Verwaltungsrecht

Unbegründete Anhörungsrüge wegen Nichtbeachtung nachgereichter Unterlagen im Eilverfahren

Aktenzeichen  M 17 S9 17.31807

Datum:
13.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 152a
AsylG AsylG § 76 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1 Da die Anhörungsrüge der Selbstkorrektur dient, hat das Gericht in der Besetzung der Ausgangsentscheidung zu entscheiden, so dass in Fällen des § 76 Abs. 4 S. 1 AsylG der Einzelrichter entscheidungsbefugt ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Gehörsverletzung liegt nicht vor, wenn der zuständige Einzelrichter vorgelegte Gutachten und Atteste erst nach seiner Entscheidung erhält. (redaktioneller Leitsatz)
3 Es fehlt auch an der Entscheidungserheblichkeit, wenn der gerügte Gehörsverstoß nicht kausal für die getroffene Entscheidung war, weil die Klage in der Hauptsache auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen abgewiesen wurde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der am … November 2015 in den Niederlanden geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger des Kosovo. Eine Stellungnahme der gesetzlichen Vertreter des Antragstellers zu eigenen Asylgründen des Antragstellers erging trotz Aufforderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nicht.
Der Asylantrag der Eltern des Antragstellers war abgelehnt worden, die hiergegen erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 27. Dezember 2016 ab (M 4 K 15.30738).
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2016, zugestellt am 6. Dezember 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung in den Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Der gesetzliche Vertreter des Klägers erhob am 12. Dezember 2016 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen die Nrn. 1 und 3 bis 5 des Bescheids (M 17 K 16.35320). Ein gleichzeitig gestellter Antrag, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 11. Januar 2017 abgelehnt (M 17 S. 16.35321).
Mit Schreiben vom 17. Januar 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 30. Januar 2017, erhob die Antragstellerseite Anhörungsrüge.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass am … Dezember 2016 ein ausführliches psychiatrisches Gutachten und psychiatrische Atteste die Mutter des Antragstellers betreffend per Post an das Verwaltungsgericht geschickt worden seien. Ein weiteres Schreiben sei am 26. Dezember 2016 per Post gesendet worden. Dem Inhalt des Beschlusses vom 11. Januar 2017 sei zu entnehmen, dass all dies nicht berücksichtigt worden sei.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und in den Verfahren M 17 K 16.35320 und M 17 S. 16.35321 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Da die Anhörungsrüge der Selbstkorrektur dient, hat das Gericht in der Besetzung der Ausgangsentscheidung zu entscheiden, so dass hier gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidungsbefugt ist (vgl. BayVGH, B. v. 30.06.2015 – 22 CS 15.1055 – juris Rn. 4; Sächsisches OVG, B. v. 22.02.2016 – 3 A 22/16 – juris Rn. 1; OVG NRW, B. v. 6.12.2011 – 18 D 1472/11 – juris). Die gerichtliche Überprüfung ist auf den gerügten Gehörsverstoß und seine Kausalität für die getroffene Entscheidung beschränkt (vgl. BayVGH, B. v. 08.09.2016 – 10 C 16.1214; B. v. 07.11.2016 – 10 BV 16.962; B. v. 08.11.2016 – 15 ZB 15.1069 – jeweils juris).
Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet.
1. Gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
2. Zwar ist gegen den Beschluss vom 11. Januar 2017 im Verfahren M 17 S. 16.35321 gemäß § 80 AsylG kein Rechtsbehelf gegeben, das rechtliche Gehör des Antragstellers wurde jedoch nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2.1 Zum einen hat der zuständige Einzelrichter die Schreiben vom 23. und 26. Dezember 2016 – aus welchen Gründen auch immer – offenbar erst am 19. Januar 2017 erhalten (s. handschriftliche Verfügung von diesem Tag im Vorgang M 17 S. 16.35321), so dass schon aus diesem Grund die mit diesem Schreiben übermittelten Unterlagen im Rahmen des Beschlusses vom 11. Januar 2017 nicht berücksichtigt werden konnten.
2.2 Zum anderen fehlt es aber – selbst wenn man eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bejahen würde – insoweit an der Entscheidungserheblichkeit (vgl. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO), da der gerügte Gehörsverstoß nicht kausal war für die getroffene Entscheidung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 152a Rn. 12 f., 20). Denn auch bei Berücksichtigung der Schreiben vom 23. und 26. Dezember 2016 und der dabei vorgelegten Unterlagen hätte dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung und damit zu keiner anderen Entscheidung im Verfahren M 17 S. 16.35321 geführt. Insoweit wird auf den mittlerweile ergangenen Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2017 im Verfahren M 17 K 16.35320 Bezug genommen, mit dem die Klage – auch unter Berücksichtigung der genannten Unterlagen (s. S. 7 f.) – abgewiesen wurde.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO, § 80 AsylG).


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