Verwaltungsrecht

Unbegründeter Berufungszulassungsantrag eines türkischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  24 ZB 20.31388

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20571
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 27, § 29, § 78

 

Leitsatz

1. Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG verlangt, dass eine tatsächliche Frage nicht nur aufgeworfen wird, sondern im Wege der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil und mit den wichtigsten Erkenntnismitteln, etwa aktuellen Lageberichten des Auswärtigen Amts, herausgearbeitet wird, warum ein allgemeiner Klärungsbedarf bestehen soll. (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Die Rücknahmebereitschaft iSv § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG knüpft stets an den konkreten Einzelfall an und ist vor diesem Hintergrund einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Mit der im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens geübten Kritik an der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung bzw. der Würdigung des Vorbringens eines Asylbewerbers durch das Verwaltungsgericht im Einzelfall kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (vgl. BVerwG BeckRS 2014, 55393). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 6 K 18.32013 2020-06-03 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Der zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Asylrechtsstreitigkeit, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für das Berufungsverfahren erheblich wäre. Eine verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher Natur ist als grundsätzlich bedeutsam anzusehen, wenn sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel klärungsbedürftige Gesichtspunkte ergeben, weil diese Erkenntnismittel in ihrer Gesamtheit keine klare und eindeutige Aussage zu der Tatsachenfrage zulassen. Insoweit verlangt das Darlegungserfordernis gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass die tatsächliche Frage nicht nur aufgeworfen wird, sondern im Wege der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil und mit den wichtigsten Erkenntnismitteln, etwa aktuellen Lageberichten des Auswärtigen Amtes, herausgearbeitet wird, warum ein allgemeiner Klärungsbedarf bestehen soll (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 211 ff.). Dabei gilt allgemein, dass die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannt werden dürfen, sondern sich nach der Begründungstiefe der angefochtenen Entscheidung zu richten haben.
a) Der Kläger formuliert zunächst als klärungsbedürftige Frage, „ob nach der Abschiebung des Gülenisten Harun Celik im Januar 2020 für Anhänger der Gülen-/Hizmet-Bewegung der Drittstaat Albanien einen sonstigen Drittstaat im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 1 AsylG darstellt, in dem mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass eine Abschiebung in die Türkei erfolgen wird“. Diese Frage ist in dieser Formulierung nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass der Fall des türkischen Staatsangehörigen Celik mit dem des Klägers nicht vergleichbar ist, da der Kläger im Unterschied zu dieser Person über gültige Personaldokumente und ein gültiges Aufenthaltsrecht in Albanien verfügte.
b) Weiter formuliert der Kläger, es müsse geklärt werden, „ob in Albanien im Rahmen eines Arbeitsvisums einem langfristig Aufenthaltsberechtigten nach zwei oder mehr Jahren Abwesenheit weiterhin ein Aufenthaltsrecht in Albanien zusteht und bejahendenfalls, ob dieses von einer Abschiebung in die Türkei mit hinreichender Sicherheit im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 AsylG schützen könnte.“ Diese Frage ist ersichtlich auf die Besonderheiten des klägerischen Aufenthalts in Albanien zugeschnitten. Im Übrigen knüpft die Rücknahmebereitschaft im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG stets an den konkreten Einzelfall an (BT-Drucksache 18/8883, S. 7 – „Zu Ziffer 24“) und ist vor diesem Hintergrund einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich.
2. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich auch der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BayVGH, B.v. 27.3.2018 – 9 ZB 18.30057 – juris Rn. 21 m.w.N.). Dass dem das Verwaltungsgericht nicht ausreichend nachgekommen wäre, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Entgegen den Ausführungen in der Zulassungsbegründung hat das Ausgangsgericht den Vortrag, dass ein türkischer Staatsangehöriger namens Celik von Albanien an die Türkei überstellt wurde, tatsächlich zur Kenntnis genommen (UA S. 14). Es hat ihn lediglich anders gewürdigt, als dies nach der Meinung des Klägers notwendig gewesen wäre. Mit der damit vom Kläger geübten Kritik an der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung bzw. der Würdigung seines Vorbringens durch das Verwaltungsgericht im Einzelfall kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör aber grundsätzlich nicht begründet werden (BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Soweit ein Verstoß gegen die umfassende Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) behauptet wird, ist damit kein in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht. Ein solcher Vortrag vermag somit die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen (BayVGH, B.v. 22.5.2019 – 9 ZB 19.31904 – juris Rn. 3). Ein beachtlicher Verfahrensfehler im Sinne einer Gehörsverletzung kann ausnahmsweise zwar dann gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (BayVGH, B.v. 1.10.2019 – 9 ZB 19.33217 – juris Rn. 8). Einen derartigen Mangel zeigt das Zulassungsvorbringen aber nicht auf.
Von einer weiteren Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben