Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit eines Eilrechtsantrags bei Angabe einer Deckadresse

Aktenzeichen  10 CE 17.2321

Datum:
7.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138371
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 130 Nr. 1
AufenthG § 60a Abs. 2
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Zur Bezeichnung eines Klägers bzw. Antragstellers im Sinne des § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO gehört nach § 173 Satz 1 VwGO iVm § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes. Das gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Angabe einer Deckadresse, unter der sich der Kläger bzw. Antragsteller in Wirklichkeit gar nicht aufhält, und damit hier zudem gleichzeitig deutlich macht, dass er sich an einem nicht genannten Aufenthaltsort im Bundesgebiet befindet, entspricht nicht den Anforderungen an eine ladungsfähige Anschrift. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 E 17.2755 2017-11-06 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zur Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG) zu verpflichten.
Nachdem der Antragsgegner dem Verwaltungsgericht mitgeteilt hatte, dass der Antragsteller seit dem 21. März 2017 als „unbekannt verzogen“ geführt werde und sein Aufenthaltsort nicht bekannt sei, forderte das Gericht seine Bevollmächtigten zur Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift auf. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 wurde daraufhin eine c/o-Adresse in Skopje (Mazedonien) mitgeteilt.
Mit Beschluss vom 6. November 2017 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag ab, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Regelungsgehalt einer Duldung bestehe in der verbindlichen Erklärung der Behörde, dass der Ausländer für eine bestimmte Zeit nicht abgeschoben wird. Der Antragsteller sei vorliegend freiwillig ausgereist, weshalb eine Abschiebung nicht mehr habe erfolgen müssen. Damit sei das Rechtsschutzinteresse entfallen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde wird vorgetragen, dem Antragsteller fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis, um eine Duldung erstreiten zu können. Das Verwaltungsgericht irre, wenn es meine, der Antragsteller sei freiwillig ausgereist. Dem Gericht sei lediglich eine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt worden. Das bedeute aber nicht, dass der Antragsteller sich unter der genannten Anschrift tatsächlich aufhalte. Von einer freiwilligen Ausreise des Antragstellers könne vorliegend schlechterdings nicht die Rede sein.
Diese von der Antragstellerseite in ihrer Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Prüfung beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist auch in Anbetracht des Beschwerdevortrags unzulässig.
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger bezeichnen. Diese Vorschrift ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf den Antragsteller entsprechend anzuwenden (BayVGH, B.v. 11.9.2012 – 7 CS 12.1423 – juris Rn. 19; VGH BW, B.v. 25.10.2004 – 11 S 1992/04 – juris Rn. 4; HessVGH, B.v. 21.12.1988 – 4 TG 2070/88 – juris Rn. 27).
Zur Bezeichnung eines Klägers bzw. Antragstellers im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehört nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger bzw. Antragsteller tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll darüber hinaus dadurch auch gewährleistet werden, dass er nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden kann und sich im Falle seines Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Das gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Solches wird nur dann angenommen, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder eine schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 10 CE 16.1145, 10 C 16.1146 – juris Rn. 15; BayVGH, B. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 3.2.2016 – 10 ZB 15.1413 – juris Rn. 4).
Entspricht die Klage bzw. der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht den Anforderungen des § 82 Abs. 1 VwGO, hat das Gericht den Kläger bzw. Antragsteller zu der erforderlichen Ergänzung aufzufordern. Dieser Pflicht ist das Verwaltungsgericht mit dem Schreiben vom 16. Oktober 2017 nachgekommen; der Antragsteller hat daraufhin mit dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24. Oktober 2017 eine Adresse in Skopje (Mazedonien) mitgeteilt.
Wenn der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nunmehr vorträgt, bei dieser von ihm genannten Adresse in Skopje handele es sich um eine Deckadresse, unter der sich er sich in Wirklichkeit gar nicht aufhalte, und damit gleichzeitig deutlich macht, dass er sich an einem nicht genannten Aufenthaltsort im Bundesgebiet befindet, dann entsprach die von ihm mitgeteilte (angebliche) ladungsfähige Anschrift nicht den beschriebenen Anforderungen. Damit ist die gebotene Vervollständigung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz unterblieben, der Antrag war damit bereits aus diesem Grund unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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