Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs bei Maßnahmen von Staatsanwaltschaft und Polizei

Aktenzeichen  M 7 SE 20.2076

Datum:
24.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20514
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40 Abs. 1
GVG § 17a
EGGVG § 23

 

Leitsatz

Bei Maßnahmen der Staatsanwaltschaft handelt es sich aufgrund deren Funktion als Ermittlungsbehörde (vgl. § 160 StPO) von vorneherein um repressives Tätigwerden, sodass der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtstreit wird an das Amtsgericht München verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen diverse polizei- und staatsanwaltschaftliche Maßnahme im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens.
Am … Mai 2020 und mit weiteren Schreiben vom …, … und … Mai 2020 stellte der Antragsteller einen „Antrag nach § 80a VwGO und einstweilige Verfügung“, u.a. gerichtet auf:
Aufhebung des Haftbefehls vom … Mai 2020;
– Herausgabe der/aller beschlagnahmten Gegenstände zzgl. der nicht im Sicherstellungsverzeichnis aufgeführten Gegenstände und aller Werte;
– Feststellung der polizeilichen Maßnahme bzw. des Polizeieinsatzes (SEK) vom … Mai 2020 im Bundesland Niedersachsen;
– Entlassung des inhaftierten Antragstellers;
– Einstellung des Ermittlungsverfahrens;
– Vorabentscheidung vor dem EuGH zur Feststellung der polizeilichen Maßnahme vom … Mai 2020;
Aufhebung der Beschlüsse vom AG München ER IVGS …
Zur Begründung wird vorgetragen, dass gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingeleitet und es am … Mai 2020 zu einer gesonderten polizeilichen Maßnahme im Bundesland Niedersachsen gegen ihn gekommen sei. An diesem Tag habe er sich in der Wohnung seiner Freundin aufgehalten, als die Wohnungstüre durch das von der Staatsanwaltschaft München I beauftragte Sondereinsatzkommando aufgebrochen worden sei. Auf ihn seien Waffen gerichtet und es sei mit brutaler Gewalt gegen ihn vorgegangen worden. Man habe zudem Gegenstände beschlagnahmt. Am … Mai 2020 sei dem Vollzug der Untersuchungshaft stattgegeben worden. Der ihm gegenüber erhobene Vorwurf des Betrugs sei nicht zutreffend, so dass sich der gesamte Einsatz als rechtswidrig darstelle und ihn in seinen Rechten verletze. Ergänzend wird insoweit auf die vom Antragsteller vorgelegten Schreiben verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 legte der Antragsgegner vertreten durch die Staatsanwaltschaft München I die o.g., vom Antragsteller im Rahmen seiner Untersuchungshaft verfassten Schreiben sowie Teile der Ermittlungsakten vor. Im Übrigen äußerte sich der Antragsgegner nicht zur Sache.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Juni 2020 wurden die Beteiligten zu einer Verweisung des Verwaltungsrechtsstreits an das Amtsgericht München angehört. Im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten (Ermittlungsakten) verwiesen.
II.
Der Rechtsstreit ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO an das zuständige ordentliche Gericht – vorliegend an das mit den Maßnahmen anlässlich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (schwerpunktmäßig) befasste Amtsgericht München – zu verweisen, da der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht eröffnet ist. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.
Bei Maßnahmen der Polizei ist hinsichtlich des Rechtswegs grundsätzlich entscheidend, in welcher Funktion die Polizei im konkreten Fall tätig geworden ist. Wird die Polizei zur Gefahrenabwehr (präventiv) tätig, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da nach Art. 12 Abs. 1 POG für Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Polizei die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung gelten, soweit eine Zuständigkeit nach § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz – EGGVG – nicht gegeben ist. Wurde die Polizei demgegenüber zum Zwecke der Strafverfolgung (repressiv) tätig, hat mithin funktional als Justizbehörde gehandelt, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, da nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstiger Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte entscheiden. Bei Maßnahmen der Staatsanwaltschaft handelt es sich aufgrund deren Funktion als Ermittlungsbehörde (vgl. § 160 StPO) von vorneherein um repressives Tätigwerden.
Der Rechtsstreit ist insgesamt der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Denn dem Antragsbegehren folgend – soweit es auf Basis des bisherigen Vortrags einer Auslegung zugänglich ist – wendet sich der Antragsteller ausschließlich gegen Maßnahmen im Rahmen eines gegen ihn gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und damit gegen ausschließlich repressives Tätigkeitwerden der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft.
Somit war gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG festzustellen, dass der beschrittene Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist und der Rechtsstreit an das Amtsgericht München als dem laut Antragsteller und Ermittlungsakten (jedenfalls im Schwerpunkt) mit den angegriffenen Maßnahmen befassten ordentlichen Gericht zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG dem zuständigen Gericht vorbehalten.


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