Verwaltungsrecht

Unzulässige Klage gegen unanfechtbaren Flurbereinigungsplan

Aktenzeichen  13 A 18.2266

Datum:
24.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9493
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 1, § 4, § 37, § 58, § 59 Abs. 2, Abs. 5, § 134, § 138 Abs. 1 S. 2, § 145 Abs. 1
AGFlurbG Art. 15 Abs. 2
VwGO § 68

 

Leitsatz

1. Ein verschuldetes Versäumnis der Widerspruchsfrist ist anzunehmen, wenn ein Teilnehmer am Anhörungstermin die ihm gewährte Möglichkeit zur Information und zur Überlegung innerhalb der gesetzlichen Fristen ohne Hindernis nicht nutzt; eine Nachsichtgewährung kommt dann nicht in Betracht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zur Anfechtung des Flurbereinigungsplans ist Klagevoraussetzung; ohne Widerspruchsbescheid in der Sache ist ein Klageverfahren nicht zulässig. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ein Pauschsatz für die baren Auslagen des Gerichts wird nicht erhoben. Die Gebührenpflicht wird nicht angeordnet.

Gründe

I.
Der Kläger ist Teilnehmer des Dorferneuerungsverfahrens N., das am 24. November 1986 nach §§ 1, 4 und 37 FlurbG von der damaligen Direktion für Ländliche Entwicklung B. angeordnet worden war.
Der Flurbereinigungsplan nach § 58 FlurbG wurde am 14. November 2017 aufgestellt; der Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG fand am 30. Januar 2018 statt. Zum Anhörungstermin erschien der Sohn des Klägers, der darauf hingewiesen wurde, dass eine Widerspruchseinlegung erst ab dem Tag nach dem Anhörungstermin schriftlich und innerhalb einer Frist von zwei Wochen möglich sei. In der Sitzung des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft (TG) am 26. April 2018 (zum Abschluss des Verfahrens) übergab der Sohn des Klägers dem damaligen Vorsitzenden des Vorstands ein auf den 4. Februar 2018 datiertes Widerspruchsschreiben. Darin wurde ausgeführt, die Grenzregelungen mit der Stadt M. bezüglich im Einzelnen benannter Grundstücke seien nicht endgültig geklärt.
Mit Schreiben vom 30. April 2018 teilte der Vorsitzende des Vorstands der TG dem Kläger mit, dass der Widerspruch nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Sollte der TG bis zum 26. Mai 2018 ein Nachweis darüber vorliegen, dass das Schreiben auf dem Postweg verloren gegangen sei, könne ihm Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden. Unter Vorlage von ärztlichen Attesten stellte der Kläger mit Telefax vom 1. Mai 2018 einen entsprechenden Antrag bezüglich des „Widerspruchs vom 30.01.2018 (zu Protokoll gegeben durch meinen Sohn) und dem Widerspruchsschreiben vom 4.02.2018 (per Post an das ALE .. versandt)“. Mit Fax vom 2. Mai 2018 begründete er die Wiedereinsetzungsanträge und führte insbesondere aus, dass seine Ehefrau während der Widerspruchsfrist erkrankt sei und die Behandlung am 22. Februar 2018 begonnen habe. Des Weiteren habe er sich selbst vom 15. bis 19. März 2018 in stationärer Behandlung im Krankenhaus befunden. Überdies hätten er und sein Sohn vom Fehlen des Eingangs des Widerspruchsschreibens erst in der Vorstandssitzung am 26. April 2018 erfahren. Mit Fax vom 27. Mai 2018, eingegangen am 28. Mai 2018, beantragte er eine Fristverlängerung für den Nachweis, dass das Original auf dem Postweg verloren gegangen sei sowie für die Vorlage einer Zustimmungserklärung der Stadt M. Es wurde insoweit und aufgrund seiner Erkrankung sowie der Erkrankung seiner Ehefrau Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2020 hat der Spruchausschussvorsitzende den Widerspruch des Klägers als unzulässig abgewiesen, da er nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Innerhalb der dem Kläger gewährten Frist sei kein Nachweis darüber erbracht worden, dass das Widerspruchsschreiben rechtzeitig abgesandt worden sei und damit auf dem Postweg verloren gegangen sein müsse. Auch eine Zulassung der Erklärung nach den § 134 Abs. 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 FlurbG scheide aus. Zwar habe der Kläger mit Schreiben vom 1. Mai 2018 drei Atteste vorgelegt, die darin bestätigten Termine lägen jedoch außerhalb der Widerspruchsfrist. Nehme man zugunsten des Widerspruchsführers eine unverschuldete Säumnis an, so fehle es dennoch an der unverzüglichen Abgabe der Erklärung bzw. Einlegung des Widerspruchs nach Behebung des Hindernisses. Für unverzügliches Handeln werde ein Zeitraum geringer als zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses angesehen. Legte man den stationären Aufenthalt des Widerspruchsführers als späteste Verhinderung zu Grunde, wäre zumindest eine Einlegung des Widerspruchs bis zum 3. April 2018 nötig gewesen; dies sei nicht geschehen.
Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 6. August 2018 Klage gegen die Teilnehmergemeinschaft N. beim Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht – verwiesen. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen das Schreiben der TG vom 3. Juli 2018, mit dem seine Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 1. bzw. 2. Mai 2018 für das auf dem Postweg verloren gegangene Widerspruchsschreiben vom 4. Februar 2018 abgelehnt wurden.
Nachdem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Dezember 2019 am Gesundheitszustand des Klägers und am 19. März 2020 an der derzeit herrschenden Corona-Pandemie gescheitert war, ist der Kläger mit gerichtlichen Schreiben vom 26. März 2020 darauf hingewiesen worden, dass sein Widerspruch unzulässig sein dürfte, wie bereits im Widerspruchsbescheid erläutert. Der Erlass eines Vorsitzendenbescheids wurde angekündigt. Der Kläger hat eine Fristverlängerung zur Stellungnahme beantragt, sich aber inhaltlich nicht geäußert.
Im Übrigen wird auf die vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die Klage hat keinen Erfolg. Nach § 145 Abs. 1 FlurbG kann die Vorsitzende des Flurbereinigungsgerichts die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Bescheid abweisen, da das Sach- und Rechtsverhältnis genügend geklärt und die Klage offensichtlich erfolglos ist. Der Kläger wurde hierzu gehört.
In entsprechender Auslegung seines Antrags gemäß § 88 VwGO begehrt der Kläger eine Änderung des Flurbereinigungsplans in Bezug auf Grenzregelungen. Hiermit vermag er aber nicht (mehr) durchzudringen, weil seine Klage unzulässig ist.
Der Flurbereinigungsplan ist für den Kläger bereits unanfechtbar geworden. Gemäß § 59 Abs. 5 FlurbG, Art. 15 Abs. 2 AGFlurbG können Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan nur innerhalb von zwei Wochen nach dem Terminstag beim Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) schriftlich vorgebracht werden. Das hat der Kläger versäumt (zur Bestandskraft bei Fristversäumung siehe Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Auflage 2018, § 141 Rn. 11). Damit ist die Klage unzulässig, denn gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 68 VwGO ist die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts vor Klageerhebung in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist Klagevoraussetzung; ohne Widerspruchsbescheid ist ein Klageverfahren nicht zulässig (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 141 Rn. 17 und 23, § 142 Rn. 5). Vorliegend hat eine solche Überprüfung in einem Vorverfahren mangels rechtzeitigen Widerspruchs des Klägers nicht stattgefunden. Der Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2020 überprüft den Flurbereinigungsplan nicht in der Sache, sondern stellt nur fest, dass der Widerspruch wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig ist. Da der Anhörungstermin am 30. Januar 2018 durchgeführt worden war, hätte der Widerspruch – wie im Widerspruchsbescheid richtig ausgeführt – bis spätestens 13. Februar 2018 eingehen müssen. In der Ladung zum Anhörungstermin ist die Rechtsbehelfsbelehrung:enthalten, die zutreffend darauf hinweist, dass gegen den Flurbereinigungsplan innerhalb von zwei Wochen nach dem Tag des Anhörungstermins Widerspruch eingelegt werden kann. Das war hier nicht der Fall. Zwar ist der Sohn des Klägers zum Anhörungstermin erschienen, jedoch ist der Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG in Bayern kein Termin, in dem Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan vorgebracht werden können; erst am Tag nach dem Anhörungstermin kann innerhalb von zwei Wochen Widerspruch eingelegt werden (Mayr in Linke/Mayr, AGFlurbG, 2012, Art. 15 Rn. 5). Der Sohn des Klägers wurde ausweislich der vorgelegten Behördenakten auch darauf hingewiesen, dass eine Widerspruchseinlegung erst ab dem Tag nach dem Anhörungstermin schriftlich und innerhalb einer Frist von zwei Wochen möglich sei.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Widerspruchsschreiben, das der Sohn des Klägers in der Sitzung des Vorstands der TG am 26. April 2018 dem damaligen Vorsitzenden des Vorstands übergeben hat. Dieses Schreiben ist zwar auf den 4. Februar 2018 datiert und zu diesem Zeitpunkt wäre die zweiwöchige Widerspruchsfrist auch noch nicht abgelaufen gewesen. Allerdings hat es die TG erst nach Ablauf der zweiwöchigen Widerspruchsfrist (13. Februar 2018), nämlich am 26. April 2018, erreicht. Als es der Sohn des Klägers dem Vorsitzenden übergeben hat, war der Flurbereinigungsplan bereits bestandskräftig.
Auch eine Nachsichtgewährung nach § 134 Abs. 2, Abs. 3 FlurbG kommt nicht in Betracht. Danach kann die Flurbereinigungsbehörde nach Lage des einzelnen Falles einen späteren Widerspruch trotz Versäumung zulassen. Sie muss dies tun, wenn bei unverschuldeter Versäumung der Widerspruch unverzüglich nach Behebung des Hindernisses nachgeholt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Einen Anspruch auf nachträgliche Zulassung seines Widerspruchs hat der Kläger nicht, denn eine unverschuldete Fristversäumung liegt nicht vor (§ 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG). Ein schuldhaftes Verhalten ist anzunehmen, wenn ein Teilnehmer ohne Hindernis die ihm gewährte Möglichkeit zur Information und zur Überlegung innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht nutzt. Er wahrt damit nicht die Sorgfalt, die von einem verantwortungsbewussten Teilnehmer bei der Durchsetzung seiner eigenen Belange erwartet werden muss (BayVGH, U.v. 23.5.2011 – 13 A 10.1835 – RzF 40 zu § 134 II; Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 134 Rn. 5 mit Bezug auf BVerwG vom 12.2.1963 BVerwGE 15, 271). Im Widerspruchsschreiben vom 4. Februar 2018 führt der Kläger lediglich aus, er reiche „nochmals den Widerspruch vom 30.01.2018“ ein. Damit bezieht er sich aber nur auf die Äußerung seines Sohnes im Anhörungstermin. Diesem wurde schon im Termin erklärt, dass ein Widerspruch erst ab dem Folgetag eingelegt werden kann. Im Antrag auf Wiedereinsetzung vom 1. Mai 2018 behauptet der Kläger zwar, das Widerspruchsschreiben sei am 5. Februar 2018 per Post versandt worden, jedoch hat er auch auf Aufforderung der Beklagten, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen, und trotz Verlängerung der Äußerungsfrist keine weiteren Angaben gemacht. Dass er deshalb unverschuldet verhindert gewesen sein sollte, rechtzeitig Widerspruch einzulegen, ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch sind besondere Umstände ersichtlich, die eine Zulassung trotz Versäumung der gesetzlichen Frist begründen könnten. Gemessen an den dargestellten Grundsätzen handelt er deshalb schuldhaft im Sinn des § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG. Zu Recht wird im Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2020 ferner darauf hingewiesen, dass aus dem Vortrag des Klägers zudem nicht klar hervorgehe, ob das Widerspruchsschreiben überhaupt abgesandt worden und auf dem Postweg verloren gegangen sei, oder ob der Kläger wegen der Erkrankung seiner Ehefrau und nachfolgend seiner eigenen Erkrankung schon verhindert gewesen sein sollte, innerhalb der zweiwöchigen Widerspruchsfrist den Widerspruch abzusenden.
Soweit sich der Kläger unter Vorlage von Attesten auf die Erkrankung seiner Ehefrau und auf seine stationäre Behandlung im Krankenhaus beruft, stellt schon der Widerspruchsbescheid zutreffend fest, dass die dort genannten Termine außerhalb der Widerspruchsfrist liegen. Als sich der Kläger wie attestiert vom 15. bis 19. März 2018 stationär im Krankenhaus befunden und die Behandlung seiner Ehefrau am 22. Februar 2018 begonnen hat, war die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen. Selbst wenn man den Krankenhausaufenthalt als Hinderungsgrund und damit eine unverschuldete Fristversäumung annehmen wollte, hätte der Kläger den Widerspruch nicht unverzüglich nach Behebung des Hindernisses eingelegt. Der stationäre Aufenthalt endete am 19. März 2018, das Widerspruchsschreiben wurde aber erst über einen Monat danach am 26. April 2018 übergeben. Dieser Zeitraum ist wesentlich länger als die zweiwöchige Widerspruchsfrist selbst und damit eine etwaige Nachholung bei Weitem nicht unverzüglich (siehe hierzu Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 134 Rn. 8 m.w.N.).
Aus den gleichen Gründen hat es die Beklagte auch zu Recht abgelehnt, im Ermessenswege Nachsicht zu gewähren (§ 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG). Inwiefern der Kläger nicht wertgleich abgefunden sein und eine offenbare Härte vorliegen sollte, hat dieser ebenfalls nicht näher erläutert; ein Abfindungsdefizit ist auch nicht zu erkennen. Etwaige Vereinbarungen mit der Stadt M., auf die sich der Kläger beruft, haben auf die Wertgleichheit seiner Abfindung keinen Einfluss.
Der Ausspruch über die Kosten richtet sich nach § 147 Abs. 1 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gebührenpflicht wurde nicht angeordnet. Von der Festsetzung eines Pauschsatzes wurde abgesehen, da die baren Auslagen des Gerichts bislang gering geblieben sind. Der Kläger hat somit keine Gerichtskosten zu tragen.


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