Verwaltungsrecht

Verbot der Führung der Dienstgeschäfte

Aktenzeichen  B 5 E 20.611

Datum:
3.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33037
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 66
BDG § 38
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller einstweilen die Ausübung des Dienstes als Polizeimeisteranwärter im Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei beim Bundespolizeiaus- und – fortbildungszentrum … zu ermöglichen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wurde mit Wirkung zum 01.03.2018 seitens der Antragsgegnerin als Polizeimeisteranwärter (PMA) zum Beamten auf Widerruf ernannt.
Am 10.03.2020 wurde dem Kläger durch den Leiter des Bundespolizei Aus- und fortbildungszentrums … (BPOLAFZ), Herrn Leitenden Polizeidirektor (Ltd. PD) …, in mündlicher Form die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt und ein Betretungsverbot für das BPOLAFZ … ausgesprochen. Dem Ausspruch der mündlichen Untersagung der Führung der Dienstgeschäfte liegen diverse Vorkommnisse zugrunde, die aus Sicht der Antragsgegnerin den Verdacht begründen, dass der Antragsteller seiner Kollegin und Ex-Freundin PMAin R … seit dem Ende ihrer Liebesbeziehung im Januar 2020 nachstellt, sie beleidigt und nötigt. Darüber hinaus soll der Antragsteller Kontakt zu dem neuen Lebensgefährten von PMAin R … aufgenommen und diesem angeboten haben, ihm intime Fotos, Tonaufnahmen und Videos von PMAin R … zu übersenden.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.04.2020, dem Antragsteller am 21.04.2020 zugestellt, wurde dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte bis auf Weiteres gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) durch den Präsidenten der Bundespolizeiakademie untersagt. Darüber hinaus wurde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der zugrundeliegende Sachverhalt den Anfangsverdacht dafür begründe, dass sich der Antragsteller mehrerer Straftaten schuldig gemacht habe. Zugleich bestehe der weitere Verdacht, dass der Antragsteller gegen die ihm obliegende Pflicht aus
§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen habe, innerhalb und außerhalb der Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die der Beruf des Polizeibeamten erfordere. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte diene vordergründig dem Schutz von PMAin R …, die während der laufenden Ausbildung in ständigem unmittelbaren örtlichen Kontakt zu dem Antragsteller stehe. Des Weiteren sei der Verbleib des Antragstellers im Ausbildungsbetrieb auch aus Gründen der Ansehenswahrung des Beamtentums und der Bundespolizei nicht vertretbar. Von Polizeibeamten werde erwartet, dass sie den persönlichen Lebens- und Geheimbereich achteten. Zudem würden die Bemühungen der Polizei um die Verhütung und Aufklärung von Straftaten an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn Polizeivollzugsbeamte selbst Straftaten begingen. Ferner sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb ordnungsgemäß verlaufe. Der Sachverhalt sei derart gravierend, dass dem Antragsteller nicht mehr ermöglicht werden könne, die Laufbahnprüfung abzulegen, da er offensichtlich nicht geeignet sei, den Polizeiberuf angemessen auszuüben. Die vorbezeichneten Verhaltensweisen begründeten nicht nur dienstlich zwingende Gründe, dem Antragsteller das Führen von Dienstgeschäften zu versagen, vielmehr geböten sie auch eine sofortige Vollziehung.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 13.05.2020 hat der Antragsteller gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte Widerspruch erhoben, der mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 05.06.2020 begründet wurde. Demnach treffe keiner der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe zu. Vielmehr sei der Antragsteller ein höflicher und respektvoller Mensch, der sich im Dienst „vorbildlich“ verhalten habe und als „teilweise unauffällig“ beschrieben werde. Er sei zu keinem Zeitpunkt gegenüber Kolleginnen und Kollegen negativ aufgefallen. Sein einziger – rein privater – Fehler sei es gewesen, sich mit Frau R … eingelassen zu haben, die offenbar massive psychische Probleme habe. Zudem handele es sich fast ausnahmslos um private Vorgänge, die keinerlei Dienstbezug aufwiesen. Von Straftaten könne ebenfalls keine Rede sein. Es sei völlig unverständlich, wie man allein auf der Basis der ganz offensichtlich mit Belastungseifer abgegeben Aussagen nach einer gescheiterten Beziehung dem Antragsteller derart existenzvernichtende Vorwürfe machen könne. Die gesamte zwischen dem Antragsteller und Frau R … geführte Konversation habe der Antragsgegnerin mit dem Handy des Antragstellers bereits Anfang März vorgelegen. Es sei nicht ersichtlich, dass weitergehende Ermittlungen angestellt worden seien, beispielsweise das Handy ausgewertet oder Zeugen vernommen worden seien. Lediglich eine Vertrauensperson von Frau R … sei befragt worden. Eine Ermittlung zugunsten des Antragstellers habe nicht stattgefunden.
Weiterhin forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17.06.2020 auf, dem Antragsteller umgehend die Fortsetzung seiner Ausbildung zu ermöglichen.
Die Antragsgegnerin leitete mit Schreiben vom 08.07.2020, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 10.07.2020 zugegangen, ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14.07.2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, beantragte der Antragsteller,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aufzugeben, es dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu ermöglichen, seine Ausbildung als Polizeimeisteranwärter (PMA) am Bundespolizeiaus- und fortbildungszentrum fortzusetzen.
Zur Begründung wird vorgetragen, dass das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte nach § 66 Satz 2 BBG erloschen sei, weil nicht innerhalb von drei Monaten ein Disziplinarverfahren oder sonstiges in § 66 BBG erwähntes Verfahren eingeleitet worden sei. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 08.07.2020 komme zu spät. Die Angelegenheit sei eilig, da der Antragsteller mit jedem Tag, an dem er nicht an der Ausbildung teilnehmen könne, Ausbildungsinhalte versäume. Dies gefährde nicht nur seinen Abschluss, sondern verzögere auch unnötig den Eintritt in das Berufsleben. Der Antragsgegnerin sei es zuzumuten, den Antragsteller vorläufig weiter auszubilden.
Mit Schriftsatz vom 16.07.2020 trägt die Antragsgegnerin vor, dass das gegenüber dem Antragsteller ergangene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 Satz 2 BBG nicht erloschen sei. Zum Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 BBG sei nach Satz 1 lediglich die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde berechtigt. Oberste Dienstbehörde des BPOLAFZ … sei das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Dieses habe mittels Erlass vom 14.05.2008, Az. B 2 – 660 210/24 die jeweiligen Behördenleiter, u.a. die Präsidentin/den Präsidenten der Bundespolizeiakademie ermächtigt, den ihnen unterstellten Beamtinnen und Beamten die Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG zu verbieten. Weiterhin sei mittels des o.g. Erlasses seitens des BMI jeder Vorgesetzte in der Bundespolizei ermächtigt worden, den ihm unterstellten Beamtinnen/Beamten vorübergehend die Dienstausübung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bzw. eine Störung des Dienstes zu befürchten sei. Diese Ermächtigung betreffe nicht den Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte. Dies sei zum einen an dem Wortlaut der Untersagung der Dienstausübung und dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 BBG ersichtlich. Zum anderen erfolge die Untersagung der weiteren Dienstausübung durch den Dienststellenleiter im Wege des Hausrechts. Dieser sei befugt, in seinem dienstlich zugeordneten Bereich ein Kontakt- und Betretungsverbot zu verhängen und dem Beamten zu untersagen, weiterhin den Dienst in seinem Zuständigkeitsbereich auszuüben. Eine solche vorübergehende Untersagung sei seitens des Vorgesetzten des Antragstellers am 10.03.2020 erfolgt, auch wenn diese im Rahmen des Aktenvermerks vom 10.03.2020 fälschlicherweise als „mündliches Verbot Führen der Dienstgeschäfte“ betitelt worden sei. Es werde jedoch eindeutig ausgeführt, dass dieser Ausspruch im Vorgriff auf das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ergangen sei und kein solches darstelle. Im Anschluss an eine solche vorübergehende Untersagung durch einen Vorgesetzten in der Bundespolizei entscheide dann der seitens des BMI ermächtigte Behördenleiter, im Fall des Antragstellers somit der Präsident der Bundespolizeiakademie, ob die vorübergehende Maßnahme aufgehoben oder durch ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG bestätigt werde. Im Fall des Antragstellers sei die Bestätigung der vorübergehenden Maßnahme durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vom 16.04.2020 nach § 66 BBG erfolgt. Mithin sei Fristbeginn des § 66 Satz 2 BBG im vorliegenden Fall der 21.04.2020, an diesem Tag sei das Verbot dem Antragsteller zugestellt worden. Vor diesem Hintergrund habe das gegenüber dem Antragsteller ergangene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aufgrund des mit Schreiben vom 08.07.2020, zugestellt am 10.07.2020, gegen den Antragsteller eingeleiteten Disziplinarverfahrens weiterhin Bestand, da es innerhalb der Drei-Monatsfrist des § 66 Satz 2 BBG eingeleitet worden sei.
Der Antrag nach § 123 VwGO sei bereits unzulässig. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erfolgt, so dass dem Widerspruch gegen das Verbot vom 16.04.2020 keine aufschiebende Wirkung zukomme. Es hätte somit ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 13.05.2020 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gestellt werden müssen, um den Zweck des Antrags – die Fortführung der Ausbildung – überhaupt erreichen zu können. Auch ein solcher Antrag wäre jedoch unbegründet. Vorliegend überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte die privaten Interessen des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehung. Die materiell-rechtliche Eilmaßnahme nach § 66 BBG sei im Fall des Antragstellers erforderlich gewesen, da aufgrund seines über einen längeren Zeitraum gezeigten Verhaltens eine objektive Gefährdung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebs gegeben gewesen sei. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die den Vorbereitungsdienst beendende Laufbahnprüfung des Laufbahnlehrgangs 18 I, welchem der Antragsteller angehöre, bereits begonnen habe, der schriftliche Teil habe bereits in der Woche vom 13. bis 17.07.2020 stattgefunden. Der mündliche Teil schließe sich in der 34. Kalenderwoche an. Der Antrag sei daher abzulehnen.
In Erwiderung hierauf trägt der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 21.07.2020 ergänzend vor, dass die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe sämtlich falsch seien. Zudem sei das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte erloschen. Lediglich deshalb sei der Antrag nach § 123 VwGO gestellt worden. Die Antragsgegnerin halte am Verbot des Führens der Dienstgeschäfte weiter fest und setze es in der Praxis um, in dem sie dem Antragsteller die Fortsetzung der Ausbildung verweigere, obwohl das Verbot erloschen sei. Hiergegen könne sich der Antragsteller nur mit einem Antrag nach § 123 VwGO wehren, denn ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hätte nur Sinn, wenn das Verbot nicht erloschen wäre.
Weiterhin beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers darüber hinaus hilfsweise, für den Fall, dass das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte nicht mit Ablauf des 10.06.2020 erloschen ist,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.05.2020 wiederherzustellen.
Unter dem 30.07.2020 legte die Antragsgegnerin eine Kopie der Strafakte vor. Ausweislich eines Strafbefehls des Amtsgerichts … (Az. …*) wurde gegen den Antragsteller wegen Nachstellung in Tateinheit mit Beleidung gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 2, § 185, § 194, § 52 des Strafgesetzbuches (StGB) eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wurde auf 33,00 Euro festgesetzt. Nach telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin ist der Strafbefehl noch nicht rechtskräftig.
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerseite ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 80 Abs. 5 VwGO vorliegend wegen Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes nicht mehr statthaft. Dies folgt daraus, dass die Regelungswirkung des streitgegenständlichen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte mit Ablauf der Frist nach § 66 Satz 2 BBG kraft Gesetzes erloschen ist.
Nach § 66 Satz 2 BBG erlischt ein Verbot des Führens der Dienstgeschäfte nach § 66 Satz 1 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist. Mit Ablauf dieser Frist erlischt das Verbot kraft Gesetzes, ohne dass es einer weiteren Behördenentscheidung bedürfte. Auf etwaige Hinderungsgründe, weshalb ein beabsichtigtes Verfahren nicht binnen drei Monaten eingeleitet werden konnte, kommt es dabei nicht an (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 29 m.w.N.).
Ausweislich des Aktenvermerks „mündliches Verbot Führen der Dienstgeschäfte“ vom 10.03.2020 (Bl. 15 d. GA) wurde dem Antragsteller am 10.03.2020 „im Vorgriff auf die Verfügung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 BBG durch den Präsidenten der BPOLAK (…) mit sofortiger Wirkung mündlich die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt“. Sodann wurde dem Antragsteller mit Bescheid vom 16.04.2020 gemäß § 66 BBG die Führung der Dienstgeschäfte bis auf Weiteres verboten und die sofortige Vollziehung dieser Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Entsprechend der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde dem Antragsteller der Bescheid vom 16.04.2020 am 21.04.2020 zugestellt. Im Rahmen der Verbotsverfügung vom 16.04.2020 heißt es weiter: „Die bereits erfolgte mündliche Untersagung der weiteren Dienstausübung durch den Leiter des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums … (BPOLAFZ), Herrn Leitenden Polizeidirektor (LdtPD) …, vom 10.03.2020 wird hiermit ausdrücklich bestätigt.“
Mithin wurde dem Antragsteller vorliegend das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 10.03.2020 bekanntgegeben. Die Frist des § 66 Satz 2 BBG endete damit nach § 31 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Ablauf des 10.06.2020. Gleichwohl leitete die Antragsgegnerin erst mit Schreiben vom 08.07.2020, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 10.07.2020 zugegangen, ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein. Zu diesem Zeitpunkt war aber das gegen den Antragsteller ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bereits wegen Ablaufs der Frist des § 66 Satz 2 BBG erloschen. Mit dem Erlöschen des Verbots des Führens der Dienstgeschäfte hat sich der zugrundeliegende Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 VwGO geht damit ins Leere, er ist nicht mehr statthaft (vgl. Gersdorf in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 53. Edition, Stand: 1.10.2019, § 80, Rn. 147). Eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, wie sie für die Konstellation einer sog. faktischen Vollziehung in Betracht gezogen wird (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80, Rn. 120), scheidet ebenso aus, da hier ein wirksamer Verwaltungsakt erforderlich wäre, der wegen einer Anfechtung nach § 80 Abs. 1 VwGO der aufschiebenden Wirkung unterliegt und der dennoch vollzogen wird (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 80, Rn. 353). Dies ist aber nach Erledigung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 VwVfG gerade nicht mehr der Fall. Ebenso wäre ein Fortsetzungsfeststellungantrag im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, Rn. 365).
Der Auffassung der Antragsgegnerin, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber dem Antragsteller erst mit schriftlicher Verfügung vom 16.04.2020 ausgesprochen worden und damit die Frist des § 66 Satz 2 BBG im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens noch nicht abgelaufen gewesen sei, folgt die Kammer nicht. Schriftform ist für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht vorgeschrieben (vgl. Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 66, Rn. 4). Soweit die Antragsgegnerin weiter vorträgt, dass der Leiter des BPOLAFZ dem Antragsteller am 10.03.2020 lediglich die Dienstausübung vorläufig untersagt und keine Verfügung i.S.v. § 66 Satz 1 BBG vorgenommen habe, verfängt diese Argumentation nicht.
Zum einen kann nicht erfolgreich eingewandt werden, dass der Leiter des BPOLAFZ für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht zuständig gewesen wäre. Zuständig für den Erlass der Zwangsbeurlaubung ist die oberste Dienstbehörde, die die Befugnis jedoch delegieren kann (vgl. Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 66, Rn. 4). Ausweislich des von Antragsgegnerseite vorgelegten Erlasses des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 14.05.2008 hat das BMI u.a. den Präsidenten der Bundespolizeiakademie ermächtigt, den ihm unterstellten Beamtinnen und Beamten die Führung der Dienstgeschäfte nach Maßgabe der Bestimmung des § 60 BBG (a.F.) zu verbieten (Ziffer 1). Weiter ermächtigt der vorgenannte Erlass jeden Vorgesetzten in der Bundespolizei, den ihm unterstellten Beamtinnen und Beamten vorübergehend die Dienstausübung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bzw. eine Störung des Dienstes zu befürchten ist. Der Vorgesetzte hat den zuständigen Dienstvorgesetzten über die Maßnahme unverzüglich zu unterrichten. Dieser entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die Maßnahme aufgehoben wird oder eine Maßnahme im Sinne der Ziffer 1 zu beantragen ist (Ziffer 2). Zwar wurde das mündliche Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vom 10.03.2020 nicht – wie im Rahmen des vorgenannten Erlasses vorgesehen – durch den Präsidenten der Bundespolizeiakademie, sondern vielmehr durch den Leiter des BPOLAFZ … und damit entsprechend Ziffer 2 des Erlasses vom 14.05.2008 verfügt. Allerdings führt dies nicht zur Unwirksamkeit der am 10.03.2020 mündlich ausgesprochenen Zwangsbeurlaubung. Insbesondere hat der etwaige Zuständigkeitsverstoß nicht die Nichtigkeit der mündlichen Verfügung zur Folge, § 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 VwVfG. Ein Verstoß gegen die instanzielle Zuständigkeit führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, weil ihr kein entsprechend hoher Rechtswert zukommt, der einen besonders schwerwiegenden Fehler begründen könnte. Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn eine nachgeordnete Behörde anstelle der zuständigen gehandelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1975 – IV C 2/74 – NJW 1976, 765; Schemmer in: BeckOK, VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 47. Edition, Stand: 01.04.2020, § 44, Rn. 24). Auch sofern gewisse Verwaltungsaufgaben im Sinne einer funktionellen Zuständigkeit durch bestimmte Organwalter, etwa den Behördenleiter, zu erledigen sind, bleiben Verstöße in der Regel ohne Nichtigkeitsfolgen (Schemmer in: BeckOK, VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 47. Edition, Stand: 01.04.2020, § 44, Rn. 29 m.w.N.).
Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der mündlich ausgesprochenen (vorübergehenden) Untersagung der Dienstausübung nicht um eine Verfügung i.S.d. § 66 Satz 1 BBG gehandelt hat. Soweit die Antragsgegnerin diesbezüglich auf die Unterschiede im Wortlaut sowie die vermeintliche Rechtsgrundlage der Untersagung im Hausrecht des Dienststellenleiters verweist, kann sie mit dieser Argumentation nicht durchdringen. Ein struktureller Unterschied zwischen der ausgesprochenen Untersagung der Dienstausübung und einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte lässt sich nicht feststellen. Durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte auf begrenzte Zeit (Zwangsbeurlaubung) i.S.d. § 66 Satz 1 BBG wird der Beamte von der Wahrnehmung seines konkreten Amtes ausgeschlossen, wenn zwingende dienstliche Gründe es erfordern. Nichts Anderes wurde vorliegend mit der mündlich ausgesprochenen Untersagung der Diensttätigkeit bezweckt. Die Zwangsbeurlaubung ist ein Mittel der Personalführung, um einen Beamten, dessen Amtsausübung für ihn, die Verwaltung oder Dritte zu akuten Nachteilen oder Gefahren führt, befristet von der Wahrnehmung seines Dienstpostens zu entbinden. Es handelt sich um eine Maßnahme dienstrechtlicher Gefahrenabwehr (vgl. Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 66, Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 6 ZB 17.2316 – juris, Rn. 10). Wenn die Antragsgegnerin darauf verweist, dass die mündliche Untersagung durch den Dienststellenleiter nur eine vorläufige Regelung zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bzw. einer Störung des Dienstbetriebs gewesen sei, ist klarzustellen, dass auch die Anordnung nach § 66 Satz 1 BBG nur vorläufigen Charakter hat, weil das Verbot gemäß § 66 Satz 2 BBG erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den jeweiligen Beamten ein weiteres Verfahren eingeleitet worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2018 – 6 ZB 17.2316 – juris Rn. 10). Es handelt sich mithin um eine materiell-rechtlich vorgesehene Sofortmaßnahme von nur vorübergehender Dauer. Bis zur Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens zur endgültigen Regelung der Angelegenheit wird eine der Sache nach einstweilige Regelung getroffen. Das Recht des Beamten auf Amtsausübung kann durch die vorläufige Untersagung, die Dienstgeschäfte zu führen, bis zu drei Monate suspendiert werden. Die ausdrückliche und eng begrenzte Regelung des Verbots der Dienstausübung in § 66 BBG lässt zugleich auch erkennen, dass der Gesetzgeber neben der Pflicht der Beamten zur Dienstleistung (§ 61, § 87 BBG) vom grundsätzlichen Recht auf amtsangemessene Beschäftigung, d.h. auf die Übertragung und Ausübung eines dem statusrechtlichen Amt entsprechenden Aufgabenkreises (Dienstposten) ausgeht (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 1). Dieses Recht des Beamten auf amtsangemessene Diensttätigkeit (vgl. VGH BW, B.v. 12.9.1968 – IV 513/68 – ZBR 1968, 344) würde konterkariert, wenn Vorgesetzte – hier Dienststellenleiter – darüber hinaus die Möglichkeit hätten, Beamten im Rahmen ihres Hausrechts die weitere Dienstausübung vorläufig aus Gründen der Gefahrenabwehr zu untersagen. All dies belegt, dass es sich bei der mündlich ausgesprochenen Untersagung der weiteren Diensttätigkeit nicht um eine Maßnahme des Hausrechts handelt. Vielmehr wurde ein Mittel der Personalführung ergriffen, dass in § 66 BBG eine Regelung erfahren hat. Der Ausnahmecharakter sowie die engen sachlichen Voraussetzungen und zeitlichen Grenzen des Verbots des Führens der Dienstgeschäfte können nicht durch Maßnahmen mit gleichem Ergebnis außerhalb des § 66 BBG – etwa durch Weisungen, „Versetzungen“ zur Nichtbeschäftigung oder – wie hier – vorübergehende Untersagung der Diensttätigkeit – unterlaufen werden (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 2).
2. Mithin ist der von Antragstellerseite im Hauptantrag erhobene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.
a) Nach Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes ist nach obigen Ausführungen ein Rechtsbehelf nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr statthaft, so dass gemäß § 123 Abs. 5 VwGO zulässigerweise ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt werden kann.
b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
§ 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
aa) Ein Anordnungsgrund ergibt sich hier schon daraus, dass die Antragsgegnerin trotz Erlöschens des streitgegenständlichen Verbots des Führens der Dienstgeschäfte mit Ablauf des 10.06.2020 an dessen Wirksamkeit festhält und dem Antragsteller eine Dienstausübung verweigert. Nach Erlöschen des Verbotes des Führens der Dienstgeschäfte ist der betreffende Beamte aber verpflichtet und auch berechtigt, seinen Dienst wieder anzutreten (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 29).
bb) Ein Anordnungsanspruch zugunsten des Antragstellers ergibt sich hier daraus, dass er als Polizeimeisteranwärter im Vorbereitungsdienst ein berechtigtes Interesse daran hat, nach Erlöschen des Verbots des Führens der Dienstgeschäfte seinen Dienst wieder aufzunehmen und weiter an der Ausbildung teilzunehmen, um möglichst wenige Ausbildungsinhalte zu versäumen.
cc) In der ausgesprochenen Verpflichtung der Antragsgegnerin liegt auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Unter Beachtung dieses Verbots ist es dem Gericht zwar grundsätzlich verwehrt, eine abschließende und endgültige Entscheidung zu treffen, wie sie nur im Hauptsachverfahren nach Klageerhebung zu erreichen wäre. Im Hinblick auf
Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gilt dies jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsachverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 123, Rn. 14 m.w.N.). Es würde die Rechtsposition des Antragstellers unzumutbar beeinträchtigen, wenn er trotz des Erlöschens des Verbots des Führens der Dienstgeschäfte an der Dienstausübung und damit an der weiteren Teilnahme an der Ausbildung gehindert würde. Dass er hieran ein besonderes, vom Dienstherrn zu berücksichtigendes Interesse hat, zeigt die in § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung.
Im Hinblick auf den Zweck der Frist des § 66 Satz 2 BBG dürfte ein erneutes Verbot des Führens der Dienstgeschäfte bei unveränderter Sach- und Rechtlage wohl ausscheiden. Es bleibt der Antragsgegnerin aber gleichwohl unbenommen, das nach Erlöschen der Suspendierung eingeleitete Disziplinarverfahren fortzuführen oder ein Entlassungsverfahren nach § 37 Abs. 1 BBG einzuleiten. Dabei unterscheidet sich das zeitlich begrenzte Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG von der vorläufigen Dienstenthebung nach Disziplinarrecht (§ 38 des Bundesdisziplinargesetzes – BDG -, für Beamte auf Widerruf im Fall einer Untersuchung nach § 34 Abs. 3 Satz 2, § 37 Abs. 1 Satz 3 BBG entsprechend anwendbar) dadurch, dass das Verbot – anders als die vorläufige Dienstenthebung – einerseits auch aus anderen als disziplinären Gründen ausgesprochen werden kann, andererseits auf Fälle zwingender dienstlicher Gründe beschränkt ist (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 392. EL Juni 2018, § 66, Rn. 3).
3. Da der Antragsteller mit seinem Hauptantrag obsiegt, hat die Antragsgegnerin als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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