Verwaltungsrecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Vater-Kind-Beziehung, Aufenthalt aus familiären Gründen, Nachzug als Elternteil, Titelerteilungssperre, Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis, Anwendbarkeit des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG auch für familiäre Zwecke, Trennungsprinzip, (keine) abschließende spezielle Regelung in den §§ 27 ff. AufenthG, (keine) unzulässige Umgehung der Titelerteilungssperre, freiwillige Ausreise des Ausländers, verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zum Schutz der Familie, Zumutbarkeit der Einholung des erforderlichen Visums, Eltern-Kind-Beziehung, Kindeswohl, Prognose zur Zumutbarkeit der Trennung von kleinem Kind, Dauer des Visumverfahrens, Mitwirkung der Ausländerbehörde an familienfreundlicher Verkürzung der Dauer des Visumverfahrens, Mitwirkungspflicht des Ausländers, Zumutbarkeit eines Trennungszeitraums von längstens drei Monaten, Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte, Berücksichtigung des Schutzes von Ehe und Familie, Angewiesensein auf Gewährung familiärer Lebenshilfe auch durch den Vater, einfachrechtliche Unwägbarkeiten, fehlende oder unzureichende Mitwirkung des Ausländers

Aktenzeichen  10 BV 21.1821

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44425
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5
AufenthG § 5 Abs. 1, 2 und 3 S. 2, 7, 8, 10 Abs. 3 S. 1, 3, § 25 Abs. 5, 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 und 2, § 60a Abs. 2 S. 1
AufenthV § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 39 S. 1 Nr. 1
GG Art. 6 Abs. 1 und 2
EMRK Art. 8 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aufgrund familiärer Bindungen im Bundesgebiet (Vater-Kind-Beziehung) im Einzelfall wird nicht durch die gesetzlichen Regelungen zum Familiennachzug (§§ 27 ff. AufenthG) gesperrt.
2. Zur Zumutbarkeit der (freiwilligen) Ausreise und Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug auch bei schützenswerter familiärer Lebensgemeinschaft des Ausländers mit einem noch kleinen Kind.

Verfahrensgang

M 10 K 18.5369 2021-04-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. April 2021 wird die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat weder einen Rechtsanspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts (Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die Vater-Kind-Beziehung zu seinen Söhnen) noch auf ermessensfehlerfreie (Neu-)Bescheidung seines diesbezüglichen Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Die Ablehnung der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch den Beklagten mit Bescheid vom 5. Oktober 2018 erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, hier also der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. stRspr des BVerwG, z.B. U.v. 17.12.2015 – 1 C 31.14 – juris Rn. 9; U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 20).
2. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft (Aufenthalt aus familiären Gründen) nach den §§ 27 ff. AufenthG kommt beim Kläger nicht in Betracht.
2.1. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 29 Abs. 1, 36 Abs. 1 AufenthG zum Nachzug als Elternteil seines am 31. März 2018 geborenen älteren Sohnes, der infolge der ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. August 2018 zuerkannten Flüchtlingseigenschaft eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 1. Alt. AufenthG besitzt, steht entgegen, dass diese in Umsetzung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der RL 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 S. 12) – sog. Familiennachzugsrichtlinie – eingeführte Anspruchsgrundlage einen Nachzugsanspruch (lediglich) zu einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling regelt (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2019 – 1 B 26.19 – juris Rn. 8) und sich mit der Lebensgefährtin des Klägers und Mutter der Kinder bereits ein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.
2.2. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der – ungeachtet des § 36 Abs. 1 AufenthG – auf einen Elternteil wie den Kläger anwendbaren Auffangregelung gemäß §§ 29 Abs. 1, 36 Abs. 2 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2019 – 1 B 26.19 – juris Rn. 8 a.E.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 5.12.2018 – OVG 3 B 8.18 – juris Rn. 21 ff.) ist schon nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen, da der Asylantrag des Klägers mit Bescheid des Bundesamts vom 9. Mai 2017 unanfechtbar abgelehnt worden ist. Ein Ausnahmefall dieser Titelerteilungssperre gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG liegt hier mangels eines strikten Rechtsanspruchs (zu diesem Begriff vgl. BVerwG, zuletzt U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 52) nicht vor, da die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt ist. Demgemäß bedarf es an dieser Stelle auch keiner Klärung, ob die Tatbestandsvoraussetzung dieser Rechtsgrundlage „wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist“ im Fall des Klägers erfüllt wäre (vgl. dazu aber im Folgenden unter 3.2.1.).
3. Dem Kläger steht mit Blick auf die gelebte familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern und insbesondere seinem älteren Sohn H. auch weder ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG noch ein Anspruch auf Neuverbescheidung seines diesbezüglichen Antrags zu. Zwar geht der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erstgericht in der vorliegenden Konstellation von der Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auch für familiäre Zwecke – hier: Vater-Kind-Beziehung – aus (3.1.). Eine (freiwillige) Ausreise des vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen (oder tatsächlichen) Gründen unmöglich (3.2.), weil es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) im konkreten Fall vereinbar ist, den Kläger selbst „angesichts der bestehenden einfachrechtlichen Ungewissheiten“ (vgl. dazu BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 50) auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen (3.2.1.); eine fehlende Mitwirkung des Ausländers (Klägers) im Visumverfahren und dadurch bedingte längere Wartezeiten bei der deutschen Auslandsvertretung in Nigeria, die zwangsläufig auch eine längere Trennungszeit zwischen Vater und Kind bedeuten würden (zu dieser Problematik vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 56 ff.), ginge dabei angesichts des klaren und eindeutigen gesetzlichen Ausschlussgrunds gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG zulasten des geduldeten Klägers (3.2.2.). Nicht mehr entscheidungserheblich ist daher, ob der Kläger auch die erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG inzwischen erfüllt oder ob die Ausländerbehörde gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der Anwendung dieser beiden Absätze mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG absehen müsste, bzw. inwieweit das Ermessen bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG mit Blick auf Satz 2 dieser Bestimmung im konkreten Fall eingeschränkt wäre (3.3.).
3.1. Auch wenn der Senat die Frage, ob die vom Kläger unter Hinweis auf seine familiären Bindungen zu seinen Kindern im Bundesgebiet begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht schon deswegen ausscheidet, weil der Gesetzgeber die Voraussetzungen für einen Aufenthalt aus familiären Gründen in den §§ 27 ff. AufenthG in einem abgestuften System abschließend geregelt hat und § 25 Abs. 5 AufenthG insoweit nicht als Auffangtatbestand angewendet werden kann, zuletzt mehrfach offengelassen hat (vgl. etwa BayVGH, B.v. 9.7.2021 – 10 ZB 21.1476 – juris Rn. 10; B.v. 2.7.2021 – 10 CE 21.392, 10 CE 21.389 – juris Rn. 58; B.v. 11.5.2021 – 10 C 21.1121 – juris Rn. 8 jew. m.w.N.; ebenso auch 19. Senat, B.v. 30.7.2021 – 19 ZB 21.738 – juris Rn. 9 m.w.N.; andererseits ohne Auseinandersetzung mit dieser Frage einen Anspruch bejahend: BayVGH, U.v. 11.3.2014 – 10 B 11.978 – juris), geht er in der vorliegenden Konstellation nunmehr mit dem Erstgericht von der Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch für familiäre Zwecke – hier: Vater-Kind-Beziehung – aus. Dagegen eingewandte insbesondere systematische, historische und teleologische Gründe und Bedenken (vgl. dazu zuletzt etwa VG Augsburg, U.v. 11.8.2021 – Au 6 K 20.2837 – juris Rn. 39 ff. mit ausführlicher Zusammenfassung und Darlegung dieser Gründe) hält der Senat aus den nachfolgenden Erwägungen letztlich nicht für überzeugend.
Einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen (oder – hier nicht mehr in Betracht kommenden – tatsächlichen) Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Dass die Ausreise in diesem Sinne aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, wenn sogenannte inlandsbezogene (rechtliche) Ausreisehindernisse bestehen (vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/420 zu § 25 S. 80; AVwV AufenthG Nr. 25.5.1.3.1), ist – jedenfalls im Ausgangspunkt – in Literatur und Rechtsprechung unstreitig (vgl. Maaßen/Kluth in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.10.2021, AufenthG § 25 Rn. 121 f.; Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 25 Rn. 104 ff.; Zimmerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, Stand 15.10.2021, AufenthG § 25 Rn. 85 ff.; Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 25 Rn. 75; Göbel-Zimmermann/Hupke in Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, Aufenthaltsgesetz § 25 Rn. 63 ff.; BVerwG, z.B. B.v. 14.12.2010 – 1 B 30.10 – juris Rn. 3; BayVGH, z.B. B.v. 30.7.2021 – 19 ZB 21.738 – juris Rn. 12).
Dieses Verständnis entspricht dem Begriff der rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (vgl. z.B. AVwV AufenthG Nr. 60a.2.1.1.1.2; Kluth/Breidenbach in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.10.2021, AufenthG § 60a Rn. 12 ff.; Röder in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kohte, Stand 15.10.2021, AufenthG § 60a Rn. 32 ff; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 60a Rn. 22 ff.; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 60a Rn. 15; Gordzielik/Huber in Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, Aufenthaltsgesetz § 60a Rn. 21 ff. jew. m. Rsprnachweisen). Dass sich bei § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot bzw. Vollstreckungshindernis auch aus dem verfassungs- bzw. völkerrechtlichen Schutz der Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) ergeben kann, ist (ebenfalls) unstreitig (vgl. z.B. AVwV AufenthG Nr. 60a.2.1.1.2.1; Kluth/Breidenbach in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.10.2021, AufenthG § 60a Rn. 15 ff.; Röder in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, Stand 15.10.2021, AufenthG § 60a Rn. 59 ff; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 60a Rn. 24 ff., 29; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 60a Rn. 16 ff.; Gordzielik/Huber in Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, Aufenthaltsgesetz § 60a Rn. 27 jew. m. Rsprnachweisen). Überzeugende Argumente, dass der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) im Einzelfall nicht auch die rechtliche (subjektive) Unmöglichkeit der Ausreise eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG begründen kann, sieht der Senat vor diesem Hintergrund nicht.
Die vom Beklagten im Rahmen seiner Berufung gegen die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (als Auffangnorm) bei familienbezogenen Gründen und demgemäß aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) abgeleiteten Schutzansprüchen vorgebrachten systematischen Gründe – das in den §§ 7 und 8 AufenthG verankerte sogenannte Trennungsprinzip sowie das durch § 5 Abs. 2 und § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abgesicherte Verbot des sogenannten „Spurwechsels“ – greifen nach Auffassung des Senats nicht durch.
Zutreffend verweist der Beklagte zwar darauf, dass nach dem in §§ 7, 8 verankerten Trennungsprinzip zwischen den in den Abschnitten 3 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes näher beschriebenen Aufenthaltszwecken ein Ausländer regelmäßig (Anm.: Hervorhebung durch den Senat) darauf verwiesen ist, seine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche aus den Rechtsgrundlagen abzuleiten, die der Gesetzgeber für die spezifischen vom Ausländer verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat (BVerwG, U.v. 4.9.2007 – 1 C 43.06 – juris Rn. 26). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG selbst eine Auffangregelung für gesetzlich nicht näher geregelte, aber dennoch begründete Fälle (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.10.2021, AufenthG § 7 Rn. 9 f.) und wird vom Gesetzgeber selbst das Trennungsprinzip nicht durchgängig beachtet, wenn er beispielsweise im Rahmen der humanitären Anspruchsgrundlagen bei nachhaltiger Integration von Ausländern (s. §§ 25a f. AufenthG) unter anderem Regelungen zum Familiennachzug (§ 25a Abs. 2, § 25b Abs. 4 AufenthG) trifft. Vor allem ist die vorliegende Fallkonstellation aber dadurch gekennzeichnet, dass die Aufenthaltszwecke Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG (Familiennachzug, s. § 27 Abs. 1 AufenthG) einerseits und (humanitäre) Aufenthaltsgewährung bei einer im konkreten Einzelfall unzumutbaren Trennung besonders trennungsempfindlicher Familienangehöriger (insbesondere sehr kleiner Kinder, vgl. dazu Wittmann in GK-AufenthG, Bd. 2, II – § 25 Rn. 366) einer im Inland bereits gelebten und zu schützenden Lebensgemeinschaft andererseits nach Auffassung des Senats in besonderer Weise bzw. sogar untrennbar verbunden sind. Eine Anspruchsnormenkonkurrenz zwischen §§ 27 ff. AufenthG und § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG in dem vom Beklagten dargelegten Sinne, dass der Gesetzgeber im Abschnitt über familiäre Aufenthaltstitel eine nicht nur umfassende, sondern vor allem auch abschließende Regelung getroffen hat, welche Nähebeziehungen zu Familienangehörigen er für schutzwürdig und anspruchsbegründend erachtet und unter welchen (abgestuften) Voraussetzungen, und dass dieses austarierte spezielle System nicht über § 25 Abs. 5 AufenthG aus den Angeln gehoben werden dürfe (in diesem Sinne auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2019, A1 § 25 Rn. 148 f.; Maaßen/Kluth in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.10.2021, AufenthG § 25 Rn. 136.1; zuletzt VG Augsburg, U.v. 11.8.2021 – Au 6 K 20.2837 – juris Rn. 39 ff., 43 mit ausführlichen Lit.- und Rsprnachweisen) vermag der Senat jedenfalls nicht zu erkennen (gegen einen derartigen abschließenden Regelungswillen des Gesetzgebers: Wittmann in GK-AufenthG, Bd. 2, II – § 25 Rn. 362). Nicht zuletzt der Umstand, dass durch die Anspruchsgrundlagen der §§ 27 ff. AufenthG einerseits und § 25 Abs. 5 AufenthG andererseits auch ganz unterschiedliche Rechtspositionen (d. h. unterschiedliche Qualität des Aufenthaltstitels) vermittelt werden, spricht nach Auffassung des Senats gegen ein derartiges Spezialitätsverhältnis.
Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden sich – soweit ersichtlich – keine entsprechenden Anhaltspunkte für ein solches Ausschließlichkeits- bzw. Spezialitätsverständnis. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt festgestellt, dass sich rechtliche Hindernisse im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (sowohl) aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben könnten, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählten, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind (vgl. bereits BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 17), oder dass das Aufenthaltsrecht die „angemessene Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens (vgl. etwa §§ 60a, 25 Abs. 5 AufenthG)“ gewährleiste (BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 1.17 – juris Rn. 63 betreffend den Staatsangehörigkeitsverlust durch Vaterschaftsanfechtung). Zum Verhältnis der speziellen Regelung zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 36a AufenthG einerseits und §§ 22, 23 AufenthG andererseits hat das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise festgestellt, dass das Nichtbestehen eines Anspruchs auf Familiennachzug nicht die Anwendung dieser Anspruchsgrundlagen von humanitären Aufenthaltserlaubnissen berühre und sich damit mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sowie Art. 7 und 24 GRC nicht zu vereinbarende Familientrennungen in besonderen Einzelfällen über die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus dringenden humanitären Gründen gemäß § 22 AufenthG vermeiden lasse (BVerwG, B.v. 4.7.2019 – 1 B 26.19 – juris Rn. 13).
Zutreffend ist auch der Hinweis des Beklagten, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bei unanfechtbar erfolgter Ablehnung des Asylantrags wie im Fall des Klägers die Erteilung solcher Aufenthaltstitel sperrt, die nicht in Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes normiert sind, und daher grundsätzlich einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vom Inland aus entgegensteht (vgl. dazu auch BVerwG, U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 47). Richtig ist weiter, dass eine Ausnahme von der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 nach Satz 3 1. Halbs. dieser Regelung einen sogenannten strikten Rechtsanspruch (zu diesem Begriff vgl. BVerwG, U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 52) voraussetzt, der im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist (s. oben 2.2.). Die vom Beklagten daraus gezogene Schlussfolgerung, ein Rückgriff auf die Anspruchsgrundlage des § 25 Abs. 5 AufenthG als Aufenthaltstitel des 5. Abschnitts des 2. Kapitels bei einem Aufenthaltsbegehren zu (eigentlich) familiären Zwecken verbiete sich, weil ansonsten die besondere gesetzliche Sperrwirkung dieser Bestimmung unterlaufen, dem Ausländer der Spurwechsel, d. h. Wechsel in einen anderen Aufenthaltszweck ohne vorherige Erfüllung der Ausreisepflicht, ermöglicht und § 25 Abs. 5 AufenthG unter Aushebelung des differenzierten Systems des Gesetzgebers zum Familiennachzug zur „Auffang-Familiennachzugsregelung“ werde, ohne selbst den Anforderungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. AufenthG zu genügen, teilt der Senat aber nicht.
Unzutreffend bzw. jedenfalls schief ist das Argument des Beklagten in diesem Zusammenhang, durch eine Titelerteilung nach § 25 Abs. 5 AufenthG zum Zwecke des Familiennachzugs würde über die Regelung des § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV letztlich genau der Familiennachzugstitel erteilt werden müssen, der nach der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eigentlich ausgeschlossen sei. Denn diese Argumentation verkennt, dass die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG für anderen Zwecken dienende Aufenthaltserlaubnisse durch die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels und insbesondere einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht aufgehoben wird (BVerwG, U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 48). Allerdings findet in einem solchen Fall § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV Anwendung, und damit steht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG einem (strikten Rechts-) Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht (mehr) entgegen (BVerwG, U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 52 ff.). Letzteres kann hier aber schon deshalb kein entscheidendes Argument sein, weil bei der rechtlichen Unmöglichkeit im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG die Prüfung der Zumutbarkeit der Ausreise des betroffenen Ausländers zur Durchführung des Visumverfahrens ohnehin erfolgt (s. 3.2.).
Demgemäß kommt der Aufenthaltserlaubnis zu humanitären Zwecken in der vorliegenden Konstellation nicht die vom Beklagten befürchtete Funktion eines „Eingangstores“ für die Verfolgung anderer Aufenthaltszwecke zu (BVerwG, U.v. 26.5.2020 – 1 C 12.19 – juris Rn. 50). Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf bei einem unanfechtbar abgelehnten Asylantrag ausnahmsweise vor der Ausreise des betroffenen Ausländers ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe des Abschnitts 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) und damit auch ein humanitärer Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 16.2.2012 – 1 B 22.11 – juris Rn. 4: „In diesen Fällen kommt zwar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht …“). Zur geltend gemachten Sperrwirkung der §§ 27 ff. AufenthG und dem Verhältnis familiärer und humanitärer Zwecke in dieser Fallkonstellation kann auf die Ausführungen weiter oben verwiesen werden.
Gründe der Entstehungsgeschichte des § 25 Abs. 5 AufenthG sprechen nach Auffassung des Senats eher für als gegen die Anwendbarkeit dieser humanitären Anspruchsgrundlage in Konstellationen wie der vorliegenden (a.A. VG Augsburg, U.v. 11.8.2021 – Au 6 K 20.2837 – juris Rn. 45 ff., insb. 47 ff.). Denn die (ursprüngliche) Intention des Gesetzgebers, durch die Anwendung der Regelung sicherzustellen, dass die Praxis der „Kettenduldung“ beendet und eine (legale) Aufenthaltsgewährung in den bislang in § 55 Abs. 4 AuslG genannten Fällen ermöglicht wird (vgl. BT-Drs. 15/420 zu § 25 S. 80), spricht trotz der im weiteren Gesetzgebungsverfahren letztlich doch noch erfolgten Beibehaltung einer Duldungsregelung mit § 60a Abs. 2 AufenthG dafür, die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG auch mit Blick auf die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) im Gleichklang zu verstehen und auszulegen, wobei § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bis zum Zeitpunkt der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und § 25 Abs. 5 AufenthG (bei Vorliegen auch der sonstigen Voraussetzungen) den Fall längerfristiger inlandsbezogener Abschiebungshindernisse erfasst. Das Argument, die Dauerduldung sei nach wie vor eine im AufenthG angelegte Form des lang dauernden Aufenthalts in Deutschland (Maaßen/Kluth in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.7.2021, AufenthG § 25 Rn. 124; VG Augsburg, a.a.O., Rn. 48) hält der Senat danach für eher theoretisch und letztlich nicht überzeugend.
3.2. Eine (freiwillige) Ausreise des vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch unter Berücksichtigung der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet nicht im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen (oder hier nicht in Betracht kommenden tatsächlichen) Gründen unmöglich. Die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis auf dieser Anspruchsgrundlage kommt daher schon tatbestandlich nicht in Betracht. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis durch den Beklagten verletzt den Kläger folglich insbesondere auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt zwecks Nachzugs zu bereits im Bundesgebiet lebenden Angehörigen. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12; zuletzt B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 45 jew. m.w.N.).
Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 13; zuletzt B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 46 jew. m.w.N.).
Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (vgl. BVerfG, zuletzt B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 47 m.w.N.).
Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, zuletzt B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48 m.w.N.)
3.2.1. Ausgehend von diesen Grundsätzen und ungeachtet der Frage, ob Art. 6 Abs. 1 und 2 GG im Fall des aufgrund seiner Vater-Kind-Beziehung vom Beklagten bisher gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG dauerhaft geduldeten Klägers überhaupt eine legale Aufenthaltsgewährung und damit die Erteilung einer (humanitären) Aufenthaltserlaubnis gebieten, ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) im konkreten Fall jedenfalls vereinbar, ihn selbst „angesichts der bestehenden einfachrechtlichen Ungewissheiten“ (vgl. dazu BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 50) auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen.
Insoweit ist allerdings von Verfassungs wegen eine Prognose des Verwaltungsgerichtshofs zur Zumutbarkeit der Trennung des Klägers von seiner Familie und insbesondere seinem älteren Sohn, mit dem er – auch nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts – unstreitig in einer von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten familiären Beistandsgemeinschaft lebt, geboten. Diesbezüglich muss die Dauer des Visumverfahrens absehbar und insbesondere auch geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit zum Familiennachzug besteht (stRspr des Senats, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 2.7.2021 – 10 C 21.392 u.a. – juris Rn. 37 m.w.N.). Bei dieser Prognose sind nach neuester Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zudem „einfachrechtliche Unsicherheiten“ (vor allem bezogen auf den hier allein in Betracht kommenden familiären Aufenthaltstitel gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG) ebenso zu berücksichtigen wie eine eventuell fehlende Mitwirkung des Betroffenen im Visumverfahren (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 52 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ergibt sich hier Folgendes: Der Beklagte, der dem Kläger mit Blick auf dessen tatsächlich gelebte Vater-Kind-Beziehung zu seinem hier aufenthaltsberechtigten Sohn laufend Duldungsbescheinigungen ausstellt (§ 60a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 AufenthG), hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof erneut bekräftigt, an einer familienfreundlichen Verkürzung der Dauer des Visumverfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG dadurch mitzuwirken, dass er – eine Registrierung des Klägers über das Online-Terminvergabesystem des Auswärtigen Amtes und Beibringung der erforderlichen Unterlagen zur Identitätsklärung bzw. -prüfung (durch das Generalkonsulat in Lagos) vorausgesetzt – dem Kläger bis zur Ausreise nach Nigeria zur Durchführung des Visumverfahrens (an einem zuvor bereits online gebuchten Termin) weiterhin Duldungen sowie eine Vorabzustimmung (zur Visumerteilung) nach § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AufenthV erteilt. Dadurch ist sichergestellt, dass der Kläger Wartezeiten bis zur Buchung des konkreten Termins beim deutschen Generalkonsulat in Lagos (über das Online-Terminvergabesystem) sowie erforderlichenfalls bis zur Durchführung einer notwendigen Urkundenüberprüfung zur Identitätsfeststellung wie bisher bei seiner Familie im Bundesgebiet verbringen kann und die Ausreise und Trennung von der Familie nur für den reinen Bearbeitungszeitraum seines (bereits vollständig gestellten) Visumantrags bei der Auslandsvertretung zuzüglich der Flug- und etwaiger Quarantänezeiten erforderlich ist. Die Bearbeitungszeit eines vollständigen Visumsantrags bei gleichzeitiger Vorabzustimmung der Ausländerbehörde beträgt nach der vom Beklagten im Verfahren vorgelegten aktuellen Auskunft des deutschen Generalkonsulats in Lagos „mindestens 5 Wochen“ (vgl. Kopie der E-Mail vom 29.11.2021, Bl. 33 ff. der VGH-Akte).
Dem ausreisepflichtigen Ausländer obliegt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats dabei nach § 25 Abs. 5 AufenthG, alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare dazu beizutragen, damit etwaige Ausreisehindernisse überwunden werden. Welche Bemühungen ihm hierbei zumutbar sind, ist unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Zudem ergibt sich aus § 82 Satz 1 AufenthG für den Ausländer eine Mitwirkungs- und Initiativpflicht. Dies bedeutet, dass er an allen zumutbaren Handlungen mitwirken muss, die die Behörden von ihm verlangen. Er ist gehalten, die von ihm konkret geforderten Schritte zu unternehmen sowie konstruktiv die ihm aufgezeigten Aktivitäten zu entwickeln. Daneben hat er eigenständig die Initiative zu ergreifen, um nach Möglichkeiten zu suchen, bestehende Ausreisehindernisse zu beseitigen. Soweit ein Ausreisehindernis in der Trennung von Familienangehörigen begründet sein soll, umfasst dies alle Maßnahmen, um die Dauer des Visumverfahrens möglichst kurz zu halten (stRspr, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 9.7.2021 – 10 ZB 21.1476 – juris Rn. 11 m.w. Rsprnachweisen; zur berechtigten Erwartung, an der Visumnachholung mitzuwirken, und den Konsequenzen fehlender Anstrengungen zur familienverträglichen Visumnachholung vgl. auch BayVGH, B.v. 30.7.2021 – 19 ZB 21.738 – juris Rn. 21 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 u.a. – juris Rn. 103).
Die erforderliche und zumutbare Mitwirkung des Klägers vorausgesetzt, prognostiziert der Senat die Dauer des Visumverfahrens daher einschließlich eventueller nicht visumverfahrensbedingter Karenzzeiten auf ca. zwei Monate. Selbst unter Berücksichtigung etwaiger pandemiebedingte Unwägbarkeiten bei der Bearbeitung des Visumsantrags des Klägers wird zur Überzeugung des Senats hier eine Dauer von ca. drei Monaten nicht überschritten. Die mit der Durchführung des Visumverfahrens einhergehende (vorübergehende) Trennung von seinen beiden Söhnen, insbesondere seinem älteren Sohn, ist dem Kläger nach Auffassung des Senats noch zumutbar (zum für die Durchführung des Visumverfahrens zumutbaren Trennungszeitraum bei Kleinkindern vgl. zuletzt auch OVG RhPf, B.v. 15.10.2021 – 7 B 11148/21.OVG – AuAS 2021, 254). Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass von dieser vorübergehenden Trennung noch recht kleine Kinder betroffen sind. Denn einen Kontakt mit seinen Kindern und insbesondere dem älteren Sohn kann der Kläger – wenngleich auf niedrigem Niveau – auch mithilfe moderner Fernkommunikationsmittel wie etwa Videotelefonie aufrechterhalten und seinem Sohn H. damit das Gefühl geben, dass er trotz körperlicher Abwesenheit als Vater weiterhin präsent ist (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.3.2021 – 10 CE 20.2030 – juris Rn. 29; B.v. 30.7.2021 – 19 ZB 21.738 – juris Rn. 23). Bei dieser Bewertung ist zu berücksichtigen, dass eine Ausreise des Klägers nach Nigeria schon aufgrund der Wartezeit auf einen Termin bei der deutschen Botschaft in Lagos bei einer von Deutschland aus möglichen Terminbuchung über das Online-Terminvergabesystem von aktuell „etwas über ein Jahr“ (s. E-Mail-Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29.11.2021, Bl. 33 der VGH-Akte) voraussichtlich nicht vor Anfang 2023 erfolgen wird, die Kinder zum Ausreisezeitpunkt dementsprechend älter sind und zudem ausreichend Zeit für die Vorbereitung der Trennungsphase zur Verfügung steht. So können die Eltern ihre Kinder und insbesondere den älteren Sohn schon im Vorfeld auf die vorübergehende Abwesenheit des Klägers entsprechend vorbereiten und ihm altersgerecht vermitteln, dass die Abwesenheit des Klägers nicht mit einem endgültigen Verlust des Vaters verbunden ist (BayVGH, B.v. 30.7.2021 a.a.O.).
In die Prognose der Dauer der Trennung des Klägers von seinen Kindern ist schließlich auch keine durch eine mögliche Abschiebung ausgelöste Sperrfrist nach § 11 Abs. 1 AufenthG einzustellen (vgl. dazu BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 56). Dem Kläger droht unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Abschiebung, weil er vom Beklagten gerade mit Rücksicht auf seine familiären Bindungen im Bundesgebiet geduldet wird.
Der Senat verkennt auch nicht, dass die Erteilung einer für den Kläger hier allein in Betracht kommenden familienbezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG an hohe Hürden gebunden ist und die Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte voraussetzt, wofür die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 53 unter Verweis auf entspr. Rspr. des BVerwG sowie des BVerfG). Eine außergewöhnliche Härte kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände festgestellt werden. Dabei sind zwar Bedeutung und Tragweite von Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Die Schutzwirkungen dieses Grundrechts werden jedoch durch das jeweilige Gewicht der familiären Bindungen beeinflusst, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 53 f. m.w.N.).
Geht man mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zuletzt B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris) davon aus, dass aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) einer – wie zwischen dem Kläger und seinem in der Bundesrepublik Deutschland (infolge der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) nach § 25 Abs. 2 1. Alt. AufenthG aufenthaltsberechtigten älteren Sohn unstreitig bestehenden – gelebten (intensiven) Vater-Kind-Beziehung gerade mit Blick auf das Kindeswohl sowie den persönlichen Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen und den damit verbundenen Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen ein hohes Gewicht zukommt, zumal es sich noch um ein kleines Kind handelt (BVerfG a.a.O. Rn. 48 m.w.N.), müssen diese Schutzwirkungen und deren hohes Gewicht von den zuständigen Behörden und Verwaltungsgerichten auch bei der Auslegung und Anwendung der Anspruchsgrundlage des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 14 ff.; BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 54). Dass der Lebensgefährtin des Klägers und den beiden gemeinsamen Kindern die Fortführung der Familiengemeinschaft mit dem Kläger außerhalb Deutschlands tatsächlich möglich und zumutbar wäre, wurde weder vom Beklagten geltend gemacht noch ist dies angesichts der aufenthaltsrechtlichen Situation der Mutter und des älteren gemeinsamen Sohnes (jeweils Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 1. Alt. AufenthG infolge der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) für den Senat sonst ersichtlich. Sind die beiden kleinen Kinder und insbesondere auch der ältere Sohn nach alledem auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe (auch) durch den Kläger angewiesen und kann diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden, drängt die Pflicht zum Schutz der Familie einwanderungspolitische Belange auch im Rahmen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einer „außergewöhnlichen Härte“ zurück. Mit Blick auf den Vorrang und die Bindungswirkung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) greift, wie der Senat bereits mehrfach festgestellt hat (vgl. etwa BayVGH, B.v. 2.7.2021 – 10 CE 21.392 u.a. – juris Rn. 45 f.) auch der in dem Zusammenhang wiederholt erhobene Einwand nicht, die zuständige Auslandsvertretung würde hier gegebenenfalls – auch aufgrund entsprechender Verwaltungsvorschriften – einen strengeren Prüfungsmaßstab anlegen (und folglich durch Verweigerung des Visums verfassungswidrig handeln) und ein effektiver zeitnaher Rechtsschutz durch das in diesem Fall zuständige Verwaltungsgericht Berlin sei nicht zu erlangen (zu dieser Problematik vgl. auch BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 25). Insbesondere kann dies nicht im Ergebnis dazu führen, dass deshalb abweichend von der gesetzgeberischen Wertung in § 5 Abs. 2 und § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG – der (humanitäre) Aufenthaltstitel regelmäßig bereits im Inland durch die hier zuständige Ausländerbehörde erteilt werden müsste.
Auch weitere „einfachrechtliche Unwägbarkeiten“ wie die im Rahmen des § 36 Abs. 2 AufenthG erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG oder das in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG normierte Wohnraumerfordernis (vgl. dazu BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 55) vermindern die Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger tatsächlich ein Visum nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilt werden wird, nicht entscheidend. Die Passpflicht nach § 3 erfüllt der Kläger inzwischen (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), eine ausreichend große Familienwohnung ist offensichtlich am neuen Wohnort der Familie in Saarbrücken ebenfalls vorhanden und es wird vom Beklagten, der in Kenntnis der konkreten Lebensverhältnisse eine Vorabzustimmung (zur Bedeutung der Vorabzustimmung in der Praxis zwischen Auslandsvertretung und Ausländerbehörde vgl. etwa BayVGH, B.v. 2.7.2021 – 10 CE 21.392 u.a. – juris Rn. 46) zugesagt hat, nicht geltend gemacht, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, den erforderlichen Lebensunterhalt (s. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Unabhängig davon handelt es sich hier um eine Regelerteilungsvoraussetzung, von der mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) ohnehin dann abzusehen ist, wenn die Erteilung eines Visums nach § 36 Abs. 2 AufenthG geboten ist (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 55).
3.2.2. Eine fehlende oder unzureichende Mitwirkung des Klägers im Visumverfahren und dadurch bedingte längere Wartezeiten bei der deutschen Auslandsvertretung in Nigeria, die zwangsläufig auch eine längere Trennungszeit zwischen Vater und Sohn bedeuten würden (zu dieser Problematik vgl. dazu BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 56 ff.) ginge jedenfalls angesichts des klaren und eindeutigen gesetzlichen Ausschlussgrunds gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG zulasten des geduldeten Klägers. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG wird ein Aufenthaltstitel nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist, wobei der Begriff der Ausreise sowohl die zwangsweise Rückführung, als auch die freiwillige Ausreise umfasst (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/420 zu § 25 S. 79 f.). Ein Ausreisehindernis liegt somit nicht vor, wenn zwar eine Abschiebung des betreffenden Ausländers nicht möglich sein sollte (s. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), eine freiwillige Ausreise aber möglich und zumutbar ist. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber mit § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG klargestellt, dass eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wird, wenn der Ausländer die Ausreisehindernisse selbst zu vertreten hat, weil er etwa zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse, beispielsweise durch die Mitwirkung, um die Dauer des Visumverfahrens möglichst kurz zu halten (siehe oben), nicht erfüllt (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/420 zu § 25 S. 80). Unterlässt ein Ausländer zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse und beruht eine längerfristige Trennung daher allein auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Ausländers (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 30.7.2021 – 19 ZB 21.738 – juris Rn. 21 m.w. Rsprnachweisen), könnte nach Auffassung des Senats daraus im Übrigen keine dem Staat bzw. der Ausländerbehörde (kausal) zurechenbare Grundrechtsbeeinträchtigung (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) gefolgert werden.
Dass dem Verwaltungsgerichtshof unabhängig davon eine „gültige Prognose“ über den Zeitraum der Trennung von seiner Familie im Fall fehlender oder unzureichender Mitwirkung des Klägers im Visumverfahren nicht möglich ist (insoweit unklar: BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 59 einerseits und 64 andererseits), liegt auf der Hand.
3.3. Nicht mehr entscheidungserheblich ist nach alledem, ob der Kläger auch die erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 AufenthG inzwischen erfüllt oder ob die Ausländerbehörde gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von deren Anwendung mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG absehen müsste, bzw. inwieweit im konkreten Fall das Ermessen bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG mit Blick auf Satz 2 dieser Bestimmung eingeschränkt wäre.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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