Verwaltungsrecht

Unstatthafter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  M 12 E 16.1674

Datum:
18.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34a Abs. 1 u. 2 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 1.250 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben am … geboren und senegalesischer Staatsangehöriger. Er reiste wiederum eigenen Angaben zufolge am 28. April 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 15. Juli 2015 einen Asylantrag.
Es ergab sich ein EURODAC-Treffer für Italien (IT1.).
Am 10. September 2015 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien wegen der Rückübernahme des Antragstellers gerichtet. Das Wiederaufnahmegesuch wurde von den italienischen Behörden nicht beantwortet.
Mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr.1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr.2). Das gesetzliche Einreise- und Abschiebungsverbot wurde auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr.3). Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 12. Dezember 2015 mit Postzustellungsurkunde unter der Adresse … in … zugestellt.
Am 29. Februar 2016 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den vorgenannten Bescheid Klage erhoben (M 18 K 16.50187), über die noch nicht entschieden ist, und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsteller ab 18. September 2015 die Unterkunft in …, …-str. … zugewiesen worden sei. Das Ausländeramt sei verpflichtet, die Adresse dem Bundesamt mitzuteilen. Auch die ihn betreuenden Personen hätten zugesagt, das Bundesamt über die Adressänderung zu informieren. Dem Antragsteller sei nicht bekannt, welcher Bescheid ihm habe zugestellt werden sollen. Der Antrag entspreche einer Entscheidung im Dublin-Verfahren, da ihm die Behandlung als Dublin-Fall mitgeteilt worden sei. Die Rücküberstellungsfrist sei am 24. März 2016 abgelaufen.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom …. März 2016, bei Gericht am 6. April 2016 eingegangen (M 18 E 16.50229), hat der Antragsteller beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung dem Landratsamt Rosenheim sowie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufzugeben, vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Zur Begründung trug er vor, das Landratsamt gehe von einer Verlängerung der Rücküberstellungsfrist um ein Jahr aus. Demnach sei die Abschiebung weiterhin beabsichtigt. Der Antragsteller habe sich der Abschiebung am 23. Februar 2016 nicht entzogen und sei nicht untergetaucht. Es möge stimmen, dass er in der Unterkunft nicht anzutreffen gewesen sei. Aus der Zuweisung der Unterkunft ergebe sich jedoch keine Verpflichtung, sich in dieser ständig aufzuhalten. Es sei auch nicht dargetan, dass Italien einer Verlängerung der Rücküberstellungsfrist zugestimmt habe, so dass im Fall der Rücküberstellung von einer Weigerung Italiens ausgegangen werden müsse, das Asylverfahren des Antragstellers zu bearbeiten.
Mit Beschluss vom 11. April 2016 wurde im Verfahren M 18 E 16.50229 das streitgegenständliche Eilverfahren gegen den Freistaat Bayern abgetrennt und an die zuständige ausländerrechtliche Kammer abgegeben. Das Verfahren erhielt das Aktenzeichen M 12 E 16.1674.
Mit Schreiben vom 14. April 2016 hat der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die alleinige Entscheidungskompetenz über inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sowie Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 AufenthG liege beim Bundesamt. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz müsse gegen die Bundesrepublik Deutschland gestellt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte, auch im Verfahren M 18 K 15.50840, verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unzulässig. Statthafte Antragsart ist im vorliegenden Fall gemäß § 123 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Die vorgesehene Abschiebung des Antragstellers beruht auf der Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Italien gemäß § 34a Abs. 1 AsylG durch das Bundesamt mit Bescheid vom 8. Dezember 2015. Rechtsschutz gegen diese Entscheidung des Bundesamts kann der Antragsteller im Wege der Anfechtungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erlangen, vgl. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG. Der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO muss dabei gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung gestellt werden. Daneben ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, gestützt auf Abschiebungshindernisse, die im asylgerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geprüft werden, unzulässig. Andernfalls würden in Fällen, in dem der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verfristet ist, die gesetzliche Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG und der damit verbundene Beschleunigungszweck des Asylverfahrens leerlaufen (vgl. VG Würzburg, B. v. 4.11.2014 – W 1 S 14.30263 – juris Rn. 22; BayVGH, B. v. 9.5.1994 – 24 CE 93.32801 – juris Rn. 12 f.; VG Ansbach, B. v. 3.11.2003 – AN 11 E 03.31651 – juris Rn. 15 ff.; VG Würzburg, B. v. 6.11.2000 – W 2 E 00.31176 – juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B. v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris; BayVGH, B. v. 20.11.2012 – 10 CE 12.2428 – juris; BayVGH, B. v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427- juris).
Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wäre daher nur zulässig, wenn sich der Antragsteller auf tatsächliche oder rechtliche Gründe berufen würde, die der Durchführung der Abschiebung entgegenstehen und die nicht im asylgerichtlichen Verfahren überprüft werden. Dies hat der Antragsteller hier jedoch nicht dargetan. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung muss das Bundesamt dabei nicht nur das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, sondern auch von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60a Abs. 2 AufenthG umfassend prüfen (vgl. BayVGH, B. v. 12.11.2012 – 10 CE 12.2428 – juris; VGH BW, B. v. 31.5.2011 – 11 S 1523/11 – juris; Hailbronner, AuslR, Stand 10.2014, § 34a Rn. 35 m. w. N.). Die Frage der Rechtmäßigkeit der Überstellungsfrist bzw. der Zustellung des Bescheides vom 8. Dezember 2015 ist jedenfalls ebenfalls im asylrechtlichen Verfahren zu prüfen. Im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG bleibt daher für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum.
Die Statthaftigkeit des Antrags gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass dem Antragsteller u.U. entgegen § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG eine Rücküberstellung nach Italien droht, bevor das Gericht über die Klage gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2015 (M 18 K 16.50187) entschieden hat. Die Feststellung, dass eine Abschiebung vor einer Entscheidung des Gerichts über die Klage unzulässig ist, ist ebenso dem Verfahren nach § 80 VwGO zuzuordnen wie ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bis zu einer Entscheidung des Gerichts (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 111 und Happ in Eyermann, § 123 Rn. 12). Statthafte Antragsart ist damit nur ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog.


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