Verwaltungsrecht

Unzulässige Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Landschaftsschutzverordnung

Aktenzeichen  M 19 K 18.771

Datum:
24.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33931
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis muss hinreichend konkret sein und es muss ein bereits überschaubarer Sachverhalt vorliegen. Bei dem abstrakten Feststellungsbegehren des Nichtbestehens eines staatlichen Eingriffsrechts auf der Grundlage einer -vermeintlich-rechtswidrigen Norm fehlt es an einem “Normvollzugsverhältnis”.  (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. War der Kläger bereits Adressat von auf die streitgegenständliche Verordnung gestützten Verwaltungsakten, ist eine Inzidentprüfung von Normen im Rahmen von Klagen gegen behördliche Vollzugsakte auch mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes völlig ausreichend. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Ausnahme hiervon kommt für “Self-executing-Normen” in Betracht, die als solche keines weiteren Vollzugs und keiner Umsetzung mehr bedürfen, oder dann, wenn die inzidente Prüfung allein nicht zur Beseitigung einer Grundrechtsverletzung führen würde. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig. Die Sachurteilsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 VwGO für die erhobene Feststellungsklage liegen nicht vor.
I.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. nur BVerwG, U.v. 20.11.2003 – 3 C 44/02 – juris Rn. 18).
Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage kann dabei allerdings nur ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis sein. Zu dem „bloßen“ Rechtsverhältnis müssen noch weitere Umstände hinzutreten, damit es als solches überhaupt Feststellungsfähigkeit erlangt (vgl. Terhechte in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 43 VwGO Rn. 42). Es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2014 – 6 A 1/13 – juris Rn. 21).
Hieran fehlt es vorliegend. Es geht dem Kläger in der Sache darum, unabhängig von einem konkreten Vorhaben, an dessen Realisierung er sich durch die Verordnung gehindert sieht, die Anwendbarkeit der Norm auf seine Grundstücke überprüfen zu lassen. Er begehrt abstrakt die Feststellung des Nichtbestehens eines staatlichen Eingriffsrechts auf der Grundlage einer – vermeintlich – nichtigen Vorschrift. Insoweit liegt gerade kein bestimmter bereits überschaubarer Sachverhalt vor. Es fehlt an einem „Normvollzugsverhältnis“ (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 13/06 – juris Rn. 25). Dass der Kläger in der Vergangenheit Adressat von auf die streitgegenständliche Verordnung gestützten belastenden Verwaltungsakten war, ändert daran nichts. Insoweit ist für ihn eine Inzidentprüfung von Normen in Klagen gegen behördliche Vollzugsakte „völlig ausreichend“ (Möstl in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 49. Edition, Stand: 1.4.2019, § 42 Rn. 29).
Es besteht auch kein Anlass, mit Blick auf die Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine Ausnahme von diesen Anforderungen zuzulassen und den Kläger nicht auf eine inzidente Überprüfung der Verordnung im Rahmen von konkreten Verfahren zu verweisen. Zwar wird unter dem Stichwort „atypische Feststellungsklage“ (BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 13/06 – juris Rn. 23) diskutiert, ob es Ausnahmefälle geben müsse, in denen alleiniger Gegenstand einer Feststellungsklage die Frage nach der Nichtigkeit einer untergesetzlichen Regelung ist. Solche Ausnahmen können geboten sein, auch wenn in diesen Fällen Abgrenzungsschwierigkeiten zu § 47 VwGO ebenso auftreten wie allgemeine Fragen der Rechtsschutzkonzeption der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. Terhechte in Fehling/ Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 43 VwGO Rn. 18). So wird die Notwendigkeit einer Ausnahme für „Self-executing-Normen“ erwogen, die als solche gerade keines weiteren Vollzugs und keiner Umsetzung mehr bedürfen (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 16.3.2017 – 7 LC 80/15 – juris Rn. 39; Glaser in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 43 Rn. 19); denn in einem solchen Fall kann sich der Betroffene gerade nicht gegen eine behördliche Maßnahme wenden. Die streitgegenständliche Verordnung ist jedoch nicht „self executing“ in diesem Sinne, weil es zu ihrem Vollzug behördlicher Akte bedarf.
Eine Ausnahme ist auch dann möglich, wenn eine inzidente Prüfung allein nicht zur Beseitigung einer Grundrechtsverletzung führen würde, wie dies etwa bei einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG der Fall sein kann (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2006 – 1 BvR 541/02 – juris Rn. 42). Vorliegend ist jedoch nicht erkennbar, weshalb eine inzidente Überprüfung der Verordnung für den Kläger nicht ausreichen sollte. Auch bisher ist er bereits teilweise gegen die ihn belastenden Verwaltungsakte im Wege der Anfechtungsklage vorgegangen und konnte das angerufene Verwaltungsgericht jeweils die Verordnung inzident prüfen. Bislang ist keine der getroffenen Entscheidungen von der Unwirksamkeit der Verordnung ausgegangen.
Mangels eines hinreichend konkreten Rechtsverhältnisses war die Klage daher als unzulässig abzuweisen.
II.
Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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