Verwaltungsrecht

Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums

Aktenzeichen  10 ZB 14.2178

Datum:
27.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48796
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 16 Abs. 1 S. 5

 

Leitsatz

Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums setzt trotz der Berücksichtigung persönlicher Belange für eine Studienverzögerung wie eine Erkrankung die Prognose voraus, dass das Studium in absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann. Hieran fehlt es, wenn der Abschluss nicht mehr prognostizierbar ist, weil ein Student für einen Studien-abschnitt 19 statt der vorgesehenen vier Semester benötigt, ohne ihn abzuschließen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 K 13.3398 2014-05-07 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage weiter, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihre Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums zu verlängern. Die Klägerin, eine ägyptische Staatsangehörige, hält sich seit Januar 2001 im Bundesgebiet auf und studiert seit Herbst 2003 Medizin, ohne bisher den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung absolviert zu haben.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch die geltend gemachte Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (2.).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.
a) Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Klageabweisung die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 5. Mai 2010 (19 BV 09.3103 – juris Rn. 49 ff.) entwickelten Maßstäbe zur Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AufenthG zugrunde gelegt und festgestellt, dass gemessen daran unter Berücksichtigung aller Umstände nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin einen Abschluss ihres Medizinstudiums noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen könne. Sie befinde sich derzeit im 20. Fachstudiensemester, habe aber den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung noch nicht vollständig abgelegt. Nach den Studieninformationen der Universität gliedere sich das Studium der Medizin (Gesamtdauer 6 Jahre und 3 Monate) in einen ersten Studienabschnitt (1. bis 4. Semester) und in einen zweiten Studienabschnitt (5. bis 12. Semester); der erste Studienabschnitt werde mit dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung frühestens nach dem 4. Semester abgeschlossen. Diesen ersten Studienabschnitt habe die Klägerin nach 19 Fachsemestern immer noch nicht abgeschlossen. Auch wenn sie im laufenden Semester den restlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung erfolgreich ablegen sollte, wären danach noch mindestens weitere 8 Semester erforderlich, um den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung ablegen zu können. In Anbetracht des bisherigen Studienverlaufs bestehe aber keine hinreichende Aussicht, dass die Klägerin das weitere Studium auch in dieser Zeit erfolgreich absolvieren könnte. Zwar seien im Rahmen der anzustellenden Prognose auch persönliche Belange des Ausländers, wie eine auf einer Krankheit beruhende längere Studiendauer, zu berücksichtigen. Gleichwohl sei auch in einem solchen Fall erforderlich, dass die hinreichende Aussicht bestehe, dass das Studium in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden könne. Eine krankheitsbedingte Studienunfähigkeit sei nur für das Wintersemester 2008/2009 und das Sommersemester 2009 belegt. Doch auch wenn man davon ausgehen würde, dass die Studienverzögerungen der Klägerin zu weiten Teilen auf Erkrankungen zurückzuführen seien, lägen derzeit auch in Anbetracht der jüngeren Entwicklungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Gesundheitszustand und der Leistungsstand der Klägerin dauerhaft so gebessert hätten, dass nun ein zügiger Studienabschluss in einem überschaubaren Zeitraum prognostiziert werden könnte.
b) Die Klägerin macht geltend, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden deshalb, weil das Gericht ihrer Erkrankung zu wenig Beachtung eingeräumt habe. Zeitliche Verzögerungen durch nachgewiesene Erkrankungen dürften auf die durchschnittliche Studiendauer nicht angerechnet werden. Wie sich nun aus einem aktuellen Attest ergebe, sei eine bisher unerkannte Krankheit Auslöser für die „Prüfungsunfähigkeit“ der Klägerin gewesen; diese sei jedoch behandelbar, so dass für den weiteren Studienverlauf eine günstige Prognose gegeben werden könne, wenn sie die schriftliche Prüfung im Frühjahr 2015 absolvieren werde.
c) Damit begründet die Klägerin keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung von krankheitsbedingten Verzögerungen ein erfolgreicher Studienabschluss der Klägerin nicht mehr prognostizierbar sei. Dabei kommt es nicht darauf an, ob, wie die Klägerin vorträgt, ihre Erkrankung bisher falsch diagnostiziert worden ist. Die Klägerin hat einen Studienabschnitt, für den nach den Informationen der Universität 4 Semester vorgesehen sind, nach 19 Fachsemestern noch immer nicht abgeschlossen; das Verwaltungsgericht hat daraus zu Recht den Schluss gezogen, dass ein erfolgreiches Durchlaufen des (regulär) 8 Semester umfassenden weiteren Studienabschnitts auch dann nicht prognostizierbar sei, wenn die Klägerin den noch fehlenden Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung in Kürze bestehen sollte.
Im Übrigen bestätigt auch die weitere Entwicklung seit dem Urteil vom 7. Mai 2014 die Prognose des Verwaltungsgerichts. Nach der Mitteilung der Universität vom 21. April 2015 hat die Klägerin den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2015 endgültig nicht bestanden und könnte auch nach einem erneuten Studium der Medizin zu der Prüfung nicht mehr zugelassen werden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin gegen den Prüfungsbescheid Klage erhoben hat und die Klageabweisung noch nicht rechtskräftig ist. Selbst ein allenfalls möglicher Erfolg der Klage und eine erneute Teilnahme an der Prüfung bestätigt die Einschätzung, dass ein erfolgreicher Studienabschluss nicht prognostizierbar ist.
2. Die Divergenzrüge im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO führt nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Divergenzgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Darzulegen ist insoweit, welche bestimmte und verallgemeinerungsfähige Rechtsauffassung das Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und inwiefern diese mit einem konkreten Rechtssatz in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte nicht übereinstimmt. Die divergierenden Rechtssätze sind einander so gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird (st. Rspr.; vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2016 – 10 ZB 13.2431 – juris Rn. 14). Keine Divergenz begründet jedoch die (nach Meinung des Rechtsmittelführers) unrichtige Anwendung eines Rechtssatzes (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 42).
a) Die Klägerin rügt eine Abweichung von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 2010 (19 BV 09.3103 – juris). Das Verwaltungsgericht habe sich zwar auf dieses Urteil bezogen, sei ihm aber in der Begründung nicht gefolgt, da die persönlichen Belange und vor allem die auf der Erkrankung beruhende längere Studiendauer nicht ausreichend berücksichtigt würden. Allein aus der Studiendauer werde gefolgert, dass das Studium nicht in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen werden könne, unabhängig davon, ob die ausstehende Prüfung bestanden werde oder nicht.
b) Das Verwaltungsgericht ist jedoch nicht von einem Rechtssatz aus der genannten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abgewichen. Vielmehr hat es die dort formulierten Ausführungen zu § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AufenthG weitgehend wörtlich übernommen (vgl. S. 9-12 UA). Die Klägerin macht im Ergebnis geltend, das Verwaltungsgericht habe diese Rechtssätze unrichtig angewandt und beruft sich damit letztlich in Wirklichkeit auf den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Wie oben ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht jedoch die auf einer Erkrankung beruhende längere Studiendauer der Klägerin bei seiner Prognose über einen erfolgreichen Studienabschluss berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.


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