Verwaltungsrecht

Verbot von Kundgebungsmitteln mit Bezug zur PKK

Aktenzeichen  M 13 K 18.742

Datum:
24.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23380
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVersG Art. 15
VereinsG § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Das Zeigen oder Verteilen von Kundgebungsmitteln mit dem Schriftzug syrischer Organisationen wie YPG, YPJ oder PYD ist jedenfalls dann als das Verwenden des Kennzeichens einer verbotenen Vereinigung iSd § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG anzusehen und verstößt somit gegen die öffentliche Sicherheit (Art. 15 BayVersG), wenn sich aus dem Gesamtbild der Versammlung ein Kontext zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ergibt. (Rn. 5 – 6 und 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Gründe

Die Klage-/Antragspartei hat am 19.09.2018 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hat am 20.09.2018 der Erledigung zugestimmt.
Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, da er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes bei der Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre. Beide Auflagen unter Ziffer II.6.3. des Bescheides der Beklagten vom 15. Februar 2018 sind nach Ansicht des Gerichtes im vorliegenden Fall rechtmäßig festgesetzt worden. Bezüglich der Auflage unter 6.3.1 (angezeigte Kundgebungsmittel mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan“ inkl. dem Portrait Abdullah Öcalans) wird auf die Entscheidungen im Eilverfahren (VG München, B.v. 16.2.2018 – M 13 S 18.743; VGH München, B.v. 16.2.2018 – 10 CS 18.405) verwiesen. Auch die Auflage unter Ziffer 6.3.2 (Kundgebungsmittel mit der Aufschrift YPG, YPJ, PYD) ist aus Sicht des Gerichtes rechtmäßig.
Die Beklagte durfte aufgrund der ihr vorliegenden Erkenntnisse im Zeitpunkt des Bescheidserlasses davon ausgehen, dass das Zeigen oder Verteilen von Kundgebungsmitteln mit dem Schriftzug YPG, YPJ oder PYD als Verwenden eines Kennzeichens einer verbotenen Vereinigung i. S. d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG anzusehen ist und damit gegen die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 15 BayVersG verstößt.
Hierbei konnte sich die Beklagte auf das Gesamtbild der angezeigten Versammlung stützen. Insbesondere kann auf die Stellungnahmen des Polizeipräsidiums M* … verwiesen werden. Die mit e-mail am 9. Februar 2018 um 14.04 Uhr bei der Beklagten eingegangene Stellungnahme legt dar, dass nach Ansicht der Staatsanwaltschaft M* … I auch die Fahnen syrischer Organisationen wie YPG, PYD und PJV „per se“ unter das Verbot fallen. Dies, die Einschätzung der Gefahrenlage durch das Polizeipräsidium M* … vom 12.2.2018 und die im Übrigen von der Beklagten in der Gefahrenprognose dargelegten Gesichtspunkte (Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 2. März 2017, gleichzeitiges Zeigen von Abbildungen Abdullah Öcalans, konkretes Versammlungsthema, Kooperationsgespräch, Pressemitteilung des Veranstalters) tragen nach Ansicht des Gerichtes die Auffassung, dass mit Straftaten zu rechnen gewesen ist und deshalb von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentliche Sicherheit durch die Versammlung ohne die Auflage unter Ziffer 6.3.2 auszugehen war.
Die Gefahrenprognose wird durch die hierzu ergangene Rechtsprechung gestützt. Hierbei gibt es zwei unterschiedliche rechtliche Ansichten, wann das Zeigen von Fahnen der Organisationen YPG, YPJ und PYD als strafbar angesehen werden kann.
Zum einen wird angenommen, bei den genannten Organisationen selbst handele es sich nicht um verbotene oder von einem Betätigungsverbot betroffene Vereine, so dass §§ 20 Abs. 1, 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG grundsätzlich nicht einschlägig sein könne. Eine Strafbarkeit des Zeigens dieser Symbole und eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei nur anzunehmen, wenn durch die Verwendung dieser Symbole und den Anlass und das Ziel der Versammlung ein Kontext zur PKK hergestellt werden könne (VG Frankfurt a. Main, U.v. 29.8.2017 – 5 K 4403/16 – Pressemitteilung unter beck-online; VG Gelsenkirchen, B.v. 19.2.2018 – 14 L 337/18 – juris; VG Darmstadt, B.v. 2.3.2018 – 3 L 522/18.DA – juris; LG Aachen, B.v. 13.2.2018 – 66 Qs 73/17 – juris).
Zum anderen wird vertreten, dass der Tatbestand des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG dann erfüllt ist, wenn sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen ließe, dass ein mit einem entsprechenden Verbot belegter Verein (hier die PKK) die Flagge der YPG als eigenes Kennzeichen usurpiert hat. Dafür, dass die PKK die Flagge der YPG tatsächlich als eigenes Kennzeichen usurpiert habe, lägen bereits ausreichende Anhaltspunkte vor (vgl. insgesamt LG München I, B.v. 24.5.2018 – 18 Qs 3/18 – juris; ähnlich VG Oldenburg, B.v. 1.6.2018 – 7 B 2198/18 – juris).
Zusammenfassend geht die zunächst zitierte Rechtsprechung von einer Strafbarkeit des Zeigens der streitgegenständlichen Flaggen aus, wenn die Verwendung im Kontext zur PKK erfolgt. Die als zweites zitierte Rechtsprechung geht von einer grundsätzlichen Strafbarkeit des Zeigens der streitgegenständlichen Flaggen aus. Diese entfalle nur, wenn eindeutig der Kontext zur PKK nicht gegeben ist.
Im vorliegenden Fall ist nach beiden Rechtsauffassungen von einer drohenden strafbaren Handlung durch das Verwenden der YPG, YPJ und PYD Kennzeichen und damit von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auszugehen, da sowohl die behördlichen Schreiben als auch die individuellen Umstände der konkreten Versammlung einen Kontext der Verwendung der Fahnen der YPG, PYD und YPJ zu der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) herstellen. Insbesondere ergibt sich dies aus dem Versammlungsthema, das ausdrücklich auch die PKK miteinbezieht, sowie aus den übrigen Äußerungen des Veranstalters beispielsweise im Kooperationsgespräch oder in der Pressemitteilung und der Tatsache, dass gleichzeitig die Verwendung von Abbildern Abdullah Öcalans angezeigt wurde.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Streitwertkatalog.


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