Verwaltungsrecht

Verletzung des rechtlichen Gehörs im asylgerichtlichen Verfahren

Aktenzeichen  23 ZB 18.32580

Datum:
5.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15133
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, § 83b
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 138 Nr. 3, § 154 Abs. 2, § 173
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Bei einem behaupteten Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht bzw. den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) handelt es sich grundsätzlich nicht um einen Gehörsverstoß und damit auch nicht um einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO, der von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erfasst wäre. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zur Annahme eines relevanten, dh zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensfehlers iSv § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 Nr. 3 VwGO ist stets eine hinreichende Bezeichnung des Verfahrensmangels durch den jeweiligen Kläger erforderlich. Insoweit ist substantiiert darzulegen, was der Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung zum betreffenden Einzelaspekt der Urteilsbegründung mit Aussicht auf Erfolg vorgetragen hätte. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4 Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 18.30818 2018-08-02 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. August 2018, Az. Au 1 K 18.30818, hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensfehlers durch Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht vorliegt bzw. nicht in einer Weise dargelegt worden ist, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
1. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 – NJW 2003, 1924; BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 5 ZB 19.50014 – juris Rn. 7 m.w.N.). Das rechtliche Gehör gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandards, dass ein Kläger die Möglichkeit hat, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß liegt deshalb nur vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238/241; BayVGH a.a.O. Rn. 7). Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273 – NJW 1967, 1955; BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8; BayVGH a.a.O. Rn. 7).
a) Die Klägerinnen rügen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zum einen durch Verletzung der Sachaufklärungspflicht, die sich manifestiere durch
1) die teilweise völlig falsche Wiedergabe ihres Vortrags,
2) die teilweise Nichtberücksichtigung ihres Vortrags auf Grund falscher und willkürlicher Qualifizierung als unglaubwürdig,
3) die teilweise Nichtberücksichtigung ihres Vortrags durch schlichtes Ignorieren.
Damit wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt.
Soweit die Klägerinnen geltend machen, das Verwaltungsgericht habe durch die von ihnen gerügten Mängel gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verstoßen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), greifen sie der Sache nach die Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht an (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit machen sie aber keinen Verfahrensmangel i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO geltend, sondern (ernstliche) Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Diese stellen jedoch keinen Zulassungsgrund i.S.d. § 78 Abs. 3 AsylG dar (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 20 ZB 17.30078 – juris Rn. 3). Selbst wenn man in der gerügten Verletzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht aber die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers sehen wollte, weil wesentliche Tatsachen ungeprüft geblieben seien, handelt es sich dabei nicht um einen Verfahrensmangel i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 5). Bei einem behaupteten Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht bzw. den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) handelt es sich grundsätzlich nicht um einen Gehörsverstoß und damit auch nicht um einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO, der von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erfasst wäre (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 13a ZB 19.30064 – juris Rn. 2 m.w.N.). Die in den einzelnen Prozessordnungen in unterschiedlichem Umfang vorgesehenen Hinweis-, Aufklärungs- und Erörterungspflichten, die über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt äußern zu können, sind, auch wenn sie im einfachen Prozessrecht verankert sind, von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör nach Art. 91 Abs. 1 BV und Art. 103 Abs. 1 GG nicht umfasst (BayVGH, B.v. 25.1.2019 a.a.O. Rn. 11 m.w.N.). Eine Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist von vornherein nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhaltes einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden (BayVGH, B.v. 22.11.2017 – 11 ZB 17.30768 – juris Rn. 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist deshalb nicht dadurch verletzt, dass das Gericht zu einer möglicherweise unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Sammlung, Feststellung und Bewertung der vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Im Übrigen gilt folgendes:
Zu Nr. 1 wird ausgeführt, dass die im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils in Bezug auf die Arbeitstätigkeit der Klägerin zu 1 verwendeten deutschen Begriffe “Finanzamt“, „Vorgesetzte“, „Chef“ usw. die Verhältnisse unzutreffend wiedergäben. In Eritrea sei auch der Staatsdienst als Zwangsdienst organisiert und sei vom „Nationaldienst“ nicht zu unterscheiden, das eigenmächtige Verlassen eines solchen Arbeitsplatzes werde als Fahnenflucht bestraft. Die Klägerin zu 1 sei bei der Besoldung von Soldaten tätig gewesen, dies sei nirgends Aufgabe eines „Finanzamtes“, und die „Vorgesetzten“ seien tatsächlich militärische Kommandeure mit den Befugnissen der militärischen Disziplin gewesen. Dies habe die Klägerin zu 1 in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge deutlich zum Ausdruck gebracht. Durch Nichtbeachtung dieser Aussage und der falschen Wiedergabe ihres Vortrags sei es in dem Urteil zu der Annahme einer „bloßen illegalen Ausreise nach vollständiger Ableistung der nationalen Dienstpflicht“ gekommen. Völlig unbeachtet bleibe die Gefährdung der Klägerin zu 1 als Geheimnisträgerin und Zeugin illegaler Machenschaften.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerbevollmächtigte in den von ihm formulierten Beweisanträgen selbst die Begriffe „Finanzverwaltung“ und „Vorgesetzter“ verwendet (vgl. Schriftsatz vom 12.7.2018, S. 2). Zudem entspricht die Tatbestandsdarstellung den Angaben der Klägerin zu 1, wie sie sich aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2018, der Anhörung vor dem Bundesamt vom 15. November 2017 und dem streitgegenständliche Bescheid ergeben. Die Begriffe „staatliche Finanzverwaltung“, „Chef“, „Vorgesetzter“ werden auch dort verwendet. Ausweislich des Sitzungsprotokolls haben die anwaltlich vertretenen Klägerinnen auf Wiedergabe des Diktats verzichtet und auch keinen Antrag auf Protokollberichtigung gestellt. Die Klägerinnen hatten demnach hinreichend Gelegenheit, im Rahmen des Klageverfahrens eventuelle Missverständnisse auszuräumen und die Begrifflichkeiten klarzustellen. Sie haben etwaige Übersetzungsfehler aber nicht gerügt. Damit haben sie die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, sondern die Möglichkeit ungenutzt gelassen, ihre Ausführungen ggfs. klarzustellen. Von einer völlig unzutreffenden Wiedergabe des klägerischen Vortrags bzw. willkürlichen Nichtberücksichtigung kann daher nicht die Rede sein (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 19.30303 – Rn. 10). Darüber hinaus hat sich das Gericht mit der Frage, welche Konsequenzen die Klägerin zu 1 in Eritrea aufgrund ihrer illegalen Ausreise zu erwarten habe, auch ausführlich befasst (UA S. 6f.). Auch die Ausführungen der Klägerin zu 1 hinsichtlich ihrer Tätigkeit in Eritrea und des Verhältnisses zu ihren Vorgesetzten werden gewürdigt (UA S. 7f.). Dass das Gericht dem Vorbringen der Klägerin zu 1, aufgrund der von ihr geschilderten angeblichen Umstände bei einer Rückkehr nach Eritrea gefährdet zu sein, keinen Glauben geschenkt hat, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
Zu Nr. 2 wird ausgeführt, die Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Klägerin zu 1 beruhe auf willkürlichen Annahmen, Verstößen gegen die Denkgesetzte und einer Verdrehung der vorgebrachten Tatsachen. Mit diesem unsubstantiierten Vorbringen wird jedoch ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dargelegt.
Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.4.2019 a.a.O. Rn. 7). Soweit die Klägerinnen das Vorliegen eines Verfahrensmangels wegen der von ihnen behaupteten Ungeeignetheit der Anhörungsprotokolle des Bundesamts hinsichtlich vermeintlicher oder tatsächlicher Widersprüche im Vorbringen der Klägerin zu 1 geltend machen, wird schon nicht dargelegt, dass hierbei entscheidungserhebliche (Übertragungs-) Fehler aufgetreten seien (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 a.a.O. Rn. 12). Auch traf das Verwaltungsgericht hinsichtlich etwaiger Widersprüche keine Hinweis- oder Nachfragepflicht. Das Recht auf rechtliches Gehör begründet nämlich keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder seine (mögliche) Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Es ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht eines besonderen Hinweises, dass es – soweit entscheidungserheblich – im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 a.a.O. Rn. 11 m.w.N.).
Zu Nr. 3 wird vorgebracht, dass die in der Klagebegründung vorgetragene Gefahr einer Genitalverstümmelung im gesamten Urteil keinerlei Erwähnung finde.
Dass sich hierzu keine Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts finden, ist kein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, da nicht jedes, sondern nur wesentliches Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden ist und der klägerische, lediglich sechs Zeilen umfassende Vortrag hierzu im Schriftsatz vom 12. Juli 2018 insoweit zu allgemein und unsubstantiiert ist, um daraus ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ableiten zu können, zumal die Klägerin zu 1 in der Anhörung nach § 25 AsylG am 15. November 2017 trotz ausdrücklicher Nachfrage noch keine eigenen Asylgründe für ihre Tochter geltend gemacht hatte und die Genitalverstümmelung hinsichtlich ihrer Tochter nicht vorgetragen wurde. Das diesbezügliche Vorbringen im Zulassungsschriftsatz, die Klägerin zu 1, die selbst FGM-Opfer sei, habe sich hierzu gegenüber einem männlichen Anhörer nicht äußern können, ist neu und – ungeachtet seiner Glaubwürdigkeit – schon deshalb nicht geeignet, einen Gehörsverstoß durch das Verwaltungsgericht zu belegen, da dieses neue Vorbringen noch nicht gewürdigt werden konnte. Dieses Vorbringen wurde von der anwaltlich vertretenen Klägerin zu 1 auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht thematisiert, so dass auch deshalb eine Berufung darauf ausgeschlossen ist.
b) Die Rüge, dass sich das Urteil auf Gerichtsentscheidungen stütze, die weder in das Verfahren eingebracht worden noch in der übersandten Erkenntnismittelliste enthalten seien, vermag im vorliegenden Fall ebenfalls keinen Gehörsverstoß zu begründen. Zwar gilt, dass zu den ordnungsgemäß in das Verfahren einzuführenden Erkenntnismitteln auch andere Gerichtsentscheidungen zu rechnen sind, sofern sie nicht allein wegen ihrer rechtlichen Schlussfolgerungen, sondern (auch) im Hinblick auf ihre tatsächlichen Feststellungen zur Begründung herangezogen werden (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – NVwZ 2014, 1039 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 12.2.2018 – 11 ZB 18.30008 – juris Rn. 13; B.v. 13.6.2016 – 13a ZB 16.30062 – juris Rn. 10 m.w.N.). Dies gilt auch für Gerichtsentscheidungen, die den Beteiligten anderweitig bekannt sind; denn dadurch werden sie ohne entsprechenden Hinweis nicht zum Gegenstand des Verfahrens (BVerwG, U.v. 1.10.1985 – 9 C 20.85 – DVBl 1986, 102 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 20.2.2019 – 13a ZB 17.31832 – juris Rn. 12).
Jedoch ist zur Annahme eines relevanten, d.h. zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensfehlers i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO stets eine hinreichende Bezeichnung des Verfahrensmangels durch den jeweiligen Kläger erforderlich. Insoweit ist substantiiert darzulegen, was der Kläger bei ausreichender Gehörsgewährung zum betreffenden Einzelaspekt der Urteilsbegründung mit Aussicht auf Erfolg vorgetragen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2018 – 3 B 25.17 – AUR 2018, 142 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 20.2.2019 a.a.O. Rn. 13). Insoweit ist im Einzelnen darzulegen, was zu den darin enthaltenen Feststellungen ausgeführt worden wäre (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 1 B 161.04 – juris Rn. 3; B.v. 13.1.1999 – 9 B 90.98 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 20.2.2019 a.a.O. Rn. 15). Aus welchem Grund dies für einen Asylkläger bei verfahrensfehlerhaft nicht eingeführten Gerichtsentscheidungen objektiv unzumutbar sein und zu einer mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbaren Rechtsschutzverkürzung führen soll (so aber VGH BW, B.v. 18.8.2017 – A 11 S 1740/17 – juris), ist nicht ersichtlich und im vorliegenden Fall jedenfalls von den Klägerinnen weder behauptet noch substantiiert dargelegt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 28 K 166.17 A) ist in juris veröffentlicht und daher ohne zeitliche Verzögerung immer abrufbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 7. Juli 2015 (7 A 368/14) ist nicht nur in juris veröffentlicht, sondern wurde zudem bereits vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid auf Seite 3 zitiert und insoweit in das Verfahren eingeführt (vgl. UA S. 6 Rn. 22).
c) Soweit die Klägerinnen auch die Ablehnung der Beweisanträge 1 bis 5 als eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügen, da diese ohne nähere Begründung als „nicht sachdienlich“ abgelehnt worden seien, begründet auch dies im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör.
Eine Gehörsverletzung im Sinn des § 138 Nr. 3 VwGO liegt insoweit bei Verstößen gegen prozessrechtliche Bestimmungen nur in besonderen Fällen vor. So ist anerkannt, dass die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrages einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und damit einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO darstellen kann; dies ist aber nur der Fall, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – juris; BVerwG, B.v. 12.3.2004 – 6 B 2.04 – juris, jeweils m.w.N.; NdsOVG, B.v. 3.4.2019 – 11 LA 12/18 – juris Rn. 18; B.v. 16.12.2004 – 8 LA 262/04 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 5 ZB 19.50014 – juris Rn. 12).
Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von Willkür kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 20.2.2019 – 13a ZB 17.31832 – juris Rn. 10).
Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht die in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2018 gestellten fünf Beweisanträge rechtsfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht sachdienlich seien. Es hat vor dem Hintergrund, dass es das Vorbringen der Klägerin zu 1, wonach diese vor ihrer Ausreise aus Eritrea Schwierigkeiten mit einem Vorgesetzten gehabt habe, nicht geglaubt hat (UA S. 7 Rn. 24 – 26), die mit den Beweisanträgen geltend gemachten Tatsachen zu Recht als für den vorliegenden Fall nicht sachdienlich angesehen (a.a.O. Rn. 27), weil es nach seinem Rechtsstandpunkt hierauf nicht ankam, zumal es sich dabei um bloße abstrakte Vermutungen handle. Hierin liegt entgegen der Annahme der Klägerinnen keine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung und ist rechtlich nichts zu erinnern.
d) Soweit die Klägerinnen rügen, dass die Beklagte die sog. „Work-Flow-Protokolle“ trotz der klägerischen Anforderung bei Klageerhebung mit Schriftsatz vom 26. April 2018 nicht zur Akteneinsicht vorgelegt habe, begründet auch dies im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Die anwaltlich vertretenen Klägerinnen haben den diesbezüglichen Akteneinsichtsantrag weder in den Schriftsätzen ihres Klägerbevollmächtigten vom 12. Juli 2018 und 27. Juli 2018 noch in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2018 wiederholt, nachdem ihnen die insoweit angeblich nicht vollständigen Akten vorgelegt worden waren. Sie haben auch nicht gerügt, dass weiterer Vortrag von der Kenntnis dieses weiteren Akteninhalts abhängig gemacht werde. Damit haben die anwaltlich vertretenen Klägerinnen nicht sämtliche verfahrensrechtlichen und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.2014 – 7 BN 1.14 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 18.7.2016 – 9 CS 16.885 – juris Rn. 19; OVG NRW, B.v. 21.12.2017 – 15 A 2240/17 – juris Rn. 12). Ein verzichtbarer Verfahrensmangel wie die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht kann aber nicht mehr als Gehörsverstoß gerügt werden, wenn die Beteiligten das Rügerecht verloren haben (§ 173 VwGO i.V.m. § 295 ZPO). Das Rügerecht geht bei solchen Verfahrensmängeln nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich (BVerfG, B.v. 13.4.2010 – 1 BvR 3515/08 – juris Rn. 44).
Zusammenfassend ist unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens im vorliegenden Fall kein Gehörsverstoß gegeben bzw. nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt. Im Ergebnis machen die Klägerinnen mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts geltend, was jedoch nach § 78 Abs. 3 AsylG keinen Zulassungsgrund darstellt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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