Verwaltungsrecht

Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs – Stelle für Vorsitzenden Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht

Aktenzeichen  3 CE 19.895

Datum:
9.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19798
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Der Vergleich der Bewerber ist anhand der auf den zu besetzenden Dienstposten bezogenen Anforderungen nach den in den einzelnen Beurteilungsmerkmalen erzielten Bewertungen durchzuführen. In der Situation eines „Gleichstandes“ erlangt das beschreibende Anforderungsprofil besondere Bedeutung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die maßgebliche, die Auswahlentscheidung tragende Überlegung im Besetzungsbericht muss mit einem im Anforderungsprofil dargestellten Erfordernis korrespondieren, aus dessen Erfüllung sich der Leistungsvorsprung des im Besetzungsbericht vorgeschlagenen Bewerbers im  ergibt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allein durch den Umstand, dass es bei der zu besetzenden Stelle eines Vorsitzenden Richters um eine solche geht, die sich auf einen (neu zu schaffenden) „auswärtigen Straf- und Bußgeldsenat in Bamberg“ bezieht, ist nicht belegt, dass damit ein besonderes straf- und strafprozessrechtliches Anforderungsprofil verbunden ist, durch das der Freistaat Bayern als Antragsgegner offenbart hätte, welche für das anschließende Auswahlverfahren verbindliche Erwartungen er an die Bewerber stellt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 E 18.1296 2019-04-11 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beigeladene.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 24.825,33 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Antragsteller und Beigeladener sind Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Bamberg. Während der Antragsteller seit 16. März 2004 den Vorsitz eines Familiensenats innehat, führt der Beigeladene seit 1. März 2013 einen Straf- und Bußgeldsenat. Beide haben sich auf die am 25. September 2018 vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz (JMBl 2018, 95) ausgeschriebenen Stellen für Vorsitzende Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht beworben. Auf das in der Ausschreibung näher festgelegte Anforderungsprofil wird Bezug genommen. Die Bewerber erzielten in den aus Anlass ihrer Bewerbungen erstellten Beurteilungen (Zeitraum: 1.12.2012 bis 13.11.2018) jeweils das Gesamturteil „14 Punkte“.
Der Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts schlug in seinem Besetzungsbericht vom 23. November 2018 vor, die beiden ausgeschriebenen Stellen in Bamberg mit dem Beigeladenen sowie einer weiteren Bewerberin zu besetzen. Diesem Vorschlag folgte der Staatsminister der Justiz am 27. November 2018.
Dem daraufhin vom Antragsteller erhobenen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, eine der zwei Stellen für „Vorsitzende Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht – Auswärtige Senate in Bamberg (Besoldungsgruppe R4) -“ mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist, hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme im Besetzungsbericht, aus den dienstlichen Beurteilungen ergebe sich „ein merklicher Vorsprung des Beigeladenen“. Seine Tätigkeit in einem Strafsenat könne nicht ausschlaggebend sein, weil in der Stellenausschreibung kein rechtsgebietsspezifisches Anforderungsprofil aufgestellt worden sei. Die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten im Sinne der Ausschreibung sei unabhängig von dem Rechtsgebiet einzuschätzen, dass der Bewerber bisher abdecke. Im Übrigen habe der Antragsgegner selbst vorgebracht, dass der Hinweis auf das „Gebiet des Strafrechts“ lediglich beschreibender Natur und ohne Einfluss auf die Auswahlentscheidung gewesen sei. Es bleibe offen, woraus sich der Leistungsvorsprung des Beigeladenen ergeben solle. Hinzuweisen sei schließlich darauf, dass der Antragsteller in der vorletzten Anlassbeurteilung vom 5. Mai 2014 ein Gesamturteil von 14 Punkte im Statusamt R 3 erzielt habe, während der Beigeladene in seiner (vorletzten) Anlassbeurteilung vom 12. September 2012 zwar ebenfalls 14 Punkte, jedoch im niedrigeren Statusamt R 2 erreicht habe.
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Beigeladene vor, zur Beurteilung der Eignung sei nach der einschlägigen Judikatur „auf das konkret angestrebte Amt und dessen Aufgabenbereich“ abzustellen. Dieser sei im vorliegenden Fall auf eine Stelle in einem auswärtigen Senat in Bamberg festgelegt, bei dem es sich nach dem Gesetz (Art. 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 12 Nr. 1, 2 AGGVG) um einen Straf- und Bußgeldsenat handele. Damit habe im Rahmen der Auswahlentscheidung „zumindest mitberücksichtigt“ werden können, dass der Beigeladene über jahrzehntelange Erfahrungen im Straf- und Strafprozessrecht verfüge und seit sechs Jahren als Vorsitzender in einem Revisions- und Rechtsbeschwerdesenat tätig sei. Auch ohne Berücksichtigung der konkreten Rechtsmaterie sei zu Recht von einem merklichen Eignungsvorsprung des Beigeladenen ausgegangen worden. Der Antragsteller besitze keinen Anordnungsanspruch, weil er keine vergleichbaren Erfahrungen und Kenntnisse für das angestrebte Amt im konkret-funktionalen Sinne geltend gemacht habe und auch nicht aufweise. Aus seiner Schwerbehinderung resultiere lediglich ein Benachteiligungsverbot, jedoch kein Recht auf bevorzugte Beförderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Beigeladenen, die er mit Schriftsätzen vom 29. April, 7. Mai und 16. Juli 2019 begründet und vertieft hat, bleibt ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag des Antragstellers zu Recht entsprochen, denn sein Bewerbungsverfahrensanspruch wird durch die Entscheidung des Antragsgegners, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen, verletzt. Die vom Beigeladenen innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die vorläufige Untersagung der Besetzung der streitgegenständlichen Stelle (Vorsitzender Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht) mit dem Beigeladenen aufzuheben.
Die im Rahmen der Stellenbesetzung zu treffende Auswahlentscheidung ist nach dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 94 Abs. 2 BV (vgl. § 9 BeamtStG, Art. 16 Abs. 1 LlbG) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Kommen mehrere Bewerber für einen höherwertigen Dienstposten in Betracht, muss der am besten Geeignete ausfindig gemacht werden. Diese Regeln der Bestenauslese dienen vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Stellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Bewerbers an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Bewerber hat daher Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 2.12.2015 – 3 CE 15.2122 – juris Rn. 24; B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2470 – juris Rn. 30). Ist unter mehreren Bewerbern eine Auswahl für die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens zu treffen, so sind die Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in erster Linie auf aktuelle dienstliche Beurteilungen zu stützen (BVerwG, B.v. 20.6.2013 a.a.O. Rn. 21; BayVGH, B.v. 8.4.2015 – 3 CE 14.1733 – juris Rn. 28). Maßgeblich hierfür ist primär das abschließende Gesamturteil der Beurteilung, das durch Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris Rn. 22). Sind die Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden, muss der Dienstherr die Beurteilungen unter Anlegung gleicher Maßstäbe umfassend inhaltlich auswerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen (BVerwG a.a.O. Rn. 35). Demgemäß bestimmt Art. 16 Abs. 2 Satz 1 LlbG, der für Richterinnen und Richter entsprechend gilt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 LlbG), dass die in den Beurteilungen enthaltenen Einzelkriterien gegenüber zu stellen sind, sofern sich beim Vergleich der Gesamturteile der Beurteilungen kein Vorsprung ergibt („Binnendifferenzierung“; BayVGH, B.v. 21.4.2009 – 3 CE 08.3410 – juris Rn. 35). In den Vergleich der Einzelkriterien sind allerdings nur die wesentlichen Beurteilungskriterien (sog. „Superkriterien“) einzubeziehen (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 LlbG), die sich nach Art. 16 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 58 Abs. 3 LlbG bestimmen. Abweichend hiervon können die obersten Dienstbehörden für bestimmte Verwaltungsbereiche oder Aufgabenfelder aus den gemäß Art. 58 Abs. 3, 6 Satz 2, 3 LlbG vorgesehenen Beurteilungskriterien weitere oder andere Kriterien sowie anderweitige Differenzierungen bei den zugrunde liegenden Gruppen festlegen (Art. 16 Abs. 2 Satz 4 LlbG).
Von dieser Ermächtigung hat der Antragsgegner mit der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz „Anforderungsprofile für Richter und Staatsanwälte“ (JMBl 2003, S.199) in der Fassung vom 21. Juni 2011 (JMBl S. 74) – AnfoRiStABek – Gebrauch gemacht. In Ziffer 3. hat er ein Anforderungsprofil für Beförderungsämter für Richter und Staatsanwälte festgelegt und in Ziffer 3.2.2 zusätzliche Anforderungen (zu ihrer Sachgerechtigkeit: BayVGH, B.v. 21.4.2009 – 3 CE 08.3410 – juris Rn. 27 ff.) für Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht aufgestellt; sie sind entsprechend für das neu eingerichtete Bayerische Oberste Landesgericht (s. § 9 EGGVG i.V.m. Art. 5 Abs. 1, 2, Art. 11, 12 AGGVG) heranzuziehen. Dieses ergibt sich daraus, dass in der hier maßgeblichen Stellenausschreibung (JMBl 2018, 95) für R 4-Stellen am Bayerischen Obersten Landesgericht – „ergänzend“ zu den in der Bekanntmachung vom 30. September 2003 niedergelegten – folgende weiteren Anforderungen festgelegt werden: „besonders ausgeprägte Fähigkeit zur auf wissenschaftlichem Niveau vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen und grundlegenden Rechtsfragen, auch in Spezialgebieten, sowie Fähigkeit, diese Rechtsfragen und Sachverhalte auf das Wesentliche zurückzuführen und verständlich sowie mit großer juristischer Präzision darzustellen“.
Der Antragsgegner hat sich mit der Bekanntmachung in zulässiger Weise vorab für alle Fälle der Besetzung von Beförderungsämtern für Richter und Staatsanwälte (generalisierend) auf ein Anforderungsprofil festgelegt, an dessen Einhaltung er bei der nachfolgenden Auswahlentscheidung gebunden ist (BayVGH, B.v. 22.03.2018 – 3 CE 18.398 – juris Rn. 13; Schnellenbach, 2. Aufl. 2018, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, Anh. 5 Rn. 8). Bei den in der Bekanntmachung „Anforderungsprofile für Richter und Staatsanwälte“ vom 30. September 2003 aufgelisteten Kriterien handelt es sich um ein allgemein „beschreibendes“, nicht um ein konstitutives Anforderungsprofil; mit ihm werden mögliche Bewerber über den Dienstposten und die sich aus diesem ergebenden Aufgaben informiert (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2009 – 3 CE 08.3410 – juris Rn. 35).
Im vorliegenden Fall werden die in Ziffer 3.2.2 der Bekanntmachung genannten Anforderungen von beiden Bewerbern gleichermaßen erfüllt, die beide zuletzt mit jeweils 14 Punkten beurteilt worden sind. Aus dem Besetzungsbericht vom 23. November 2018 (S. 7) geht hervor, dass der Antragsteller und der Beigeladene als „in etwa gleich beurteilt“ angesehen werden. Unbeanstandet von der Beschwerde, hat der Antragsgegner im Rahmen seiner Auswahlentscheidung allein auf die aktuellen Anlassbeurteilungen zurückgegriffen, nachdem die vorausgegangenen periodischen Beurteilungen beider Bewerber bereits lange zurückliegen (der Antragsteller wurde zuletzt im Jahr 2004, die Beigeladene im Jahr 2000 dienstlich beurteilt), ihre aktuelle Aussagekraft daher gering ist und im Hinblick auf den zu besetzenden, herausgehobenen Dienstposten der hier beschrittene Weg, nämlich eine Binnendifferenzierung mit Blick auf das Anforderungsprofil vorzunehmen, grundsätzlich eine sachgerechte Verfahrensweise ist (BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 3 CE 12.2225 – juris Rn. 30).
Dieser Vergleich der Bewerber ist anhand der auf den zu besetzenden Dienstposten bezogenen Anforderungen nach den in den einzelnen Beurteilungsmerkmalen erzielten Bewertungen durchzuführen. In dieser Situation eines „Gleichstandes“ erlangt das beschreibende Anforderungsprofil besondere Bedeutung. Das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 32, 49) hat judiziert, dass sich aus der Stellenausschreibung ergeben müsse, „welche Anforderungen von allen Bewerbern zwingend erwartet werden und welche Kriterien zwar nicht notwendig für eine Einbeziehung in das Auswahlverfahren sind, bei im Wesentlichen gleicher Eignung der Bewerber aber maßgeblich berücksichtigt werden“ (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 3 CE 18.398 – juris Rn. 13; SächsOVG, B.v. 6.6.2017 – 2 B 64/17 – juris Rn. 20).
Unter den im Ausschreibungstext genannten besonderen Kriterien findet sich nicht die Anforderung „besondere Fachkenntnisse in den Rechtsgebieten des Straf- und Strafprozessrechts“. Gleichwohl gibt der Besetzungsbericht des Präsidenten des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. November 2018 im Rahmen der Prüfung der Binnendifferenzierung (vgl. BayVGH, U.v. 15.4.2016 – 3 BV 14.2101 – juris Rn. 23) unter Berücksichtigung des speziellen Aufgabenzuschnitts der ausgeschriebenen Stelle eines Vorsitzenden Richters an, der Vorsprung des Beigeladenen werde entscheidend durch seinen langjährigen wissenschaftlichen Arbeitsstil „auf dem Gebiet des Straf- und Strafprozessrechts“ belegt, den der Antragsteller nicht vorweisen könne. Damit ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die maßgebliche, die Auswahlentscheidung tragende Überlegung im Besetzungsbericht nicht mit einem im Anforderungsprofil dargestellten Erfordernis korrespondiert, aus dessen Erfüllung sich der Leistungsvorsprung des Beigeladenen ergibt. Der Frage, ob im Rahmen der Bewerbung auf ein Richteramt im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG überhaupt Spezialkenntnisse in einem bestimmten Rechtsgebiet (im Sinne einer besonderen Berufserfahrung) den Ausschlag geben können, obwohl mit der Befähigung zum Richteramt von jedem Bewerber im Grundsatz auch die schnelle Einarbeitung in ein neues Rechtsgebiet erwartet werden kann, muss daher nicht weiter nachgegangen werden (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 28; vgl. zur Einengung des Bewerberkreises durch Festlegung eines Anforderungsprofils BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 3 CE 12.2225 – juris Rn. 33).
Jedenfalls wird allein durch den Umstand, dass es bei der hier zu besetzenden Stelle eines Vorsitzenden Richters um eine solche geht, die sich auf einen (neu zu schaffenden) „auswärtigen Straf- und Bußgeldsenat in Bamberg“ bezieht, nicht belegt, dass damit ein besonderes straf- und strafprozessrechtliches Anforderungsprofil verbunden wäre, durch das der Antragsgegner offenbart hätte, welche für das anschließende Auswahlverfahren verbindliche Erwartungen er an die Bewerber stellt. Ohne ein vor Beginn der Auswahlentscheidung festgelegtes Anforderungsprofil und damit ohne transparente Dokumentation der maßgeblichen Auswahlgründe wäre aber das Nachschieben von Eignungsmerkmalen denkbar und damit eine effektive gerichtliche Kontrolle im Hinblick auf ein benachteiligungsfreies Auswahlverfahren praktisch nicht möglich (vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16.10 – juris Rn. 23). Das Anforderungsprofil muss hinreichend detailliert gekennzeichnet werden, denn nur auf diese Weise können potentielle Bewerber Kenntnis von ihren Erfolgschancen im Wettbewerb um die entsprechenden Stellen erlangen (Schnellenbach, a.a.O., Anh. 1 Rn. 23, 24). Hierfür hätte es im vorliegenden Fall zumindest eines ausdrücklichen, etwa darauf gerichteten Hinweises bedurft, dass „besondere Kenntnisse“ in den betreffenden Rechtsgebieten (zumindest) von Vorteil sind. Nur so wären vom Antragsgegner erwartete Eignungsmerkmale (mit beschreibendem Charakter) dokumentiert und offenkundig gemacht worden, dass sie unter Umständen – etwa bei Beurteilungsgleichstand – den Ausschlag zugunsten eines Bewerbers geben können. Die Bezeichnung des Beigeladenen als „Strafrechtsspezialist“ (Besetzungsbericht S. 17) insbesondere im Hinblick auf seine langjährige Tätigkeit in einem strafrechtlichen Spruchkörper sowie auf sein Engagement in der Fortbildung von Fachanwälten für Strafrecht und Strafrichtern weist neben dem Bezug zum angestrebten Statusamt (Vorsitzender Richter eines Senats am Obersten Bayerischen Landesgerichts) zwar auch einen Bezug zu der mit dem Amt konkret verbundenen Rechtsmaterie (Straf- und Strafprozessrecht) auf, ohne dass jedoch Letzteres zum Gegenstand der Ausschreibung gemacht worden wäre. Somit kann der Vortrag des Beschwerdeführers, er verfüge „über jahrzehntelange Erfahrungen im Strafrecht und Strafprozessrecht“ und habe die dazu ergangene „Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg maßgeblich geprägt“, nicht zur Begründung eines gegenüber dem Antragsteller bestehenden Eignungsvorsprungs herangezogen werden.
Ist aber – wovon auch der Antragsgegner ausweislich der Antragserwiderung im erstinstanzlichen Verfahren selbst ausgeht – die Frage, auf welchem Rechtsgebiet die Bewerber ihre besonders ausgeprägten Fähigkeiten zur auf wissenschaftlichem Niveau vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen und grundlegenden Rechtsfragen erworben haben, ohne Bedeutung, kann dem Besetzungsbericht nicht entnommen werden, aus welchen leistungsbezogenen Kriterien sich der vom Antragsgegner angenommene „merkliche Vorsprung“ des Beigeladenen ergibt. Mit der Bezeichnung, der Beigeladene erfülle diese Anforderung passgenauer, ist auch nach Ansicht des Senats keine Aussage der besseren Erfüllung dieses Kriteriums verbunden. Damit trifft der Einwand des Beigeladenen nicht zu, die Verwaltungsgerichte griffen unzulässig in den Beurteilungsspielraum des für die Auswahl zuständigen Entscheiders ein. Eine Binnendifferenzierung, die einen Vorsprung des Beigeladenen in einem vom Anforderungsprofil umfassten Merkmal feststellen würde, ist dem Auswahlvermerk nicht zu entnehmen. Dementsprechend hat schon das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich ist, woraus sich der „merkliche Vorsprung“ des Beigeladenen konkret ergeben soll. Wäre dies – wie der Beigeladene meint – hinzunehmen, liefe die Garantie effektiven Rechtsschutzes leer. Auch die Beschwerdebegründung legt nicht dar, welche einzelnen Auswertungen leistungsbezogener Kriterien aus den beiden Beurteilungen zu der Aussage im Besetzungsbericht geführt haben, die „Fachlichkeit“ des Beigeladenen entspreche dem Anforderungsprofil „passgenauer“. Es ist auch nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, selbst aus den Anlassbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen abzuleiten, welcher der Bewerber einen Eignungsvorsprung aufweist. Letzteres muss dem Auswahlvermerk/Besetzungsbericht zu entnehmen sein und kann nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgereicht werden (BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 22), so dass die auf S. 11 ff. der Beschwerdebegründung vom 29. April 2019 vorgetragenen Umstände nicht zum Erfolg der Beschwerde führen können.
Soweit der Beigeladene in seinen Schriftsätzen vom 29. April und 7. Mai 2019 auf verschiedene Entscheidungen aufmerksam macht, sind sie nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Aus dem bereits im anderen Zusammenhang zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni (2 VR 1.13 – juris) ergibt sich, dass Bezugspunkt für eine Art. 33 Abs. 2 GG (hierzu Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 33 Rn. 19) entsprechende Auswahlentscheidung „nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt“ ist; eine Ausrichtung an den Anforderungen des konkreten Dienstpostens ließe schon außer Betracht, dass seine Übertragung nicht von Dauer sein muss, vielmehr aus sachlichen Gründen im Rahmen der Organisationgewalt des Dienstherrn jederzeit abänderbar ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 28 bis 30, mit weiteren Argumenten). In die gleiche Richtung weisen auch die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Bremen (B.v. 22.9.2016 – 2 B 123/16 – juris Rn. 36) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (B.v. 1.12.2016 – 5 ME 153/16 – juris Rn. 41, 42). Danach ist das Amt im funktionellen Sinne als Bezugspunkt der Auswahlentscheidung erst dann maßgeblich, wenn sich die Bewerber auf der Basis der Gesamturteile und der vorgenommenen Binnendifferenzierungen als im Wesentlichen gleich geeignet herausgestellt haben und der Dienstherr in der Stellenausschreibung die erwünschten Kenntnisse und Fähigkeiten vorgegeben hat, denen er damit erkennbar besondere Bedeutung zumisst (NdsOVG a.a.O. Rn. 45-50).
Auch der Umstand, dass der Senat mehrfach „auf die Anforderungen des konkret zu besetzenden Dienstpostens“ abgestellt und als maßgeblich den jeweiligen Aufgabenbereich des Amtes bezeichnet hat (etwa BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 3 CE 12.2225 – juris Rn. 33; B.v. 28.5.2015 – 3 CE 15.727 – juris Rn. 28, 29; B.v. 14.8.2015 – 3 CE 15.993 – juris Rn. 24, jew. vom Beigeladenen zitiert), führt hier nicht weiter, weil diese Entscheidungen sich nicht mit der Problematik von Umfang und Reichweite des in einer Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungsprofils beschäftigen. So hat sich der Senat etwa in der letztgenannten Entscheidung zur grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Anlass- und periodischen Beurteilungen geäußert und dabei eine Anlassbeurteilung ihrer Natur nach als besonders geeignet angesehen, um festzustellen, wie gut ein Bewerber für ein bestimmtes Amt im konkret-funktionellen Sinn nach dessen Anforderungsprofil geeignet ist (vgl. B.v. 14.8.2015, a.a.O.). Auch in dem mit Beschluss vom 29. November 2012 (a.a.O.) entschiedenen Fall ging es vorrangig um die Frage des Einschätzungsspielraums des Dienstherren bei der Festlegung eines auf einen bestimmten Aufgabenbereich bezogenen (beschreibenden) Anforderungsprofils und seine bessere Erfüllung durch einen der Bewerber. Auch die in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 27. September 2011 (2 VR 3.11 – juris Rn. 22), es komme auf diejenigen Merkmale an, die Aufschluss darüber geben könnten, „in welchem Maß der Bewerber den Anforderungen des angestrebten Dienstpostens voraussichtlich gewachsen“ sei, helfen bei der Frage nach der Reichweite des konkreten Anforderungsprofils nicht weiter.
Auf die Frage, ob und wie sich die Schwerbehinderung des Antragstellers im konkreten Stellenbesetzungsverfahren auswirken kann, kommt es nach all dem nicht mehr an; sein Bewerbungsverfahrensanspruch ist unabhängig hiervon durch die streitgegenständliche Auswahlentscheidung verletzt.
Der Senat hat auch die weiteren Argumente des Beigeladenen, die dieser in der Beschwerdebegründung vom 29. April 2019 vorgebracht hat, erwogen. Er hat sie jedoch ebenfalls nicht für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung geeignet gehalten, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Sätze 1 bis 3, § 47 GKG. Danach war der Streitwert ausgehend von der Besoldungsgruppe R 4 auf 24.825,33 Euro (3 x 8.275,11 Euro) – wie erstinstanzlich – festzusetzen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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