Verwaltungsrecht

Versagung der Anerkennung einer türkischen Adoptionsentscheidung

Aktenzeichen  122 F 2066/13

Datum:
14.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AdWirkG AdWirkG § 2
FamFG FamFG § 108, § 109
HAÜ Art. 4, Art. 5, Art. 15, Art. 17c, Art. 23

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Anerkennung der Adoptionsentscheidung des Familiengerichts in … Türkei vom 10.07.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist türkische Staatsangehörige. Sie hat aufgrund in der Türkei am 20.02.2013 rechtskräftig gewordener Gerichtsentscheidung des Familiengerichts … die beiden Kinder …, geboren am … in … und … geboren am … in …, adoptiert. Die Adoption wurde bereits in das türkische Familienregister eingetragen, was ein Auszug aus dem Register vom 23.05.2013 belegt. Bei den angenommenen Kindern handelt es sich um die beiden leiblichen Kinder des Bruders der Antragstellerin, der im Jahr 2006 verstorben ist. Die Kindsmutter soll gemäß den Ausführungen in der türkischen Adoptionsentscheidung aus der Türkei ausgewiesen worden sein und in Rumänien leben.
Eine deutsche Fachstelle war an dem Verfahren nicht beteiligt.
Die Kinder leben nach wie vor in der Türkei, wo sie von einer anderen Tante betreut werden.
Mit schriftlichem Antrag vom 07.05.2013, eingegangen bei Gericht am 08.05.2013, beantragt die Antragstellerin die Anerkennung der türkischen Adoptionsentscheidung gemäß § 2 AdWirkG.
Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen hat mit Bericht vom 18.11.2013, eingegangener bei Gericht am 17.01.2014, Stellung genommen.
II.
Die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung richtet sich in erster Linie nach Art. 23. des Haager Adoptionsübereinkommen vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (im folgenden: HAÜ). Die Republik Türke hat das Haager Adoptionsübereinkommen vom 29.05.1993 (HAÜ) am 05.12.2001 gezeichnet und am 27.05.2004 ratifiziert. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland ist es seit dem 01.09.2004 in Kraft. Da die Kinder im Zuge der Adoption ihren gewöhnlichen Aufenthalt von der Türkei nach Deutschland, wo die Antragstellerin lebt, verlegen sollten, war der Anwendungsbereich des HAÜ eröffnet. Das Adoptionsverfahren hätte daher den Verfahrensregeln des HAÜ, die auch für die Adoption unter Verwandten verbindlich sind, folgen müssen. Eine Bescheinigung gemäß Art. 23 HAÜ lässt eine vereinfachte Anerkennung der Adoption zu. Eine solche Bescheinigung wird von der beteiligten Zentralen Behörde in der Türkei erstellt, wenn bestätigt werden kann, dass die Adoption nach dem Übereinkommen zustande gekommen ist und die einzubindenden Stellen beider Staaten der Adoption zugestimmt haben. Eine solche Bescheinigung kann im vorliegenden Verfahren aber nicht vorgelegt werden, da die Zentralen Behörden beider Staaten am Verfahren nicht beteiligt waren.
Eine Anerkennung ist nach Auffassung des Gerichts aber trotzdem noch unter Rückgriff auf die nationalen Anerkennungsregelungen denkbar. Diese Auffassung wird auch vom Bundesamt für Justiz vertreten. Hierbei müsste aber der Vorrang der Anerkennungsregeln des HAÜ insoweit zum Tragen kommen, als die Besonderheiten des Übereinkommens berücksichtigt werden müssen. So kann eine Anerkennung dann in Frage kommen, wenn es sich bei der Nichtbeachtung, insbesondere der Nichtbeteiligung der Zentralen Behörden, nur um einen formellen Verfahrensfehler handelt und die Voraussetzungen der Artikel 4 und 5 HAÜ inhaltlich gegeben waren und damit die Grundlagen zu einer gemeinsamen Entscheidung nach Art. 17 lit. c HAÜ vorgelegt haben (vgl. Weitzel, in NJW 2008, 186 (188)).
Aber auch gemessen an §§ 108, 109 FamFG ist eine Anerkennung der Adoption hier nicht möglich. Eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung setzt grundsätzlich voraus, dass der Adoptionsentscheidung eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss (vgl. BT-Drucksache 14/6011, Seite 29). Dies kann in der Regel in sinnvoller Weise nur durch die zuständige Fachstelle des Landes, in dem die Bewerber ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben, erfolgen (so beispielsweise AG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2008, F 6 XVI 173/08; LG Stuttgart, Beschluss vom 31.01.2008, 1 T-8/07). Hat eine derartige Prüfung nicht stattgefunden, so begründet dies Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public (BT-Drucksache 14/6001, a.a.O.). Nach der Gesetzesbegründung soll gerade eine Stelle, die am neuen Lebensmittelpunkt die dortigen Umstände und Anforderungen am besten beurteilen kann, aus ihrer Sicht bewerten können, ob sie die künftigen Eltern diesen Aufgaben gewachsen sieht.
Vorliegend hat noch nicht einmal eine persönliche Anhörung der Annehmenden stattgefunden. Zwar können auch durch sonstige Ermittlungen im Umfeld des Adoptionsbewerbers im Einzelfall Feststellungen für das Kindeswohl getroffen werden können (so OLG Köln, Beschluss vom 24.04.2012, NJOZ 2012, 1341). Welche Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen im einzelnen zu stellen sind, wird wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängen (so OLG Köln, a.a.O.). Eine solche fachliche Begutachtung der Adoptionbewerber muss deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen. Dies setzt zumindest eine ausführliche Anhörung der Antragstellerin voraus. Besonderes Augenmerk wäre auch auf die Prüfungspunkte in Art. 15 HAÜ zu richten gewesen. Danach müsste die Adoptivmutter hinreichende Möglichkeiten einer sprachlichen, schulischen und allgemeinen sozialen Integration der Kinder an deren neuen Lebensmittelpunkt schaffen können. Derartige Feststellungen wurden nicht getroffen, da solche Informationen überhaupt nicht eingeholt wurden.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Gericht in der Türkei hinreichend geprüft hat, ob eine Adoption angesichts des Alters der Kinder und ihrer weitgehenden Sozialisation im Herkunftsstaat überhaupt notwendig und sinnvoll ist. Dies gilt umso mehr in Anbetracht des Umstands, dass der Tod des leiblichen Vaters immerhin schon etliche Jahre zurückliegt und die Kinder in der Türkei offensichtlich zwischenzeitlich eine stabile Lebenssituation genossen haben.
Bereits die geschilderten Unzulänglichkeiten des türkischen Verfahrens lassen – im Einklang mit, der vom Bundesamt für Justiz geäußerten Auffassung – den Rückschluss zu, dass das durchgeführte Verfahren von den im HAÜ verpflichtend festgelegten und dem Schutz von Kindern dienenden Prüfungs- und Verfahrensschritten so weit entfernt ist, dass davon auszugehen ist, dass es sich nicht nur um eine Verletzung von Formvorschriften gehandelt hat. Es ist vielmehr nicht möglich, eine Konsensfähigkeit im Sinne von Art. 17 c HAÜ festzustellen, ohne das gesamt internationale Vermittlungsverfahren nachzuholen.
Nach alledem war die Anerkennung der türkischen Adoptionsentscheidung gemäß § 2 AdWirkG zu versagen.
Eine Beteiligung der Angenommenen erfolgte hinreichend durch die Antragstellerin, die wohl aus Sicht des – hier maßgeblichen – türkischen Rechts deren gesetzliche Vertreterin ist. Wie in Fällen zu verfahren ist, in denen die zu beteiligenden Kinder mangels Anerkennung nicht einreisen können, ist nicht eindeutig geregelt. Das OLG Düsseldorf (23.12.2011 II-1 UF 169/10) hat das adoptierte Kind durch die Antrag stellenden Adoptiveltern prozessual und auch hinsichtlich der Wahrnehmung seiner Interessen als hinreichend vertreten angesehen und somit die Bestellung eines Ergänzungsvertreters oder eines Verfahrensbeistandes nicht als erforderlich erachtet (zitiert in Weitzel, Kommentar zum Adoptionswirkungsgesetz, 1. Auflage 2013). Die Antragstellerin hat sich nicht gesondert zum Bericht des Bundesamtes für Justiz geäußert. Im Rahmen des Verfahrens war auch die Stadt Regensburg – Adoptionsvermittlungsstelle – als „Sprachrohr“ für die Antragstellerin aufgetreten. Eine förmliche Beteiligung der Stadt Regensburg am Verfahren fand nicht statt und war auch nicht zwingend geboten.


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