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 6 CE 15.2583 – juris Rn. 7).
Eine dienstliche Beurteilung ist als ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich. Denn nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Beurteiler sollen ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil über die Fähigkeiten und erbrachten Leistungen des zu Beurteilenden abgeben. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hat der Dienstherr – wie hier – Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler auf Grund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 2 A 7.08 – ZBR 2009, 196/197; BayVGH, B.v. 5.3.2012 – 6 ZB 11.2419 – juris Rn. 4; B.v. 3.6.2015 – 6 ZB 14.312 – juris Rn. 5).
Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Beurteilungsrichtlinie dafür entschieden, die Einzelkriterien ohne zusätzliche individuelle textliche Begründung mit Noten zu bewerten, deren Aussagegehalt in dem Formular der dienstlichen Beurteilung jeweils konkretisiert wird. Aus der Funktion der dienstlichen Beurteilung, eine tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in solchen (Unter-)Fällen des Ankreuzverfahrens, dass das abschließende Gesamturteil durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Diese Gewichtung bedarf bei sog. Ankreuzbeurteilungen insbesondere dann einer Begründung, wenn der Dienstherr einzelnen Leistungsmerkmalen ein besonderes Gewicht beigemessen hat, da nur so das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann (BVerwG, B.v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11 – juris Rn. 15; U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 – BVerwGE 161, 240 Rn. 42 ff.; U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 65 f. m.w.N.).
Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dies erfordert keine Folgerichtigkeit nach rechnerischen Gesetzmäßigkeiten, etwa in der Art, dass die Gesamtwertung das arithmetische Mittel aus den Einzelnoten sein muss. Vielmehr ist umgekehrt die rein rechnerische Ermittlung des Gesamturteils ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage sogar unzulässig (BVerwG, U.v. 24.11.1994 – 2 C 21.93 – juris). Sie verbietet sich bei dienstlichen Beurteilungen, bei denen die Bildung eines Gesamturteils vorgesehen ist, mit dem die Einzelwertungen in einer nochmaligen eigenständigen Wertung zusammengefasst werden. Denn bei der Bildung des Gesamturteils wird die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch eine entsprechende Gewichtung wertend berücksichtigt (BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 39; U.v.21.3.2007 – 2 C 2.06 – juris m.w.N.). Je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist, umso geringer sind die Anforderungen an die Begründung des Gesamturteils. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt.
Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im Fall der Antragstellerin wohl einer gesonderten Begründung des Gesamturteils. Die Antragsgegnerin hat vorgegeben, dass fünf der insgesamt vierzehn Einzelkriterien besonders zu gewichten sind. Dies ist von dem ihr gemäß Art. 33 Abs. 2 GG eröffneten Ermessensspielraum gedeckt (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2014 – 1 BvR 3544/13 – juris Rn. 15). Die Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte muss allerdings grundsätzlich im abschließenden Gesamturteil dargestellt werden, damit es nachvollzogen werden kann. Daran fehlt es. Entsprechende Ausführungen waren auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn das sich aus den Einzelbewertungen ergebende Leistungsbild der Antragstellerin ist ohne Kenntnis davon, welche davon besonderes Gewicht besitzen, nicht so einheitlich, dass sich die vergebene Note geradezu aufdrängt: Bei den Einzelkriterien ist der Antragstellerin fünfmal die Note 7 („Übertrifft die Anforderungen durch häufig herausragende Leistungen) und neunmal die Note 6 („Entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht, wobei gelegentlich herausragende Leistungen erbracht werden“) zuerkannt worden. Ohne Ausführungen dazu, welche Note gerade bei den besonders zu gewichtenden Leistungsmerkmalen erzielt wurde, ist die Vergabe der Gesamtnote 6 daher – abgesehen von den insoweit durch die E-Mail des Referatsleiters Personalbetreuung informierten Beurteiler – für einen Außenstehenden oder ein Gericht nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Ein individuelles Begründungserfordernis für das Gesamturteil rechtfertigt sich auch im Hinblick darauf, dass die Anlassbeurteilung möglicherweise bei einem späteren Leistungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren erneut von Bedeutung sein kann, da die Gewichtung der einzelnen Beurteilungskriterien dann bei den Beurteilern wohl nicht mehr – wie bei dem streitigen Auswahlverfahren – ohne weiteres präsent sein dürfte.
c) Die weiteren Einwände der Antragstellerin gegen ihre Anlassbeurteilung vom 18. September 2019 greifen hingegen nicht durch.
(1) Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, für die Entscheidung der Antragsgegnerin, nur solche Bewerber in das Beamtenverhältnis zu übernehmen, die in der Anlassbeurteilung mindestens die Note 7 erzielen konnten, ermangele es an einer gesetzlichen Grundlage.
Die im Rahmen der Übernahme in das Beamtenverhältnis vorzunehmende Auswahlentscheidung ist gemäß dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Befähigung und Leistung zu treffen. Der sich daraus ergebende Bewerbungsverfahrensanspruch wird verletzt, wenn ein Bewerber aufgrund von Kriterien aus dem Bewerberfeld ausgesondert wird, die mit dem Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar sind. Eine Auslese auf der Grundlage einer zuvor festgelegten Mindestnote berührt das Prinzip der Bestenauslese nicht (vgl. BVerfG, B.v. 3.10.1979 – 2 B 24/78 – juris). Für die Festlegung einer bestimmten Note als Auslesefaktor bedarf es grundsätzlich keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage. Der Dienstherr ist hierzu kraft seiner Organisationsgewalt ermächtigt, da die Festlegung von Kriterien, die das Leistungsprinzip konkretisieren, keinen Eingriff in das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG darstellt (vgl. OVG SH, B.v. 12.12.2018 – 2 MB 12/18 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das Leistungsprinzip selbst hat Verfassungsrang und wird einfachgesetzlich bekräftigt (§ 9 BBG). Die weitergehende konkretisierende Ausgestaltung des Leistungsprinzips in Bezug auf konkrete Ämter muss nicht durch das Parlament erfolgen, da die Auswahlkriterien durch das Grundgesetz vorgegeben sind und für einzelne Stellen lediglich – gerichtlich voll überprüfbar – ausgeformt werden.
Die Vorgabe einer Mindestnote in der Anlassbeurteilung ist – insbesondere in Massenverfahren wie der vorliegenden Verbeamtungsaktion – eine zulässige Konkretisierung des Leistungsprinzips im Hinblick auf die Übernahme von Tarifbeschäftigten in das Beamtenverhältnis, weil die in der Beurteilung erzielte Note als ausschließlich sachliches, leistungsbezogenes Kriterium in besonderem Maße geeignet ist, die fachliche Eignung zu beurteilen. Art. 33 Abs. 2 GG schreibt keine bestimmte Rechtsaktform für die Aufstellung von Zugangsvoraussetzungen vor. Deren Aufnahme im Text der Ausschreibung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht erforderlich. Notwendig ist lediglich, dass sie vor der Auswahlentscheidung festgelegt und so dokumentiert werden, dass eine nachträgliche Änderung ausgeschlossen ist (vgl. OVG SH, B.v. 12.12.2018 – 2 MB 12/18 – juris Rn. 13). Dem ist vorliegend durch die Dokumentierung der Mindestnote im Protokoll zur Beurteilungskonferenz vom 4. April 2019 Genüge getan, da dadurch eine hinreichende Fixierung dieser Vorgabe gewährleistet ist.
(2) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin haben die Beurteiler den für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. März 2019 erstellten Beurteilungsbeitrag vom 20. August 2019 bei der Anlassbeurteilung berücksichtigt.
Beurteilungsbeiträge sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung. Sie müssen daher bei der Ausübung des Beurteilungsspielraums berücksichtigt, das heißt zur Kenntnis genommen und bedacht werden. Zwar ist der Beurteiler an die Feststellungen und Bewertung Dritter nicht in der Weise gebunden, dass er diese in seiner Beurteilung „fortschreibend“ übernehmen müsste, sondern er kann zu abweichenden Ergebnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann in rechtmäßiger Weise aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in ihre Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet (BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10.13 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 1.12.2015 – 3 C 15.1947 – juris Rn. 31).
Diesen Anforderungen haben die Beurteiler in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen. Der in Rede stehende Beurteilungsbeitrag des unmittelbaren Vorgesetzten wurde nach Aktenlage von den Beurteilern im vorgenannten Sinn berücksichtigt, wie der Vermerk auf Blatt 5 der Beurteilung zeigt. Bei zehn der 14 Einzelkriterien stimmt die Bewertung der Beurteiler mit der Einschätzung der Leistungen der Antragstellerin im Beurteilungsbeitrag überein. Soweit sie bei vier Einzelkriterien von der dortigen Bewertung abgewichen sind, haben sie dies damit begründet, dass im Beurteilungsbeitrag lediglich ein kurzer Zeitraum von nur drei Monaten, also lediglich ein Viertel des gesamten Beurteilungszeitraums zu betrachten war. Wenn die Beurteiler mit Blick auf die während der folgenden neun Monate gezeigten Leistungen der Antragstellerin und den erforderlichen Quervergleich mit den der Vergleichsgruppe angehörenden übrigen Mitarbeitern des mittleren Dienstes insgesamt drei Beurteilungsmerkmale mit der Note 6 statt mit der Note 7 bewerten und einmal statt der Note 6 die Note 7 vergeben, halten sie sich innerhalb ihres Beurteilungsspielraums. Die Beurteiler bescheinigen der Antragstellerin, dass ihre Arbeitsergebnisse und Fachkenntnisse den Anforderungen in jeder Hinsicht entsprachen, wobei gelegentlich herausragende Leistungen festgestellt werden konnten, was der Beschreibung der Note 6 entspricht. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bewertung unzutreffend sein könnte, hat die Antragstellerin nicht dargelegt.
(3) Nicht überzeugen kann die Rüge, es bleibe weiter im Dunkeln, wie die Antragsgegnerin die Quotenvergabe tatsächlich gewährleistet habe.
Bei der § 50 Abs. 2 BLV entsprechenden Notenquotierung handelt es sich um ein Instrument, der Inflation guter Beurteilungsnoten vorzubeugen; den Noten soll damit ihre Aussagekraft bewahrt und ihre Funktion erhalten werden, ein angemessenes Bild von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung eines Beamten zu ermöglichen. Mit den prozentualen Vorgaben versucht § 50 Abs. 2 BLV, eine der Realität entsprechende Normalverteilung innerhalb des Leistungsspektrums der zu Beurteilenden vorzugeben. Eine solche Verteilung führt in absoluten Zahlen zu mehr Spitzenleistungen, je größer die Vergleichsgruppe ist. Dies ist auch naheliegend, weil bei einer größeren Gruppe die absolute Zahl an Bestqualifizierten nach der allgemeinen Lebenserfahrung in der Regel auch größer sein wird. Diese Vorschrift ergänzt die allgemeine Befugnis, die Beurteilungsmaßstäbe durch Angabe des erwarteten anteiligen Verhältnisses der erteilten Gesamtnoten (Richtwerte) für den gesamten jeweiligen Verwaltungsbereich oder einzelne, hinreichend große Verwaltungseinheiten zu konkretisieren (vgl. Lemhöfer in Lemhöfer/Leppek, Das Laufbahnrecht der Bundesbeamten, § 49 BLV 2009 Rn. 26 ff. m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass § 50 Abs. 2 BLV lediglich Soll-Vorgaben macht und damit aus sachlichem Grund – letztlich zur Wahrung der Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG – eine Abweichung gestattet. Das von der Antragsgegnerin gewählte System entspricht diesen Vorgaben und steht einer nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmenden Beurteilung nicht entgegen. Insbesondere wurde dem Beurteiler im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine Abweichungsmöglichkeit nach oben oder unten eröffnet.
(4) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge, der Grundsatz der unabhängigen und weisungsfreien Beurteilung sei verletzt, was sich daraus ergebe, dass in allen der Antragstellerseite bekannten Anlassbeurteilungen gleichlautende Beurteilungen zu sämtlichen Einzelmerkmalen enthalten seien. Die mehrfache Verwendung textgleicher Formulierungen sagt entgegen der Auffassung der Antragstellerin für sich gesehen nichts darüber aus, ob die Begründung den Anforderungen entspricht.
(5) Schließlich kann der Beschwerde auch nicht in der Annahme gefolgt werden, es bestehe ein Widerspruch zwischen der Anlassbeurteilung der Antragstellerin und ihrer Leistungsbewertung im Rahmen des sog. Entfristungsverfahrens im Jahr 2018. Die damalige Beurteilung wurde auf der Grundlage der sog. Entfristungsrichtlinie (Richtlinie für die Beurteilung von Tarifbeschäftigten des BAMF, die sich auf unbefristet zu besetzende Stellen bewerben) erstellt, betraf also eine sachlich gänzlich andere Auswahlentscheidung als die Anlassbeurteilung, die die Grundlage für die streitige Auswahlentscheidung hinsichtlich der begehrten Verbeamtung bildet. Die Entfristungsrichtlinie folgt im Übrigen auch anderen Bewertungsmaßstäben als die bei Verbeamtungen maßgebliche Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des BMI, wie bereits aus der rechnerischen Ermittlung der Gesamtnote unter Vorgabe einer mathematisch exakten Gewichtung von Einzelleistungsmerkmalen ersichtlich wird. Die nach der Entfristungsrichtlinie erstellte Leistungsbewertung betrifft darüber hinaus die in einem früheren Zeitraum von der Antragstellerin erbrachten Leistungen; ihre Wirkung hat sich in eben diesem Verfahren erschöpft.
2. Auch wenn in der Anlassbeurteilung der Antragstellerin das abschließende Gesamturteil wohl unzureichend begründet ist, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn die begehrte Übernahme in das Beamtenverhältnis erscheint auch bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer fehlerfreien dienstlichen Beurteilung nicht ernsthaft möglich (vgl. dazu BVerfG, B.v. 25.11.2015 – 2 BvR 1461/15 – juris Rn. 19 f.; BVerwG, B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris Rn. 17).
Es erscheint ausgeschlossen, dass die Beseitigung des Begründungsmangels an der vergebenen Gesamtnote selbst etwas ändern könnte. Denn in Kenntnis der besonders gewichteten Einzelmerkmale ist die Gesamtbewertung in der Anlassbeurteilung der Antragstellerin plausibel und nachvollziehbar: Sie hat gerade bei vier der fünf besonders zu gewichtenden Leistungsmerkmalen die Note 6 erzielt und lediglich einmal die Note 7. Kommt dies in der Begründung einer neu erstellten Beurteilung entsprechend zum Ausdruck, ergibt sich für die Antragstellerin – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – die vergebene Gesamtbeurteilung „entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht, wobei gelegentlich herausragende Leistungen erbracht werden“ in ausreichend nachvollziehbarer Weise, zumal sie auch in der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung weit überwiegend mit C („Normal ausgeprägt“) beurteilt wurde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 40‚ 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1‚ Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge der Endstufe (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris). Die beantragte Zahl der freizuhaltenden Stellen hat keine Auswirkungen auf die Höhe des Streitwerts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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