Verwaltungsrecht

Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber Georgierin mit einem, schwerbehindertem Kind bis Unterbringungsplatz im Heimatland gefunden ist, Rechtliche Unmöglichkeit wegen Reiseunfähigkeit im engeren Sinn (abgelehnt wegen komplikationsloser Einreise, Untersuchung auf Reisefähigkeit am Abschiebetag, Gabe von Medikamenten und ärztlicher Flugbegleitung), Rechtliche Unmöglichkeit wegen Reisefähigkeit im weiteren Sinne (abgelehnt wegen Obdach und Mitgabe von Medikamenten für die Zeit unmittelbar nach Ankunft im Heimatland), Abgrenzung zu rechtskräftig abgelehntem zielstaatsbezogenen, im Rahmen des Asylverfahrens zu prüfenden Abschiebungsverbot, Ermessensduldung (abgelehnt, weil kein nur vorübergehender Aufenthalt zu erwarten)

Aktenzeichen  B 6 E 21.1

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44327
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 42 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1 und S. 3
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, wird abgelehnt.
2. Der Antrag gemäß § 123 VwGO wird abgelehnt.
3. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller beantragen im Wege einer einstweiligen Anordnung die Untersagung ihrer Abschiebung vor der Sicherstellung der Unterbringung des Antragstellers zu 2 in einem Pflegeheim in Georgien sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren.
Die Antragstellerin zu 1 ist Staatsangehörige Georgiens. Nach eigenen Angaben studierte sie nach ihrem Schulabschluss in … im Jahr 2007 dort Business und Management und erwarb einen Bachelorabschluss. Im Jahr 2010 heiratete sie Herrn …, einen von Georgien als Binnenflüchtling anerkannten Abchasier, und brachte am 31.10.2010 ihren ersten Sohn … zur Welt, der bei seinen Großeltern väterlicherseits in Georgien aufwächst.
Am 01.03.2015 wurde der Antragsteller zu 2 geboren, der ebenfalls georgischer Staatsangehöriger ist. Er kam gesund zur Welt kam, bekam aber nach einigen Monaten, möglicherweise aufgrund einer Impfung mit einem abgelaufenen Serum, schwerwiegende gesundheitliche Probleme, insbesondere epileptische Anfälle.
Als ihr damaliger Ehemann darauf drang, den Antragsteller zu 2 wegen seiner Behinderungen in ein Kinderheim abzugeben, widersetzte sich die Antragstellerin zu 1 erfolgreich. Am 22.09.2015 wurde die Ehe geschieden. Seither erzieht die Antragstellerin zu 1 den Antragsteller zu 2 alleine. Nach der Scheidung hielten sich die Antragsteller zunächst bei der in zweiter Ehe verheirateten Mutter der Antragstellerin zu 1, die in … eine Eigentumswohnung hat, dann bei ihrer Patin und anschließend bei ihrem Cousin auf.
Ihren Lebensunterhalt bestritten die Antragsteller über die Familien, bei denen sie jeweils wohnten, über monatliche staatliche Leistungen, die der Antragsteller zu 2 als Sohn eines abchasischen Binnenflüchtlings (45 Lari = 11,15 EUR) und als Behinderter (180 Lari = 44,80 EUR) erhielt, und mit Hilfe gelegentlicher finanzieller Unterstützung von Freunden der Antragstellerin zu 1 und einer in Italien lebenden Tante. Die vom Antragsteller zu 2 benötigten Medikamente wurden zweimal von gemeinnützigen Organisationen und ansonsten von der Familie finanziert.
Als ihr Cousin nach Italien übersiedelte und seine Wohnung aufgab, entschloss sich die Antragstellerin zu 1, nach Deutschland aufzubrechen und erwirkte dazu das Einverständnis ihres geschiedenen Ehemanns, den Antragsteller zu 2 ins Ausland mitnehmen zu dürfen. Freunde finanzierten ihr einen Teil der Reisekosten. Zusammen mit dem damals zwei Jahre und neun Monate alten Antragsteller zu 2 fuhr sie zunächst mit dem Bus von … nach … (228 km) und flog dann am 15.12.2017 vom nahegelegenen Internationalen Flughafen … in einem mehrstündigen Flug nach … Dort hielten sich die Antragsteller 1 ½ Tage auf und fuhren dann mit der Bahn ca. 8 Stunden lang nach … Gesundheitliche Komplikationen traten dabei beim Antragsteller zu 2 nicht auf.
Bei ihrer Einreise ins Bundesgebiet am 17.12.2017 führten die Antragsteller zwar jeweils eine Geburtsurkunde, aber keine Visa mit sich. Ihren Reisepass und ihren Personalausweis hat die Antragstellerin zu 1 nach eigenen Angaben in … verloren. Nachdem die Antragstellerin zu 1 ein Asylgesuch geäußert hatte, wurden die Antragsteller der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken in … zugeteilt.
Am 27.12.2017 stellte die Antragstellerin zu 1 für sich und den Antragsteller zu 2 jeweils Asylanträge und erhielt für die Durchführung des Asylverfahrens Aufenthaltsgestattungen, in die auch der Antragsteller zu 2 eingetragen wurde.
Bei ihrer persönlichen Anhörung am 28.12.2017 in … erklärte die Antragstellerin zu 1, der Antragsteller zu 2 nehme, wie schon in Georgien, die Medikamente Keppra (Handelsname für Levetiracetam) und Sabril (Handelsname für Vigabatrin) ein. Diese Medikamente habe sie sich, solange ihre finanziellen Mittel es zugelassen hätten, aus der Türkei schicken lassen. Ohne die Medikamente habe der Antragsteller zu 2 häufig epileptische Anfälle. Der Antragsteller zu 2, der weder sprechen, laufen, selbständig essen noch richtig sehen, sondern nur hören könne und auf Licht reagiere, habe in Georgien eher Rückschritte als Fortschritte gemacht. Er sei nicht in einen integrativen Kindergarten aufgenommen worden. Die regulären Therapien und die speziellen Ausstattungen, die er benötige, habe sie sich nicht leisten können. Außerdem sei sie mit ihrem behinderten Kind, das gelegentlich laut werde, oft angeeckt. Die Aufnahme auch nur einer (Teilzeit-) Erwerbstätigkeit sei daran gescheitert, dass potentielle Arbeitgeber sie nicht eingestellt hätten, wenn sie erfahren hätten, dass sie ein behindertes Kind zu betreuen habe und deswegen zeitlich flexibel sein müsse. Eine Betreuungsperson habe sie nicht gefunden. In erster Linie wegen der Gesundheit des Antragstellers zu 2 sei sie darum nach Deutschland gekommen und habe Asylanträge gestellt.
Am 06.02.2018 wurde der Antragsteller zu 2 erstmals in den Kinder-Praxen … (Landkreis …*) vorgestellt, wo er seither vom Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie, Dr. … behandelt wird. In einem ersten Attest vom 08.02.2018 diagnostizierte der Facharzt u.a. eine schwere Entwicklungsretardierung, den Verdacht auf eine epileptische Encephalopathie sowie eine Sehbehinderung. Trotz der medikamentösen Behandlung sei der Antragsteller zu 2 nicht komplett anfallsfrei. Eine Weiterbetreuung des schwerbehinderten Kindes in Deutschland sei dringend angezeigt.
Mit zusammengefasstem Bescheid vom 31.05.2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Anträge auf Asylanerkennung ab (Ziff. 2), erkannte den Antragstellern weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu (Ziff. 1 und 3), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziff. 4), forderte die Antragsteller auf, die Bundesrepublik 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, widrigenfalls sie nach Georgien abgeschoben würden (Ziff. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6).
Die Ablehnung des Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 5 AufenthG begründete die Behörde damit, bei einer Rückkehr nach Georgien seien die Antragsteller keiner extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt. Was das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG angehe, sei auf der Grundlage des Attestes vom 08.02.2018 nicht ersichtlich, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 2 alsbald nach seiner Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtere. Die Linderung von Folgebeeinträchtigungen einer Erkrankung wie hier der Sehbeeinträchtigung oder der motorischen oder kognitiven Minderung durch eine bestmögliche jahrelange Therapie zu ermöglichen, sei nicht der Zweck des deutschen Asylrechts. Auf die weitere Begründung des Bescheides wird verwiesen.
Gegen diesen Bescheid ließen die Antragsteller mit Telefax vom 13.06.2018 Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erheben, die unter dem Az. B 1 K 18.31170 geführt wurde.
Mit Wirkung vom 01.08.2018 wurde den Antragstellern der Landkreis … als Wohnsitz zugewiesen. Bis heute leben sie in einer Gemeinschaftsunterkunft in … Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie über Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zuständige Ausländerbehörde ist die Regierung von OberfrankenZentrale Ausländerbehörde – … (ZAB).
Am 13.12.2018 stellte das Zentrum Bayern Familie und Soziales beim Antragsteller zu 2 eine Behinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkmalen G, B und H fest. Seit März 2019 wird er von der „Frühförderung Sehen“ in … betreut. Auf der Grundlage eines sozialmedizinischen Gutachtens vom 10.09.2019 wurde ausgehend von den ärztlichen Diagnosen „Schwere allgemeine Entwicklungsretardierung“ (ICD 10 F 89) und „Epilepsie kryptogen fokal mit Anfallszunahme“ (ICD 10 G 40.19) und einer Begutachtung am 06.09.2019 mit Wirkung vom 01.08.2019 der Pflegegrad 5 festgesetzt. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 1 rund um die Uhr in allen Bereichen unterstützt. Seit dem Kindergartenjahr 2019/2020 besucht der Antragsteller zu 2 werktäglich von 08.00 bis 15.00 Uhr den Förderkindergarten der Lebenshilfe in … (Landkreis …*).
Mit Gerichtsbescheid vom 18.09.2019 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die Asylklage ab. Am 04.10.2019 stellten die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. In der mündlichen Verhandlung am 12.12.2019 ließen die Antragsteller den Klageantrag auf die Feststellung von Abschiebungsverboten beschränken.
Mit Urteil vom 09.07.2020 wies das Gericht, das zuvor eine Auskunft des Auswärtigen Amtes zu den Betreuungsmöglichkeiten in Georgien eingeholt hatte, die Klage ab.
Zum Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG führte das Gericht aus, die Antragsteller könnten bevorzugt von dem begrenzten Hilfsangebot staatlicher und nichtstaatlicher Hilfsorganisationen profitieren und erhielten bei Bedarf von einem von der IOM in Georgien betriebenen Mobilitätszentrum zumindest vorerst eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Es könne weiter davon ausgegangen werden, dass die Antragsteller jedenfalls für eine Übergangszeit nach der Rückkehr auf die (auch finanzielle) Hilfe von Verwandten und Freunden zurückgreifen könnten. Perspektivisch bestünde dann die Möglichkeit, dass der Antragsteller zu 2 in einem Rehabilitationszentrum oder in einer privat betriebenen Tageseinrichtung für behinderte Kinder oder durch eine Verwandte oder ehrenamtlich zumindest stundenweise betreut werden könnte, so dass die Antragstellerin zu 1 eine Erwerbstätigkeit aufnehmen könne, um ihren Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für die Medikamente zusammen mit den zu erwartenden zusätzlichen staatlichen Hilfen zu sichern. Um diese Feststellungen treffen zu können, reiche es aus, dass generell geeignete Hilfen vorhanden seien. Um über das Abschiebungsverbot entscheiden zu können, könne es dagegen nicht darauf ankommen, ob bei einem speziellen Hilfsangebot aktuell freie Kapazität vorhanden sei.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG lehnte das Gericht ebenfalls ab.
Werde er abgeschoben, werde sich der Zustand des Antragstellers zu 2 zwar nicht weiter verbessern, er verschlechtere sich aber auch nicht wesentlich und sein Leben sei nicht bedroht. Dies gelte auch dann, wenn in seinem Heimatland künftig auf andere Medikamente zurückgegriffen werde, die ihm zugänglich seien und dem dortigen Behandlungsstandard entsprächen. Denn er könne nur eine Behandlung nach dem dortigen Standard beanspruchen. Zwar könne er als Epileptiker aufgrund der Verabreichung neuer Medikamente plötzlich und unerwartet sterben (Sudden Unexpected Death in EPilepsy = SUDEP). Dies sei aber nur theo-retisch möglich, jedoch nicht konkret zu erwarten und stelle deshalb keine drohende Lebensgefahr dar. Ob der Antragsteller zu 2 reisefähig sei, sei ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis und bei der Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbotes nicht von Belang.
Auf die weitere Begründung des Urteils wird verwiesen.
Den gegen dieses Urteil gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.09.2020 ab (Az. 15 ZB 20.31648).
Der Senat führte aus, es widerspreche nicht den Denkgesetzen, dass Verwandte und Freunde, die den Antragstellern auch schon vor der Ausreise geholfen hätten, zumindest für eine Übergangszeit Unterstützung gewähren, bis eine Betreuungsmöglichkeit für den Antragsteller zu 2 organisiert ist und die Antragstellerin zu 1 eine Arbeit gefunden habe. (Rn.17). Außerdem widerspreche es nicht der Auskunftslage, dass verschiedene Medikamente gegen Epilepsie in Georgien verfügbar seien und im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung je nach sozialer Lage kostenlos oder gegen Zuzahlung erhältlich seien (Rn.18). Schließlich ergebe sich weder aus einem vom den m Antragstellern vorgelegten Attest vom 30.09.2019 noch aus einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Epilepsie, dass für den Antragsteller zu 2 bei der Umstellung der Medikation eine unmittelbare Lebensgefahr bestehe (Rn.19).
Einen Antrag auf Unterstützung bei einer freiwilligen Ausreise nahm die Antragstellerin zu 1 zurück.
Am 10.11.2020 baten die damaligen Verfahrens- und jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller darum, im Hinblick auf die Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 2 zu bestätigen, dass der Antragsgegner vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen absehen werde. Zum Nachweis der Reiseunfähigkeit legten sie eine Ärztliche Stellungnahme vom 07.10.2020 des Facharztes Dr. … vor, der am gleichen Tag eine Kontrolluntersuchung des Kindes durchgeführt hatte. Er erhob „ausdrücklich schwere Bedenken“ gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde, den Antragsteller zu 2 nach Georgien zurückzuschicken. Durch die medikamentöse Therapie habe erreicht werden können, dass der Antragsteller zu 2 anfallfrei sei, wenn er Sabril und Keppra einnehme. Sollten diese Medikamente in anderer Form dargereicht werden müssen, sollte die Therapie unterbrochen werden müssen, weil die Arzneien zeitweilig nicht lieferbar seien oder sollte er auf andere Medikamente umgestellt werden müssen, sei mit häufigeren Anfällen und damit einer erhöhten Gefahr zu rechnen. Auch bestehe nach einer Änderung der Medikation das Risiko eines SUDEP.
Mit Telefax vom 04.01.2021 haben die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO beantragt mit dem Inhalt,
dem Antragsgegner zu untersagen, die Antragsteller vor einer Sicherstellung einer Unterbringung des Antragstellers zu 2 in einem Pflegeheim nach Georgien abzuschieben.
Zugleich haben sie beantragt,
den Antragstellern für die beabsichtigte Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, zu bewilligen.
Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller wurde trotz Ankündigung nicht vorgelegt.
Zur Begründung führt der sachbearbeitende Rechtsanwalt aus, die Abschiebung der Antragsteller sei derzeit rechtlich unmöglich. Denn falls der Antragsgegner nicht sicherstelle, dass der Antragsteller zu 2, der erheblich pflegebedürftig sei und unter epileptischen Anfällen leide, im unmittelbaren Anschluss an die Abschiebung untergebracht, betreut und medizinisch versorgt werde, werde mit seiner zwangsweisen Rückführung erheblich in sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag gemäß § 123 VwGO und den Prozesskostenhilfeantrag jeweils abzulehnen Die Antragsteller, die für die nächste Sammelabschiebung nach Georgien vorgesehen seien, hätten nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung vorlägen.
Wie sich bereits bei der komplikationslos verlaufenden Anreise nach Deutschland gezeigt habe, sei der Antragsteller zu 2, der bereits damals an epileptischen Anfällen gelitten habe, flugtauglich. Soweit erforderlich, könne er unmittelbar vor dem Abflug noch einmal ärztlich untersucht werden. Zudem werde die Rückführung, wie jede Sammelabschiebung, ärztlich be-gleitet. Damit sei auch sichergestellt, dass die am Abschiebetag benötigten Medikamente verabreicht werden könnten.
Für die Zeit unmittelbar nach Ende der Abschiebung könnten die auch in Georgien verfügbaren, Vigabatrin und Levetiracetam enthaltenden Medikamente, bei deren Einnahme er anfallfrei sei, mitgegeben werden. Die Notwendigkeit einer Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung unmittelbar nach der Ankunft in Georgien sei nicht glaubhaft gemacht worden. In der Ärztlichen Stellungnahme vom 07.10.2020 werde sie nicht verlangt. Weiter sei zu bedenken, dass der Antragsteller zu 2 auch in Deutschland nicht in einer vollstationären Pflegeeinrichtung untergebracht sei, sondern mit seiner Mutter in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber wohne. Darüber hinaus seien die Antragsteller auch in Georgien nach der Ankunft nicht ohne Obdach, sondern könnten nach ihrer Ankunft für eine Übergangszeit in der Eigentumswohnung der Mutter der Antragstellerin zu 1 in … unterkommen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die in elektronischer Form vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte des Verfahrens B 1 K 18.31170 verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, wird abgelehnt.
Gemäß § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, so ist in Verfahren ohne Anwaltszwang nach § 121 Abs. 2 ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich ist.
Hinreichende Erfolgsaussicht für Rechtsverfolgung oder -verteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringen wird.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages. Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (BayVGH, B.v.10.02.2016 – 10 C 15.849 – juris Rn.3; st. Rspr.).
Die Prozesskostenhilfeunterlagen wurden erst dann vollständig vorgelegt, wenn bei Gericht neben dem Antrag auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege eingereicht wurden (§ 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Nach diesen Grundsätzen scheitert die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts bereits daran, dass die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die vom Gesetz geforderte persönliche Erklärung nebst Belegen trotz Ankündigung nicht beigebracht hat. Darüber hinaus bietet die Rechtverfolgung, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
2. Der Antrag gemäß § 123 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 123 VwGO Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller mit Erfolg geltend macht, dass ihm ein entsprechender Rechtsanspruch zusteht und deshalb im Hauptsacheverfahren überwiegende Erfolgsaussichten bestehen (Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 129, 125).
Über den Erfolg des Antrages ist aufgrund der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung zu entscheiden. Dabei ist abzustellen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
a) Der Antrag bleibt ohne Erfolg, soweit er den Antragsteller zu 2 betrifft.
aa) Der Antragsteller zu 2 hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn es ist ihm nicht zuzumuten, eine Entscheidung über eine noch zu erhebende Klage abzuwarten, weil der Antragsgegner beabsichtigt, ihn in absehbarer Zeit nach Georgien abzuschieben.
bb) Der Antragsteller zu 2 hat jedoch keinen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO).
aaa) Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar und die Ausreisefrist abgelaufen ist und aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Zur Ausreise verpflichtet ist ein Ausländer, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Vollziehbar ist die Ausreisepflicht u.a. dann, wenn die Ablehnung der Feststellung von Abschiebungsverboten unanfechtbar wurde und die asylrechtliche Aufenthaltsgestattung deshalb erloschen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG). Die Überwachung der Ausreise ist u.a. erforderlich, wenn der Ausländer mittellos ist und zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird (§ 58 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 7 AufenthG). Als Maßnahme des Verwaltungszwangs ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist anzudrohen (§ 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Der Antragsteller zu 2 besitzt den für seinen nicht nur kurzfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet bis zur Sicherstellung seiner Unterbringung in einem Pflegeheim nach der Rückkehr nach Georgien gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht. Außerdem ist er vollziehbar ausreisepflichtig. Denn mit der Ablehnung der Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 07.09.2020 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 09.07.2020 ist der Bescheid des Bundesamtes vom 30.05.2018 unanfechtbar geworden und seine Aufenthaltsgestattung erloschen. Die Überwachung seiner Ausreise ist erforderlich, weil er nicht nachgewiesen hat, dass er in der Lage ist, die Kosten für seine Rückkehr nach Georgien aufzubringen und durch die Rücknahme des Antrages auf Unterstützung bei einer freiwilligen Ausreise zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht ohne Zwang nachkommen wird.
bbb) Die deshalb gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zwingend durchzuführende Abschiebung ist nicht vorübergehend auszusetzen, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Voraussetzungen für eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz AufenthG vorliegen.
Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
aaaa) Die Luftabschiebung des Antragstellers zu 2 ist tatsächlich möglich. Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass in absehbarer Zeit eine Sammelrückführung nach Georgien stattfinden wird, der Antragsteller zu 2 auf diesen Flug gebucht wurde und für ihn ein Heimreiseschein vorliegt.
bbbb) Die Abschiebung ist auch nicht bis zur Sicherstellung seiner Unterbringung in einem Pflegeheim in Georgien rechtlich unmöglich.
Ein rechtliches Abschiebungshindernis liegt u.a. dann vor, wenn durch die Beendigung des Aufenthalts eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr zu befürchten ist, so dass die Abschiebungsmaßnahme wegen des nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten grundrechtlichen Schutzes auszusetzen ist.
Aufgrund einer Erkrankung kann ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in zwei Fällen bestehen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen der Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für einen Ausländer bedeutet, weil das ernsthafte Risiko besteht, dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (BayVGH, B. v. 05.01.2017 – 10 CE 17.30 – NVwZ-RR 2017, 345 Rn.4; st. Rspr.).
Wird eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne behauptet, weil eine im Bundesgebiet begonnene Behandlung jedenfalls nicht in der bisherigen Form weitergeführt werden kann, ist zu prüfen, ob nicht statt eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG geltend gemacht wird. Zu einer inhaltlichen Prüfung von Abschiebungsverboten ist die Ausländerbehörde nicht berechtigt, sondern gem. § 42 Satz 1 AsylG daran gebunden, wenn im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vom Bundesamt festgestellt wurde, dass kein Abschiebungsverbot vorliegt (BVerwG, U. v. 27.06.2006 – 1 C 14.05 – InfAuslR 2007, 4/5). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit ist dabei nur dann auszugehen, wenn die Gefahr einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung schon während der Abschiebung und der sich unmittelbar daran anschließenden Zeitspanne der Ankunft im Heimatland droht und dieser Gefahr nicht durch mögliche Vorkehrungen wie der Ausstattung mit einem Medikamentenvorrat und der medizinischen Begleitung im Abschiebevorgang begegnet werden kann (BayVGH, B. v. 19.06.2019 – 19 CE 19.329 – juris Rn. 12).
Gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein (§ 60a Abs. 2c Satz 3 und 4 AufenthG). Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung unverzüglich vorzulegen. Auf diese Verpflichtung und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtung ist er hinzuweisen (§ 60a Abs. 2d Satz 1 und 4 AufenthG). Wird die geltend gemachte Erkrankung, die durch die Abschiebung beeinträchtigt werden soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung belegt, wird die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt.
Genügt eine vom Ausländer vorgelegte Unterlage nicht den Anforderungen an den Nachweis einer Reiseunfähigkeit, bleibt die Ausländerbehörde gleichwohl verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn sich aus den vorgelegten ärztlichen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben (BayVGH, B. v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 19, 22).
Mit der zuletzt beigebrachten vorgelegten Ärztlichen Stellungnahme vom 07.10.2020 des Facharztes, der den Antragsteller zu 2 seit nunmehr fast 3 Jahren behandelt, kann der Antragsteller zu 2 die gesetzliche Vermutung, dass seiner Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, nicht widerlegen. Denn diese Stellungnahme genügt nicht zwar den an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zu stellenden formellen Anforderungen, es fehlt aber eine eindeutige Aussage dazu, ob der Antragsteller zu 2 reisefähig ist oder nicht.
Die schon zuvor, insbesondere im Asylklageverfahren B 1 K 18.31170, vorgelegten ärztlichen Äußerungen und weiteren Unterlagen machen jedoch deutlich, dass der Antragsteller zu 2 insbesondere unter Epilepsie (ICD 10 G 40.1) und unter einer schweren allgemeinen Entwicklungsretardierung (ICD 10 F 89) leidet.
Mit bindender Wirkung für die Ausländerbehörde und das hier zu entscheidende aufenthaltsrechtliche gerichtliche Eilverfahren haben das Bundesamt am 30.05.2018 und das Verwaltungsgericht Bayreuth mit rechtskräftigem Urteil vom 09.07.2020 entschieden, dass deswegen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen ist.
Im aufenthaltsrechtlichen Verfahren hat das Gericht deshalb nur der Frage nachzugehen, ob die konkrete Gefahr besteht, dass sich die Gesundheit des Antragstellers zu 2 trotz möglicher Vorkehrungen des Antragsgegners schon während des Abschiebefluges und unmittelbar nach der Ankunft lebensbedrohlich oder jedenfalls schwerwiegend verschlechtert, so dass die Abschiebung auszusetzen ist. Dies ist, insbesondere im Hinblick auf die Vorkehrungen, die der Antragsgegner für die Abschiebung getroffen hat, nicht der Fall. Deshalb gebietet die staatliche Schutzpflicht für den Antragsteller zu 2 nicht, dass eine Abschiebung erst durchgeführt werden kann, wenn der Antragsgegner zuvor sichergestellt hat, dass der Antragsteller zu 2 im unmittelbaren Anschluss an seine Ankunft in … in einem Pflegeheim untergebracht und versorgt wird (zu einem solchen Ausnahmefall vgl. OVG Koblenz, B.v.23.07.2018 – 7 B 10768/18.OVG – NVwZ-RR 2018, 948 Rn. 28).
Die Gefahr einer gravierenden Gesundheitsverschlechterung besteht zunächst nicht während des Abschiebevorgangs im Bundesgebiet und während des auf drei Stunden angesetzten Abschiebefluges. Der Antragsgegner hat veranlasst, dass der Antragsteller zu 2 schon beim Zugriff auf seine Reisefähigkeit am Flugtag untersucht wird und die Medikamente verabreicht bekommt, auf die er eingestellt ist, und die in letzter Zeit so dosiert wurden, dass er keine Anfälle mehr hatte. Weiterhin wird der Antragsteller erst an Bord gehen, wenn der obligatorische Coronatest negativ ausgefallen ist. Während des Fluges besteht eine medizinische Begleitung. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit im engeren Sinne auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 2 im Jahr 2017, als er noch jünger war und in einem gesundheitlich schlechteren Zustand war, insbesondere häufiger epileptische Anfälle hatte, die Reise nach Deutschland auf einem weitaus anstrengenderen mehrtägigen Reiseweg mit Bustransfer, Flug von Georgien nach … und anschließender Bahnfahrt von dort nach … ohne Komplikationen hinter sich gebracht hat.
Das Risiko einer lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung besteht aber auch nach der Ankunft in … nicht, wenn der Antragsteller zu 2 nicht unmittelbar vom Flughafen aus in ein Pflegeheim gebracht werden kann. Der Antragsteller zu 2 wird zunächst nach seiner Ankunft nicht ohne Obdach dastehen. Auch wenn seine Großmutter mütterlicherseits oder andere Verwandte, wie die Antragstellerin zu 1 zu bedenken gegeben hat, nicht gewillt zu sein scheinen, das behinderte Kind längerfristig bei sich aufzunehmen, ist doch davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu 1 und er unmittelbar nach der Landung dort übergangsweise unterkommen können. Außerdem wird er zusammen mit seiner Mutter abgeschoben, so dass seine (ambulante) Betreuung und Versorgung sichergestellt ist. Die Behandlung seiner Epilepsie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung ist ebenfalls gewährleistet. Der Antragsgegner wird dafür sorgen, dass ihm die beiden Medikamente Keppra und Sabril für mehr als den zwingende gebotenen Mindestzeitraum von einen Monat mitgegeben werden (zu diesem für die Zulässigkeit einer Abschiebung zu fordernden Zeitraum für den Medikamentenvorrat BayVGH, B. v. 19.06.2019 – 19 CE 19.329 – juris Rn. 20). Deshalb ist nicht damit zu rechnen, dass es in der Zeitspanne unmittelbar nach der Ankunft im Heimatland wegen fehlender Medikamente oder wegen einer von den Umständen erzwungenen Umstellung auf andere Arzneien zu gravierenden gesundheitlichen Problemen kommt oder er gar plötzlich verstirbt. Einen Anspruch darauf, dass er auch wegen seiner erheblichen Entwicklungsverzögerung ohne Unterbrechung weiter gefördert wird und deshalb unmittelbar in einem Pflegeheim kommt, hat der Antragsteller zu 2 dagegen nicht. Zum einen drohen ihm zwar möglicherweise Rückschritte in seiner weiteren Entwicklung, wenn er nicht weiter therapiert wird, eine Gefahr für Leib und Leben ergibt sich daraus aber nicht. Zum anderen hat er keinen Anspruch darauf, in seinem Heimatland so gefördert zu werden, wie er im Bundesgebiet gefördert würde, wenn er ein Aufenthaltsrecht hier hätte.
ccc) Gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern.
Dringende persönliche oder humanitäre Gründe sind Gründe, die nicht rechtlich gewichtig genug sind, um zur rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 Satz 1  AufenthG zu führen, denen aber ein so großes Gewicht zukommt, dass sie geeignet sind, das öffentliche Interesse an der tatsächlich möglichen und gebotenen Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen (Hoppe in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 10 Rn. 47). Ein vorübergehender Zeitraum muss kein von vornherein zeitlich bestimmbarer Zeitraum sein, aber in aller Regel seinem Zweck nach zeitlich begrenzt sein (Bruns in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 60a AufenthG Rn. 29). Der die Duldung tragende Grund darf damit nicht auf einen Daueraufenthalt abzielen (Röder in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK MigR, Stand 01.10.2020, § 60a AufenthG Rn. 83).
Der Antrag, so lange geduldet zu werden, bis seine Unterbringung in einem Pflegeheim in Georgien sichergestellt ist, ist, wenn man ergänzend die Antragsbegründung heranzieht, dahingehend zu verstehen, dass damit nicht verlangt wird, dass die Abschiebung solange ausgesetzt wird, bis von Seiten des Antragstellers zu 2 innerhalb des dafür zu veranschlagenden Zeitraums eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden wurde. Vielmehr fordert er vom Antragsgegner, die Ausländerbehörde solle die Unterbringung sicherstellen.
Mit diesem Ansinnen verlangt der Antragsteller zu 2 zwar nichts, was sich von vornherein nicht verwirklichen ließe. Denn wie sich aus den bindenden Feststellungen im rechtskräftigen Urteil im Asylklageverfahren ergibt, stehen in Georgien Unterbringungsmöglichkeiten grundsätzlich zur Verfügung. Allerdings ist der Antragsgegner, wie er dem Gericht gegenüber deutlich gemacht macht hat, nicht in der Lage, vom Bundesgebiet aus für die Unterbringung des Antragstellers zu 2 in einer solchen Einrichtung zu sorgen. Da somit nicht zu rechnen ist, dass der Antragsgegner dem Antragsteller zu 2 binnen eines bestimmten Zeitraums einen Platz in einer Einrichtung, besorgen kann, würde das Begehren des Antragstellers zu 2 dazu führen, dass er dauerhaft im Bundesgebiet bleibt. Damit kommt die Verpflichtung zur Erteilung einer Ermessensduldung zu dem angegebenen Zweck nicht in Betracht.
b) Der Antrag bleibt auch ohne Erfolg, was die Antragstellerin zu 1 betrifft.
Die Antragstellerin zu 1 hat nicht glaubhaft gemacht, dass aus Gründen, die nichts mit der Pflege des Antragstellers zu 2 zu tun haben, die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass ihre Abschiebung vorläufig auszusetzen ist bzw. ihre Anwesenheit im Bundesgebiet weiter erforderlich ist. Da der Antragsteller zu 2 aber keine Duldung beanspruchen kann, ist auch ihr deswegen keine Duldung gem. § 60a Abs. 2 Satz1 oder Satz 3 AufenthG zu erteilen.
3. Als unterliegender Teil tragen die Antragsteller die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziff. 8.3, 1.1.3, 1.5 Streitwertkatalog 2013 pro Antragsteller halber Auffangstreitwert, halbiert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes).


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