Verwaltungsrecht

unzulässige Klage, da Widerspruch verfristet, kein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Erkrankung bzw. fehlerhafter Hinweise der Behörde, kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, kein Anspruch auf weitere Beihilfe für ein (Komfort-) Zweibettzimmer, wenn die Unterbringung in einem Zweibettzimmer in der Klinik bereits Gegenstand der allgemeinen Krankenhausleistungen ist

Aktenzeichen  W 1 K 21.225

Datum:
5.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15333
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 70
VwGO § 60
BayVwVfG Art. 41
BayBhV Art. 28 Abs. 2 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Der Rechtsstreit kann durch den Einzelrichter entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 6 Abs. 1 VwGO.
Die erhobene Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist. Die Klägerin hat vor Erhebung der Klage kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt (§ 68 VwGO), da sie erst verspätet (§ 70 VwGO) Widerspruch erhoben hat und die Zurückweisung des Widerspruchs im Widerspruchsbescheid als unzulässig daher zu Recht erfolgt ist. Dies führt auch zur Unzulässigkeit der später erhobenen Klage gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids (dazu 1.). Zudem steht der Klägerin weder ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO (dazu 2.) noch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne gemäß Art. 51 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 BayVwVfG zu (dazu 3.).
1. Der form- und fristgerecht eingelegte Widerspruch ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens und damit zugleich Sachurteilsvoraussetzung für die gerichtliche Entscheidung über eine anschließende Klage. Dabei genügt es für die Zulässigkeit einer Klage nicht, dass überhaupt ein Vorverfahren stattgefunden hat. Erforderlich ist auch, dass das Vorverfahren ordnungsgemäß, d. h. unter Einhaltung der in §§ 68 ff. VwGO für die Einlegung des Widerspruchs vorgeschriebenen Erfordernisse, durchgeführt wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2017, Vorb. § 68, Rn. 7, § 70 Rn. 1).
Es ist auch kein Rechtsfehler darin zu erblicken, dass die Beihilfestelle das Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 2021 mit der Bitte um Überprüfung der Beihilfegewährung für die Rechnungen vom 31. Mai 2019 sowie eine Erstattung weiterer Beihilfe als Widerspruch ausgelegt hat. Die VwGO enthält insoweit keine näheren Bestimmungen über den Mindestinhalt eines Widerspruchs, insbesondere ist die Bezeichnung als Widerspruch nicht vorgeschrieben. Auch ein bestimmter Antrag oder eine bestimmte Begründung sind nicht erforderlich. Aus der abgegebenen Erklärung muss sich vielmehr nur hinreichend erkennbar ergeben, dass der Betroffene sich durch einen bestimmten Verwaltungsakt beschwert fühlt und eine Nachprüfung begehrt bzw. eine Änderung anstrebt. Außerdem darf nicht offensichtlich nur ein formloser Rechtsbehelf (Petition, Dienstaufsichtsbeschwerde, Aufsichtsbeschwerde) gewollt sein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25 Aufl., § 69 Rn. 5, § 70 Rn. 5). Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, das klägerische Schreiben vom 16. Januar 2021 als Widerspruch auszulegen, da durch die Benennung der beiden Rechnungen vom 31. Mai 2019 der Bezug zum Beihilfebescheid vom 4. Juli 2019 eindeutig hergestellt wurde und die Klägerin diesbezüglich um eine Überprüfung und Nachbewilligung von Beihilfe nachgesucht hat. Auch ist nicht ersichtlich, dass ausschließlich ein formloser Rechtsbehelf eingelegt werden sollte.
Die Klägerin hat vorliegend die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO versäumt, wonach der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben ist. Grundsätzlich erfolgt die Bekanntgabe im Zeitpunkt des Zugangs (§ 130 BGB analog). Die Behörde hat vorliegend keinen Zustellungsnachweis. Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt jedoch prinzipiell die Dreitagesfiktion des Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG, wonach jeder Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post unabhängig vom tatsächlichen Zugangszeitpunkt als bekannt gegeben gilt. Zwar enthält der Bescheid keinen Vermerk über die Aufgabe zur Post, da die Klägerin jedoch weder den Zugang des Bescheides an sich bestritten noch einen verspäteten Zugang geltend gemacht hat, ist mangels sonstiger entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sie den Bescheid nach der üblichen Postlaufzeit erhalten hat; ein Zweifelsfall im Sinne des Art. 41 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ist hier nicht gegeben (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 41 Rn. 42, 42 b). Nach der Fiktion des Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG ist daher von einer Bekanntgabe am 7. Juli 2019 auszugehen. Das erst am 19. Januar 2021 bei der Beihilfestelle eingegangene und als Widerspruch zu wertende Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 2021 ging damit ersichtlich nicht innerhalb der Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO von einem Monat bei der zuständigen Stelle ein und war damit verfristet.
2. Der Klägerin kann auch nicht hinsichtlich der von ihr versäumten Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da sie nicht im Sinne des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden gehindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Zudem wurden die Fristen des § 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 sowie Abs. 3 VwGO nicht eingehalten.
Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Beteiligten im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war. Auch Fahrlässigkeit schließt eine Wiedereinsetzung aus, wobei auf die Verhältnisse des Betroffenen abzustellen ist. Es kommt darauf an, ob dem Betroffenen nach den gesamten Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat bzw. nicht alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, damit das Hindernis baldmöglichst wegfällt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 60 Rn. 9).
Soweit die Klägerin erklärt hat, dass sie bei Eingang des Bescheides stationär in einer Klinik gewesen sei (aus einer Anlage zum Schriftsatz vom 27.4.2021 ergibt sich ein Krankenhausaufenthalt vom 3.7.2019 bis 11.7.2019) und nach Heimkehr ihre Dinge überhaupt nicht mehr habe regeln können; sie sei von Mai 2019 bis Januar 2020 krankgeschrieben, mehrfach in einer Klinik gewesen und habe nicht früher handeln können, so rechtfertigt dies eine Wiedereinsetzung nicht. Zwar vermag eine ernsthafte Erkrankung eine Fristversäumung zu entschuldigen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie so schwer ist, dass der von ihr betroffene Verfahrensbeteiligte nicht selbst handeln konnte und auch außerstande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfang zu informieren (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 60 Rn. 13). Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin mit ihrem vorgenannten sehr pauschal und ohne Nachweise gebliebenen Vortrag bereits nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass sie während des gesamten Zeitraums der laufenden Widerspruchsfrist tatsächlich so schwer erkrankt war, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, den Bescheid vom 4. Juli 2019 zu prüfen und einen Widerspruch, ggf. zunächst fristwahrend, zu erheben oder aber zumindest einen Angehörigen bzw. Rechtsanwalt damit zu beauftragen. Eine Krankschreibung sowie der nicht weiter substantiierte Verweis darauf, dass „sie ihre Dinge überhaupt nicht mehr habe regeln können“ reichen angesichts des sehr begrenzten (geistigen wie körperlichen) Aufwandes einer Überprüfung des konkreten streitgegenständlichen Beihilfebescheides samt anschließender Widerspruchseinlegung zum Nachweis der o.g. Anforderungen jedenfalls nicht aus.
Darüber hinaus ist nach § 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 VwGO der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Selbst wenn man also – entgegen vorstehender Ausführungen – unterstellen wollte, dass es der Klägerin zunächst unmöglich war, den Widerspruch fristgerecht zu erheben oder erheben zu lassen, so ist vorliegend doch absolut nichts dafür ersichtlich, dass ein solches Hindernis durchgängig bis zum Januar 2021 bestanden hätte. Vielmehr führt die Klägerin selbst aus, dass ihre Krankschreibung im Januar 2020 geendet hat und der Beklagte hat darüber hinaus unwidersprochen vorgetragen, dass von der Klägerin bereits zwischen dem 11. Juli 2019 und dem 17. Januar 2020 13 Beihilfeanträge eigenständig gestellt worden sind, was gerade beweist, dass sie in der Lage war, in diesem Zeitraum ihre Beihilfeangelegenheiten zu regeln. Vielmehr hat die Klägerin selbst erklärt, dass die verspätete Widerspruchseinlegung ihren Grund letztlich darin hatte, dass sie erst spätere Beihilfebescheide, laut Schreiben vom 16. Januar 2021 namentlich den Beihilfebescheid vom 14. Oktober 2020, zum Anlass genommen hat, den früheren hier streitgegenständlichen Beihilfebescheid zu überprüfen. Daran zeigt sich abermals, dass die Klägerin nicht durchgängig bis Januar 2021 krankheitsbedingt außerstande war, gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 VwGO rechtzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und Widerspruch zu erheben. Wenn die Klägerin konkret auf den Beihilfebescheid vom 14. Oktober 2020 verweist, so ist zu konstatieren, dass ausgehend von diesem Datum binnen der in § 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 VwGO genannten Zweiwochenfrist weder Widerspruch eingelegt wurde noch ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt wurde; letzterer liegt im Gegenteil bis zum heutigen Tage nicht vor.
Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend gemacht hat, dass die dem Beihilfebescheid beigefügte Erläuterung nicht korrekt gewesen sei, da nicht erwähnt worden sei, dass überhaupt keine Kosten für das in Anspruch genommene Zimmer übernommen worden seien, und sie daher durch die alleinige Ablehnung der Mehrkosten für ein Einbettzimmer in dem Glauben gelassen worden sei, dass zumindest die Aufwendungen für ein Zweibettzimmer berücksichtigt worden seien, so führt dies ebenfalls nicht zu einer begründeten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der erkennende Einzelrichter vermag nicht zu erkennen, dass der Beklagte mit der Erläuterung 0305 (die allgemeinen Krankenhausleistungen umfassen bereits als Regelleistung ein Zweibettzimmer; Ablehnung der Mehrkosten für ein Einbettzimmer) einen fehlerhaften Hinweis gegeben hätte, welcher der Klägerin vorgespiegelt hätte, dass Aufwendungen für die Wahlleistung Zweibettzimmer übernommen worden seien. Die Klägerin hat mit ihrem Beihilfeantrag vielmehr auch lediglich Rechnungen vorgelegt, die ausschließlich eine Wahlleistung Einbettzimmer beinhaltet haben und hierfür eine Erstattung begehrt. Bei dieser Antragssituation erschließt sich dem Gericht nicht, inwiefern der auf § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBhV gestützte Hinweis, dass Mehrkosten für ein Einbettzimmer nicht beihilfefähig sind und die allgemeinen Krankenhausleistungen bereits als Regelleistung ein Zweibettzimmer umfassen (vgl. dazu auch 3.), fehlerhaft sein sollte und bei der Klägerin den Eindruck erweckt haben sollte, dass die Kosten für ein Zweibettzimmer auf der Komfortstation erstattet worden wären; dies ergibt sich aus dem Wortlaut des entsprechenden Hinweises vielmehr in keiner Weise. Unabhängig davon lässt sich den mit dem Beihilfeantrag vorgelegten Unterlagen schon nicht das Begehren auf Kostenübernahme für ein Zweibettzimmer entnehmen, insbesondere auch nicht der beigefügten Wahlleistungsvereinbarung, aus der lediglich abstrakt (auch) die Preise für andere (hier nicht in Anspruch genommene) Zimmerkategorien erkennbar sind. Es bedurfte in der gegebenen Situation vielmehr von Rechts wegen keiner weiteren Erläuterung dahingehend, dass für das in Anspruch genommene Zimmer keinerlei Kosten im Wege der Beihilfe erstattet wurden. Dass die Klägerin diesbezüglich einem Irrtum unterlag, kann sie vor diesem Hintergrund nicht dem Beklagten anlasten. Vielmehr ist dieser auf das Unterlassen der rechtzeitigen Nachprüfung des Bescheides zurückzuführen, wie die Klägerin es dann später nach Ergehen weiterer Beihilfebescheide schließlich nachgeholt hat. Damit hat die Klägerin auch deutlich gemacht, dass es ihr ohne weiteres möglich war, die aus ihrer Sicht fehlerhafte Berechnung, insbesondere dass keinerlei Kosten für das in Anspruch genommene Zimmer berücksichtigt wurden, nachzuvollziehen, was von ihr als Beamtin im Übrigen auch objektiv zu erwarten war. Die Klägerin hat es vielmehr schlicht verabsäumt, den streitgegenständlichen Bescheid fristgerecht zu überprüfen, was allein in ihren Verantwortungsbereich fällt. Ein Irrtum über die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs stellt im Übrigen nie einen Wiedereinsetzungsgrund dar. Dementsprechend kann die erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erworbene Kenntnis von der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts keine Wiedereinsetzung begründen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 60 Rn. 12 m.w.N.). Auch bezüglich dieser Argumentation der Klägerin wurde überdies die Zweiwochenfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 VwGO nicht eingehalten, da ihr die ihres Erachtens fehlerhafte Berechnung (spätestens) mit Beihilfebescheid vom 14. Oktober 2020 bekannt geworden ist, sie sich jedoch erst mit Schreiben vom 16. Januar 2021 hiergegen gewandt hat.
Schließlich hat die Klägerin auch die Jahresfrist nach § 60 Abs. 3 VwGO nicht eingehalten, wonach nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist der Antrag unzulässig ist, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Höhere Gewalt ist in diesem Zusammenhang im subjektiven Sinne zu verstehen, also als außergewöhnliches Ereignis, das unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste, nach Lage der Sache vom Betroffenen zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnte (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 60 Rn. 28). Aus vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Klägerin vorliegend vor Ablauf der Jahresfrist des § 60 Abs. 3 VwGO erkennbar nicht durch höhere Gewalt gehindert war, Widerspruch einzulegen.
Soweit die Klägerin schließlich erklärt hat, dass die Sachbearbeiterin der Beihilfestelle ihr telefonisch zugesichert habe, die Kosten des Zweibettzimmers zu erstatten, wenn sie eine Bescheinigung der Klinik über die Höhe der Kosten vorlege, so fand das entsprechende Telefonat erst im Februar 2021 während des laufenden Widerspruchsverfahren und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist statt. Eine kausale Verknüpfung zwischen der erwähnten Zusicherung, der es überdies an der erforderlichen Schriftform nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG mangeln würde, und der Fristversäumung besteht daher nicht.
Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60 VwGO besteht nach alledem nicht.
3. Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 Abs. 1 bzw. Art. 51 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zu.
Selbst wenn man das Schreiben der Klägerin vom 16. Januar 2021 mit der dortigen Bitte um Überprüfung als einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens auslegen würde, so besteht ein solcher Anspruch auf Wiederaufgreifen vorliegend nicht, geschweige denn ein Anspruch auf die begehrte Beihilfeleistung.
Die Voraussetzungen des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG liegen hier erkennbar nicht vor, da sich insbesondere die dem ursprünglichen Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich zugunsten der Betroffenen geändert hat, Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG. Zudem wäre die Klägerin entsprechend obiger Ausführungen nicht ohne grobes Verschulden außerstande gewesen, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen, Art. 51 Abs. 2 BayVwVfG.
Überdies liegen auch die Voraussetzungen des Art. 51 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG hier nicht vor. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Allerdings begründet allein die Rechtswidrigkeit der Ausgangsentscheidung noch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen im weiteren Sinne und Aufhebung der Entscheidung, da die Rechtswidrigkeit erst die Voraussetzung für die Ermessenausübung ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11 – juris). Ausnahmen im Sinne einer Ermessensreduktion auf null sind mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise nur in solchen Fällen denkbar, wenn die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes „schlechthin unerträglich“ ist (st. Rspr, BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11; U.v. 24.2.2011 – 2 C 50/09; U.v. 27.1.1994 – 2 C 12/92 – jeweils juris).
Vorliegend ist jedoch bereits die Grundvoraussetzung für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens, die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts vom 4. Juli 2019, nicht gegeben; vielmehr ist dieser rechtmäßig. Bezüglich der formellen Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken. Darüber hinaus ist die Ablehnung der Gewährung weiterer Beihilfe für die Kosten der Wahlleistung in Form der Unterbringung in einem Zweibettzimmer auf der Komfortstation (Kardiologie oder Kardiochirurgie) zu je 85,00 EUR für 13 Berechnungstage sowie für die Unterbringung in einem Zweibettzimmer (Wahlleistungszimmer auf der Normalstation) zu 70,00 EUR für einen Berechnungstag aber auch materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBhV in der maßgeblichen Fassung vom 12. Oktober 2018 sind zwar beihilfefähig ferner, abzüglich der Eigenbeteiligung gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 7 BayBG, die Aufwendungen für gesondert berechnete Unterkunft (§ 17 KHEntgG, § 16 Satz 2 BPflV) bis zur Höhe der Kosten eines Zweibettzimmers. Vorliegend wurden die Kosten eines Zweibettzimmers jedoch bereits im Rahmen der Beihilfegewährung für die vollstationären allgemeinen Krankenhausleistungen übernommen, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV, § 2 Abs. 2 KHEntgG, denn der Internetseite des R.-Klinikums Bad N. lässt sich eindeutig entnehmen, dass – jenseits von Wahlleistungen – in der Klinik für die Patienten ausschließlich Ein- und Zweibettzimmer vorgehalten werden (https://www.campus-nes.de/patienten-besucher/ihr-aufenthalt/ihr-aufenthalt-bei-uns.html). Darüber hinausgehend berechnete Zuschläge für in besonderer Weise gestaltete oder ausgestattete Komfort- bzw. Wahlleistungs-Zweibettzimmer, wie sie in der von der Klägerin vorgelegten Wahlleistungsvereinbarung genannt werden, sind hingegen hier nicht beihilfefähig, da es sich hierbei nicht um medizinisch notwendige und angemessene Behandlungskosten und damit um keinen medizinisch bedingten Mehraufwand handelt (so auch: VG München, U.v. 9.7.2015 – M 17 K 14.3676 – juris; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Bd. 1, § 26 BBhV Rn. 13 (4)). Dass es sich bei den von der Klägerin begehrten Aufwendungen um Komfortleistungen handelt, lässt sich ebenfalls dem Internetauftritt der Klinik entnehmen, wo ausgeführt wird: Darüber hinaus bietet das Krankenhaus neben diesen allgemeinen Krankenhausleistungen im Rahmen des Wahlleistungsangebots eine Unterkunft inklusive umfangreichem Komfort- und Servicepaket. Die Wahlleistungszimmer bieten ein hochwertiges Ambiente auf Hotelniveau (https://www.campus-nes.de/patienten-besucher/ihr-aufenthalt/ihr-aufenthalt-bei-uns.html). Vor dem Hintergrund der das Beihilferecht prägenden Grundsätze der medizinischen Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen ist es somit nicht zu beanstanden, wenn als Kosten eines Zweibettzimmers jeweils nur die niedrigsten Kosten für ein solches Zimmer in der Abteilung als beihilfefähig anerkannt werden, das aufgrund der medizinischen Notwendigkeit für eine Unterbringung in Betracht kommt (so auch VV Nr. 3 zu § 28 Abs. 1 BayBhV; VG Ansbach, U.v. 4.4.2017 – AN 1 K 16.02265 – juris; VG München, U.v. 9.7.2015 – M 17 K 14.3676 – juris). Aufwendungen, die ihrer Art nach bei typisierender Betrachtung dem Bereich der allgemeinen Lebensführung bzw. dem allgemeinen Wohlbefinden zuzuordnen sind, sind vielmehr nicht beihilfefähig. Derartige nicht klinisch indizierte Leistungen sind auch nicht unmittelbar durch die Krankheit verursacht und damit als mittelbare Folgekosten aus den allgemeinen Bezügen des Beamten zu bestreiten (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 5 C 3/12 – juris; BayVGH, B.v. 10.3.2015 – 14 ZB 14.656 – juris).
Unabhängig davon wurde für die am 29. Mai 2019 in Anspruch genommene Wahlleistung für gesonderte Unterbringung auf der Normalstation bereits nicht die erforderliche Wahlleistungsvereinbarung vorgelegt. Das vorgelegte Dokument bezieht sich vielmehr ausschließlich auf die Unterbringung im Bereich der Kardiologie, in der die Klägerin zuvor behandelt wurde. Es mangelt daher insoweit an der erforderlichen schriftlichen Vereinbarung dieser Wahlleistung, § 17 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer ihr gegebenen Zusicherung, Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG. Auf die obigen Ausführungen unter 2. wird insoweit verwiesen.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Klägerin vorgetragen hat, dass ihr in einem anderen Beihilfebescheid die Kosten für ein Zweibettzimmer erstattet worden seien. Denn selbst wenn es sich seinerzeit um die gleiche oder eine vergleichbare Sachlage gehandelt hat, so kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, entgegen der zuvor dargestellten materiellen Rechtslage erneut – unrechtmäßigerweise – eine Beihilfe zu erhalten. Denn aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. etwa: BVerwG, U.v. 13.12.2006 – 6 C 17/06 – juris; BayVGH, B.v. 11.7.2019 – 6 CE 19.1163 – juris; VG Ansbach, U.v. 4.4.2017 – AN 1 K 16.02265 – juris), da ein Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe für die geltend gemachte Wahlleistung eines Zweibettzimmers im R.-Klinikum hier nicht besteht.
Nach alledem liegt bereits kein rechtswidriger Verwaltungsakt i.S.d. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vor.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen bestünde jedoch selbst im Falle der -hier nicht gegebenen – Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beihilfestelle in der Sache vorliegend kein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Denn ein solcher Anspruch liegt nur dann vor, wenn die Aufrechterhaltung des (rechtswidrigen) Verwaltungsaktes „schlechthin unerträglich“ ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3/11 – juris).
All dies wäre auch im Falle einer – angenommenen – Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hier nicht gegeben. Das einschlägige Fachrecht, das Beihilferecht, enthält keinerlei Bestimmungen oder Hinweise, wonach in derartig gelagerten Fällen nur eine Rücknahme des Verwaltungsakts in Betracht käme. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte in ähnlich gelagerten Fällen eines nicht fristgerecht eingelegten Widerspruchs gegen einen rechtswidrigen Beihilfebescheid diesen regelmäßig zurücknehmen würde oder der Beklagte mit der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes – trotz der erheblichen Bedeutung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Bestandskraft sowie der Rechtssicherheit (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 48 Rn. 79a) – gegen die guten Sitten bzw. Treu und Glauben verstoßen würde. Schließlich wäre auch keine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gegeben. Denn diese erfordert eine bewusste und offenkundig fehlerhafte Anwendung geltenden Rechts durch die Behörde im konkret entschiedenen Einzelfall. Die offenkundige Rechtswidrigkeit muss bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes vorgelegen haben. Der Verstoß des bestandskräftigen Bescheides gegen formelles oder materielles Recht muss bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses außer Zweifel gestanden und sich der Behörde aufgedrängt haben, so dass diese selbst erkennbar von dessen Rechtswidrigkeit ausgegangen war und „sehenden Auges bewusst eine rechtswidrige Entscheidung getroffen hat“ (VGH Mannheim, B.v. 27.1.2014 – 2 S 2567/13; OVG Magdeburg, B.v. 1.2.2011 – 4 L 158/10 – jeweils juris). Waren der Behörde beim Erlass des Bescheides jedoch nur die zur Rechtswidrigkeit führenden Umstände bekannt, ohne dass sie die daraus folgende Rechtswidrigkeit erkannt hat, so führt dies in der Regel nicht zur offenkundigen Rechtswidrigkeit in diesem Sinne und damit auch nicht zu einer Verpflichtung der Behörde das Verfahren wiederaufzugreifen. Ein solcher Fall, bei dem die Beihilfestelle sehenden Auges bewusst eine rechtswidrige Entscheidung getroffen hätte, würde hier – gerade vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Kosten für ein Zweibettzimmer bereits von den allgemeinen Krankenhausleistungen umfasst sind – ersichtlich nicht vorliegen. Da auch andere Gesichtspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorgetragen oder erkennbar sind, wäre die Aufrechterhaltung des – angenommen – rechtswidrigen Beihilfebescheides auch nicht „schlechthin unerträglich“, sodass ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sowie in der Folge eine Beihilfebewilligung nicht in Betracht käme.
Nur am Rande sei erwähnt, dass von dem geltend gemachten Anspruch noch die Eigenbeteiligung von 7,50 EUR pro Aufenthaltstag bei der Inanspruchnahme der Wahlleistung eines Zweibettzimmers in Abzug zu bringen wäre, Art. 96 Abs. 2 Satz 7 Nr. 2 BayBG, wenn der Anspruch – entgegen obiger Ausführungen – begründet wäre.
Nach alledem war die Klage als unzulässig abzuweisen. Sie wäre – gemäß vorstehender Ausführungen unter 3. – jedoch auch nicht begründet. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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