Verwaltungsrecht

Umfang der gerichtlichen Überprüfung der mündlichen Steuerberaterprüfung: Nachholung der Begründung der Prüfungsentscheidung im Überdenkungsverfahren – Maßgeblichkeit der Stimme des Prüfungsvorsitzenden für die Notengebung bei Stimmengleichheit der Prüfer

Aktenzeichen  4 K 580/14

Datum:
17.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
StBerG StBerG § 37 Abs. 1
StBerG StBerG § 37 Abs. 2
DVStB DVStB § 26
DVStB DVStB § 27 Abs. 1
DVStB DVStB § 27 Abs. 2
DVStB DVStB § 27 Abs. 3
DVStB DVStB § 28 Abs. 1
DVStB DVStB § 28 Abs. 2
DVStB DVStB § 29 Abs. 1
DVStB DVStB § 29 Abs. 2
DVStB DVStB § 31
DVStB DVStB § 15 Abs. 1 S. 3
DVStB DVStB § 10 Abs. 1 S. 1
DVStB DVStB § 10 Abs. 2 S. 1
DVStB DVStB § 10 Abs. 2 S. 2
DVStB DVStB § 10 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht München
Az.: 4 K 580/14
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichwort: Prüfungsanfechtung
In der Streitsache

Kläger
gegen

Beklagter
prozessbevollmächtigt: …
wegen Steuerberaterprüfung 2013
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht ., sowie die ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 17. Februar 2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.
Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung des Beklagten über das Ergebnis des Kl bei der Steuerberaterprüfung 2013/2014.
Der Kl ist Diplom-Betriebswirt (FH), strebt den Erwerb der Berufsqualifikation als Steuerberater an und unterzog sich im Jahre 2013 zum dritten Mal der Steuerberaterprüfung. Der Kl war bereits in den beiden Vorjahren zur Prüfung angetreten, hatte jedoch im Jahre 2011 die schriftliche Prüfung nicht bestanden und war im Jahre 2012 aufgrund seines Ergebnisses der schriftlichen Aufsichtsarbeiten zwar zur mündlichen Prüfung zugelassen worden, hatte jedoch auch nach der mündlichen Prüfung die notwendige Mindestgesamtnote nicht erreicht. Bei dem hier klagegegenständlichen Prüfungstermin im Jahre 2013 erreichte er bei seinen drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten auf dem Gebiet des Verfahrensrechts und anderer Steuerrechtsgebiete, auf dem Gebiet der Ertragsteuer sowie auf dem Gebiet der Buchführung und des Bilanzwesens die Noten 4,5, 4,5 sowie 4,0. Aufgrund des sich hieraus ergebenden Notendurchschnitts des schriftlichen Teiles der Steuerberaterprüfung von 4,33 wurde er mit Bescheid der Steuerberaterkammer … vom 3. Januar 2014 zum Termin zur mündlichen Prüfung am 4. Februar 2014 um 8.00 Uhr geladen. Die Prüfungskommission für die mündliche Prüfung des Kl sowie der drei weiteren Prüflinge setzte sich für diesen Prüfungstermin aus Leitender Regierungsdirektorin M, Oberregierungsrätin K und Regierungsrat G als Vertreter der Finanzverwaltung, aus den Steuerberatern E und L als Vertreter des Berufsstandes sowie aus Rechtsanwalt B als Vertreter der Wirtschaft zusammen. Den Prüfungsvorsitz in der mündlichen Prüfung führte M. Der mündliche Teil der Steuerberaterprüfung bestand aus jeweils einem auf maximal 10 Minuten begrenzten und jeweils in Abwesenheit der weiteren Prüflinge gehaltenen Kurzvortrag zu einem aus drei Themen von ihnen selbst ausgewählten Einzelthema sowie aus sechs, für alle Prüflinge gemeinsam erfolgten Prüfungsabschnitten zu den verschiedenen Prüfungsgebieten. Ausweislich der Niederschrift der Prüfungsvorsitzenden dauerte die mündliche Prüfung an diesem Tag von 8.47 Uhr bis 12.51 Uhr. Für seinen Kurzvortrag wählte der Kl das Thema „Die Korrektur von Verwaltungsakten nach der AO“, für dessen Vorbereitung ihm die Zeit von 8.15 Uhr – 8.45 Uhr eingeräumt war. Die Prüfungsleistung des Kl in Bezug auf den Kurzvortrag bewerteten die Prüfer übereinstimmend mit der Note 4,0. In den folgenden sechs Prüfungsabschnitten, die der Reihe nach von E, G, B, K, L und M bestritten wurden, erzielte der Kl nach der Bewertung der Prüfer laut handschriftlich ausgefülltem Notenblatt die Einzelnoten 4,0, 4,5, 4,0, 4,0, 4,5 und 5,0. Sowohl für den Kurzvortrag als auch für fünf Prüfungsabschnitte vergaben die Prüfer übereinstimmend jeweils dieselbe Note. Nur für den Prüfungsabschnitt des Prüfers L wurde dreimal die Einzelnote 4,0 und dreimal die Einzelnote 4,5 vergeben, wobei die Prüfungsvorsitzende als Gesamtnote dieses Prüfungsabschnitts auf dem Notenblatt die Note 4,5 festsetzte. Dem Kurzvortrag des Kl in der Zeit von 8.47 Uhr bis 8.57 Uhr folgten die Vorträge der drei weiteren Prüflinge. Die dann in der Zeit von 9.47 Uhr bis 12.51 Uhr folgenden Prüfungsabschnitte waren nur zweimal, d. h. in der Zeit von 10.29 Uhr bis 11.05 Uhr sowie von 11.50 Uhr bis 12.05 Uhr unterbrochen. Während der mündlichen Prüfung war Steuerberater W zur Vorbereitung auf seine künftige Aufgabe als Prüfer als Hospitant im Prüfungsraum anwesend. Ausweislich der in der Prüfungsakte befindlichen sowohl von der Prüfungsvorsitzenden als auch von W unterschriebenen „Anlage Hospitant“ war letzterer zur Beurteilung des Kurzvortrags des Kl durch die Prüfer sowie während der beiden Prüfungsunterbrechungen und der Schlussbeurteilungsrunde der Prüfer von 12.50 Uhr bis 13.00 Uhr nicht im Prüfungsraum anwesend. Ausweislich des Notenblattes mit den tatsächlichen Einzelwertungen aller Prüfer betrug die Gesamtnotensumme 30, woraus sich eine Durchschnittsnote für die mündliche Prüfung von 4,28 sowie eine Gesamtdurchschnittsnote von 4,30 errechnete. Aufgrund des Überschreitens des zum Bestehen der Prüfung erforderlichen Notenschnitts von 4,15 gab die Prüfungsvorsitzende dem Kl am 4. Februar 2014 mündlich bekannt, dass er die Steuerberaterprüfung nicht bestanden hatte und händigte ihm eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung aus. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Prüfung verlangte der Kl keine Begründung des Prüfungsergebnisses. Das vom Kl bei der Steuerberaterkammer … in Bezug auf die mündliche Prüfung beantragte Überdenkungsverfahren führte zu keiner Änderung des Prüfungsergebnisses. In ihren jeweils getrennt abgegebenen Stellungnahmen hielten die Prüfer ihre bisherige Leistungseinschätzung aufrecht.
Gegen den Prüfungsbescheid vom 4. Februar 2014 erhob der Kl mit Schriftsatz vom 4. März 2014 Klage. Mit seiner an demselben Tag bei Gericht eingegangenen Klage wendet er sich ausschließlich gegen das Ergebnis des mündlichen Teiles der Steuerberaterprüfung und trägt zur Begründung im Wesentlichen folgendes vor:
Bei der Beurteilung seines Kurzvortrages hätten die Prüfer insbesondere den von ihm gewählten Aufbau, seine Darstellung, seine Körpersprache und sein Auftreten nicht angemessen berücksichtigt. Zum einen habe er die Zeitvorgabe von zehn Minuten für den Kurzvortrag genau eingehalten und zum anderen haben weitere Ausführungen gerade wegen dieses Zeitrahmens nicht erwartet werden können. Eine sachgerechte Bewertung wäre hierfür die Note 2,5 bis 3,0 gewesen. Die Stellungnahme im Überdenkungsverfahren in Bezugnahme auf die durch Steuerberater E geleitete Prüfungsrunde enthalte im Wesentlichen nur eine Darstellung der Leistungsmängel und stelle keine umfassende Würdigung seiner Leistung dar. Auch insoweit hätte eine sachgerechte Bewertung zur Note 2,5 bis 3,0 führen müssen. Das Prüfungsthema der von der Prüfungsvorsitzenden M geleiteten Prüfungsrunde betreffend „Vereinbarungen mit dem Finanzamt“ sei schließlich nicht nur von ihm sondern auch von den anderen Prüfungsteilnehmern unzutreffend bearbeitet worden. Der Umstand, dass der Kl im Zusammenhang mit dem Thema der Steuerfahndungsprüfung anstatt von einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss von einer richterlichen Genehmigung gesprochen habe, lasse nicht darauf schließen, dass er von der Rechtsmaterie überhaupt keine Ahnung gehabt hätte. Anstatt der Note 5,0 sei die Note 4,0 bis 4,5 angemessen gewesen. Seine Leistung in der von Steuerberater L geführten Prüfungsrunde sei mit gleicher Stimmenzahl mit der Note 4,0 und mit der Note 4,5 bewertet worden. Es sei rechtlich zweifelhaft, dass in einem solchen Fall die Note anstatt aufgewertet tatsächlich auf 4,5 abgewertet werden dürfe. Schließlich sei die eigenständige Beurteilung durch die Prüfer schon deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil diese während der mündlichen Prüfung die Akten der Prüfungsteilnehmer und die schriftlichen Aufsichtsarbeiten durchgesehen und deswegen der mündlichen Prüfung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet hätten. Abgesehen davon führe die Kenntnis der Vornoten, der persönlichen Vorgeschichte des Kl, vor allem aber auch seiner beiden vorangegangenen erfolglosen Prüfungsversuche zu einer ihn benachteiligenden Voreingenommenheit der Prüfer. Schließlich sei es unzutreffend, dass er keine Begründung für seinen Prüfungsmisserfolg verlangt habe.
Der Kl beantragt,
unter Aufhebung der Prüfungsentscheidung vom 4. Februar 2014 den Beklagten zu verpflichten, seine Leistungen in der mündlichen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten,
hilfsweise für den Fall, dass die Neubewertung der Prüfungsleistung für das Bestehen nicht ausreichen sollte, den Kl zur Ableistung des mündlichen Teiles der Steuerberaterprüfung erneut zu laden,
hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrags verweist der Beklagtenvertreter auf die abschlägigen Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren und hält die Prüfungsentscheidung deswegen für rechtmäßig. Im Prüfungsabschnitt des Steuerberaters L sei die Gesamtnote kraft der Befugnis der Prüfungsvorsitzenden getroffen worden, bei Gleichstand der Bewertung der Prüfer die Note zu bestimmen. Im Übrigen stehe fest, dass der Kl im Termin zur mündlichen Prüfung keine Begründung des Prüfungsergebnisses verlangt habe.
Der erkennende Senat hat die Klage zunächst ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 22. Oktober 2015, der dem Kl mittels Postzustellungsurkunde am 29. Oktober 2015 zugestellt worden ist, abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 27. November 2015, der an demselben Tag bei Gericht einging, beantragte der Kl die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die den Kl betreffende Behördenakte, insbesondere auf den Sachvortrag des Kl im Überdenkungsverfahren, auf die Stellungnahmen der Prüfer hierzu, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2016 sowie auf den nach Abschluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz des Kl vom 21. Februar 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.) Da der Kl innerhalb der Frist des § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO nach Zustellung des Gerichtsbescheides vom 22. Oktober 2015 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen (§ 90a Abs. 3 Halbsatz 2 FGO). Der Senat hat demnach durch Urteil über die Klage zu entscheiden (§ 95 FGO).
2.) Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist fristgerecht erhoben worden (§ 47 Abs. 1 Satz 2 FGO) und auch im Übrigen zulässig (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Ein außergerichtliches Vorverfahren im Sinne des § 44 Abs. 1 FGO ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 164a Abs. 1 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes -StBerG- in Verbindung mit § 348 Nr. 4 der Abgabenordnung -AO-).
3.) Die Klage ist jedoch unbegründet.
a) Die Bewertung von Prüfungsleistungen ist ein Vorrecht der Prüfer. Nur die nach der Prüfungsordnung berufenen Prüfer haben die jeweilige Prüfungsleistung zu bewerten, nicht hingegen das Gericht oder ein vom Gericht bestellter Sachverständiger. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) kann die angefochtene Prüfungsentscheidung deshalb gerichtlich nur begrenzt überprüft werden. Dabei ist zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen zu unterscheiden (für viele: BFH Urteile vom 11. November 1997 VII R 66/97, BFHE 184, 157, BStBl II 1998, 218 und vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93; BVerwG Beschlüsse vom 2. Juni 1998, 6 B 78/97 und vom 13. März 1998, 6 B 28/98, jeweils in juris). Während fachlichwissenschaftliche Wertungen (d. h. Fachfragen) nach den Beurteilungskriterien „richtig“, „falsch“ oder „vertretbar“ überprüfbar und damit justiziabel sind, beruhen prüfungsspezifische Wertungen auf der eigenen Prüfungserfahrung des jeweiligen Prüfers und der unwiederholbaren Prüfungssituation und sind Ausdruck des prüferischen Bewertungsspielraums. Mithin sind prüfungsspezifische Wertungen im gerichtlichen Verfahren nicht rekonstruierbar und entziehen sich einer justiziellen Nachprüfung (vgl. z. B.: BFH Urteil vom 3. Februar 2004 VII R 1/03, BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842). Hat der Prüfer seine Beurteilung der Leistung des Prüflings im Zeitpunkt der Vornahme der Bewertung der Prüfungsleistung nicht ausreichend begründet, so kann er seine Begründung im Überdenkungsverfahren und darüber hinaus noch bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Rechtsschutzverfahrens ergänzen oder nachholen (BVerwG-Urteil vom 9. Dezember 1992, 6 C 3/92, a. a. O.; Sächsisches FG-Urteil vom 11. Dezember 1996, 1 K 119/96, EFG 1997, 566).
b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich demnach Folgendes:
aa) Der Kl hat in seiner Klagebegründung im Wesentlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die im Rahmen des Überdenkungsverfahrens den Prüfern Gelegenheit geben sollen, ihren Beurteilungsspielraum bei der Notenfindung noch einmal und zu seinen Gunsten auszuüben.
Er führt in Bezug auf seinen Kurzvortrag, aber auch die übrigen Prüfungsabschnitte Kriterien auf, die seiner Ansicht nach durch die Prüfer unberücksichtigt geblieben seien. Im Einzelnen setzt er der Prüferbeurteilung seine eigene Bewertung entgegen, nimmt eine erneute Abwägung und eine subjektive Einschätzung seiner Leistung vor. Wenn der Kl darauf abstellt, dass er für seinen Kurzvortrag den ihm eingeräumten Zeitrahmen von zehn Minuten optimal ausgeschöpft habe, etliche Kriterien seines Vortrages, wie Aufbau des Themas, Darstellung, Auftreten und Körpersprache ausweislich der Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren jedoch bei der Leistungsbewertung unberücksichtigt geblieben seien, trägt er insoweit keine Umstände vor, die einen Bewertungsfehler der Prüfer schlüssig begründen würden. Zum einen ist aus der Tatsache, dass die genannten Aspekte in den Stellungnahmen der Prüfer im Rahmen des Überdenkungsverfahrens keinen deutlicheren Niederschlag gefunden haben, nicht zu schließen, dass sie bei der unmittelbaren Leistungsbewertung tatsächlich völlig unberücksichtigt geblieben sind; zum anderen dürfte im allgemeinen der Schwerpunkt der Leistungsbewertung der Prüfer weniger auf den Äußerlichkeiten und mehr auf dem substanziellen Inhalt des Kurzvortrages gelegen haben. Jedenfalls ergeben die diesbezüglichen Einwendungen des Kl keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungsspielraumes der Prüfer. Soweit der Kl in seinem nach Abschluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingereichten Schriftsatz vom 21. Februar 2016 behauptet, die Prüfer seien insgesamt ihm gegenüber voreingenommen gewesen, macht er hierzu nur allgemein gehaltenen Ausführungen, ohne einen konkreten Umstand vorzutragen, der seine Behauptung zu belegen geeignet wäre.
Dasselbe gilt für seine Einwendung, in den Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren, insbesondere betreffend die von Steuerberater E geleitete Prüfungsrunde, seien nur Leistungsmängel des Kl gerügt, nicht jedoch eine abgewogene Leistungsbeurteilung vorgenommen worden. Die Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren dienen dazu, die Überprüfung der bisherigen Leistungsbewertung durch die Prüfer zu erläutern. Dies kann im Einzelfall den Prüfer dazu veranlassen, der naturgemäß positiven Darstellung der Prüfungsleistung durch den Prüfling, auch die vom Prüfer als Leistungsmängel erkannten Gesichtspunkte entgegen zu setzen, um die Prüfungsentscheidung zu verdeutlichen. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Prüfer hätten grundsätzlich nur die Mängel der Leistung berücksichtigt. Auch die zutreffende Beantwortung einzelner Prüfungsfragen durch den Prüfling bietet keine Grundlage für eine abweichende Bewertung der Prüfungsleistung, solange keine Zweifel daran bestehen, dass die Prüfer die Richtigkeit seiner Antwort erkannt und im Rahmen seines gesamten Leistungsbildes gewürdigt haben. Für solche Zweifel ergibt die Klagebegründung jedoch keinen Anhaltspunkt. Die Ausführungen des Kl zu dem ihm unbestritten zustehenden Antwortspielraum bei der Behandlung der Prüfungsfragen geben auch nur die allgemeine Rechtslage wieder, ohne eine konkretisierbare Beanstandung der Beurteilung seiner Prüfungsleistung zu benennen.
Ebenso wenig lässt die Stellungnahme der Prüfungsvorsitzenden M im Überdenkungsverfahren den Schluss zu, dass allein eine möglicherweise ungenaue Antwort des Kl in Bezug auf das Prüfungsthema „Steuerfahndung“ das Leistungsbild des Kl entscheidend geprägt hat. Die Leistungsbewertung der Prüfer ergibt sich in der Summe aus einer Vielzahl einzelner Leistungsaspekte. In keinem der vom Kl gerügten Einzelpunkte ergibt sich ein Anhaltspunkt für eine fehlerhafte Bewertung durch die Prüfer. Im Verfahren der gerichtlichen Überprüfung von Prüfungsleistungen ist nicht maßgeblich ob anstatt der getroffenen Bewertung eine andere, für den Prüfling günstigere gleichermaßen vertretbar gewesen wäre. Nur eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungsspielraums durch die Prüfer ist seitens des Senats überprüfbar. Eine solche ergibt sich jedoch nicht aus den dargestellten Einwendungen des Kl. Die Gesamtwürdigung des Leistungsbildes des Kl ist Aufgabe der Prüfer und nicht des Gerichts. Im Übrigen geben Gedächtnisprotokolle nur einen groben und punktuellen Abriss der historischen und deshalb nicht wiederholbaren Prüfungssituation wieder. Für den Streitfall völlig unerheblich ist, ob die anderen Prüfungskandidaten zu bestimmten Themenbereichen und Prüfungsfragen gleichfalls unzutreffende Antwort gegeben haben. Deren Leistungsbild ist nicht Gegenstand des Klageverfahrens.
bb) Soweit der Kl die Bildung der Gesamtnote von 4,5 für den von Steuerberater L geführten Prüfungsabschnitt rügt, führt dies nicht zu einer zugunsten des Kl abweichenden Prüfungsentscheidung. Die sechs Prüfer hatten jeweils zur Hälfte für die Note 4,0 und zur Hälfte für die Note 4,5 gestimmt. Jedenfalls ist es unzulässig, hieraus das arithmetische Mittel anzusetzen, weil die zu vergebenden möglichen Einzelnoten in § 15 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStB) abschließend vorgeschrieben sind. Zugelassen ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 DVStB allenfalls die Bewertung mit halben Zwischennoten. Für sämtliche Entscheidungen des Prüfungsausschusses, zu dessen (stellvertretenden) Mitgliedern im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz1 DVStB auch die Prüfungskommission in dem hier klagegegenständlichen Prüfungstermin zählen, gilt der Grundsatz der Stimmenmehrheit (§ 10 Abs. 2 Satz 1 DVStB). Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Prüfungsvorsitzenden entscheidend (§ 10 Abs. 2 Satz 2 DVStB). Diese Vorschrift findet nicht nur auf die Bildung der abschließenden Gesamtnote, sondern auch auf die Gesamtnote für einzelne Prüfungsabschnitte Anwendung. Hierdurch ist sichergestellt, dass bei Stimmengleichheit nicht zwangsläufig eine Auf- oder Abwertung der Note vorzunehmen ist, sondern die Verantwortung hierfür dann beim Prüfungsvorsitz liegt. Im Streitfall hat die Prüfungsvorsitzende in Übereinstimmung mit dieser Vorschrift die Gesamtnote für den in Rede stehenden Prüfungsabschnitt auf 4,5 bestimmt. Ungeachtet dieser Erwägungen hätte der Kl jedoch auch bei Vergabe der Note 4,0 für diesen Prüfungsabschnitt den nach § 28 Abs. 1 Satz 2 DVStB erforderlichen Mindestdurchschnitt von 4,15 nicht erreicht.
cc) Der Einwendung des Kl, die Kenntnis seiner Prüfungsakte, insbesondere die Kenntnis seiner schriftlichen Vornoten sowie des Umstandes, dass er die Prüfung bereits zum zweiten Male wiederholt hatte, habe zu einer nicht sachgerechten Voreingenommenheit der Prüfer ihm gegenüber geführt oder zumindest hierfür unzulässigerweise Anlass gegeben, ist die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 DVStB entgegenzuhalten. Danach haben die Mitglieder des Prüfungsausschusses das Recht, die Zulassungs- und Prüfungsunterlagen (des jeweiligen Prüflings) einzusehen. Hierdurch wird den Prüfern unter anderem ermöglicht, sich ein umfassendes Bild von der beruflichen Aus- und Vorbildung des Prüfungskandidaten zu machen. Auch die Kenntnis der Prüfer von der Tatsache der Wiederholungsprüfung des Kl bzw. seiner Vornote ist für diesen nicht zwingend nachteilig. Vielmehr werden die Prüfer in einem solchen Fall die Bedeutung der Einschätzung der Prüfungsleistung im besonderen Maße und unter Berücksichtigung der Verantwortung für die berufliche Existenz des Prüflings abzuwägen haben. Nur bei Kenntnis der „Vorgeschichte“ des Prüflings kann diesem auch die notwendige Gelegenheit zur Notenverbesserung bzw. zum Nachweis seiner ausreichenden Prüfungsleistung geboten werden. Der Verordnungsgeber ist ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass ein Prüfer durch die Kenntnis der Prüferakte nicht in einer den Prüfling benachteiligenden Weise voreingenommen sein wird, sondern diese zu einem höheren Grad an Ausgewogenheit der Prüfungsentscheidung führt.
dd) Soweit der Kl einwendet, die Lektüre der Prüfungsunterlagen durch die Prüfer während der mündlichen Prüfung habe deren Aufmerksamkeit für die individuelle Prüfungsleistung des Kl beeinträchtigt, ergeben sich aus seinem Sachvortrag keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, für welches Mitglied der Prüfungskommission in welchem Zeitraum diese Behauptung zutreffen soll. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob der von ihm geschilderte Umstand tatsächlich während des Zeitraumes seiner eigenen Prüfungsleistung gegeben gewesen ist. Abgesehen davon gibt der tatsächliche Geschehensablauf einer mündlichen Prüfung regelmäßig ausreichend Zeit, neben der notwendigen Aufmerksamkeit für das Prüfungsverhalten der Prüfungskandidaten auch Unterlagen überschlägig zur Kenntnis zu nehmen. Nicht zuletzt sichert auch der Umstand des Einsatzes von immerhin sechs Prüfern eine in jedem Fall hinreichende Aufmerksamkeit für die konkreten Leistungen der Prüflinge.
ee) Die Frage, ob der Kl nach der Bekanntgabe seines Prüfungsergebnisses von den Prüfern eine Begründung verlangt hat oder nicht, ist letztlich nicht entscheidungserheblich. Seine – im Übrigen weder näher substantiierte noch belegte – Behauptung, er habe eine solche verlangt, steht im Widerspruch zur Dokumentation in der Niederschrift über die mündliche Prüfung (§ 31 DVStB) sowie zur eindeutigen Stellungnahme der Prüfungsvorsitzenden, eine Begründung sogar mehrfach angeboten zu haben. Der Senat braucht diesen Streitpunkt jedenfalls deshalb nicht zu klären, weil die im Prüfungstermin gegebenenfalls unterlassene Begründung der Prüfungsentscheidung in jedem Fall durch die ausführlichen Stellungnahmen der Prüfer im Überdenkungsverfahren sowie im Klageverfahren nachgeholt worden ist.
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Da der erkennende Senat nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abweicht, kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Auch die übrigen in § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.


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