Verwaltungsrecht

Uganda, Folgeantrag, HIV-Erkrankung

Aktenzeichen  M 5 E 21.31738

Datum:
18.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23876
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwVfG § 51
AsylG § 71 Abs. 1
AufenthG § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist ugandischer Staatsangehöriger christlichen Glaubens. Er reiste am … November 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … Dezember 2018 einen Asylantrag. Er habe Uganda aufgrund seiner Homosexualität verlassen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom … September 2020 wurde der Flüchtlings-, Asyl- und Schutzantrag des Antragstellers abgelehnt und ihm für den Fall, dass er nicht innerhalb der Ausreisefrist Deutschland freiwillig verlasse, die Abschiebung nach Uganda angedroht. Dieser Bescheid wurde nach rechtskräftigem Abschluss eines Klageverfahrens (M 5 K 20.33024) am 8. Februar 2021 rechtskräftig.
Am … März 2021 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Er sei in seinem Heimatland Uganda dem Tod entkommen und mit der Hoffnung nach Deutschland gekommen, dass man ihm hier Schutz gewähren würde. Er könne wegen seiner homosexuellen Orientierung nicht in sein Heimatland zurückkehren. Er habe in Online-Zeitungen gelesen, dass das ugandische Parlament ein weiteres antihomosexuelles Gesetz verabschiedet habe, welches jede Art von gleichgeschlechtlicher Beziehung weiter kriminalisiere. Er könne in Uganda getötet oder inhaftiert werden. Er sei zudem derzeit in ärztlicher Behandlung, da man bei ihm eine HIV-Infektion festgestellt habe. Der Antragsteller legte diesbezüglich beim Bundesamt ärztliche Bescheinigungen vom … Februar 2021 und … Juni 2021 vor.
Mit Bescheid vom … Juli 2021 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom … September 2020 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ebenfalls ab (Nr. 2). Der Antragsteller habe keine neuen Gründe vorgetragen, welche den der früheren Entscheidung zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Sachverhalt nachträglich zu Gunsten des Antragstellers hätten ändern können. Er habe lediglich seine Gründe aus dem Erstverfahren erneut vorgetragen und würde zusätzlich eine HIV-Erkrankung geltend machen. Der Sachverhalt hinsichtlich der Homosexualität sei bereits Gegenstand des Erstverfahrens des Antragstellers gewesen. Auch der Vortrag einer Verschärfung der Gesetzeslage in Uganda könne dem Antragsteller vor dem Hintergrund seiner als unglaubhaft bewerteten Verfolgungsgeschichte nicht zu einer günstigeren Entscheidung verhelfen.
Am 9. August 2021 hat die Antragstellerpartei Klage erhoben (M 5 K 21.31737) und gleichzeitig beantragt,
die Beklagte (gemeint: Antragsgegnerin) wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, von einer Mitteilung an die Ausländerbehörde gemäß § 71 Abs. 5 AsylG abzusehen.
Zur Begründung des Antrags nahm der Antragsteller Bezug auf die gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben.
Die Antragsgegnerin hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft jedoch unbegründet und bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist statthaft. Die Antragsgegnerin hat den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) bzw. auf Abänderung des Ausgangsbescheides im Erstverfahren abgelehnt, ohne eine weitere Abschiebungsandrohung zu erlassen, § 71 Abs. 5 Satz 1 Asylgesetz (AsylG). Mangels einer erneuten Abschiebungsandrohung bildet die im Bescheid vom … September 2020 enthaltene bestandskräftige Abschiebungsandrohung i.V.m. der Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nicht vorliegen, gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG die Grundlage für den Vollzug einer Abschiebung des Antragstellers. Da die nach §§ 24 Abs. 3, 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die Ausländerbehörde gerichtete Mitteilung keinen Verwaltungsakt darstellt (OVG LSA, B.v. 31.5.2000 – 2 R 186/00 – juris), diese Mitteilung somit in der Hauptsache auch nicht mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann, ist vorläufiger Rechtschutz nach zutreffender Auffassung nicht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, sondern dergestalt zu gewähren, dass der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der nach Ablehnung des Folgeantrages ergangenen Mitteilung eine Abschiebung erfolgen darf (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – InfAuslR 1999, 256; VG München, B.v. 28.5.2014 – M 24 E 14.30698 – juris Rn. 17 m.w.N.; VG Augsburg, B.v. 23.10.2017 – Au 8 E 17.35023 – juris Rn. 21; VG Berlin, B.v. 17.9.2018 – 6 L 302.18 A – juris Rn. 11; VG Regensburg, B.v. 8.8.2018 – RN 14 S 18.31949 – juris Rn. 15; VG München, B.v. 7.8.2018 – M 10 S 18.2574 – juris Rn. 23 ff.; HessVGH, B.v. 13.9.2018 – 3 B 1712/18.A – juris Rn. 3; a.A. VG München, B.v. 7.2.2017 – M 17 S 17.30546 – juris Rn. 11).
Der Antrag ist auch zutreffend gegen die Antragsgegnerin gerichtet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde kommt nur in begründeten Ausnahmefällen etwa dann in Betracht, wenn angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles zu befürchten ist, dass die Antragsgegnerin gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde nicht mehr rechtzeitig den Vollzug der Abschiebung durch die beschriebene Mitteilung verhindern kann (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2019, § 71 AsylVfG Rn. 49).
2. Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).
Eine derartige einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Das Vorliegen eines derartigen Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG).
Wie sich aus § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG ergibt, kann vorliegend einstweiliger Rechtsschutz nur gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. VG Augsburg, B.v. 1.10.2015 – Au 4 E 15.30540 – juris Rn. 17).
Zwar hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Allerdings ist unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze vorliegend kein Anordnungsanspruch gegeben. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Folgeantrags bzw. des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens durch den Bescheid des Bundesamtes vom … Juli 2021 bestehen nicht.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG) und der Antrag rechtzeitig gestellt worden ist (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Insoweit wird vollumfänglich auf die im Bescheid der Antragsgegnerin getätigten Ausführungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es wurden gegenüber dem früheren Verfahren keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgetragen, die zu einem Wiederaufgreifen führen würden.
Ergänzend wird ausgeführt:
Der Vortrag des Antragstellers, dass er wegen seiner homosexuellen Orientierung nicht in sein Heimatland zurückkehren könne war bereits Gegenstand des bestandskräftigen Bescheids des Bundesamts vom … September 2020 und ist daher vorliegend nicht mehr zu berücksichtigten.
Auch die vorgetragene Verschärfung der Gesetzeslage in Uganda stellt für den Antragsteller keine geänderte Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG dar. Das Bundesamt hat im Bescheid vom … September 2020 die Verfolgungsgeschichte des Antragstellers als unglaubhaft bewertet. Eine Verschärfung der Gesetzeslage vermag nicht die Bewertung der Glaubhaftigkeit der persönlichen Verfolgungsgeschichte des Antragstellers zu ändern.
Hinsichtlich des Vortrags einer HIV-Infektion und den beim Bundesamt vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom … Februar 2021 und … Juni 2021 folgen ebenfalls keine Anhaltspunkte, die eine Änderung der Entscheidung zur Ablehnung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG im Bescheid des Bundessamtes vom … September 2020 rechtfertigen könnten.
Die beim Bundesamt vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom … Februar 2021 und … Juni 2021 stellen bereits keine qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen nach § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG dar. Zwar ist eine Diagnose genannt, es fehlt aber die Methode der Tatsachenerhebung, der Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation ergeben.
Aus den ärztlichen Bescheinigungen lassen sich keine Anhaltspunkte für eine behandlungsbedürftige Erkrankung entnehmen, die im Abschiebezielstaat (Uganda) nicht oder nur unzureichend behandelt werden kann und es daher zu einer wesentlichen Verschlechterung oder auch Lebensgefahr kommen könnte (VGH BW, U.v. 18.4.2017 – A 9 S 333/17 – NVwZ 2017, 1477, juris Rn. 52 ff. m.w.N.).
Auch wenn beim Antragsteller eine HIV-Infektion vorliegt, die eine Fortführung der Therapie erfordert, liegen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nicht vor. Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. September 2017 (S. 26.) hat der Präsident der Bekämpfung von AIDS und HIV besonderes Augenmerk gewidmet. Er hat viele namhafte Forscher und Hilfsgelder nach Uganda geholt. Durch den offenen Umgang mit dieser Erkrankung hat Uganda eines der fortschrittlichsten Programme zur Bekämpfung von AIDS in der Welt aufgebaut. Im Übrigen ist die Behandlung von HIV in Uganda grundsätzlich gegeben und mit einem mittleren Einkommen zu bestreiten (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.12.2004 an VG Ansbach; siehe auch Auskünfte vom 20.4.2006 und 23.3.2010 an das BAMF; Missionsärztliches Institut Würzburg an VG Ansbach vom 24.11.2000). Daraus folgt, dass eine Behandlung von AIDS und HIV in Uganda möglich ist.
In Uganda ist die “Essential Medicines List” der WHO etabliert. Damit soll eine sichere und kosteneffiziente Therapie mit den Medikamenten ermöglicht werden, die den medizinischen Bedarf der Mehrheit der Bevölkerung decken und daher durchgehend und zu einem finanziell tragbaren Preis erhältlich sein sollen. Medikamente sind im staatlichen Gesundheitssystem seit 2001 kostenfrei, werden aber häufig “unter der Hand” an Patienten verkauft. In kirchlichen Einrichtungen, Apotheken und privaten Krankenhäusern sind Medikamente kostenpflichtig (Rukat, Diagnostische Praxis und Verschreibungsmuster in psychiatrischen Kliniken in Uganda S. 10 f. – allgemein zur medizinischen Versorgung). Daraus folgt, dass die gängigen Medikamente auch wenn diese häufig selbst beschafft werden müssen, auch in Uganda erhältlich sind.
Der Antragsteller hat bei der Anhörung beim Bundesamt angegeben, nach seinem Betriebswirtschafts- und Marketing Studium als Marketing-Manager und HR-Manager in Uganda gearbeitet zu haben. Es ist dem Antragsteller daher möglich und zumutbar, bei einer Rückkehr nach Uganda seinen Lebensunterhalt sowie die Mittel für eventuell von ihm zu bezahlende Medikamente zu bestreiten. Aus den ärztlichen Attesten folgt nicht, dass der Antragsteller in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt wäre. Im Übrigen wird auf die im Bescheid der Antragsgegnerin getätigten Ausführungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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