Verwaltungsrecht

Unzulässiger Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  20 ZB 17.30688

Datum:
21.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 132497
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
VwGO § 108 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Antrag auf Zulassung der Berufung, der die Frage „ob das Verwaltungsgericht aufgrund der derzeit bestehenden Praxis, Iraker grundsätzlich nicht abzuschieben, von einer weiteren Prüfung von Abschiebungshindernissen befreit wird“, für grundsätzlich klärungsbedürftig aufwirft, ist unzulässig, weil er keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, und nicht erläutert, weshalb die Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist und weshalb der Frage über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 4 K 16.31584 2017-04-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. April 2017 (Az. M 4 K 16.31584) ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe schon nicht in einer Weise dargelegt wurden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
1. Soweit der Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage aufwirft,
„ob das Verwaltungsgericht aufgrund der derzeit bestehenden Praxis, Iraker grundsätzlich nicht abzuschieben, von einer weiteren Prüfung von Abschiebungshindernissen befreit wird“,
fehlt es an einer Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser verlangt hinsichtlich seiner Darlegung, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, dass er erläutert, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht, weil er die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht dargelegt.
Denn das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zur Begründung seiner Auffassung, dass angesichts des in Bayern geltenden faktischen Abschiebungsstopps ein zusätzlicher Schutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erforderlich sei, auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001 (Az. 1 C 2.01 – NVwZ 2001, 1420) verwiesen. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass eine verfassungskonforme Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 7 AufenthG) auf jeden Fall dann geboten sei, wenn der einzelne Asylbewerber sonst gänzlich schutzlos bliebe, das heißt, wenn seine Abschiebung in den gefährlichen Zielstaat ohne Eingreifen des Bundesamts oder der Verwaltungsgerichte tatsächlich vollzogen würde. Mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept sei sie aber auch dann zulässig, wenn der Abschiebung zwar anderweitige – nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 oder 6 Satz 1 oder § 54 AuslG fallende – Hindernisse entgegenstünden, diese aber keinen gleichwertigen Schutz böten. Gleichwertig sei der anderweitige Schutz nur, wenn er dem entspreche, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte (BVerwG a.a.O, zitiert nach juris, Rn. 12). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat der 23. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Urteil vom 10. Mai 2005 (Az. 23 B 05.30217 – juris, Rn. 30) für das Herkunftsland Irak ausgeführt, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern und die Konferenz der Länderinnenminister wiederholt festgestellt hätten, dass ein Beginn von zwangsweisen Rückführungen in den Irak nicht möglich sei. Demzufolge sei auch in Bayern die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger weiterhin ausgesetzt. Damit liege eine Erlasslage im Sinne des § 60a AufenthG vor, welche dem betroffenen Ausländer derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittele, so dass den Klägern nicht zusätzlich Schutz vor der Durchführung der Abschiebung etwa in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren wäre. Dieses Urteil ist rechtskräftig (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2005 – 1 B 68.05 – juris und v. 22.3.2006 – 1 C 13.05 – im Internet abrufbar unter www.bverwg.de). Die Erlasslage, die der Entscheidung des 23. Senats zugrunde lag, entspricht derjenigen, die heute in Bayern gilt. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechts- oder Tatsachenfrage erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ a.a.O., Rn. 72; BVerfG – NVwZ-Beilage 1995, 17; BVerwG NJW 1993, 2825). Der Zulassungsantrag setzt sich mit der vom Verwaltungsgericht angeführten Rechtsprechung nicht auseinander. Aufgrund dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Rechtsfrage grundsätzlich geklärt. Warum nun eine neue Klärungsbedürftigkeit entstanden sein sollte, geht aus dem Zulassungsantrag nicht hervor. Dementsprechend sind die Darlegungsanforderungen nicht gewahrt.
2. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO ist ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargelegt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliche Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen. Die Rüge, das rechtliche Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt, erfordert aber regelmäßig, dass substantiiert dargelegt wird, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll (BVerwG, B.v. 27.10.1998 – 8 B 132.98 – NJW 1999, 1493) oder zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen der Kläger sich nicht hat äußern können. Sie erfordert außerdem, dass substantiiert dargelegt wird, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B.v. 9.10.1984 – 9 B 138.84 – InfAuslR 1985, 83; B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).
Der Kläger sieht einen Gehörsverstoß darin, dass im angefochtenen Urteil sein Vortrag, dass sein Bruder ermordet worden sei, um die Familie für die nicht vollständige Zahlung von Lösegeld (nach einer Entführung des Klägers) zu bestrafen, nicht berücksichtigt worden sei. Damit legt er jedoch nicht dar, warum sein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes anders zu bewerten gewesen wäre, wenn das Verwaltungsgericht diesen Umstand berücksichtigt hätte. Denn das Verwaltungsgericht stützt seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass dem Kläger in Kerbala oder in anderen Städten im Südirak eine innerstaatliche Fluchtbzw. Schutzalternative im Sinne des § 3e i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG zur Verfügung stehe. Hierzu lässt der Kläger lediglich ausführen, das Gericht habe verkannt, dass die Entführer den Kläger und seine Familie bereits in Kerbala aufgespürt hätten und dass es keine Anhaltspunkte gebe, dass die Verfolgung sich nicht auf den gesamten Irak erstreckt hätte. Das Verwaltungsgericht hat es aber nicht als glaubhaft erachtet, dass der Kläger von der im Irak landesweit agierenden Miliz „Asaib al Hak“ entführt wurde (UA S. 7). Daher hätte der Kläger im Zulassungsantrag im Einzelnen darlegen müssen, woraus sich die Schlussfolgerung ergeben soll, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Irak entgegen der gerichtlichen Einschätzung dennoch einer landesweiten Verfolgung bzw. einem landesweit drohenden ernsthaften Schaden ausgesetzt wäre.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben