Verwaltungsrecht

Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (hier: Realschuldirektor) wegen Verstoß gegen Dienstanweisung

Aktenzeichen  M 5 S 19.115

Datum:
19.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21982
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 39
BayBG Art. 6 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

1 Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machen, ist dieses regelmäßig auch unaufschiebbar, um überhaupt den Zweck eines solchen Verbotes erfüllen zu können. (Rn. 19) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Gegenüber der disziplinarrechtlichen Entscheidung der vorläufigen Dienstenthebung stellt die beamtenrechtliche Entscheidung des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte für den Beamten die weniger gravierende Maßnahme dar, schon weil erstere mit einer (teilweisen) Einbehaltung der Bezüge verbunden werden kann, aber auch in der Außenwirkung. (Rn. 28) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe iSv § 39 S. 1 BeamtStG handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dies schließt aber nicht aus, dass die zwingenden dienstlichen Gründe auf einem Sachverhalt beruhen, hinsichtlich dessen der zuständigen Behörde ein der gerichtlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum zusteht. (Rn. 29) (red. LS Alexander Tauchert)
4 Die dienstlichen Gründe müssen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zwingend erfordern. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist eine Notmaßnahme, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden. Es müssen also Umstände vorliegen, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten zumindest im Augenblick als nicht vertretbar erscheinen lassen und es darf keine anderen, weniger einschneidenden Möglichkeiten geben, die dienstlichen Nachteile abzuwenden. (Rn. 31) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Realschuldirektor (Besoldungsgruppe A 15 mit Amtszulage) in Diensten des Antragsgegners. Seit 1. August 2008 leitet er eine staatliche Realschule. Er wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit eines ihm gegenüber ausgesprochenen Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte.
Die Landesanwaltschaft Bayern – Disziplinarbehörde – (Disziplinarbehörde) leitete mit Verfügung vom 18. Mai 2018 gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren ein. Anlass hierfür war eine angeblich fragwürdige Verwendung von Restmitteln aus einem Projekt und die angebliche Beleidigung einer Lehrkraft. Dieses Verfahren setzte sie mit Verfügung vom 17. Juli 2018 wegen eines eingeleiteten Strafermittlungsverfahrens wegen Untreue aus. Beides wurde dem Antragsteller von der Disziplinarbehörde mit Schreiben vom 17. Juli 2018 mitgeteilt.
Weil zeitweise mehrere Lehrer gleichzeitig erkrankt waren, kam es zu erheblichen Unterrichtsausfällen. An einem Elternsprechtag am 20. November 2018 konnten krankheitsbedingt 21 Lehrer den Eltern für Gespräche nicht zur Verfügung stehen. Die 1. Vorsitzende des Elternbeirats übermittelte deswegen dem Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Oberbayern-Ost (Ministerialbeauftragter) mit E-Mail vom 21. November 2018 Beschwerden mehrerer Eltern wegen Unterrichtsausfällen. Der Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 27. November 2018 über die Staatsanwaltschaft an den Verfassungsschutz, weil er „Anhaltspunkte für mögliche Straftat zur Durchsetzung verfassungsfeindlicher Ziele; hier: mögliche Sabotage des staatlichen Unterrichts“ sehe. Es sei möglich, dass eventuelle Innentäter den Unterrichtsbetrieb aufgrund interner Absprachen lahmlegen wollten. Dieses Schreiben leitete er auch dem Bayerischen Staatsministerium … … … … (Staatsministerium) und dem Ministerialbeauftragten in Abdruck zu.
Am 28. November 2018 führte das Staatsministerium mit dem Antragsteller ein Dienstgespräch, weil es in letzter Zeit verstärkt Beschwerden von Eltern und anderen Stellen hinsichtlich Unterrichtsversorgung und Schulfrieden gegeben habe. Weil der Antragsteller angebotene Zielvereinbarungen nicht habe unterschreiben wollen, bedürfe es dienstlicher Anweisungen, um den ordnungsgemäßen Schulbetrieb und Schulfrieden zeitnah wieder herzustellen bzw. zu sichern (Aktenvermerk vom 3.12.2018). Dem Antragsteller wurde eine Dienstanweisung vom 28. November 2018 übergeben. Darin heißt es unter anderem, dass er alle Anstrengungen zu unternehmen habe, damit der Schulfrieden nach innen und außen wiederhergestellt werden könne. Polarisierende und verletzende Äußerungen und Handlungen gegenüber Mitgliedern der Schulfamilie, insbesondere Lehrkräften, Eltern, Mitgliedern der Schulleitung und Verwaltungsangestellten seien in jedem Fall zu vermeiden. Mündliche sowie schriftliche Äußerungen hätten stets von Wertschätzung und Respekt geprägt zu sein. Meinungsverschiedenheiten dürften vor unbeteiligten Dritten und in unangemessener Form nicht ausgetragen werden.
Die 1. Vorsitzende des Elternbeirats teilte dem Ministerialbeauftragten am … November 2018 per E-Mail mit, dass sie an diesem Tag ein Gespräch mit dem Antragsteller gehabt habe, dass eine sehr merkwürdige und für sie belastende Wendung genommen habe. Der Antragsteller habe ihr gesagt, dass er ihr etwas erzählen werde, das er ihr aufgrund seiner Stellung nicht sagen dürfe. Seine Frau würde es ihr aber sagen dürfen, deshalb erzähle er dies nun in den Worten seiner Frau. Danach habe er von einer polizeilichen Hausdurchsuchung bei ihm zu Hause vor einiger Zeit berichtet. Er habe gemeint, dass sein Stellvertreter seinen Job haben wolle und deshalb eine Anzeige gemacht habe. Nach dem Ende des Gesprächs sei eine Lehrkraft gekommen und habe dem Antragsteller mitgeteilt, dass dessen Stellvertreter gemeint habe, „sie solle in den HE Klassen auch kochen“. Der Antragsteller habe kurz Luft geholt und sehr klar und deutlich gemeint: „ICH spreche mit ihnen und wie WIR ZWEI das machen, das besprechen WIR noch. ICH sage, wie wir es machen …“. Die Stimmung sei sehr angeheizt und aus ihrer Sicht gefährlich. Machtkämpfe dürften aus ihrer Sicht nicht von der Schulleitung ausgehen.
Am … November 2018 erließ das Staatsministerium deswegen einen Bescheid, den es dem Antragsteller noch am selben Abend zustellte. Darin verbot es ihm mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids an (Nr. 2).
Das Verbot werde dem Antragsteller wegen der Eilbedürftigkeit ohne vorherige Anhörung zugestellt. Selbstverständlich habe er Gelegenheit, sich gegenüber dem Staatsministerium zu äußern.
Dienstliche Gründe für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte seien darin zu sehen, dass er mit seinem Verhalten nachdrücklich gegen die am gestrigen Tag ausgesprochene Dienstanweisung sowie gegen seine gesetzlichen Pflichten als Schulleiter verstoßen und dadurch zum Ausdruck gebracht habe, dass er als Führungskraft nicht willens bzw. in der Lage sei, den an der Realschule derzeit massiv gestörten Schulfrieden wieder herzustellen, sondern ihn im Gegenteil weiter belaste. Im Rahmen des gestrigen Dienstgesprächs habe das Staatsministerium die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht ausgesprochen werden müsse. Dies sei unmissverständlich mit der Erwartung verbunden gewesen, dass der Dienstanweisung unbedingt und ab sofort Folge zu leisten sei. Indem er gegenüber der Elternbeiratsvorsitzenden versucht habe, seinen Stellvertreter in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, sowie gegenüber einer Lehrkraft in Gegenwart der Elternbeiratsvorsitzenden das Ansehen seines Stellvertreters untergraben und einen Machtkampf habe deutlich werden lassen, habe er diametral gegen die Forderungen der Dienstanweisung gehandelt. Erschwerend komme hinzu, dass er offensichtlich darauf aus sei, Konflikte mit seinem Stellvertreter zu befördern und nicht einzudämmen, obwohl er als Schulleiter in erster Linie für den Schulfrieden verantwortlich sei. Mit seinen Äußerungen habe er gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Dieser Verstoß sei ihm offensichtlich auch bewusst gewesen, da er ansonsten nicht die (untaugliche) Umgehung über eine Äußerung „als ihre Frau“ getätigt hätte. Ebenfalls liege ein Verstoß dagegen vor, Spannungen und Gegensätze innerhalb der Schule vertraulich zu behandeln. Als Schul- und damit Dienststellenleiter stehe er diesbezüglich in einer besonderen Verantwortung. Aufgrund der Tatsache, dass er bereits wenige Stunden nach einem intensiven Krisengespräch im Staatsministerium und der in diesem Zusammenhang erteilten Dienstanweisung schwerwiegend gegen die Anweisungen verstoßen habe, stehe zu befürchten, dass es bei einem weiteren dienstlichen Einsatz zu weiteren Verstößen dieser Art komme und die Situation eines massiv gestörten Schulfriedens an der Realschule sich weiter verschlechtern werde. Unter anderem würden in dem Fall, dass sich Eltern oder weitere Mitglieder der Schulfamilie an die Öffentlichkeit wendeten, das Ansehen der Schule und der Schulverwaltung massiv beeinträchtigt werden.
Diese Gründe erforderten das Verbot der weiteren Führung der Dienstgeschäfte zwingend. Solange er an der Realschule Dienst leiste, sei mit weiteren Dienstpflichtverletzungen der beschriebenen Art zu rechnen. Die Aufgaben der Schulleitung könnten nicht länger von einer Person wahrgenommen werden, die das Kollegium zunehmend in Konfliktsituationen hineinziehe und diese immer weiter eskalieren lasse. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei damit die einzige wirksame Maßnahme. Mildere (gleichwirksame) Mittel seien nicht ersichtlich.
Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte werde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Das Recht des Antragstellers an der Führung der Dienstgeschäfte habe gegenüber dienstlichen Interessen zurückzutreten, da gewichtige Bedenken gegen die Fortführung der Dienstgeschäfte bestünden. Im Interesse der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebs komme der Wahrung des Schulfriedens eine sehr hohe Bedeutung zu. Der verfassungsrechtlich verbürgten Schulpflicht und dem staatlichen Bildungsauftrag sowie dem Wohl und der Gesundheit der an der Schule beschäftigten Lehrkräfte und sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müsse Rechnung getragen werden. Daher überwiege das dienstliche Interesse an einer Unterbindung der dienstlichen Tätigkeit.
An der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids bestehe ein besonderes Interesse. Aus Gründen der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebs und der Wahrung bzw. Wiederherstellung des Schulfriedens sei von einem weiteren, auch nur zwischenzeitlichen Einsatz des Antragstellers als Schulleiter schlechterdings abzusehen. Aus Gründen des Wohls der Lehrkräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule, insbesondere auch ihrer psychischen Gesundheit, sowie der Umsetzung der verfassungsrechtlich geschützten Schulpflicht der Schülerinnen und Schüler überwiege das Interesse der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnung.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt und mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wiederherzustellen.
Der Bescheid sei rechtswidrig. Eine vorherige Anhörung sei unterblieben. Es gebe auch keine zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot. Es werden nur ein – dazu noch völlig ungeklärter – kurzer Vorfall am … November 2018, das Gespräch mit der Elternbeiratsvorsitzenden, zur Begründung herangezogen. Es sei nicht ersichtlich, welcher Vorwurf wegen des Gesprächs mit der Lehrkraft gemacht werde. Das Verbot stütze sich auf Vermutungen und verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2019 hat das Staatsministerium für den Antragsgegner seine Akte vorgelegt und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der „einzige“ Vorfall, so wie er sich aus der Darstellung in der E-Mail der Elternbeiratsvorsitzenden vom … November 2019 ergebe, sei ganz erheblich gewesen. Dieser Verstoß gegen die Dienstanweisung vom 28. November 2019 sei der konkrete Anlass für das Verbot gewesen. Dieser Dienstanweisung sei eine längere, sich zuspitzende Vorgeschichte vorausgegangen. Eine vorherige Anhörung habe wegen der Notwendigkeit sofortigen Einschreitens nicht erfolgen können. Die angebotene Möglichkeit, sich gegenüber dem Staatsministerium zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu äußern, habe der Antragsteller bis zur Stellung des Antrags an das Gericht nicht wahrgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die Behörde darf die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offensichtlich rechtswidrig ist (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: September 2018, § 39 BeamtStG Rn. 59). Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machen, ist dieses regelmäßig auch unaufschiebbar, um überhaupt den Zweck eines solchen Verbotes erfüllen zu können. Für die Begründung der sofortigen Vollziehung sind deshalb grundsätzlich keine weiteren Gründe erforderlich als für die Anordnung des Verbots (VG München, B.v. 20.6.2016 – 5 S 16.1250 – juris Rn. 18).
Die im Bescheid des Staatsministeriums vom … November 2018 gegebene Begründung genügt diesen formalen Anforderungen. Sie lässt erkennen, dass eine Einzelfallprüfung erfolgte und die unterschiedlichen, einander widersprechenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen wurden.
2. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist daher nur möglich, wenn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung grundlegende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (Conrad in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: September 2018, § 39 BeamtStG Rn. 59). Ergibt sich hingegen, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein werden, scheidet eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus.
Hiervon ausgehend war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht wieder herzustellen, weil die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall ergibt, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des für sofort vollziehbar erklärten Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte vom … November 2018 bestehen.
a) Gemäß § 39 Satz 1 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) i.V.m. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Diese vorläufige und zeitlich befristete (§ 39 Satz 2 BeamtStG) Maßnahme dient dazu, ein weiteres dienstliches Tätigwerden des Beamten bis zur Entscheidung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder eines sonstigen auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichteten Verfahrens zu unterbinden. Sie ist ein Verwaltungsakt, der im Rahmen des Beamtenverhältnisses erlassen wird (vgl. Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 58).
b) Auch wenn der Antragsteller vor Ergehen der streitgegenständlichen Verfügung nicht angehört worden ist, folgt daraus nicht die formelle Rechtswidrigkeit der Verfügung.
Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBG soll der Beamte vor Erlass des Verbots gehört werden. Auch wenn die Anhörung als Sollvorschrift und nicht als zwingende Norm ausgestaltet ist, so binden auch Sollvorschriften die Verwaltung, soweit kein triftiger Grund für eine Ausnahme vorliegt (vgl. Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 34, § 6 BayBG Rn. 19).
Ein triftiger Grund liegt hier jedoch in der Eilbedürftigkeit. Denn das Staatsministerium sah sich nach dem Vorfall mit der Elternbeiratsvorsitzenden am … November 2018 und damit Verstoß gegen die dem Antragsteller am 28. November 2018 ausgehändigte Dienstanweisung zu Recht zu sofortigem Handeln veranlasst.
Aber selbst wenn man von einer ursprünglich vor Bescheidserlass zu Unrecht unterbliebenen Anhörung ausgeht, wäre dieser Verfahrensmangel geheilt. Nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) kann die erforderliche Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Jedenfalls durch die Auseinandersetzung des Antragsgegners mit den gegen das Verbot vorgebrachten Argumenten im Rahmen des vorliegenden gerichtlichen Antragsverfahrens wurde das in der Anhörungspflicht enthaltene Gebot gewahrt, ein etwaiges Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und – im Hinblick auf eine etwaige Abänderung der getroffenen Verfügung – in Erwägung zu ziehen.
c) Der Erlass des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG war auch nicht deswegen unstatthaft, weil die Disziplinarbehörde bereits mit Verfügung vom 18. Mai 2018 gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren eingeleitet hatte. Denn selbst wenn die dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zugrunde gelegten Vorfälle in dieses – derzeit ausgesetzte – Disziplinarverfahren später noch einbezogen würden, war der Ausgang des Disziplinarverfahrens im Zeitpunkt des Erlasses des Verbotes nicht absehbar und es kam dem Verbot die Funktion einer Eilmaßnahme im Vorfeld einer solchen Einbeziehung zu (vgl. Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 41). Wollte man hingegen das vorliegende Verbot der Führung der Dienstgeschäfte deswegen für rechtswidrig halten, weil nach Einleitung des Disziplinarverfahrens eine vorläufige Dienstenthebung nach Art. 39 Abs. 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) das sachnähere Verfahren sei (vgl. Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 41), so wären dennoch durch das Verbot nicht die Rechte des Antragstellers verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn gegenüber der disziplinarrechtlichen Entscheidung der vorläufigen Dienstenthebung stellt die beamtenrechtliche Entscheidung des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte für den Beamten die weniger gravierende Maßnahme dar, schon weil erstere mit einer (teilweisen) Einbehaltung der Bezüge verbunden werden kann, aber auch in der Außenwirkung.
d) Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne von § 39 Satz 1 BeamtStG handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dies schließt aber nicht aus, dass die zwingenden dienstlichen Gründe auf einem Sachverhalt beruhen, hinsichtlich dessen der zuständigen Behörde ein der gerichtlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum zusteht. Dann wäre das Gericht bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verbots nach § 39 Satz 1 BeamtStG zwar hinsichtlich der Bewertung des Verhaltens des Beamten an die wertende Entscheidung der Behörde gebunden, es könnte aber uneingeschränkt nachprüfen, ob das Verhalten des Beamten unter Zugrundelegung der von der Ernennungsbehörde vorgenommenen Wertung einen zwingenden dienstlichen Grund für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bildet (Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 21 f.).
Dienstliche Gründe können sowohl im dienstlichen als auch im außerdienstlichen Verhalten des Beamten oder in seiner Person begründet sein, soweit sie sich auf die dienstlichen Bereiche auswirken können (vgl. Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 23).
Die dienstlichen Gründe müssen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zwingend erfordern. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist eine Notmaßnahme, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden. Es müssen also Umstände vorliegen, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten zumindest im Augenblick als nicht vertretbar erscheinen lassen und es darf keine anderen, weniger einschneidenden Möglichkeiten geben, die dienstlichen Nachteile abzuwenden. Die zu befürchtenden Nachteile müssen also so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 24).
Zwingende dienstliche Gründe können bereits bei Vorliegen des bloßen Verdachtes einer Straftat oder einer Dienstpflichtverletzung bestehen oder auch auf einem durch wesentliche Unstimmigkeiten gestörten Vertrauensverhältnis beruhen, wenn dadurch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Dienstbetriebes zu befürchten ist (Conrad, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 26). Dies ist insofern gerechtfertigt, als das Verbot nach § 39 Satz 1 BeamtStG lediglich zeitweise gilt und kurzfristig zum Einsatz kommt, bis eine endgültige Klärung erreicht werden kann.
Schließlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte darf nicht außer Verhältnis zur Schwere des inkriminierenden Verhaltens und dem Grad der zu befürchtenden Unzuträglichkeiten stehen. Soweit jedoch gewichtige Bedenken gegen eine Fortführung der Dienstgeschäfte bestehen, hat das Individualinteresse des Beamten an der Führung seiner Dienstgeschäfte gegenüber den dienstlichen Interessen zurückzutreten (Conrad, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 31).
e) Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegen hier solche Umstände vor, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Antragsteller im für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte (Zängl, a.a.O., § 39 BeamtStG Rn. 60; Sächsisches OVG, Beschluss vom 14. Februar 2012 – 2 A 133/11 – juris Rn. 16) als nicht vertretbar erscheinen lassen.
Zur Begründung wird auf die zutreffenden rechtlichen – unter Gründe I. dieses Beschlusses dargestellten – Ausführungen im Bescheid des Staatsministeriums vom … November 2018 verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Das Staatsministerium hat insbesondere in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe angenommen und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber dem Antragsteller auch zutreffend für verhältnismäßig erachtet. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Dem Antragsgegner ist es daher gegenwärtig nicht zumutbar, den Antragsteller weiter zu beschäftigen und abzuwarten, welche Auswirkungen im Dienstbetrieb tatsächlich entstehen. Die entsprechende Sorge des Antragsgegners liegt angesichts des vom Antragsteller innegehabten Amtes sowie dessen herausgehobener Funktion als Leiter einer Realschule nahe.
3. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 164 Rn. 14).


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