Verwaltungsrecht

Verbot der Führung der Dienstgeschäfte

Aktenzeichen  B 5 S 20.187

Datum:
16.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15736
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 66
VwGO § 80 Abs. 5
JGG § 45 Abs. 1 , § 109 Abs. 2
VwVfG § 45 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Bundespolizeimeisteranwärter in Diensten der Antragsgegnerin im Beamtenverhältnis auf Widerruf und wendet sich gegen ein ihm gegenüber am 19.12.2019 mündlich ausgesprochenes und mit Bescheid vom 29.01.2020 bestätigtes Verbot der Führung der Dienstgeschäfte.
1. Der Antragsteller, geboren am …1999, begann am 01.03.2019 die Ausbildung zum Polizeimeister unter Ernennung zum Beamten auf Widerruf (Polizeimeisteranwärter – PMA) bei der Bundespolizei. Die Ausbildung findet beim Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum (BPOLAFZ) in … statt.
Am 18.06.2019 kam es anlässlich einer Grillfeier unter den Polizeimeisteranwärtern zu einem Vorfall, bei dem der Antragsteller das Fahrrad seines Ausbildungskollegen PMA B. ohne dessen Einwilligung benutzte, welches hierbei beschädigt wurde. Als Reaktion hierauf holte PMA B. eine Hose des Antragstellers aus dessen Stube. Im Verlauf des hierüber entstandenen Streits ging der Antragsteller PMA B. körperlich an. Das deswegen gegen den Antragsteller eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung wurde von der Staatsanwaltschaft … durch Verfügung vom 08.11.2019 gemäß § 45 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG eingestellt.
Im Zeitraum Oktober/November 2019 pflegte der Antragsteller eine intime Beziehung mit seiner Ausbildungskollegin PMAin D., die diese Beziehung Anfang Dezember 2019 beendete. In der Folgezeit versuchte der Antragsteller mehrfach vergeblich, mit PMAin D. darüber ins Gespräch zu kommen und kontaktierte sie mehrfach über den Kurznachrichtendienst Snapchat. Gegen 22:00 Uhr am Abend des 17.12.2019 klopfte der Antragsteller an die Tür der Stube von PMAin D., fand die Tür aber abgeschlossen. Daraufhin verfasste er im Klassenchat auf WhatsApp die Nachricht: „…, wenn du schon wieder den nächsten Männerbesuch hast, dann mach Musik an, dann hört man auch nicht das Stöhnen“. Daraufhin trat ein Ausbildungskollege des Antragstellers und von PMAin D., PMA L., aus der Stube von PMAin D. Der Antragsteller betrat die Stube, stellte sich PMAin D. in den Weg und verließ die Stube erst nach einer im Einzelnen streitigen Auseinandersetzung mit PMAin D. und PMA L. Auf dem Flur vor der Stube kam es zu einer weiteren verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller, PMA L. und PMAin D. Dabei bezeichnete der Antragsteller PMAin D. u.a. als „Klassenbitch“. Auf die Auseinandersetzung aufmerksam gewordene Lehrgangskollegen gingen dazwischen, bis der Antragsteller auf sein Zimmer ging. Am Mittag des Folgetags betrat der Antragsteller wiederum die Stube von PMAin D. zwecks einer Unterredung, bei der es in der Folge dazu kam, dass der Antragsteller PMAin D. lautstark u.a. als „Hure“, „Schlampe“, „Miststück“ und „verlogene Schlampe“ bezeichnete.
2. Aufgrund der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 sprach der Dienststellenleiter des BPOLAFZ gegenüber dem Antragsteller am 19.12.2019 zunächst mündlich ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte mit sofortiger Wirkung aus. Am 19. und 20.12.2019 wurden außerdem polizeiinterne Verwaltungsermittlungen durchgeführt, insbesondere Anhörungen aller beteiligten PMA.
In diesem Rahmen schilderte PMAin D., dass der Antragsteller fälschlicherweise davon ausgegangen sei, sie würde ein intimes Verhältnis mit PMA L. haben. Er habe ihr diesbezüglich zahlreiche anstößige Nachrichten, insbesondere über den Kurznachrichtendienst Snapchat, geschrieben. Nachdem am Abend des 17.12.2019 PMA L. aus der Stube der PMAin D. getreten sei, sei der Antragsteller ins Zimmer gekommen und habe die Tür zugesperrt. Er habe ihr vorgeworfen, ihn belogen zu haben, sie mit beiden Händen an den Schultern gefasst und gegen den Schrank gedrückt. Der Antragsteller habe dann versucht, sie am Verlassen des Zimmers zu hindern. Auf dem Flur sei der Antragsteller extrem aggressiv gewesen. Er habe andere angeschrien und sei ihnen sehr nahegekommen. Am Folgetag habe PMAin D. wiederum einen Kontaktversuch des Antragstellers abgewehrt. Danach sei er aber gegen ihren Willen in ihre Stube gekommen, habe diese trotz Aufforderung nicht verlassen und sei ihr wiederum aggressiv und ausfällig gegenübergetreten. Beim Versuch eines abschließenden Gespräches am Abend des 18.12.2019 habe er ihr schließlich gedroht, ihr das Leben zur Hölle zu machen und damit auch nach dem Weihnachtsurlaub nicht aufzuhören.
Bei der Anhörung von PMA L. gab dieser an, er habe zahlreiche der Nachrichten gesehen, die der Antragsteller PMAin D. geschickt habe, diese hätten durchgehend anstößigen Inhalt besessen. Als er am 17.12.2019 die Stubentür aufgemacht habe, sei der Antragsteller aggressiv auf ihn zugekommen und habe seine erhobene linke Hand weggeschlagen. Anschließend auf dem Flur habe er, PMA L., Angst gehabt, dass der Antragsteller ihn schlagen werde. Es sei aber nicht zum Angriff gekommen.
Am 07.01.2020 leitete das BPOLAFZ eine Strafanzeige wegen der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 gegen den Antragsteller an die Staatsanwaltschaft … weiter.
Unter dem 24.01.2020 verfasste der Lehrgruppenleiter Polizeihauptkommissar (PHK) S. ein ergänzendes Persönlichkeits- und Leistungsbild des Antragstellers. Demnach sei der Antragsteller im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit. Allerdings habe der Antragsteller über das Jahr hinaus gezeigt, dass er sich scheinbar emotional nicht im Griff habe. Anlass zu dieser Annahme gebe sein phasenweise trotziges und nicht kritikfähiges Verhalten gegenüber dem Ausbildungspersonal sowie sein klasseninternes Verhalten nach Dienst. Nach dem Sachverhalt mit PMA B. sei es noch zu dem Vorkommnis mit PMAin D. gekommen. Die im Nachgang zu Letzterem angehörten Zeugen hätten die Bedenken bezüglich der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestärkt. Letztlich komme er zu dem Schluss, dass der Antragsteller nicht für den Polizeidienst geeignet sei. Er habe seine Emotionen nicht in der Weise in Griff, wie es von einem Polizeibeamten sowohl innerhalb der Behörde als auch nach außen mit dem polizeilichen Gegenüber verlangt werden müsse. Dieses Verhalten werde zu Problemen führen. Gerade bei einem polizeilichen Gegenüber, welches eine emotionale Überreaktion eines Polizisten provoziere, gelte es, sich im Griff zu haben, um nicht unrechtmäßig oder gar strafrechtlich relevant zu handeln.
3. Mit Bescheid vom 29.01.2020, dem Antragsteller zugegangen am 05.02.2020, untersagte die Antragsgegnerin, vertreten durch die Bundespolizeiakademie, dem Antragsteller gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) die Führung der Dienstgeschäfte bis zum rechtskräftigen Abschluss eines noch einzuleitenden Entlassungsverfahrens nach § 37 Abs. 1 BBG. Zudem ordnete sie gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an und bestätigte damit ausdrücklich die vorläufige mündliche Untersagung der weiteren Dienstausübung vom 19.12.2019. Zur Begründung zog die Bundespolizeiakademie im Wesentlichen die Vorfälle vom 18.06.2019 und vom 17. und 18.12.2019 heran. Diese Vorkommnisse würden das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zum einen zum Schutz der zum Teil noch minderjährigen Lehrgangskollegen des Antragstellers notwendig machen, die während der laufenden Ausbildung im ständigen unmittelbaren Kontakt zu diesem stünden. Sie befänden sich gerade in der Vorbereitung auf die Zwischenprüfung und dürften darin nicht durch ein ähnliches wie das bisher gezeigte Auftreten des Antragstellers behindert werden. Der Antragsteller habe gezeigt, dass er vor körperlicher Gewalt gegen Frauen nicht zurückschrecke, und aggressives und unkontrollierbares Verhalten aufgewiesen. Er sei deshalb charakterlich ungeeignet für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten. Zum anderen sei aus Gründen der Ansehenswahrung des Beamtentums und der Bundespolizei der Verbleib des Antragstellers im Ausbildungsbetrieb nicht vertretbar. Denn gegen ihn würden wiederholt strafrechtliche Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts mehrerer Straftaten geführt. Über das Verbot an sich hinaus gebiete das Verhalten des Antragstellers auch eine sofortige Vollziehung.
4. Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller unter dem 06.02.2020 Widerspruch einlegen, über den noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 18.02.2020, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht am 19.02.2020, Az. …, hat der Antragsteller einen Eilantrag eingelegt.
Er beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 06.02.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.01.2020 wiederherzustellen.
Zur Begründung führt er an, dass die Antragsgegnerin das Verbot völlig übereilt und ohne auch nur annähernd erschöpfende Sachverhaltsaufklärung getroffen habe. Die damalige besondere Situation des Antragstellers sei nicht korrekt eingeschätzt worden. Der Vorfall vom 17.12.2019 sei ein einmaliges Fehlverhalten gewesen, dessen Kern sich im Privatbereich abgespielt habe. Der Antragsteller sei damals sehr verliebt in PMAin D. gewesen und habe am 17.12.2019 erkennen müssen, dass er wochen- oder monatelange belogen und betrogen worden sei, als er an jenem Abend seine Freundin in flagranti erwischt habe. Aus Wut und Enttäuschung heraus habe er Dinge gesagt und geschrieben, die er im Nachhinein bedaure. Dabei habe die Antragsgegnerin aber insbesondere die Aussage der PMAin D. nicht kritisch genug gewürdigt. Die Aussagen von PMAin D. seien stellenweise unglaubwürdig und einseitig. Auch die Aussage von PMA L., insbesondere hinsichtlich der körperlichen Konfrontation mit dem Antragsteller, sei fraglich und nicht in jeder Hinsicht inhaltlich korrekt. Auch die Vorgänge am Folgetag würden ausschließlich auf den subjektiven Angaben insbesondere von PMAin D. beruhen. Es sei aber zwingend weitere Sachaufklärung nötig, bevor man zu der Prognose gelangen könne, dass vom Antragsteller weiterhin eine Gefährdung seiner Ausbildungskolleginnen und -kollegen oder des Dienstbetriebes ausgehen würde. Das Verbot durch die Antragsgegnerin sei vorschnell und übereilt. Die gegenüber PMAin D. getätigte Beleidigung tue dem Antragsteller sehr leid. Sie sei aber nicht unverständlich angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller über lange Zeit hintergangen worden sei. Das bedeute jedoch nicht, dass er für den Polizeidienst ungeeignet sei. Einem Angstgefühl unter den Lehrgangskolleginnen und -kollegen könne durch eine Entschuldigung des Antragstellers bei PMAin D. und PMA L. begegnet werden. Nach Abschluss der Zwischenprüfung stünde auch eine besondere Konzentrationsstörung nicht zu befürchten. Gewalt gegen Frauen sei dem Antragsteller nicht vorzuwerfen. Er sei noch nicht einmal gegenüber PMAin D. gewalttätig geworden, erst recht nicht gegenüber anderen Frauen. Die Aussage, dass der Antragsteller sich während der gesamten Ausbildungszeit aggressiv und unkontrolliert verhalten hätte, stünde zum Persönlichkeits- und Leistungsbild in Widerspruch. Auch der Vorfall vom 18.06.2019 sei nicht hinreichend aufgeklärt worden, sondern beruhe im Wesentlichen auf der subjektiven Schilderung von PMA B. Jedoch habe die Staatsanwaltschaft … gerade aufgrund der Geringfügigkeit dieses Vorfalls das Ermittlungsverfahren eingestellt. Insgesamt sei festzuhalten, dass sich die Gemüter seit dem Vorfall vom Dezember 2019 in der Zwischenzeit beruhigt hätten und keine fortdauernden Störungen vom Antragsteller zu befürchten seien. Dieser sei insbesondere niemals handgreiflich geworden. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, trotz vieler Unklarheiten den Sachverhalt weiter aufzuklären, sondern habe sich damit zufriedengegeben, keinerlei entlastenden Umständen nachzugehen. Die Eifersuchtsszene sei vorbei, das Kapitel abgeschlossen. Der Antragsteller habe sich nicht rühmlich verhalten, was aber seiner Jugend zuzuschreiben sei. Mangelnde Eignung für den Polizeivollzugsdienst könne daraus nicht abgeleitet werden.
Für die Antragsgegnerin beantragt die Bundespolizeiakademie,
den Antrag abzulehnen.
Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte stelle eine Sofortmaßnahme dar, weshalb es nicht zu beanstanden sei, dass der Sachverhalt noch nicht vollends aufgeklärt sei. Es genüge der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Vorliegend bestehe der Verdacht, dass sich der Antragsteller aggressiv und beleidigend verhalte, insbesondere gegenüber PMAin D. und PMA L., und dadurch den Betriebsfrieden und den ordnungsgemäßen Dienstablauf erheblich störe und gefährde. Nur durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte werde gewährleistet, dass sich die Lerngruppe konzentrieren und ihrer Ausbildung vernünftig und erfolgreich nachgehen könne. Da es sich bei dem Vorfall vom 17. bzw. 18.12.2019 nicht um den ersten Vorfall des Antragstellers mit Anwendung körperlicher Gewalt gehandelt habe, liege der Verdacht nahe, dass der Antragsteller ein Aggressions- und Gewaltproblem besitze. Von Polizeibeamten sei aber zu erwarten, dass sie diese Konflikte durch Aussprache lösen und keine körperliche Gewalt anwenden. Das Verhalten des Antragstellers könne nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass er aus Eifersucht gehandelt habe. Auch im außerdienstlichen und privaten Bereich unterliege der Antragsteller als Beamter auf Widerruf beamtenrechtlichen Pflichten.
5. Mit Beschluss vom 21.02.2020 hat sich das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, sodass ein Widerspruch oder eine Klage wohl Erfolg haben werden, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Kann im summarischen Verfahren noch keine eindeutige Antwort auf die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, weil z.B. der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf oder weil sich die Erfolgsaussichten nicht ohne die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens usw. beurteilen lassen, bedarf es einer Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Erweist sich eine angefochtene Verfügung bereits bei summarischer Überprüfung im Aussetzungsverfahren als offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt in der Regel das Interesse an ihrem sofortigen Vollzug. Zeigt sich im Rahmen der Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, kann auch dies zur Gewichtung der betroffenen Interessen herangezogen werden.
Nach der insoweit gebotenen summarischen Prüfung ist weder die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs zu beanstanden (dazu unter a), noch bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids (dazu unter b). Eine Interessenabwägung im Übrigen führt ebenfalls nicht dazu, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegen würde (dazu unter c).
a) Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges im streitgegenständlichen Bescheid genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die sich aus dieser Norm ergebende besondere Begründungspflicht dient dazu, die Behörde dazu anzuhalten, sich den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung klar zu machen, den Betroffenen über die Gründe, die für die behördliche Entscheidung maßgebend gewesen sind, zu unterrichten und dem Gericht durch die Darlegung der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für die sofortige Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechtskontrolle zu ermöglichen. Ausgehend von diesen Funktionen sind formelhafte, für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster oder die bloße Wiederholung des Gesetzestextes nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr eine auf die Umstände des konkreten Falles bezogene Darlegung des besonderen Interesses gerade an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts, die Vollziehbarkeitsanordnung muss erkennen lassen, dass sich die Behörde des rechtlichen Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst ist. Das besondere Vollziehbarkeitsinteresse ist dabei gesondert zu begründen (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 80 Rn. 245, 247 m.w.N.).
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 Satz 1 BBG ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offensichtlich zu Unrecht ausgesprochen wurde, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 7 m.w.N.). Die Gründe der Verbotsverfügung tragen daher regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016, a.a.O. Rn. 8; VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 17.491 – juris Rn. 21 m.w.N.). Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Verbotsverfügung ist daher nur möglich, wenn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung grundlegende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S 16.1250 – juris Rn. 19).
Hieran gemessen ist die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit unter Nr. III des Bescheids vom 29.01.2020 nicht zu beanstanden. Angesichts der Besonderheit des Dienstführungsverbots mit schon materiell-rechtlich erforderlichen zwingenden Gründen besteht in aller Regel zugleich Anlass und Rechtfertigung, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dafür werden im Allgemeinen keine zusätzlichen Gründe angeführt werden können und müssen (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 8). Im Bescheid heißt es dementsprechend zur Begründung des Sofortvollzuges, es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeieinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe und weitere Übergriffe verhindert würden. Auch sei weiterer Ansehensverlust in der Öffentlichkeit zu verhindern. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei daher mit sofortiger Vollziehbarkeit anzuordnen, um die bezweckte Wirkung zu gewährleisten.
Diese Begründung ist hinreichend.
b) Nach der gebotenen summarischen Prüfung erweist sich auch der zugrundeliegende Bescheid als formell wie materiell rechtmäßig. Er beruht insbesondere auf einer hinreichend ermittelten Tatsachengrundlage.
aa) Formelle Mängel sind weder vorgetragen noch erkennbar. Zwar geht aus den Verwaltungsakten nicht hervor, dass der Antragsteller zu dem Verbot vor Erlass angehört worden wäre. Das Fehlen der Anhörung ist aber unbeachtlich, weil es entweder gem. § 28 Abs. 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) keiner vorherigen Anhörung des Antragstellers bedurfte oder jedenfalls die Nachholung der Anhörung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens möglich ist (§ 45 Abs. 2 VwVfG).
bb) Auch in materiell-rechtlicher Sicht ist die Verfügung vom 29.01.2020 rechtmäßig. Rechtsgrundlage des streitigen Verbots ist § 66 Satz 1 BBG. Danach kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe liegen vor, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die Vorschrift stellt dabei (anders als die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 des Bundesdisziplinargesetzes) nicht auf ein vorwerfbares Verhalten des Beamten ab, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes (BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 6 CS 17.1722 – juris Rn. 9), was allerdings nicht ausschließt, dass zugleich ein Schuldvorwurf dem Beamten gegenüber begründet werden kann (BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 6 ZB 17.2316 – juris Rn. 9).
Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 Satz 1 BBG hat nur vorläufigen Charakter, weil das Verbot gem. § 66 Satz 2 BBG erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein weiteres Disziplinar- oder Entlassungsverfahren eingeleitet worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.1979 – 1 WB 67.78 – BVerwGE 63, 250/251). Wegen dieses vorläufigen Charakters ist für eine Anordnung nach § 66 Satz 1 BBG keine erschöpfende Aufklärung des Sachverhalts erforderlich. Es genügt, wenn der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass die dienstlichen Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend erscheinen lassen. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen (vgl. BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 – DVBl 1999, 326 f.; BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 5 f.; B.v. 12.10.2017 – 6 CS 17.1722 – juris Rn. 9; B.v. 12.3.2018 – 6 ZB 17.2316 – juris Rn. 10). Ausschlaggebend ist damit eine Prognoseentscheidung auf Grundlage der bisherigen Verhaltensweisen des Antragstellers. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage (OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Kontrolle der behördlichen Prognoseentscheidung im Rahmen von § 66 BBG ist der Zeitpunkt der Anordnung des Verbots, weil mit dem Widerspruch gegen das Verbot nicht der nachträgliche Wegfall, sondern die anfängliche Rechtswidrigkeit desselben geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 12 f. mwN.; a.A. z.B. VG Gelsenkirchen, U.v. 4.11.2015 – 1 K 515/15 – juris Rn. 75 ff.).
Gemessen daran hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Dienstführungsverbotes.
Die Bundespolizeiakademie begründet die Besorgnis einer erheblichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs, bzw. gewichtiger dienstlicher Nachteile bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers zum einen mit dem Schutz der Lehrgangskollegen, namentlich PMAin D., und zum anderen mit dem drohenden Ansehensverlust der Bundespolizei. Beides stützt sie maßgeblich auf die Vorkommnisse am 17. und 18.12.2019 und zieht ergänzend zur Begründung von Charakterzweifeln und der Verhaltensart des Antragstellers den Vorfall vom 12.06.2019 heran.
Die herangezogene Tatsachengrundlage wird den Anforderungen an die Aufklärung des Sachverhalts sowohl hinsichtlich der Vorkommnisse im Dezember 2019 als auch im Juni 2019 gerecht (dazu unter (1)). Aus diesen Sachverhalten lässt sich in der Gesamtschau die Prognose ableiten, dass bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers zum einen der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt hätte werden können (dazu unter (2)) und zu anderen gewichtige dienstliche Nachteile in Form eines Ansehensverlustes der Bundespolizei zu erwarten gestanden hätten (dazu unter (3)), sodass die Entscheidung der Antragsgegnerin im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
(1) Die Antragsgegnerin hat den ihrer Verbotsverfügung zugrunde gelegten Sachverhalt ausreichend ermittelt. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Nach Abs. 2 hat die Behörde dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Ergänzend legt § 26 Abs. 1 VwVfG fest, dass sich die Behörde der Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann dafür u.a. Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen.
Die Bundespolizeiakademie hat hinsichtlich der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 alle beteiligten Personen angehört und den Chatverlauf aus der WhatsApp-Gruppe der Lehrklasse bildlich gesichert. Namentlich finden sich in den Verwaltungsakten die Anhörungsprotokolle von PMAin D., PMA L. sowie den PMAn W., Z. und PMAin K. Damit liegen fünf Schilderungen der Ereignisse vor – diejenige des Antragstellers noch nicht mitgezählt -, aus denen sich das Geschehen insgesamt schlüssig darstellt. Auch wenn Einzelheiten, insbesondere Art und Intensität der Beziehungen zwischen PMAin D. und dem Antragsteller bzw. PMA L., das Ausmaß der Körperlichkeit der Auseinandersetzung am 17.12.2019, die Frage, ob außer PMAin D. auch andere Beteiligte vom Antragsteller beleidigt wurden, und ob er PMAin D. am 18.12.2019 mit „Übel in alle Ewigkeit“ bedroht hat, vom Antragsteller bestritten werden, ergibt sich doch ein einheitliches Gesamtbild der Geschehnisse. Insbesondere räumt der Antragsteller selbst ein, sich PMAin D. gegenüber inakzeptabel verhalten, sie beschimpft und beleidigt, andere Lehrgangskollegen in die Auseinandersetzung hineingezogen und sich aggressiv verhalten zu haben.
Damit liegt eine tragfähige Tatsachengrundlage für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vor, die über die (nur) erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte weit hinausgeht, weil sie im Wesentlichen unstreitig ist. Angesichts des vorläufigen Charakters des Verbotes durfte die Antragsgegnerin darauf verzichten, hinsichtlich der vom Antragsteller anders geschilderten Punkte die Beteiligten mit seiner Gegendarstellung zu konfrontieren und erneut anzuhören. Denn die aus den Vorkommnissen im Dezember wesentlich abgeleiteten drohenden Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs und gewichtigen dienstlichen Nachteile erschließen sich auch aus dem unstreitigen Sachverhalt. Durch die vorm Antragsteller abweichend geschilderten Punkte stellt sich das Gesamtgeschehen nicht in entscheidungserheblicher Weise verändert dar. Die Angaben der Lehrgangskollegen hinsichtlich der streitigen Punkte liefern nur ergänzende Anhaltspunkte, die den auch unabhängig davon bestehenden Verdacht einer Gefahrenlage zu vertiefen geeignet sind. Dass diesbezüglich der Sachverhalt nicht geklärt ist, ist zwar bei der Gefahrprognose zu berücksichtigen, führt aber nicht dazu, dass die Verbotsverfügung insgesamt einer tragfähigen Erkenntnisgrundlage entbehrt.
Dasselbe gilt für den Vorfall im Juni 2019. Hierzu rügt der Antragsteller, die Angaben der Antragsgegnerin würden sich ausschließlich auf die – verspätet – eingeholte Stellungnahme des PMA B. zu einem nicht ausermittelten Sachverhalt stützen. Auch diesbezüglich ist aber unstreitig, dass im Nachgang zu einem Vorkommnis am 18.06.2019 unter dem Az. … ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Körperverletzung eingeleitet und mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 11.11.2019 eingestellt worden ist. Damit liegt eine Tatsachengrundlage vor, zu der die Stellungnahme des PMA B. nur weitere tatsächliche Anhaltspunkte hinsichtlich des Vorgangs an sich liefert.
(2) Aus dieser Tatsachengrundlage lässt sich zum einen die Prognose ableiten, dass bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers der Dienstbetrieb hätte erheblich beeinträchtigt werden können.
Im Rahmen der Vorfälle im Dezember 2019 zeigte der Antragsteller ein dienstpflichtwidriges Verhalten im Umgang mit Konflikten und gegenüber Ausbildungskollegen, von dem unter Mitberücksichtigung des Vorfalls vom Juni 2019 davon auszugehen ist, dass es nicht situativ bedingt, sondern Folge eines Charakterzugs des Antragstellers ist. Daraus resultiert die Gefahr, dass es zu ähnlichen Vorfällen bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers grundsätzlich jederzeit kommen könnte.
(a) Konkret zeigte der Antragsteller, dass er mit der Zurückweisung durch PMAin D. in keiner Weise selbstbeherrscht umgehen konnte. Schon durch die wiederholten Kontaktversuche über Chatdienste im Nachgang zur Beendigung der intimen Beziehung Anfang Dezember 2019 überschritt der Antragsteller die von PMAin D. gewollte persönliche Distanz. Er übertrat zunächst verbal durch die schriftlich – unter anderem in der WhatsApp-Gruppe – geäußerten Beschimpfungen und am Abend des 17.12.2019 auch körperlich – zumindest durch das Betreten der Stube von PMAin D. – die durch sie gesetzten Grenzen. In der emotionalen Stresssituation beim Zusammentreffen mit PMAin D. und PMA L. reagierte er mit Aggression gegenüber seinen Kollegen, unbeherrscht und verbal ausfällig. Die Situation konnte nur durch Eingreifen Dritter deeskaliert werden. Besonderes Gewicht erhält der Vorfall aufgrund der zeitlichen und persönlichen Dimension: Zeitlich deshalb, weil die Kontaktversuche bereits Anfang Dezember begannen und auch nach dem einschneidenden Vorfall vom 17.12.2019 nicht endeten. Vielmehr riskierte der Antragsteller beim erneuten Zusammentreffen mit PMAin D. am Folgetag wiederum die sich schließlich auch realisierende zumindest verbale Eskalation. In persönlicher Hinsicht wiegt der Vorfall besonders schwer, weil neben der besonders betroffenen PMAin D. auch zahlreiche weitere Ausbildungskollegen des Antragstellers, allen voran PMA L., in die Geschehnisse involviert wurden – vom Antragsteller selbst in Kauf genommen oder gar beabsichtigt durch die Nachricht im WhatsApp-Klassenchat. Damit erreichten die verbalen Übergriffe gegenüber PMAin D. auch eine deutlich größere Reichweite.
Mit diesem Auftreten hat der Antragsteller die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten eines (künftigen) Bundespolizisten erheblich verletzt. Namentlich hat der Antragsteller gegen seine inner- und außerdienstlichen Verhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die diesbezügliche wertende Würdigung des Verhaltens des Antragstellers, die einen Rückschluss auf die für seine charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulässt, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (BVerwG, B.v. 20.7.2016 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10).
Auch in einer emotionalen Ausnahmesituation besonnen zu reagieren, weder in Wort noch Tat übergriffig zu werden, die von dem oder der Anderen gesuchte Distanz zu respektieren und die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, muss zwingend von jedem – auch angehenden – Bundespolizisten erwartet werden können. Im Polizeivollzugsdienst begeben sich die Beamten alltäglich in physisch und psychisch belastende Situationen, in denen sie mit der ihnen übertragenen rechtlichen und tatsächlichen Machtposition verantwortungsvoll umgehen müssen. Dazu ist es insbesondere erforderlich, auch bei beachtlichen persönlichen Spannungen selbstdiszipliniert zu reagieren und Konflikte sachlich zu lösen. „Ausraster“ sind dabei keinesfalls tolerabel. Demgemäß müssen von Bundespolizeibeamten charakterliche Stabilität, Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit erwartet werden, die ein entsprechend besonnenes Verhalten nicht nur im dienstlichen, sondern auch privaten Bereich bedingen. Auch wenn sich der Vorfall am 17.12.2019 in der privaten Sphäre zutrug, schlug das Verhalten des Antragstellers jedenfalls auf den dienstlichen Bereich über, weil sich der Vorfall in den dienstlichen Unterkünften und unter ausschließlicher Beteiligung der Lehrgruppenmitglieder zutrug.
(b) In Zusammenschau mit dem Vorfall vom 18.06.2019 verdichtet sich der Gesamteindruck des Verhaltens des Antragstellers zu der Annahme, dass die Ereignisse im Dezember 2019 nicht einer einmaligen Ausnahmesituation geschuldet und für ihn untypisch, sondern Ausdruck eines charakterlichen Wesenszuges des Antragstellers waren.
Zwar ist hinsichtlich des Vorfalls am 18.06.2019 insbesondere unklar, inwieweit sich PMA B. seinerseits unkorrekt und provokant verhalten hat. Jedoch liegen mit dessen Schilderung von Schubsen und Würgen durch den Antragsteller sowie der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung seitens der Staatsanwaltschaft … tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Eindruck fehlender Selbstbeherrschung, die leichte Reizbarkeit und die Lösung von Konflikten mit Gewalt durch den Antragsteller weiter untermauern. Auch hierbei war im Übrigen ein Lehrgangskollege betroffen. Ebendieses Verhaltensmuster findet sich bei den Vorkommnissen im Dezember 2019.
An dieser Schlussfolgerung ändern tatsächliche Unklarheiten hinsichtlich Art und Tiefe der Beziehung von PMAin D. zum Antragsteller und zu PMA L. sowie der Frage des körperlichen Gewalteinsatzes durch den Antragsteller nichts. Soweit der Antragsteller meint, es sei näher zu ermitteln, ob er nicht zurecht eifersüchtig gewesen sei, ist dies irrelevant. Selbst die Schilderung der Situation aus Sicht des Antragstellers würde sein gezeigtes Verhalten nicht rechtfertigen. Die emotionale Überreaktion des Antragstellers erscheint nicht in besserem Licht, sollte es sich bei seiner Beziehung zu PMAin D. tatsächlich um eine verbindliche „Romanze“ – die übrigens jedenfalls bereits Anfang Dezember 2019 beendet worden wäre – und nicht nur eine unverbindliche Intimität gehandelt haben. Denn für die rechtliche Beurteilung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte kommt es nicht auf die Klärung einer Schuldfrage im Sinne der persönlichen Vorwerfbarkeit des fraglichen Verhaltens an. Wer in welchem Umfang zu der Situation beitrug, die am Abend des 17.12.2019 eskalierte, ist unerheblich. Erheblich ist allein das vom Antragsteller gezeigte beträchtlich aggressive Verhalten und die objektive Wiederholungsgefahr eines solchen Auftretens.
Ebensowenig musste die Antragsgegnerin im Detail aufklären, inwieweit bei der Auseinandersetzung körperlicher Kontakt zwischen dem Antragsteller und den übrigen Beteiligten bestand. Selbst wenn es dazu tatsächlich nicht gekommen sein sollte, wird aus den im Kern übereinstimmenden Schilderungen der Abläufe zumindest deutlich, dass es dazu jederzeit hätte kommen können. Das lässt sich auch hinsichtlich des Vorfalles vom 18.06.2019 konstatieren. Daraus resultiert die durch den Lehrgruppenleiter PHK S. in seiner Stellungnahme vom 19.12.2019 geäußerte Befürchtung, dass bei einem neuen Konfliktfall die Grenze zur körperlichen Gewalt jederzeit überschritten werden könnte.
(c) Nach dem Gesamteindruck liegt der Verdacht nahe, dass sowohl die Beziehung zu PMAin D. als auch der Konflikt mit PMA B. lediglich Auslöser waren, an denen sich exemplarisch der Umgang des Antragstellers mit Konfliktsituationen im Allgemeinen gezeigt hat. Das lässt aber auch darauf schließen, dass mit dem Entfall des jeweiligen Anlasses das Kernproblem nicht behoben worden ist. Auch wenn – wie aus dem Persönlichkeits- und Leistungsbild vom 24.01.2019 hervorgeht – der Antragsteller im Unterricht und gegenüber Ausbildern grundsätzlich zufriedenstellendes Verhalten zeigte, stellt die leichte Reizbarkeit und das Aggressionspotential gegenüber gleichaltrigen Kollegen doch eine latente Gefahr für den ungestörten Verlauf der weiteren Ausbildung dar. Diese drohte insbesondere im unmittelbaren Nachgang zu den Ereignissen am 17. und 18.12.2019 beim erneuten Zusammentreffen der beteiligten Personen im Klassenverband, sich erneut zu realisieren. Gerade eine Fortsetzung der Beschimpfungen von PMAin D. erschien bei erstmaliger Aussprache des Dienstführungsverbots am 19.12.2019 höchstwahrscheinlich. Mit Blick auf die in den folgenden Wochen anstehenden Zwischenprüfungen stand demnach konkret eine erhebliche Beeinträchtigung des Lernerfolgs der Ausbildungskollegen des Antragstellers zu befürchten. Ohne das Verbot wären die Anwärterkollegen des Antragstellers, die auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen ihn als Zeugen werden aussagen müssen, täglich mit ihm konfrontiert. Dass die Antragsgegnerin dem Interesse an einer ungestörten Fortsetzung der Ausbildung zugunsten der übrigen PMA den Vorzug vor dem Ausbildungsinteresse des Antragstellers gegeben hat, ist daher nicht zu beanstanden. Sie durfte aufgrund der Erkenntnisse aus den Anhörungen am 18. und 19.12.2019 zu der begründeten Überzeugung gelangen, dass zur „Entschärfung“ der Situation und zur Gewährleistung eines ungehinderten Ausbildungsverlaufs sofortiges Handeln in Form eines Dienstführungsverbots zwingend geboten war.
(3) Zurecht hat die Antragsgegnerin zusätzlich die Gefahr erheblicher dienstlicher Nachteile in Form eines Ansehensverlustes der Bundespolizei in der Öffentlichkeit angenommen, wenn der Antragsteller weiter seinen Dienstgeschäften hätte nachgehen dürfen. Das vom Antragsteller im Dezember 2019 gezeigte Verhalten war geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Integrität der Amtsführung zu beschädigen, weil infolgedessen zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres gegen den Antragsteller ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt wurde. Als zur Verhütung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten berufene Beamte genießen Polizeibeamte in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – ZBR 2015, 422 Rn. 22). Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn ein Polizeibeamter selbst Straftaten begeht oder sich diesem Verdacht aussetzt. Namentlich die wiederholten, massiven und auch für Ausbildungskollegen wahrnehmbar geäußerten Beleidigungen gegenüber PMAin D. sind in besonderem Maße geeignet, die Integrität und Glaubwürdigkeit der Bundespolizei als Hüter von Recht und Gesetz in der Öffentlichkeit zu mindern und rechtfertigten einen sofortigen Ausschluss des Antragstellers aus dem Klassenverband. Dabei ist irrelevant, ob das Verhalten des Antragstellers einer breiten Öffentlichkeit wirklich bekannt geworden ist; entscheidend ist vielmehr der Eindruck, der im Falle eines nicht auszuschließenden Bekanntwerdens in der Öffentlichkeit entstehen kann (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 8; VG Bayreuth, B.v. 27.2.2004 – B 5 S 04.182 – juris Rn. 51 m.w.N.).
(4) Auch hinsichtlich der Ermessensausübung der Antragsgegnerin sind keine Fehler erkennbar. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher, sondern im Wesentlichen nur noch dahin eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. zu § 39 BeamtStG OVG NRW, B.v. 17.06.2013 – 6 A 2586/12 – juris Rn. 14). Da es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung gibt, heißt es zutreffend im Bescheid, die Maßnahme nach § 66 BBG sei aus vorbenannten Gründen unerlässlich (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 26).
c) Eine Interessenabwägung im Übrigen führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Das Interesse des Antragstellers an der Fortsetzung seiner Ausbildung hat angesichts berechtigter charakterlicher Eignungszweifel hinter dem Interesse der Antragsgegnerin am Schutz seiner Ausbildungskollegen, dem ungehinderten Unterrichtsgeschehen und der Ansehenswahrung der Bundespolizei zurückzustehen, bis über den Widerspruch des Antragstellers befunden ist. Irreversible Nachteile sind damit nicht verbunden, weil die inzwischen verpasste Zwischenprüfung vom Antragsteller gegebenenfalls im Folgetermin nachgeholt werden kann.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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