Verwaltungsrecht

Umfang der behördlichen Beratungspflicht

Aktenzeichen  W 8 K 17.519

Datum:
12.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6618
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 44a S. 1
BayVwVfG Art. 25 Abs. 1, Abs. 2
BayAGO § 4 Abs. 2 S. 2, S. 3

 

Leitsatz

1 Der Zulässigkeit einer auf die Entgegennahme eines Antrags gerichteten verwaltungsgerichtlichen Klage steht § 44a S. 1 VwGO entgegen. Bei der Entgegennahme von Anträgen handelt es sich um eine unselbständige Verfahrenshandlung, die nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Sachentscheidung verfolgt werden kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aus Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 BayVwVfG resultiert keine Beratungspflicht der Behörden in Form einer umfassenden Rechtsberatung. Dies gilt auch für § 4 Abs. 2 S. 2 und S. 3 AGO. (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage bleibt erfolglos, weil sie schon unzulässig ist.
1. a) Hinsichtlich des klägerischen Antrags, dass das Amt eine richtige Beratung zu leisten habe, ist schon fraglich, ob insoweit eine (Leistungs-)Klage grundsätzlich statthaft ist oder § 44a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, den Rechtsschutz auf die Endentscheidung beschränkt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage, § 25 Rn. 23 m.w.N.). Dies kann hier jedoch dahinstehen.
Denn vorliegend ist jedenfalls das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben, da sich das Klagebegehren insoweit erledigt hat. Denn der Kläger hat – wenn auch für das Unternehmen E. – den Mehrfachantrag 2017, für den er Beratung einfordert, schon gestellt, was vom Kläger auch nicht bestritten wird. Die Abgabefrist für die Mehrfachanträge 2017 ist schon am 15. Mai 2017 abgelaufen (§ 7 Abs. 1 InVeKoS – Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems). Unabhängig hiervon wären Änderungen des Antrags inzwischen unzulässig, da hier die Fristüberschreitung bei der Einreichung des Antrags mehr als 25 Kalendertage betragen würde, Art. 13 Abs. 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 i. V. m. Art. 72 VO (EU) 1306/2013 i. V. m. § 7 InVeKoSV (Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems). Die begehrte Beratungsleistung könnte somit ihren Zweck nicht mehr erfüllen.
Auch die Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO liegen wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO offensichtlich nicht vor. Im Übrigen ist fraglich, welches Rechtsverhältnis mit der Feststellungsklage geltend gemacht werden sollte.
Die Klage ist insoweit unzulässig.
b) Hinsichtlich des weiteren Begehrens, dass die Anträge auszuhändigen seien, fehlt ebenfalls das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, so dass die Klage auch insoweit unzulässig ist.
Denn insoweit ist Erledigung eingetreten, da der Kläger unstrittig tatsächlich einen Mehrfachantrag 2017 – wenn auch für E. -gestellt hat. Wie der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Juli 2017 selbst vorgebracht hat, „knallte“ ein Mitarbeiter des AELF Karlstadt „die Antragsunterlagen auf einen in der Diele stehenden Tisch zum Ausfüllen“. Die Antragsunterlagen standen dem Kläger folglich zur Verfügung.
Im Übrigen ist der Kläger darauf zu verweisen, dass er sein Begehren auf einem anderen Weg schneller und leichter hätte durchsetzen können, indem er den Antrag auf der Internetseite des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unter der Rubrik „Förderwegweiser Mehrfachantrag“ abgerufen hätte. Der Antrag stand dort ebenso wie weitere Unterlagen (z.B. das Merkblatt zum Mehrfachantrag, Flächenzu- und -abgänge etc.) als PDF-Version zum Herunterladen zur Verfügung (vgl. die Internetseite des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unter der Rubrik „Förderwegweiser Mehrfachantrag 2018“, wobei hier zu beachten ist, dass der Mehrfachantrag 2018 erstmals ausschließlich elektronisch über das Serviceportal iBALIS gestellt werden kann, weshalb der Mehrfachantrag selbst nicht mehr heruntergeladen werden kann).
Auf die Frage, ob eine Klage auf Aushändigung von Anträgen mit Blick auf § 44a VwGO überhaupt statthaft ist, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
c) Dem Begehren, das Amt habe die Anträge anzunehmen, steht bereits § 44a Satz 1 VwGO entgegen. Bei der Entgegennahme eines Antrags handelt es sich um eine unselbständige, nicht selbständig vollstreckbare Verfahrenshandlung. Vielmehr muss insoweit der Anspruch auf Sachentscheidung verfolgt werden (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 44a Rn. 5). Die Klage ist folglich auch insoweit unzulässig.
2. Im Übrigen wäre die Klage auf Erbringung einer richtigen Beratung auch unbegründet.
Gemäß Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. Nach Abs. 2 erörtert die Behörde, soweit erforderlich, bereits vor Stellung eines Antrags mit dem zukünftigen Antragsteller, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind und in welcher Weise das Verfahren beschleunigt werden kann. Soweit es der Verfahrensbeschleunigung dient, soll sie dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die voraussichtliche Verfahrensdauer und die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben.
Hinsichtlich des Mehrfachantrags 2017 für die Ehefrau des Klägers am 11. Mai 2017 hat ein Beratungsgespräch am AELF Karlstadt stattgefunden, an dem auch der Kläger teilgenommen hat. Dabei wurde insbesondere besprochen, welche Unterlagen dem AELF vorzulegen sind.
Eine umfassende Beratungspflicht quasi in Form einer umfassenden Rechtsberatung, wie sie der Kläger begehrt, insbesondere zu der Frage, ob es besser sei und zu höheren Zahlungsansprüchen führe, wenn eine Kooperation oder Ähnliches gegründet wird, besteht jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage, § 25 Rn. 15a). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AGO (Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern), wonach den Bürgern soweit wie möglich Rat und Hilfe zu gewähren ist und sie bei der Abgabe von Anträgen und Erklärungen zu unterstützen und über Zuständigkeiten, notwendige Unterlagen oder Möglichkeiten zur Gestaltung und Beschleunigung des Verfahrens zu informieren sind.
Auf die Frage der Erfolgsaussichten der Anträge auf Förderung kommt es hier nicht an, da sie nicht Gegenstand des klägerischen Begehrens ist.
Nach alledem hat die Klage keinen Erfolg.
3. Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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