Verwaltungsrecht

Unzureichende Darlegung der Berufungszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 18.33146

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27405
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)
2. Art.103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt  (Rn. 8). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.44001 2018-09-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones. Er begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 28. September 2018 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 19.30606 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen, mit dem schon keine Frage formuliert wird, nicht gerecht. Der Kläger stellt vielmehr darauf ab, dass das Verwaltungsgericht die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller in Sierra Leone unzutreffend beurteilt habe und macht damit im Gewand einer Grundsatzrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend. Dies stellt jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund dar (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2019 – 9 ZB 19.32770 – juris Rn. 4).
2. Soweit das Zulassungsvorbringen rügt, das Verwaltungsgericht hätte seinem Beweisangebot in der schriftlichen Klagebegründung vom 29. Juni 2017 zur Frage der Gefährdung Homosexueller in Sierra Leone nachkommen müssen, weshalb ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) vorliege, liegt kein Verfahrensmangel vor.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 7.3.2019 – 9 ZB 16.30086 – juris Rn. 3). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung in Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.) Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise aber dann gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – juris Rn. 22 m.w.N.). Demgemäß kommt eine Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG oder § 108 Abs. 2 VwGO und zugleich ein Mangel in der Sachaufklärung in Betracht, soweit das Gericht eine Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 4.3.2014 – 3 B 60/13 – juris Rn. 7). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht maßgebend darauf abgestellt hat, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, seine angebliche Verfolgung und Bedrohung aufgrund einer ihm unterstellten homosexuellen Orientierung schlüssig und nachvollziehbar darzulegen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts bei unterstelltem Zutreffen der Angaben des Klägers sind lediglich darüber hinaus erfolgt.
Abgesehen davon statuiert Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 9.7.2019 – 9 ZB 19.32353 – juris Rn. 9). Art. 103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 9 ZB 16.30193 – juris Rn. 15 m.w.N.). Aufklärungspflichten, die über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zu äußern, sind, auch wenn sie im einfachen Prozessrecht verankert sind, nicht von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 9 ZB 18.32680 – juris Rn. 16). Einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger nicht gestellt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretender Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat; soweit das Zulassungsvorbringen auf die im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 29. Juni 2017 enthaltenen Beweisangebote verweist, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nur um die Ankündigung eines Beweisantrages bzw. um eine Beweisanregung handelt, die die Folgen des § 86 Abs. 2 VwGO nicht auszulösen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.); anders als im Zulassungsvorbringen vorgetragen, findet sich auch keine entsprechende Bezugnahme in der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Dass sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt, zumal das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auch ausdrücklich auf aktuelle Erkenntnismittel abstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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