Verwaltungsrecht

Unzulässige Untätigkeitsklage wegen Antrag auf Bescheidung in Asylstreitverfahren

Aktenzeichen  Au 3 K 16.31394

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 52408
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75, § 113 Abs. 4 S. 1
AsylG § 33 Abs. 5 S. 2, S. 3

 

Leitsatz

Eine auf Bescheidung eines Asylantrags gerichtete Untätigkeitsklage ist unzulässig, da in Asylrechtsstreitigkeiten das Verwaltungsgericht die Sache auch dann selbst zu klären und abschließend zu entscheiden hat, wenn die persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Verwaltungsverfahren unterblieben ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist nicht statthaft und damit unzulässig, weil in Asylrechtsstreitigkeiten das Verwaltungsgericht nach der gesetzlichen Regelung des § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO die Sache unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Gründe auch dann selbst zu klären und abschließend zu entscheiden hat, wenn die persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Verwaltungsverfahren unterblieben ist (vgl. BVerwG, B. v. 9.3.1982 – 9 B 360.82 – juris Rn. 8).
Nur auf diese Weise lässt sich in vielen Fällen eine Aufspaltung der Asylstreitsache und eine mehrfache Inanspruchnahme des Gerichts bis hin zu Vollstreckungsverfahren mit mehrfach anfallenden Verfahrenskosten vermeiden sowie der im öffentlichen Interesse liegenden Beschleunigung des Anerkennungsverfahrens Rechnung tragen (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 6). Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung im Asyl- und Flüchtlingsrecht handelt es sich bei den im Asylgesetz geregelten materiellen Ansprüchen nach wie vor um gebundene Entscheidungen, die dem Bundesamt keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eröffnen (BayVGH, B. v. 7.7.2016 – 20 ZB 16.30003 – juris). Deswegen rechtfertigt sich der Verzicht auf eine Herstellung der Spruchreife auch nicht aus der Eigenart einer derartigen der Verwaltung vorbehaltenen Entscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 10.2.1998 – 9 C 28.97 – BVerwGE 106, 171/174 zur Pflicht des Gerichts zum „Durchentscheiden“ bei Asylfolgeanträgen). Dabei gilt die Pflicht des Gerichts zum „Durchentscheiden“ bei Asylfolgeanträgen auch dann, wenn der Ausländer nach Rücknahme eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt, also das Bundesamt noch nie über das Asylbegehren sachlich entschieden hat (vgl. BVerwG, U. v. 10.2.1998, a. a. O. S. 173). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluss vom 9. März 1982 nicht danach differenziert, ob das Bundesamt bei unterbliebener Anhörung des Asylbewerbers in der Sache entschieden hat oder nicht (a.A. wohl OVG NRW, B. v. 30.12.2015 – 5 A 2202/15.A – juris).
Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Rechtsschutzmöglichkeiten bei Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens (vgl. § 33 AsylG) ergibt sich nichts Anderes. In diesen Fällen liegt – vorbehaltlich der neu eingeführten Möglichkeit, die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 2 und 3 AsylG zu beantragen – in dem Einstellungsbescheid des Bundesamts eine selbstständige Beschwer, so dass eine Anfechtungsklage statthaft ist. Bei dieser Klageart stellt sich die Frage nach einem „Durchentscheiden“ aber bereits im Ansatz nicht. Entsprechendes gilt für die sog. „Dublin-Fälle“. Auch hier liegt in der Entscheidung des Bundesamts, den Asylantrag nach § 27a AsylG als unzulässig abzulehnen, eine eigenständige Beschwer des Asylbewerbers, so dass eine Anfechtungsklage statthaft ist und sich die Problematik des „Durchentscheidens“ bei einer Verpflichtungsklage von vornherein nicht stellt.
Klarzustellen ist, dass das Bundesamt unabhängig von der Pflicht des Gerichts zu einer abschließenden Entscheidung seinerseits verpflichtet ist, im Rahmen seiner Möglichkeiten zeitnah den Asylbewerber anzuhören und über den Asylantrag zu entscheiden. Dies gilt verstärkt, wenn der Asylbewerber eine Untätigkeitsklage erhoben hat. Einerseits gibt der Asylbewerber damit zu erkennen, dass er ein persönliches Interesse an einer möglichst baldigen Sachentscheidung hat, andererseits bedeutet es eine zusätzliche Belastung des Verwaltungsgerichts, ohne vorherige Anhörung durch das Bundesamt über einen Asylantrag entscheiden zu müssen. Dem hat das Bundesamt durch entsprechende Priorisierung Rechnung zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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