Verwaltungsrecht

Unklare Identität kann zur Versagung der Beschäftigungserlaubnis führen

Aktenzeichen  Au 6 K 18.695

Datum:
17.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27004
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 15, § 48, § 61 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Entscheidung der Ausländerbehörde im Rahmen der Ermessensabwägung, angesichts der nicht bestätigten Echtheit der vorgelegten Tazkira und der mehrfachen widersprüchlichen Angaben zur Erlangung der Tazkira die begehrte Erlaubnis nicht zu erteilen, ist nicht zu beanstanden.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Erteilung der o.g. Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung, da der versagende Bescheid vom 12. April 2018 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Erteilung der o.g. Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung.
a) Anspruchsgrundlage der begehrten Beschäftigungserlaubnis kann, da sich der Kläger noch im laufenden Asylverfahren befindet, nur § 61 Abs. 2 AsylG sein. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist.
Der Kläger hält sich seit dem Jahr 2013 als Asylbewerber im laufenden Asylverfahren nach § 55 i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG gestattet im Bundesgebiet auf, also mehr als drei Monate. Er stammt nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG und ist nicht deshalb nach § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG von einer Beschäftigungserlaubnis ausgeschlossen. Daher steht die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im Ermessen der Behörde („kann“).
b) Die gerichtliche Prüfungsdichte bemisst sich nach der Regelung des § 114 VwGO, was im Wesentlichen zur Folge hat, dass die Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden, so dass der Kläger keinen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Verbescheidung hat.
Dabei hat der Beklagte die maßgeblichen positiven Belange des Klägers, insbesondere seine Mitwirkung an der Identitätsklärung durch Vorlage einer Tazkira als solche, erkannt und in die Abwägung miteingestellt.
Voraussichtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte die Ablehnung des Beschäftigungsantrags auf die noch ungeklärte Identität des Klägers gestützt hat.
Der Beklagte hat zunächst zutreffend im Ermessensweg berücksichtigt, dass die Identität des Klägers nach wie vor ungeklärt ist. Alle Daten zu seiner Person beruhen auf seinen Angaben, die er in Deutschland für ein weiteres Asylverfahren bereits einmal gewechselt hatte. Er ist nicht nur ohne Pass und damit unter Verstoß gegen die nach § 3 AufenthG grundsätzlich für alle Ausländer im Bundesgebiet geltende Passpflicht eingereist, sondern er hat auch bis heute keinen Pass oder sonst ein erwiesen gültiges Identitätsdokument vorgelegt. Zwar hat er zwischenzeitlich eine Tazkira beigebracht, deren physikalisch-technische Urkundenuntersuchung noch aussteht. Angesichts der auch nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zweifelhaften Umstände ihrer Erlangung kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um eine nichtamtliche Ausstellung handelt. Wegen der Einzelheiten seiner widersprüchlichen Angaben zur Erlangung der Tazkira, zum behaupteten Fehlen von zur Identitätsklärung hilfreichen Dokumenten und Personen im Herkunftsstaat wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheids und den Inhalt der eingangs näher wiedergegebenen Behördenakten verwiesen.
Dem Verwaltungsgericht ist aus dem auch dem Klägerbevollmächtigten bekannten Lagebericht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 19.10.2016, S. 25; bestätigt durch Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 31.5.2018, S. 29) bekannt, dass es in Afghanistan echte Dokumente unwahren Inhalts in erheblichem Umfang gebe; Pässe und Personenstandsurkunden würden von afghanischen Ministerien und Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Es gebe kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten. Die Tazkira werde als Personenstandsregisterauszug nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. Gleichwohl tauchte z.B. in einem Gerichtsverfahren eine verfälschte Tazkira auf (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.11.2017 – Au 6 K 17.346 Rn. 30 f.), welche sich der dortige Kläger nicht auf den beiden offiziellen Wegen unter Vorlage von Originaldokumente von Verwandten in Afghanistan oder unter Beantragung beim afghanischen Generalkonsulat beschafft hat, sondern durch Beauftragung eines Freundes mit der Beschaffung einer Tazkira. Ein solcher Fall liegt wohl auch beim Kläger vor, der zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, Zugang zu Originaldokumenten Verwandter zu haben oder beim afghanischen Generalkonsulat unter Angabe der Registriernummer eine Tazkira beantragt zu haben. Der dritte Weg einer „vereinfachten“ Dokumentenbeschaffung birgt daher ein besonders hohes Risiko, dass das Ergebnis einer Echtheitsüberprüfung nicht standhält. Dass auch eine als echt eingestufte Tazkira angesichts des mangelhaften Dokumentenwesens in Afghanistan ein Risiko unwahren Inhalts und damit einer doch nicht geklärten Identität birgt, worauf der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, trifft zu. Die Konsequenz aber wäre dann, afghanischen Dokumenten generell die Unwahrheit zu unterstellen und die Identität afghanischer Staatsangehöriger – mit allen Folgen für die Betroffenen – generell als ungeklärt anzusehen. Insofern unterstellt der Gesetzgeber afghanischen Staatsangehörigen wie dem Kläger aber, ihrer Wahrheitspflicht nach § 15 AsylG bzw. § 48 AufenthG nachzukommen und sanktioniert Pflichtenverstöße strafrechtlich über § 267 StGB.
Hinzu kommt hier, dass der Kläger – soweit aus den Behördenakten ersichtlich ohne äußeren Anlass – zwei Mal gegenüber verschiedenen Ärzten eine pakistanische Staatsangehörigkeit behauptet hatte (Attest vom 27.8.2013, Attest vom 8.7.2014), während er noch bei seiner Asylerst- und Asylzweitantragstellung eine afghanische Staatsangehörigkeit behauptet hatte. Da jeweils Dolmetscher die Übersetzung vornahmen, kann nicht von einer bloßen Verwechslung ausgegangen werden. Auch auf diese widersprüchlichen Angaben stützt sich der Beklagte zu Recht. Die Einlassung des Klägers, diese Angaben aus Angst vor einer Abschiebung gemacht zu haben, mag zutreffen, ändert aber nichts an der Tatsache der vorsätzlichen Identitätstäuschung.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten, bis zur Bestätigung der Echtheit der vorgelegten Tazkira angesichts der Aliaspersonalien des Klägers und der widersprüchlichen Angaben zur Erlangung der Tazkira vorläufig nicht von einer geklärten Identität des Klägers auszugehen und die begehrte weitergehende Erlaubnis zur Beschäftigung noch nicht zu erteilen, ihm aber umgekehrt eine zeitlich beschränkte Erlaubnis zur Beschäftigung weiter zu erteilen bzw. zu belassen, ist daher nicht zu beanstanden.
Umgekehrt wird der Beklagte, sollte sich die Tazkira als echt herausstellen, voraussichtlich nicht mehr an seiner Ermessensentscheidung festhalten können.
2. Nach alldem war die gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 61 und § 83b AsylG abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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