Verwaltungsrecht

Verbot großflächiger Werbeanlagen auf bestimmten Hauptstraßen durch Werbeanlagensatzung

Aktenzeichen  1 ZB 15.345

Datum:
8.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133195
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 81 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

Soll durch das Verbot großflächiger Werbeanlagen für bestimmte Hauptverkehrsstraßen eine Überfrachtung dieser Bereiche mit Werbeanlagen vor dem Hintergrund verhindert werden, dass die Hauptverkehrsachsen für das äußere Erscheinungsbild des Ortes besonders bedeutsam und zugleich für Werbeanlagen besonders attraktiv sind, steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Gemeinden nach den örtlichen Gegebenheiten u.a. zum Schutz bestimmter Straßen von städtebaulicher Bedeutung Werbeverbote in einem Mischgebiet oder Kerngebiet erlassen können. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 14.629 2014-12-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2014 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Darlegungen der Klägerin sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu wecken (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der beantragten Werbeanlage mit einer Größe von mehr als 2 m² an der Grundstücksgrenze zum Gehweg der M* … Straße die Bestimmung in § 2 Abs. 2 der Werbeanlagensatzung der Beklagten (Verbot von Werbeanlagen mit einer Größe von mehr als 2 m² im Bereich eines 5 m tiefen Streifens an bestimmten Hauptverkehrsstraßen) entgegensteht.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hält sich die von der Beklagten getroffene Regelung im Rahmen der gesetzgeberischen Ermächtigung des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayBO. Durch das Verbot großflächiger Werbeanlagen soll das ortstypische Erscheinungsbild der in § 2 Abs. 2 Satz 3 der Werbeanlagensatzung aufgelisteten Hauptverkehrsstraßen der Beklagten geschützt werden, indem eine Überfrachtung dieser Bereiche mit Werbeanlagen vor dem Hintergrund verhindert werden soll, dass die Hauptverkehrsachsen für das äußere Erscheinungsbild des Ortes besonders bedeutsam und zugleich für Werbeanlagen besonders attraktiv sind. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Gemeinden nach den örtlichen Gegebenheiten u.a. zum Schutz bestimmter Straßen von städtebaulicher Bedeutung Werbeverbote in einem Mischgebiet oder Kerngebiet erlassen können (vgl. dazu BVerwG, U.v. 25.6.1965 – 4 C 73.65 – BVerwGE 21, 251; U.v. 28.4.1972 – 4 C 11.69 – BVerwGE 40, 94; U.v. 22.2.1980 – 4 C 44.76 – BayVBl 1980, 408; U.v. 11.10.2007 – 4 C 8.06 – BVerwGE 129, 318; U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – BRS 57 Nr. 175; BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 1 ZB 12.1832 – juris Rn. 5). Wie weit ein solches Verbot unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gehen darf, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, bei der es auf die örtlichen Gegebenheiten ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 a.a.O.). Die Beklagte hat vorliegend großflächige Werbeanlagen nicht generell ausgeschlossen, sondern lediglich an bestimmten Hauptverkehrsstraßen in einem sich anschließenden 5 m breiten Streifen zum Schutz des Straßenbilds. Dagegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern, auch nicht im Hinblick auf die insoweit missverständliche Äußerung des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob die Hauptverkehrsstraßen unter dem Gesichtspunkt ihrer städtebaulichen Bedeutung schützenswert seien, weil kein Werbeverbot für ein großflächiges Gebiet in einem Misch- oder Kerngebiet vorliege (vgl. UA S. 8/9).
Der Einwand der Klägerin, die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 3 der Werbeanlagensatzung sei im maßgeblichen Bereich unwirksam, weil keine ortsgestalterischen Gründe vorliegen würden, die den partiellen Ausschluss von Werbeanlagen rechtfertigen würden, die örtlichen Gegebenheiten sich im maßgeblichen Bereich vielmehr diffus und inhomogen gemischt zeigen würden, lässt unabhängig davon, ob insoweit nur der unmittelbare Nahbereich in den Blick zu nehmen ist, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aufkommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an der erforderlichen städtebaulichen Prägung, da nach den vorliegenden Akten und Fotos im maßgeblichen Straßenabschnitt zwar einzelne kleinere Werbeanlagen erkennbar sind, der direkte Anschluss an den Straßenkörper aber frei von großflächigen Werbeanlagen ist. Auch die Gebäude, die teilweise gewerblich genutzt werden, liegen überwiegend zurückversetzt von der Straße bzw. von dieser durch einen Grünbereich getrennt. Die insoweit von der Klägerin in den Blick genommene gewerbliche Nutzung durch Autohandel mit teilweise zum Verkauf stehenden Autos, die bis an die Straßenkante heranreicht, vermag daran nichts zu ändern. Denn im Gegensatz zu der begehrten Errichtung einer großflächigen Werbeanlage handelt es sich bei den nur vorübergehend geparkten Fahrzeugen nicht um vergleichbare ortsfeste gewerbliche Anlagen. Die Fahrzeuge stehen daher der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit dieses Bereichs nicht entgegen. Auch die (ortsfeste) Werbeanlage der Tankstelle auf der dem geplanten Vorhaben gegenüberliegenden Straßenseite führt nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis, da es sich dabei nicht um eine Fremdwerbung handelt und die Werbeanlagensatzung der Beklagen in § 7 Abweichungen zulässt. Schließlich liegt auch kein faktischer Ausschluss von großflächigen (Fremd) Werbeanlagen vor, da diese Werbeanlagen nur in dem 5 m breiten Streifen verboten sind. Es liegen daher besondere Umstände vor, die das Straßenbild im maßgeblichen Bereich wegen seiner Eigenart als schutzwürdig und die Anbringung von Werbetafeln als unangemessen erscheinen lassen und ein (teilweises) Zurücktreten des privaten Werbeinteresses wegen schutzwürdiger Belange der Gemeinschaft rechtfertigen.
Angesichts der vorstehend aufgeführten schutzwürdigen Belange kommt für die erstmalige Errichtung einer großflächigen Werbeanlage eine mögliche Abweichung nach § 7 der Werbeanlagensatzung nicht in Betracht. Die Klägerin hat eine solche Abweichung im Übrigen auch nicht beantragt.
2. Ungeachtet einer fehlenden Darlegung ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenüber gestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.1998 – 2 B 74.98 – NVwZ 1999, 406; B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15.03 – NVwZ 2004, 889; B.v. 26.6.1995 – 8 B 44.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Nr. 2). Das Verwaltungsgericht hat vorliegend bereits keinen Obersatz aufgestellt, der im Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.3.1995 (4 C 3.44 a.a.O.) bzw. des Senats vom 14.10.2014 (1 ZB 12.1832 a.a.O.) steht. Insoweit kleidet der Zulassungsantrag seine Kritik an dem angefochtenen Urteil lediglich in das Gewand einer Divergenzrüge. Im Übrigen widerspricht das angefochtene Urteil nicht den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats. Ausweislich der vorstehenden Erwägungen unter Nummer 1 ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Ablehnung des Antrags auf Errichtung der großflächigen Werbeanlage in subjektiven Rechten verletzt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummer 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013). Die Befugnis zur Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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