Verwaltungsrecht

Unzulässigkeit von Hütten zur Pferdehaltung im Außenbereich

Aktenzeichen  9 ZB 17.1942

Datum:
17.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34634
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Hütten, die als Wetterschutz und Übernachtungsmöglichkeit für Kinder und deren Eltern, die an organisierten Ausritten und sonstigen Unternehmungen mit Pferden und Ponys teilnehmen, genutzt werden, sind einem nicht privilegierten gewerblichen Betrieb zuzuordnen und dienen nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 17.211 2017-08-03 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung des Landratsamts A … vom 4. Januar 2017, mit dem ihm gegenüber angeordnet wurde, die auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung W … (Gemeinde N …) errichteten vier hölzernen Gebäude – zwei größere „Dreiecksgebäude“ mit einer Grundfläche von je ca. 4 m mal 5 m und zwei kleinere hölzerne Gebäude mit Satteldach zwischen den größeren „Dreiecksgebäuden“ – bis spätestens vier Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids vollständig und ersatzlos zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage mit Urteil vom 3. August 2017 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Das Vorbringen des Klägers, die von der Beseitigungsanordnung betroffenen Hütten seien im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert und damit genehmigungsfähig, weil der Reitbetrieb zur Ausbildung (Pferdeerziehung bzw. reiterliche Erstausbildung) der Ponys aus eigener Zucht diene, die Ponys an den Kontakt mit Kindern gewöhnt werden müssten und dies durch die ortsnahe Unterbringung der Kinder in den Hütten ermöglicht werde, weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die zu beseitigenden Hütten nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienen, sondern ihre Nutzung als Wetterschutz und Übernachtungsmöglichkeit für Kinder und deren Eltern, die an vom Kläger organisierten Ausritten und sonstigen Unternehmungen mit Pferden und Ponys teilnehmen, einem nicht privilegierten gewerblichen Betrieb zuzuordnen sind. Dass die reiterliche Erstausbildung von Pferden bzw. Ponys unter den Begriff der Landwirtschaft fallen kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.1985 – 4 C 13.82 – juris), hat es dabei ebenso berücksichtigt wie das erstinstanzliche und im Zulassungsverfahren wiederholte Vorbringen des Klägers, wonach die Gewöhnung der Tiere an den Kontakt mit Kindern zur Erstausbildung gehöre. Mit seiner überzeugenden Sachverhaltswürdigung, wonach der Zweck der Gewöhnung an Kinder nur ganz am Rande durch deren Übernachtung auf dem Grundstück gefördert werde, die Übernachtung auf dem Grundstück und dort in dauerhaft errichteten Holzhütten nicht erforderlich sei und demzufolge die sonstige gewerbliche Ausnutzung der Pferde bzw. Ponys sowie der Lage des Außenbereichsgrundstücks, ähnlich wie bei „Urlaub auf dem Bauernhof“ oder „Reiterferien“ im Vordergrund stehe, setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
b) Auch mit dem weiteren Vortrag, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die streitgegenständlichen Hütten als sogenannter mitgezogener Betriebsteil privilegiert seien, werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aufgezeigt.
In den Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb überhaupt vorhanden ist, können einzelne Betätigungen – die bei isolierter Betrachtung landwirtschaftsfremd sind – durch ihre betriebliche Zuordnung zu der landwirtschaftlichen Tätigkeit von dieser gleichsam mitgezogen werden und damit im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB an der Privilegierung teilnehmen, wenn es sich bei dem nicht privilegierten Betriebsteil gegenüber dem privilegierten Betrieb nur um eine bodenrechtliche Nebensache handelt, er dem landwirtschaftlichen Betrieb zu- und untergeordnet ist und ihm zur Erhaltung und Existenzsicherung eine zusätzliche Einkommensquelle schaffen soll (BayVGH, B.v. 23.12.2016 – 9 CS 16.1746 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Teilhabe eines zweckmäßigerweise angegliederten, für sich genommen nichtlandwirtschaftlichen Betriebsteils an der Privilegierung des Gesamtbetriebs findet ihre Grenze an dem Gebot, den Außenbereich grundsätzlich von ihm fremden Belastungen freizuhalten. Es muss daher auch hinsichtlich der „mitgezogenen“ Nutzung noch ein enger Zusammenhang mit der Bodenertragsnutzung in ihren vielfältigen Formen gegeben sein (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.2019 – 2 B 19.457 – juris Rn. 21 m.w.N.). § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bietet keine Handhabe dafür, einen landwirtschaftlichen Betrieb unter erleichterten Voraussetzungen um einen von der landwirtschaftlichen Nutzung unabhängigen Betriebsteil zu erweitern (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2017 – 15 ZB 16.1673 – juris Rn. 24).
Das Verwaltungsgericht hat – hiervon ausgehend – auch eine mitgezogene Nutzung in diesem Sinne verneint. Dem ist der Kläger im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Es obliegt dem Kläger als Bauherrn, darzulegen, dass nicht nur die Betriebsführung als solche, sondern auch ihre landwirtschaftliche Ausprägung zur Überzeugung von Behörden und Gericht verlässlich gewährleistet ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2016 – 9 ZB 13.2539 – juris Rn. 11). Dies gilt auch und gerade für mitgezogene Betriebsteile (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.2019 – 2 B 19.457 – juris Rn. 21). Der Kläger hat sich im Zulassungsverfahren nicht im Einzelnen mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, wonach eine von der Landwirtschaft mitgezogene Nutzung – unabhängig davon, ob sich der Kläger mit der von ihm betriebenen Pony- bzw. Pferdehaltung auf einen Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 BauGB berufen kann – daran scheitere, dass kein direkter Zusammenhang mit der Ponyzucht und -ausbildung als hier in Betracht kommender Bodenertragsnutzung bestehe, sondern vom Kläger beim Angebot von Übernachtungen im Rahmen von Ausritten, sonstigen Unternehmungen und Reitbeteiligungen für Kinder und Eltern lediglich die Außenbereichslage des Grundstücks und die Anwesenheit von Pferden, Ponys und sonstigen Tieren auf dem Grundstück ausgenutzt werde. Das Verwaltungsgericht, das zur Begründung seiner Einschätzung auch den Inhalt des betreffenden werbenden Internetaufritts des Klägers heranzog, wertete somit das vom Kläger angebotene Erlebniskonzept, für das die streitgegenständlichen Hütten Wetterschutz- und Übernachtungsmöglichkeiten bieten sollen, als eigenständiges Gewerbe, das trotz der vom Kläger behaupteten Synergien mit der Erstausbildung von Ponys aus eigener Zucht und der untergeordneten Größe der vier Holzhütten im Vergleich zu einer daneben errichteten Rundbogenhalle keine bodenrechtliche Nebensache zu einem übergeordneten landwirtschaftlichen Betrieb darstellt. Dem setzt der Kläger auch mit dem von ihm angeführten Einzelfall einer Unterbringungsmöglichkeit für Reiter, angegliedert an eine landwirtschaftlich privilegierte „Pensionspferdehaltung“, nichts entgegen.
c) Soweit der Kläger schließlich die Annahme des Verwaltungsgerichts in Zweifel zieht, dass die vier nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilenden Holzhütten die Entstehung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen und wegen ihrer Herstellungsweise aus Holz davon ausgeht, dass sie sich in das Landschaftsbild einfügen, kann dies ebenfalls nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führen.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Zulassung des Vorhabens Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 4 und 7 BauGB entgegenstehen. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Gründe, kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 9 ZB 16.597 – juris Rn. 6 m.w.N.) Ob die von der Beseitigungsanordnung betroffenen Hütten die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB), kann offen bleiben, weil das Verwaltungsgericht selbständig tragend und ausführlich begründet auch darauf abgestellt hat, dass sie die natürliche Eigenschaft der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Hiergegen hat der Kläger, der bei seiner Argumentation dafür, dass öffentliche Belange nicht beeinträchtigt würden, unzutreffend eine Privilegierung der Hütten nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unterstellt, nichts Substantiiertes vorgebracht. Für die Frage, ob ein Bauvorhaben als in der natürlichen Landschaft wesensfremd anzusehen ist, kommt es nicht maßgeblich darauf an, wie auffällig es in Erscheinung tritt, weil der Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft nicht nur eine optisch-ästhetische Komponente beinhaltet, sondern insbesondere auch der Wahrung der funktionellen Bestimmung der Landschaft dient (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1567 – juris Rn. 36). Der bloße Hinweis auf das für die Hütten verwendete Baumaterial Holz ist – auch in Anbetracht der vom Kläger noch erwähnten geringen Größe der Hütten – somit insoweit nicht relevant.
2. Die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Der Kläger geht mit seinem diesbezüglichen Vorbringen nicht über das hinaus, was er zur Begründung seiner Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, sondern verweist letztlich hierauf. Besondere Schwierigkeiten im Sinn offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens haben sich nach den obigen Ausführungen nicht ergeben (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 27).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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