Verwaltungsrecht

Untersagung der Wiederverfüllung der Kiesgrube

Aktenzeichen  1 ZB 17.723

Datum:
19.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133198
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
BayAbgrG Art. 2 S. 1, Art. 4 Abs. 2 S. 2, Art. 6, Art. 9 Abs. 1 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Nach der abgrabungsaufsichtlichen Generalklausel sind auch ohne besondere Regelung die typischen bauaufsichtlichen Maßnahmen möglich. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Untersagung von Wiederverfüllungen ist auf die formelle Illegalität der Abgrabung und das Erfordernis einer (neuen) Abgrabungsgenehmigung abzustellen, weil in dieser Genehmigung im Zusammenhang mit den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen auch die spätere Verfüllung mitgeregelt wird. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.3938 2017-02-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 16. Februar 2017 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Die im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Begründung des Zulassungsantrags kann dahin ausgelegt werden, dass mit der gerügten „rechtlichen Prüfung“ durch das Verwaltungsgericht und dem dadurch erzielten „unzutreffenden Ergebnis“ der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und mit der gerügten Zugrundelegung eines „gänzlich fehlerhaften Prozessstoffs“ der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) geltend gemacht werden soll. Der Antrag hat aber keinen Erfolg, weil diese Zulassungsgründe nicht dargelegt sind bzw. nicht vorliegen.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie durch die abgrabungsrechtliche Untersagung, in einer von ihr betriebenen Kiesgrube Wiederverfüllarbeiten vorzunehmen, sowie durch die ihr auferlegte Verpflichtung, für die bislang ungenehmigte Abgrabung und Verfüllung eine Genehmigung zu beantragen (1.1) und die Zwangsgeldandrohungen (1.2) in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Untersagung der Wiederverfüllung der Kiesgrube im hier maßgeblichen Bereich sowie für die Verpflichtung zur Beantragung einer (neuen) Genehmigung vorliegen.
Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen ihrem (Teil) Anfechtungsantrag nicht über die Aufhebung der Untersagung der Wiederverfüllarbeiten in der Kiesgrube entschieden. Es befasse sich im Wesentlichen lediglich mit dem Erfordernis einer abgrabungsrechtlichen Genehmigung, mit den Grundsätzen formeller Illegalität und die durch die Abgrabungen entstehende Gefahr des Abrutschens der Böschung. Die Wiederverfüllarbeiten seien dagegen nicht berücksichtigt worden.
Dieser Verstoß liegt nicht vor. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Untersagung der Wiederverfüllarbeiten ist Art. 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 2 Satz 1 BayAbgrG. Nach dieser Befugnisnorm in Gestalt einer abgrabungsaufsichtlichen Generalklausel sind auch ohne besondere Regelung die typischen bauaufsichtlichen Maßnahmen möglich. Die von der Klägerin vorgenommenen Abgrabungen und die Wiederverfüllung bedürfen einer erneuten Genehmigung. Denn sie sind erkennbar nicht mehr von dem Abgrabungsgenehmigungsbescheid des Landratsamts vom 9. November 2001 umfasst. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die Abgrabungsarbeiten seien auf den betreffenden Grundstücken in einem nahezu senkrechten Winkel und zudem bis direkt an die Grenze der jeweiligen Nachbargrundstücke ausgeführt worden, werden von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellt. Die so vorgenommenen Abgrabungsarbeiten werden im Übrigen auch durch die vorgelegten Unterlagen belegt. Sie stehen erkennbar in Widerspruch zu dem im Bescheid vom 9. November 2001 genehmigten Abgrabungsbereich, der einen unmittelbaren Abbau bis an die jeweilige Grundstücksgrenze gerade ausschließt. Das Verwaltungsgericht hat dabei zutreffend auf die formelle Illegalität der Abgrabung und das Erfordernis einer (neuen) Abgrabungsgenehmigung nach Art. 6 BayAbgrG abgestellt, weil in dieser Genehmigung im Zusammenhang mit den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen auch die spätere Verfüllung mitgeregelt wird (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayAbgrG). Da die in dem vorgenannten Bescheid unter Buchstabe B getroffenen Regelungen über die Verfüllung die diesem Verfahren zugrunde liegende Wiederverfüllung im unmittelbaren Böschungsbereich gerade nicht betreffen, ist eine neue Regelung auch nicht entbehrlich. Daher kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darauf an, dass sie die Abgrabungsarbeiten eingestellt hat.
Aufgrund der formellen Illegalität der über die genehmigte Planung hinausgehenden Abgrabungsarbeiten ist die auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG gestützte Anordnung nicht zu beanstanden. Die Wiederverfüllung der Kiesgrube setzt – wie vorstehend ausgeführt – zunächst die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens für die zuvor durchgeführte (unzulässige) Abgrabung voraus.
Auch die weitere Annahme, aufgrund der vorgenommenen Abgrabungen sei von einer bestehenden Gefahrenlage für Leib und Leben von Personen auszugehen, ist nicht zu beanstanden. Ungeachtet einer ausreichenden Darlegung innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO überzeugen die Ausführungen der Klägerin zur Erforderlichkeit der Wiederauffüllarbeiten und der im Hinblick auf die Wiederverfüllung ihrer Ansicht nach nicht bestehenden Gefahr für Leib und Leben von Personen, die sich in der Kiesgrube befinden, nicht. Dabei übersieht die Klägerin, dass auch nach den Ausführungen des Sachverständigen in den vorgelegten Gutachten im Rahmen des Konzepts zur Wiederverfüllung (weitere) Auswaschungen erfolgt sind und Arbeiten im direkten Böschungsbereich untersagt werden sollen. Dies gilt auch und gerade für die Wiederverfüllungsarbeiten. Den erforderlichen Nachweis der Standsicherheit hat die Klägerin nicht beigebracht.
1.2 Dass die Zwangsgeldandrohungen rechtmäßig sind, hat die Klägerin nicht in Frage gestellt.
2. Den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise geltend gemacht. Es ist nicht ausreichend dargetan, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt haben könnte.
Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen der Klägerin richtig wiedergegeben. Wenn es hieraus, wie der Zulassungsantrag meint, falsche Schlüsse zieht, so kann darin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen, sondern allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung, für die indes nichts ersichtlich ist. Soweit die Klägerin sich auf eine vermeintlich zu Unrecht unterlassene weitere Anhörung beruft, ist festzustellen, dass es insoweit bereits an der Darlegung, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht zu ihren Gunsten hätte entscheiden müssen, fehlt. Zudem war ein Abwarten auf eine weitere Stellungnahme der Klägerin im Hinblick auf den von den Beteiligten erklärten Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nummer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013). Bei der hier maßgeblichen Untersagung der Wiederverfüllung der Kiesgrube erscheint für das Interesse der Klägerin ein Streitwert von 30.000 Euro angemessen, der sich an dem angedrohten Zwangsgeld orientiert. Da Streitgegenstand nicht die Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung ist, kann nicht auf den anteiligen Betrag des zu erwartenden Jahresgewinns abgestellt werden. Die Abänderung des Streitwerts erster Instanz beruht auf § 63 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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