Verwaltungsrecht

Unzureichende Darlegung von Berufungszulassungsgründen im Fall eines Antragstellers aus Mali

Aktenzeichen  15 ZB 19.30361

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1026
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 4 S. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Frage, “ob ein Abschiebungsverbot für den Kläger vorliegt”, ist in dieser allgemeinen Formulierung von vornherein keiner grundsätzlichen Klärung iSv § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugänglich.  (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage muss hinreichend substanziiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 29 K 17.47277 2018-12-03 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger – ein nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. August 2017, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Mali oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 3. Dezember 2018 stellte das Verwaltungsgericht München das vom Kläger durch Klageerhebung initiierte gerichtliche Verfahren wegen teilweiser Klagerücknahme teilweise ein und wies die Klage im Übrigen – d.h. hinsichtlich des zuletzt noch gestellten Antrags, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21. August 2017 zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen – ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und weiche von obergerichtlicher Rechtsprechung ab; ferner habe das Verwaltungsgericht ihm gegenüber den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 78 Abs. 3 AsylG) sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
a) Der vom Kläger behauptete Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 24.4.2018 – 8 ZB 18.30874 – juris Rn. 4; B.v. 6. Juni 2018 – 15 ZB 18.31230).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. In der Sache wendet sich der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen gegen die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung, ohne damit jedoch eine über den Einzelfall hinausgehende Klärungsbedürftigkeit einer entscheidungserheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage hinreichend darzulegen.
Die vom Kläger als grundsätzlich angesehene Frage,
„ob ein Abschiebungsverbot für den Kläger vorliegt“,
ist in dieser allgemeinen Formulierung schon von vornherein keiner grundsätzlichen Klärung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugänglich, weil die Antwort auf diese von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängig ist, sie deshalb nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich in dieser Allgemeinheit somit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würden (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 8 m.w.N.). Im Übrigen muss zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (BayVGH, B.v. 20.9.2018 – 15 ZB 18.32223 – juris Rn. 12; OVG LSA, B.v. 23.8.2018 – 3 L 293/18 – juris Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, B.v. 31.7.2018 – 19 A 1675.17.A – juris Rn. 12 m.w.N.). Soweit in der Antragsbegründung vorgetragen wird, dass die Ausführungen des Auswärtigen Amts im aktuellen Lagebericht nicht darauf schließen ließen, Rückkehrer seien in Südmali willkommen, dass Mali zu den ärmsten Ländern der Erde zähle, dass Bamako eine der weltweit am stärksten wachsenden Städte sei und dass Mali vom Klimawandel nachteilig betroffen sei, wird hierdurch die Argumentation und Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts, wonach nach der individuellen Situation des Klägers als jungem und gesundem Mann mit (überdurchschnittlicher) sechsjähriger Schulbildung weder ein Abschiebungsverbot gem. § 60b Abs. 5 AufenthG noch ein solches nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliege, nicht konkret in Frage gestellt. Auch mit der in diesem Zusammenhang formulierten und als grundsätzlich angesehenen Frage,
„ob und in welchem Umfang einem psychisch kranken Antragsteller zugemutet werden kann, in Bamako den Unterhalt für eine vierköpfige Familie zu verdienen oder ob nach den vorliegenden Auskünften (…) davon ausgegangen werden muss, dass eine solche Existenzsicherung nicht möglich ist, sondern der einzelne unter dem Existenzminimum verbleibt“,
vermag der Kläger mangels substantiierter Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts keine Berufungszulassung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu begründen. Zum einen setzt sich die Antragsbegründung nicht mit der auf § 60a Abs. 2c Sätze 1 – 3 AufenthG gestützten Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach der Kläger die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, nicht durch ein qualifiziertes ärztliches Attest widerlegt hat. Zudem fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts, wonach der Kläger bei einer Rückkehr nach Mali als „aktuell alleinstehend“ anzusehen ist, weil „seine Ehefrau und die zwei überlebenden Kinder sich letzten Angaben zufolge im Senegal befinden und insofern keine nachgewiesenen, belastbaren Unterhaltslasten bestehen bzw. erfüllt werden“.
Soweit der Kläger vortragen lässt, dass eine Rückführung des Klägers von Seiten der malischen Regierung blockiert werde, hat dies zudem mit der Frage des Bestehens von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nichts zu tun (BVerwG, B.v. 10.10.2012 – 10 B 39.12 – InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 15 ZB 18.32780 – juris Rn. 10).
b) Inwieweit – wie der Kläger behauptet – die angefochtene Entscheidung von obergerichtlicher Rechtsprechung abweichen soll (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), gibt der Zulassungsantrag nicht an.
c) Nicht näher substantiiert ist auch die Behauptung, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO). Nähere Darlegungen finden sich auch hierzu in der Zulassungsbegründung nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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