Verwaltungsrecht

Unzulässige Klage gegen Nichtgewährung von Ausbildungsförderung

Aktenzeichen  Au 3 K 16.114

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X SGB X § 13 Abs. 1 S. 3, § 67b
VwGO VwGO § 68

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Sie ist bereits unzulässig. Mangels eines wirksam und fristgerecht eingelegten Rechtsbehelfs (Widerspruch oder unmittelbar Klage, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO) ist der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 30. April 2015 bestandskräftig und damit unanfechtbar.
Grund hierfür ist, dass die mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Mai 2015 erfolgte Widerspruchseinlegung (Blatt 126 f. der Verwaltungsakte) mangels Vorlage der behördlich angeforderten Vollmacht unwirksam ist (§ 13 SGB X) und die Erhebung der vorliegenden Klage am 21. Januar 2016 ersichtlich nicht mehr fristgerecht war.
a) Ein Beteiligter kann sich im Widerspruchsverfahren i. S. d. §§ 68 ff. VwGO durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, § 61 SGB X i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen, § 61 SGB X i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X.
Das Nachweisverlangen i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X steht im Ermessen der Behörde (auch der Widerspruchsbehörde, vgl. etwa RhPfLSG, U. v. 30.4.2013 – L 3 AS 98/13 – juris Rn. 25). Mit Blick auf den Wortlaut von § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X („hat auf Verlangen … nachzuweisen“; nicht: „kann“) handelt es sich bei dem Nachweisverlangen um eine Verfahrenshandlung i. S. v. § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X. Hiernach bestimmt die Behörde Art und Umfang ihrer Ermittlungen. Dies bedeutet, dass die Ausübung des behördlichen Verfahrensermessens nur dahingehend gerichtlich überprüfbar ist, ob die Verfahrenshandlung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Außerdem bedarf die Ausübung des Verfahrensermessens – anders als die Ausübung materiellen Ermessens – keiner Begründung durch die Behörde. Ein Nachweisverlangen i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X ist daher – auch im Falle eines Rechtsanwalts – nicht erst dann ermessensfehlerfrei, wenn berechtigte Zweifel bestehen, ob der Betreffende tatsächlich vertretungsberechtigt ist; dies ergibt sich auch aus dem nach § 67b SGB X gebotenen Sozialdatenschutz (vgl. zum Ganzen: LSG BW, B. v. 23.6.2015 – L 4 R 3235/14 – juris Rn. 26; RhPfLSG, U. v. 30.4.2013 – L 3 AS 98/13 – juris Rn. 17 f.).
Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X muss regelmäßig mit einer angemessenen Frist verbunden sein (vgl. LSG NW, B. v. 18.6.2015 – L 8 R 999/13 B ER – juris Rn. 32; RhPfLSG, U. v. 30.4.2013 – L 3 AS 98/13 – juris Rn. 19; BayLSG, B. v. 6.5.2011 – L 6 R 441/10 – juris Rn. 3/17; a.A. LSG BW, B. v. 23.6.2015 – L 4 R 3235/14 – juris Rn. 29-31).
Zudem muss das behördliche Verlangen nach Vorlage einer Vollmacht i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X hinreichend zum Ausdruck bringen, dass ein Widerspruch ohne Vollmacht unzulässig ist. Der Hinweis hat im Verhältnis zu dem vollmachtlos auftretenden Vertreter Anhörungs- und Warnfunktion. Aus dem Umstand, dass im Verwaltungsverfahren eine Vollmacht nur „auf Verlangen“ schriftlich nachzuweisen ist, folgt, dass die Behörde einen vollmachtlosen Vertreter einstweilen zulassen kann. Die Gebote der Klarheit und der Fairness des Verfahrens erfordern eine eindeutige Aussage der Verwaltung, dass sie bei Nichtvorlage der Vollmacht beabsichtigt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen. Maßgeblich ist letztlich, ob der Bevollmächtigte die Folgen des Fehlens des Nachweises einer Vollmacht kannte und ob er in der konkreten Situation die behördlichen Hinweise dahin verstehen musste, dass keine Sachentscheidung ergehen, sondern sein Widerspruch als unzulässig verworfen würde (vgl. zum Ganzen: LSG BW, B. v. 23.6.2015 – L 4 R 3235/14 – juris Rn. 28; LSG NW, B. v. 18.6.2015 – L 8 R 999/13 B ER – juris Rn. 32; RhPfLSG, U. v. 30.4.2013 – L 3 AS 98/13 – juris Rn. 19; VG München, U. v. 27.8.2009 – M 10 K 09.390 – juris Rn. 23 f.; a.A. wohl BayLSG, B. v. 6.5.2011 – L 6 R 441/10 – juris Rn. 3/17).
Erfolgt nach ordnungsgemäßer behördlicher Aufforderung i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X kein fristgemäßer schriftlicher Vollmachtsnachweis, so sind die bisherigen Verfahrenshandlungen – insbesondere die Widerspruchseinlegung – unwirksam, der Widerspruch ist sodann als unzulässig zu verwerfen (vgl. LSG BW, B. v. 23.6.2015 – L 4 R 3235/14 – juris Rn. 24; LSG NW, B. v. 18.6.2015 – L 8 R 999/13 B ER – juris Rn. 32; RhPfLSG, U. v. 30.4.2013 – L 3 AS 98/13 – juris Rn. 16; VG Augsburg, U. v. 8.10.2002 – Au 3 K 02.777 – juris Rn. 10).
Der Nachweis der schriftlichen Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren kann auch nicht nach der Entscheidung über die Verwerfung des Widerspruchs – etwa in einem nachfolgenden Klageverfahren – mit heilender Wirkung für das Widerspruchsverfahren erfolgen, soweit zuvor ein ordnungsgemäßes behördliches Verlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X erfolgt ist. Diese Wertung ist aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Behörde nötig, die zuvor ausdrücklich auf den Nachweis der Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren gedrängt hat (vgl. zum Ganzen: LSG BW, B. v. 23.6.2015 – L 4 R 3235/14 – juris Rn. 34 f.; RhPfLSG, U. v. 30.4.2013 – L 3 AS 98/13 – juris Rn. 21-27; VG München, U. v. 27.8.2009 – M 10 K 09.390 – juris Rn. 23 f.; VG Augsburg, U. v. 8.10.2002 – Au 3 K 02.777 – juris Rn. 10).
b) Im vorliegenden Fall wies die Regierung von Niederbayern mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 (Blatt 3 der Widerspruchsakte; zur Post gegeben am selben Tag) den anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass trotz Aufforderung durch das Landratsamt (siehe hierzu Schreiben v. 29.5.2015, Blatt 130 der Verwaltungsakte; Schreiben v. 6.7.2015, Blatt 132 der Verwaltungsakte) bislang keine Vollmacht nachgewiesen worden sei. Es wurde letztmalig die Möglichkeit gegeben, die Vollmacht bis spätestens 15. Dezember 2015 nachzuweisen, andernfalls werde der Widerspruch als unzulässig verworfen. Die Klägerin persönlich erhielt einen Abdruck des Schreibens. Das behördliche Schreiben vom 4. Dezember 2015 enthielt somit alle Elemente eines ordnungsgemäßen Nachweisverlangens i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X (kein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, angemessene Fristsetzung, Anhörungs- und Warnfunktion durch Hinweis auf Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig bei Nichtvorlage). Insbesondere war die mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 erfolgte Fristsetzung bis zum 15. Dezember 2015 – unter Berücksichtigung des Postlaufs mithin etwa eine Woche – mit Blick auf die zuvor bereits mehrfachen Aufforderungen zur Vollmachtsvorlage und die Tatsache, dass die geforderte Vollmachtsvorlage ohne besonderen Zeitaufwand möglich ist, angemessen; ohnehin lief die Vorlagefrist vorliegend faktisch bis zum 22. Dezember 2015 (und damit etwa zwei Wochen), da erst zu diesem Zeitpunkt der letztliche Widerspruchsbescheid zur Post gegeben wurde (Blatt 5 der Widerspruchsakte).
Eine Reaktion bzw. Vollmachtsvorlage erfolgte jedoch durch den anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin (weiterhin) nicht, obwohl dieser selbst bereits mit dem Widerspruchsschreiben vom 18. Mai 2015 (Blatt 126 der Verwaltungsakte) eine Nachreichung der Vollmachtsurkunde angekündigt hatte. Mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 21. Dezember 2015 wurde der Widerspruch der Klägerin sodann – wie behördlich angekündigt – als bereits unzulässig verworfen (Blatt 4 f. der Widerspruchsakte).
Dieses behördliche Vorgehen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn erfolgt nach ordnungsgemäßer behördlicher Aufforderung i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X – wie hier – kein fristgemäßer schriftlicher Vollmachtsnachweis, so sind die bisherigen Verfahrenshandlungen – insbesondere die Widerspruchseinlegung – unwirksam. Ein Nachweis der schriftlichen Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren ist nach der Entscheidung über die Verwerfung des Widerspruchs – wie ausgeführt – nicht mehr möglich. Ohnehin hat der Bevollmächtigte der Klägerin auch im vorliegenden Klageverfahren keinen entsprechenden Nachweis vorgelegt; zur Thematik der Unwirksamkeit der Widerspruchseinlegung mangels Vollmachtsvorlage verhält sich die Klagebegründung vom 20. Januar 2016 (Blatt 3-5 der Gerichtsakte) nicht.
2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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