Verwaltungsrecht

Versagung der wasserrechtlichen Genehmigung für die erweiterte Nutzung einer Steganlage

Aktenzeichen  8 ZB 15.1363

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55718
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWG 2010 Art. 20 Abs. 2, Abs. 4 S. 2
WHG 2010 § 36

 

Leitsatz

Eine wasserrechtliche Anlagengenehmigung für die erweiterte Nutzung einer Steganlage kann versagt werden, wenn schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten sind. Das ist der Fall, wenn es dadurch zu zusätzlichen Belastungen für die Aquafauna gerade in einem Bereich käme, der von der Nutzung des Gewässers als Bundeswasserstraße und den damit einhergehenden, vom Betrieb in der Fahrrinne ausgehenden Beeinträchtigungen derzeit nicht betroffen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 8 K 14.1697 2015-05-04 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Versagung einer wasserrechtlichen Genehmigung für die erweiterte Nutzung einer vorhandenen Steganlage an der Donau. Die bisherige Nutzung umfasst das Anlegen und Befestigen eines Motorboots im Rahmen des Parasailing. Neu beantragt wird (unter anderem) eine Nutzung zur Bereitstellung und Vermietung von Anlegeplätzen sowie zur Boots- und Wassermotorradvermietung. Zudem beantragt der Kläger die Aufhebung der zeitlichen Nutzungsbeschränkung in den Monaten Oktober bis April.
Das Verwaltungsgericht hat die erhobene Klage mit Urteil vom 4. Mai 2015 abgewiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Andere Zulassungsgründe hat der Kläger schon im Ansatz nicht hinreichend substanziiert geltend gemacht bzw. sind nicht ersichtlich.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechts-sätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838; BayVGH, B. v. 24.2.2006 – 1 ZB 05.614 – juris Rn. 11; B. v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2). Nach diesem Maßstab ergeben sich vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
1.1 Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, darf die wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG 2010 nur versagt, an Bedingungen und Auflagen geknüpft oder widerrufen werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die in Art. 20 Abs. 2 BayWG 2010 aufgezählten Gründe es erfordern. Art. 20 Abs. 2 BayWG 2010 nimmt wiederum auf die Gründe des Wohls der Allgemeinheit Bezug und konkretisiert dieses Tatbestandsmerkmal sodann mit dem Zusatz „insbesondere aus den in § 36 WHG genannten Gründen geboten ist“. § 36 WHG 2010 legt die materiellen Anforderungen für das Errichten, Betreiben, Unterhalten und Stilllegen für Anlagen in, an, über oder unter oberirdischen Gewässern, also das „Genehmigungsprogramm“ dahingehend fest, „dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist“ (vgl. auch BayVGH, U. v. 23.4.2013 – 8 B 13.386 – BayVBl 2013, 536 Rn. 19). Ergänzend ist auf die Vorgaben der Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie – WRRL) hinzuweisen, wonach die oberirdischen Gewässer so zu bewirtschaften sind, dass eine Verschlechterung ihres Zustands verhindert und ein guter Zustand der Gewässer erreicht wird. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 1.7.2015 – C-461/13 – DVBl 2015, 1044, Rn. 50) ist in diesem Zusammenhang geklärt, dass die Mitgliedstaaten deshalb verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben – vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme nach Art. 4 Abs. 7 WRRL – zu versagen, wenn es den Zustand eines Wasserkörpers verschlechtern oder die Erreichung eines guten Zustand eines Oberflächengewässers gefährden kann (vgl. hierzu auch BayVGH, B. v. 6.9.2016 – 8 CS 15.2510 – juris Rn. 35).
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht steht für das Erstgericht vorliegend fest, dass es durch die vom Kläger beantragte Erweiterung der Nutzungen im Bereich des verfahrensgegenständlichen Stegs zu schädlichen Gewässerveränderungen käme (vgl. Entscheidungsumdruck, S. 15). Vor diesem Hintergrund und dem Nachvollzug einer Abwägung der wasserwirtschaftlichen Erfordernisse mit dem Interesse des Klägers erachtet das Verwaltungsgericht die Versagung der beantragten wasserrechtlichen Genehmigung als rechtmäßig. Die Nachvollziehbarkeit dieses Ergebnisses vermag der Kläger durch sein Vorbringen im Zulassungsverfahren nicht infrage zu stellen.
1.2 Entgegen klägerischer Darstellung im Zulassungsverfahren bleibt für den Senat nachvollziehbar, dass eine Ausnutzung der vom Kläger begehrten Genehmigung nicht nur – wie der Kläger meint – eine „Vereinfachung ohnehin stattfindender Abläufe“ bedeutete, sondern dass es zu einer intensivierten Nutzung der Steganlage und in der Folge zu schädlichen Gewässerveränderungen im maßgeblichen Bereich käme. Insoweit legt die Beklagtenseite im Zulassungsverfahren schlüssig und von der Klägerseite unwidersprochen (nochmals) dar, dass es durch die beantragten Nutzungen zu zusätzlichen Belastungen für die Aquafauna gerade in einem Bereich käme, der von der Nutzung der Donau als Bundeswasserstraße und den damit einhergehenden, vom Betrieb in der Fahrrinne ausgehenden Beeinträchtigungen derzeit nicht betroffen ist. Namentlich gilt dies für den Uferbereich im Umgriff der vorhandenen Steganlage, wo sich nach den Angaben des Beklagten zahlreiche Wasserpflanzen angesiedelt haben und Fischlebensräume entstanden sind. Diese Bereiche würden durch einen gesteigerten ufernahen Bootsverkehr (häufiges An- und Ablegen) insbesondere im Zuge der projektierten Vermietung von Wassersportgeräten zusätzlich belastet und durch die Antriebsschrauben von Booten entstünden Beschädigungen bzw. Zerstörungen. Das An- und Ablegen von Motorbooten führte zudem zu Störungen von Vogelpopulationen im Uferbereich. Hinsichtlich der vom Kläger ebenfalls begehrten Ausweitung des Nutzungszeitraums auch auf die Wintermonate legt der Beklagte im Zulassungsverfahren (nochmals) unwidersprochen dar, dass Fische während der Wintermonate besonders empfindlich auf Störungen reagierten und insoweit im Ergebnis Verluste im Fischbestand zu befürchten seien.
1.3 Aus der von Klägerseite im Zulassungsverfahren vorgelegten fischereifachlichen Stellungnahme des Gutachters Dr. J. vom 9. Juli 2015 ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Die Stellungnahme nimmt – aus spezifisch fischereifachlicher Sicht – im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation bezüglich der klägerischen Steganlage vor und bestätigt insoweit die Einschätzung des Beklagten, wonach der Stegbereich einen bedeutenden Lebensraum sowohl für Fischarten (vgl. Gutachten S. 1: „Der Steg funktioniert wie ein zu schützendes Fischrefugium“) als auch für Wasserpflanzen darstellt und insoweit zu einer „Vitalisierung des näheren und weiteren Uferbereiches führt und der Gewässersohle biologische Varianz und Diversität des Ufers verleiht“ (vgl. Gutachten, S. 5). Demgegenüber nimmt der Gutachter die vom Kläger beantragte und gegenwärtig noch nicht verwirklichte erhebliche Nutzungserweiterung insgesamt nur knapp und in einer allgemein gehaltenen Art und Weise in den Blick. Namentlich (auch) in seiner Zusammenfassung spricht der Gutachter im Wesentlichen nur den status quo hinsichtlich der bestehenden Steganlage an (vgl. Gutachten, S. 8 f.). Die abschließende Bewertung des Gutachters, auch die geplante Erweiterung der Nutzung des Stegs seitens des Klägers stelle „sanften Tourismus“ dar, kann vor diesem Hintergrund die vom Erstgericht auf der Grundlage der durchgeführten mündlichen Verhandlung für nachvollziehbar erachtete fachliche Einschätzung des Beklagten hinsichtlich zu erwartender schädlicher Gewässerveränderungen nicht in Zweifel ziehen. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass in der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der Expertise des Wasserwirtschaftsamts, die der Entscheidung des Beklagten hier (unter anderem) maßgeblich zugrunde liegt, anerkannt ist, dass dessen amtlichen Auskünften und Gutachten entsprechend seiner Stellung als wasserwirtschaftlicher Fachbehörde nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWG 2010 eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. nur BayVGH, B. v. 5.2.2016 – 8 ZB 15.1514 – juris Rn. 9 m. w. N.).
1.4 Auch die sonstigen von der Klägerseite im Zulassungsverfahren angesprochenen Gesichtspunkte führen zu keinen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung. Soweit hier überhaupt substanziierter Vortrag erfolgt, ist mit Blick auf die in lediglich allgemeiner Form angesprochenen etwaigen Bezugsfälle darauf zu verweisen, dass eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht in Betracht kommt. Die gemessen am derzeitigen Nutzungsumfang großzügige Dimensionierung der bestehenden Steganlage fällt in den Verantwortungsbereich des Klägers. Auf die von Klägerseite im Zulassungsverfahren angesprochenen Fragen des Baurechts braucht schließlich schon deshalb nicht eingegangen zu werden, weil das Verwaltungsgericht auf die diesbezüglich in den Urteilsgründen erörterten Gesichtspunkte – wie ausdrücklich ausgeführt – nicht entscheidungstragend abgestellt hat (vgl. Entscheidungsumdruck, S. 18).
2. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderten. Die von Klägerseite aufgeworfenen Fragen können – wie die Ausführungen unter Ziff. 1 deutlich machen – vielmehr ohne nennenswerten Aufwand im Zulassungsverfahren geklärt werden (zum Maßstab vgl. BayVGH, B. v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147/149 m. w. N.).
3. Ebenso wenig hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Weder gibt der Kläger – was erforderlich wäre – hierfür eine Begründung, noch ist eine grundsätzliche Bedeutung der Sache anderweitig ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO (zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. etwa BayVGH, B. v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – BayVBl 2002, 378).
5. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Ziff. 51.2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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