Verwaltungsrecht

Versagung einer Beschäftigungserlaubnis wegen unzureichender Mitwirkung bei der Passbeschaffung

Aktenzeichen  B 6 E 18.1085

Datum:
13.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51084
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 3 Abs. 1, § 25 Abs. 5, § 48 Abs. 3 S. 1, § 60 a Abs. 6 S. 1 Nr. 2, § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4
VwGO § 123 Abs. 1, 3, § 154 Abs. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1,§ 920 Abs. 2
BeschV § 11
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, äthiopischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom … vollumfänglich ablehnte, verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nach Äthiopien unter Bestimmung einer Frist für die freiwillige Ausreise von 30 Tagen ab dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Im Rahmen seiner Anhörung am … gab der Antragsteller an, in Äthiopien habe er einen Bruder, eine Schwester und eine Freundin. Außerdem gab er an, er sei verhaftet und freigelassen worden, nachdem sein Onkel die geforderte Kaution bezahlt habe. Auf die Frage nach Personalpapieren gab der Antragsteller an, er habe zu Hause einen Kebele-Ausweis gehabt, diesen aber nicht mitgebracht, weil er zufällig das Haus verlassen und nichts dabei gehabt habe. Für die Reise auf dem Luftweg nach Deutschland habe er einen äthiopischen Reisepass bekommen. Diesen habe der Schlepper nach der Ankunft in Deutschland wieder an sich genommen. Die gegen den Asylbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit rechtskräftigem Urteil vom 17.06.2014 ab.
Mit Schreiben vom 13.11.2014 übermittelte die Ausländerbehörde dem Antragsteller eine Grenzübertrittsbescheinigung, verbunden mit dem Hinweis, diese diene als Nachweis, dass der Antragsteller Deutschland bzw. das Vertragsgebiet der Schengen-Staaten bis zum 09.12.2014 verlassen habe. Dem Prozessbevollmächtigten (damals Verfahrensbevollmächtigten) des Antragstellers teilte die Ausländerbehörde mit Schreiben ebenfalls vom 13.11.2014 mit, er erhalte Gelegenheit, bis spätestens 09.12.2014 die freiwillige Ausreise des Antragstellers zu erklären, durch entsprechende Nachweise zu belegen und ggf. finanzielle Rückkehrhilfen bei der Ausländerbehörde zu beantragen. Ansonsten wäre die Ausländerbehörde gezwungen, die im Asylbescheid angedrohten Abschiebemaßnahmen zu ergreifen.
Daraufhin beantragte der Antragsteller mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.11.2014 bei der Ausländerbehörde die Erteilung einer Duldung. Der Antragsteller bemühe sich um die Beibringung eines äthiopischen Passes. Das entsprechende Antragsformular werde noch übermittelt werden. Außerdem werde der Antragsteller Kontakt mit der zuständigen Auslandsvertretung aufnehmen. Erfahrungsgemäß nehme die Beschaffung eines äthiopischen Passes jedoch erhebliche Zeit in Anspruch.
Am 10.12.2014 beantragte der Antragsteller bei der Ausländerbehörde die Verlängerung der Grenzübertrittsbescheinigung. Auf Nachfrage, ob er sich um einen äthiopischen Pass kümmere, gab er an, er habe keinen Pass, er habe ihn weggeworfen. Daraufhin forderte die Ausländerbehörde den Antragsteller auf, eine Geburtsurkunde über seine Geschwister oder einen äthiopischen Vertrauensanwalt zu besorgen. Dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers teilte die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 24.11.2014 mit, Voraussetzung für die Passbeschaffung sei lediglich die Vorlage einer Geburtsurkunde, die sich der Antragsteller kurzfristig über seine in Äthiopien lebenden Verwandten oder andernfalls über einen dortigen Vertrauensanwalt (eine entsprechende Liste könne zur Verfügung gestellt werden) besorgen könne. Daher werde um detaillierte Nachweise, was der Antragsteller zwischenzeitlich zur Beschaffung der erforderlichen Dokumente unternommen habe, und um Information über den Fortgang gebeten.
Darauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 23.12.2014, der Antragsteller habe bereits Kontakt zu Rechtsanwalt …aufgenommen, einem der Vertrauensanwälte der Deutschen Botschaft.
Daraufhin forderte die Ausländerbehörde den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 23.12.2014 auf, mitzuteilen, welche Dokumente bei diesem Vertrauensanwalt beantragt worden seien und wie sich der Verfahrensgang und die Verfahrensdauer verhielten. Ferner habe der Antragsteller angegeben, einen Cousin in Rüsselsheim zu haben. Um Mitteilung von dessen Adresse werde gebeten, weil er bei der Passbeschaffung behilflich sein könne.
Am 12.01.2015 stellte die Ausländerbehörde dem Antragsteller eine bis 11.04.2015 gültige Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldungsbescheinigung) aus mit der Nebenbestimmung „Unselbständige Erwerbstätigkeit gestattet“. Die Duldung wurde mit diesem Inhalt bzw. mit der Nebenbestimmung „Beschäftigung gestattet“ mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 11.10.2018.
Am 11.02.2015 gestattete die Ausländerbehörde dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 10.02.2015 ein Bäckerei-Praktikum vom 19.03.2015 bis 27.03.2015 im Rahmen des ESF-BAMF-Kurses des Antragstellers beim … „Berufsbezogener Sprachkurs“, Kurszeitraum 09.12.2014 bis 19.06.2015.
Mit Schreiben vom 26.01.2015 teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Ausländerbehörde die Adresse des Cousins des Antragstellers in Rüsselsheim mit und legte eine Auftragsbestätigung des Rechtsanwaltes … vom 10.12.2014 vor.
Mit Schreiben vom 08.04.2015 bat die Ausländerbehörde den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers um nähere Angaben (Geburtsdatum, Aufenthaltsstatus) zu dem in Rüsselsheim lebenden Cousin des Antragstellers sowie ggf. um Übermittlung von Kopien von ID-Dokumenten und übersandte eine zur Unterzeichnung durch den Cousin bestimmte Erklärung, dass er der Cousin des Antragstellers sei und die Personenangaben des Antragstellers der Richtigkeit entsprächen.
Am 07.04.2016 schloss der Antragsteller mit der Firma …, einen Arbeitsvertrag. Das Arbeitsverhältnis begann am 01.05.2016, war bis zum 30.04.2017 befristet und wurde mit einer Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 31.03.2017 um ein Jahr bis zum 30.04.2018 verlängert.
Mit Schreiben vom 04.12.2017 forderte die Ausländerbehörde den Antragsteller auf, die Beauftragung eines anderen äthiopischen Vertrauensanwalts nachzuweisen, da … nicht mehr als zuverlässig eingestuft werde.
Am 15.02.2018 gab der Antragsteller bei der Ausländerbehörde den Ausdruck einer E-Mail ab, mit der er den Rechtsanwalt … mit der Beschaffung einer Geburtsurkunde beauftragte.
Mit Schreiben vom 29.03.2018 wies die Ausländerbehörde den Antragsteller auf seine Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung hin. Er müsse alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung der Identität von Bedeutung seien, der Ausländerbehörde vorlegen. Für den Fall, dass er keine Verwandten oder Bekannten habe, die in Äthiopien Personenstandsurkunden für ihn besorgen könnten, werde er hiermit aufgefordert, aus beigefügter Liste einen Vertrauensanwalt auszuwählen und mit der Angelegenheit zu betrauen. Entsprechende Nachweise seien der Ausländerbehörde bis spätestens 03.05.2018 vorzulegen. Die vom 08.02.2018 vorgelegte E-Mail sei nicht ausreichend.
Mit Schreiben vom 25.04.2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Ausländerbehörde ein Schreiben vom 13.04.2018 des Rechtsanwaltes … vor. Dieser bestätige den Auftrag, eine Geburtsurkunde zu beschaffen, und teile mit, dass die örtliche Verwaltung ihn informiert habe, sie könne derzeit aufgrund des bestehenden Ausnahmezustandes nicht tätig werden. Er, der Rechtsanwalt, werde den Antragsteller informieren, sobald er eine Antwort von der Behörde erhalte.
Mit Schreiben vom 02.05.2018 gestattete die Regierung von Oberfranken – Regierungsaufnahmestelle dem Antragsteller auf seinen entsprechenden Antrag den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft.
Mit Schreiben vom 12.06.2018 wies die Ausländerbehörde den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers darauf hin, da aus dem vorgelegten Schreiben des Anwaltsbüros … nicht ersichtlich sei, ob sich der bevollmächtigte Anwalt schriftlich an die Heimbehörden gewendet oder/und von diesen eine schriftliche Antwort erhalten habe, genüge er mit diesem Schreiben nicht der Nachweispflicht zur Passbeschaffung. Der Prozessbevollmächtigte erhalte daher Gelegenheit, bis zum 12.09.2018 den derzeitigen Sachstand der Urkundenbeschaffung und die Auskunft der Heimatbehörde ausreichend zu belegen. Ansonsten müsse die bisher gewährte Erwerbsmöglichkeit des Antragstellers aufgehoben werden.
Mit Schreiben vom 31.08.2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Ausländerbehörde ein Schreiben vom 03.08.2018 des Rechtsanwaltes … vor. Dieser habe mitgeteilt, dass er noch auf die Antwort der Behörde auf seine Anfrage warte und dass er sich nach deren Zugang umgehend melden werde.
Mit Schreiben vom 12.09.2018 wies die Ausländerbehörde den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unter Verweis auf ihr Schreiben vom 12.06.2018 darauf hin, dass es nicht genüge, auf ein durch einen Vertrauensanwalt eingeleitetes laufendes Antragsverfahren bei den äthiopischen Heimatbehörden zu verweisen und eine Bestätigung vorzulegen, dass die Bearbeitung noch nicht abgeschlossen sei. Auch falls längere Bearbeitungszeiten generell üblich sein sollten, müsse der Vertrauensanwalt auf die besondere Dringlichkeit der Dokumentenbeschaffung hinweisen und die bearbeitende Heimatbehörde in regelmäßigen Abständen von 6 bis 8 Wochen um beschleunigte Bearbeitung bzw. um Sachstandsmitteilung bitten. Nachdem seit nunmehr weiteren drei Monaten weder der Sachstand der noch eine erfolgreiche Urkundenbeschaffung belegt worden sei, sei der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Deshalb sei beabsichtigt, bei der nächsten Duldungsverlängerung die bisher gewährten Beschäftigungsmöglichkeiten zu streichen.
Darauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 10.10.2018, der Antragsteller stehe ständig in Kontakt mit Rechtsanwalt …und habe diesen auch auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hingewiesen. Der Rechtsanwalt habe seinerseits darauf aufmerksam gemacht, dass die Sicherheitslage in Oromia sehr problematisch sei und die dortige Verwaltung daher nur rudimentär funktioniere. Er sei an der Sache dran, könne aber aus den genannten Gründen keine genaue Prognose abgeben. Da die hier entscheidenden Faktoren weder in der Hand des Anwaltes seien noch hierfür Erfahrungswerte existierten, sei eine solche Prognose in der Tat nicht möglich.
Mit Schreiben vom 15.10.2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Ausländerbehörde ein Schreiben des Rechtsanwaltes … vom 12.10.2018 vor.
Am 15.10.2018 verlängerte die Ausländerbehörde die Duldungsbescheinigung des Antragstellers bis zum 11.01.2019 mit der Nebenbestimmung „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“.
Mit Bescheid vom 15.10.2018 lehnte die Ausländerbehörde die beantragte Ausübung einer Beschäftigung bei der Firma …, sowie jede sonstige Beschäftigung des Antragstellers ab. Gemäß § 60a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG dürfe dem Antragsteller die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, weil bei ihm aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits über dreieinhalb Jahre aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, nicht hätten vollzogen werden können. Der Antragsteller habe sich seines äthiopischen Reisepasses nach seiner Einreise entledigt und sei seiner Mitwirkungspflicht bei der Neubeschaffung eines Reisepasses nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Vom Ausländer seien eigene und nachhaltige Anstrengungen zur Passbeschaffung zu erwarten. Das ergebe sich aus § 3 Abs. 1 und § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Er habe alles in seiner Kraft stehende und ihm zumutbare dazu beizutragen, etwaige Abschiebehindernisse zu überwinden. Es sei nicht ausreichend, alleine einen Vertrauensanwalt mit der Beschaffung der für die Passausstellung erforderlichen Dokumente zu beauftragen. Vielmehr müsse der Ausländer, falls ihm die Dokumente nicht in angemessener Dauer ausgestellt würden, regelmäßig nachfragen, sich nach den Gründen für die lange Bearbeitungsdauer erkundigen und beharrlich um die Ausstellung der Dokumente nachsuchen. Die vorgelegten schriftlichen Auskünfte des Vertrauensanwaltes seien nicht geeignet, eine nachdrückliche Mitwirkung zu belegen, da keinerlei Schriftverkehr mit der Heimatbehörde beigefügt worden sei. Auch sei dem Antragsteller aufgetragen worden, sich die erforderlichen Dokumente über Familienangehörige beschaffen zu lassen, falls die Bemühungen des Vertrauensanwaltes nicht erfolgreich verliefen. Zudem habe der Antragsteller zum früheren Besitz eines Passes widersprüchliche Angaben gemacht. Im Asylverfahren habe er erklärt, nie einen eigenen Nationalpass, sondern nur einen Kebele-Ausweis besessen zu haben, den er bei seiner Ausreise nicht mitgenommen habe, und lediglich von seinem Schlepper einen äthiopischen Reisepass mit seinem Namen erhalten zu haben, den er nach seiner Einreise dem Schlepper habe zurückgeben müssen. Gegenüber der Ausländerbehörde habe der Antragsteller am 10.12.2014 angegeben, seinen äthiopischen Reisepass weggeworfen zu haben.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2018 zu verpflichten, dem Kläger die Beschäftigung durch Firma …, zu genehmigen.
Mit weiterem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom selben Tag hat der Antragsteller außerdem beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig die Beschäftigung durch Firma …, als Verpacker zu genehmigen und dem Antragsteller für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Zur Begründung wird geltend gemacht, der Antragsteller habe einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis für jede Beschäftigung, jedenfalls für die beantragte Beschäftigung. Der Antragsteller habe seit April 2016 über eine Beschäftigungserlaubnis verfügt, mit welcher er auch durchgehend bei der Firma … tätig gewesen sei. Dieser begünstigende Verwaltungsakt sei mit dem angegriffenen Bescheid widerrufen worden. Mit der Versagung der ursprünglich ohne zeitliche Beschränkung gewährten Beschäftigungserlaubnis sei dem Antragsteller diese Rechtsstellung wieder entzogen worden. Die Voraussetzungen für einen nur ausnahmsweise möglichen Widerruf (Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG) lägen nicht vor. Auch wenn man in der Einziehung der Beschäftigungserlaubnis keinen Widerruf sehen wolle, ergäbe sich schon aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Entscheidung über die Verlängerung eine Selbstbindung des Antragsgegners. Der Antragsteller und seine Arbeitgeberin hätten darauf vertrauen können, dass bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage die weitere Beschäftigung genehmigt werde. So habe auch der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 07.06.2017 festgestellt, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes bei unveränderter Sachlage eine Selbstbindung angenommen werden müsse, obwohl mit jeder Duldung eine neue Beschäftigungserlaubnis ergehe. Die Behörde gehe (nunmehr) davon aus, der Antragsteller müsse über die Beauftragung eines Vertrauensanwaltes und der mandatsüblichen Kommunikation hinaus den Anwalt zu besonderer Eile anmahnen. Dies verkenne bereits die Möglichkeiten eines Mandanten gegenüber seinem Anwalt. Dieser schulde dem Mandanten ohnehin unverzügliches Tätigwerden. Den Anwalt wiederholt auf diese Verpflichtung hinzuweisen, wäre allenfalls dann sinnvoll, wenn konkrete Anhaltspunkte für entsprechende Versäumnisse vorlägen. Das sei hier offensichtlich nicht gegeben. Erstens handele es sich um einen der Vertrauensanwälte der Deutschen Botschaft, sodass auch noch jenseits der allgemein bestehenden Verpflichtungen eines Rechtsanwaltes davon ausgegangen werden könne, dass die Zuverlässigkeit des Anwaltes bei der Erfüllung seiner Aufträge nicht in Streit stehe. Zum Zweiten habe der äthiopische Rechtsanwalt mehrfach über den Sachstand berichtet und dabei nicht etwa angeführt, es träten wegen Überlastung seiner Kanzlei Verzögerungen ein (was auch zulässig wäre), sondern die dafür verantwortlichen äußeren Faktoren genannt. Im Übrigen liege es im Kernbereich der Kompetenz des Anwaltes, ob er nun die erforderlichen Anfragen an die Behörden schriftlich, fernschriftlich, per E-Mail, persönlich, telefonisch oder in welcher Kommunikationsform auch immer durchführe. Zum Dritten würde eine solches „Versäumnis“ des Antragstellers kein mit den Regelbeispielen des § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG vergleichbares Gewicht aufweisen. Unabhängig davon gehe der Antragsgegner von falschen Tatsachen aus. Offenbar seien weder die E-Mail vom 03.07.2018 noch das Schreiben des … vom 12.10.2018 zur Kenntnis genommen worden, die beide gerade den weiteren ständigen Kontakt des Antragstellers belegten. Unabhängig davon, dass ein etwaiges früheres Mitwirkungsversäumnis nicht erheblich wäre (BayVGH, 09.05.2018, 10 CE 18.738), sei festzuhalten: Der Antragsteller habe keinen eigenen Pass gehabt. Wie die vermeintlichen Angaben 2014 zustande gekommen seien, lasse sich auf die Schnelle nicht klären.
Der Antragsschrift war ein Schreiben der Firma … an den Antragsteller vom 17.10.2018 beigefügt. Leider müsse sie seinen Arbeitsplatz neu besetzen, wenn er keine Beschäftigungsgenehmigung mehr erhalte. Um die daher erforderliche fristlose Kündigung zu vermeiden, werde der Vorlage der Beschäftigungsgenehmigung bis zum 05.11.2018 entgegengesehen. Der Antragsteller werde als freundlicher und kompetenter Mitarbeiter sehr geschätzt. Sein Verlust würde für das Unternehmen einen erheblichen Schaden darstellen.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz der Ausländerbehörde vom 22.10.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am 07.11.2018, beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei unbegründet, weil kein Anordnungsanspruch auf Genehmigung einer Beschäftigung glaubhaft gemacht worden sei. Es sei keine bestehende Beschäftigungserlaubnis widerrufen worden. Über die jeweils zeitlich an die befristet erteilte Duldung angepasste Beschäftigungserlaubnis sei bei jeder Duldungsverlängerung neu entschieden worden, da die Geltungsdauer der Beschäftigungserlaubnis gesetzlich unmittelbar durch die Geltungsdauer der Duldung begrenzt werde (VGH Mannheim, Urteil vom 10.07.2017 – 11 S 695/17). Aus Gründen des Vertrauensschutzes ergebe sich keine Selbstbindung bei der Verlängerung der Beschäftigungserlaubnis, da sich die Sachlage während der Dokumentenbeschaffung zu Ungunsten des Antragstellers verändert habe. Habe die Ausländerbehörde im Januar 2015 und im Dezember 2017 durch die Beauftragung von Vertrauensanwälten noch von einer ausreichenden Mitwirkung bei der Pass- bzw. Dokumentenbeschaffung ausgehen können, sei dies im weiteren Verlauf nicht mehr gegeben gewesen. Hierzu werde auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Sowohl in der Anhörung vom 12.09.2018 als auch in der angefochtenen Entscheidung seien die Auskünfte des Vertrauensanwaltes (E-Mail vom 03.07.2018, richtig wohl 03.08.2018 und Schreiben vom 12.10.2018) zur Kenntnis genommen worden. Diese genügten allerdings nicht den umfassenden Mitwirkungspflichten, da der Sachstandsbericht nicht mit entsprechenden Nachweisen der Heimatbehörde belegt sei und demzufolge auch eine „Gefälligkeitsauskunft“, die zur weiteren Aufenthalts- und Beschäftigungsabsicherung diene, darstellen könne. Zudem habe sich der Antragsteller bei der Dokumentenbeschaffung allein auf die Beauftragung eines Vertrauensanwaltes verlassen, obwohl ihm auch eine Beschaffungsmöglichkeit über seine Familienangehörigen aufgezeigt worden sei. Die eigenen Angaben des Antragstellers vom 10.12.2014, er habe seinen Pass weggeworfen, könnten gegen ihn verwendet werden, da er offensichtlich ohne Hinweis auf evtl. sprachliche Defizite oder Verständigungsschwierigkeiten der Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde entsprechende Auskünfte gegeben habe. Schließlich werde nochmals auf die hierzu widersprüchlichen Angaben im Asylverfahren hingewiesen. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen hätten daher allein aus Gründen, die der Antragsteller zu vertreten habe, nicht vollzogen werden können.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ausländerakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das zu sichernde Recht bzw. das streitige Rechtsverhältnis, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes, der Anordnungsgrund, sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit glaubhaft gemacht.
Die letzte mit der bis zum 11.10.2018 gültigen Duldung erteilte Beschäftigungserlaubnis wurde nicht widerrufen, vielmehr wird die Geltungsdauer der Beschäftigungserlaubnis gesetzlich unmittelbar begrenzt durch die Geltungsdauer der Duldung. Konkret bedeutet dies, dass mit jeder Duldung neu über die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zu entscheiden ist, wobei man aus Gründen des Vertrauensschutzes wohl davon ausgehen muss, dass immer dann, wenn die (positiven wie auch negativen) Tatbestandsvoraussetzungen weiter vorliegen, bei unveränderter Sachlage im Übrigen eine Ermessensbindung bestehen wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.07.2017 – 11 S 695/17, juris Rn. 29, 30). Vorliegend scheitert die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis aber bereits an der Nichterfüllung der negativen Tatbestandsvoraussetzung des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, sodass sich der Antragsteller auf eine Ermessensbindung nicht mit Erfolg berufen kann.
Gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Hierzu hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof folgende Grundsätze aufgestellt (BayVGH, Beschluss vom 09.05.2018 – 10 CE 18.738, juris Rn. 5, 6):
„§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG richtet sich an Geduldete, die ihr Ausreisehindernis selbst zu vertreten haben (BT-Drs. 18/6185, 50). Der Erteilung eine Ausbildungsduldung bzw. Beschäftigungserlaubnis können also nur solche Gründe entgegengehalten werden, die aktuell den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen behindern. Gründe, die den Vollzug ausschließlich in der Vergangenheit verzögert oder behindert haben, sind unbeachtlich (BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn. 26).
Neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangaben kann auch in der unzureichenden Mitwirkung bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung grundsätzlich ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zu sehen sein, der ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot begründet (vgl. zu § 11 BeschV a.F. SächsOVG, B.v. 7.3.2013 – 3 A 495/11 – juris Rn. 7). Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ist im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gefordert, bezüglich seiner Identität und Staatsangehörigkeit zutreffende Angaben zu machen, an allen zumutbaren Handlungen mitzuwirken, die die Behörden von ihm verlangen, und darüber hinaus eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege zu leiten, die geeignet sind, seine Identität und Staatsangehörigkeit zu klären und die Passlosigkeit zu beseitigen (zu § 25 Abs. 5 AufenthG vgl. OVG MV, U.v. 24.6.2014 – 2 L 192/10 – juris). Nach § 15 Abs. 1 AsylG ist der Ausländer persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken; insbesondere hat er nach Abs. 2 den Ausländerbehörden seinen Pass oder Passersatz bzw. alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen (Nrn. 4 und 5) und im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken (Nr. 6). Die zuständige Ausländerbehörde ist dabei auch gehalten, in Erfüllung ihr selbst obliegender behördlicher Mitwirkungspflichten konkret zu bezeichnen, was genau in welchem Umfang vom Ausländer erwartet wird, wenn sich ein bestimmtes Verhalten nicht bereits aufdrängen muss. Die Behörde ist regelmäßig angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und Sachnähe besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten (VGH BW, U. v. 3.12.2008 – 13 S 2483/07 – juris m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht muss die Ausländerbehörde gesetzliche Mitwirkungspflichten beispielsweise zur Beschaffung von Identitätspapieren konkret gegenüber dem Betroffenen aktualisiert haben, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Folgen ziehen zu können (vgl. für § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – juris Rn. 17; BayVGH, B. v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn. 25). Unter Berücksichtigung der genannten Regelbeispiele in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG muss eine mangelnde Mitwirkung ein gewisses Gewicht erreichen, so dass es gerechtfertigt erscheint, sie aktivem Handeln gleichzustellen (vgl. für § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – NVwZ-RR 2011, 210).“
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat es der Antragsteller zu vertreten, dass derzeit sein Aufenthalt nicht beendet werden kann. Die Aufenthaltsbeendigung scheitert an der Passlosigkeit des Antragstellers, und diese hat er zu vertreten, weil er bei der Passbeschaffung nur unzureichend mitwirkt.
Die Ausländerbehörde verlangt zu Recht, dass der vom Antragsteller beauftragte Vertrauensanwalt substantiiert darlegt und belegt, welche Schritte er zur Beschaffung einer Geburtsurkunde für den Antragsteller unternommen hat. Entsprechende Schreiben an die zuständige(n) äthiopischen Behörde(n) und deren Antworten sind vorzulegen. Davon abgesehen muss es sich dem Antragsteller aufdrängen, parallel zur Beauftragung eines Vertrauensanwaltes noch andere Wege zur Passbeschaffung zu beschreiten. Das Nächstliegende wäre gewesen, seine Verwandten oder Bekannten in Äthiopien (Bruder, Schwester, Onkel, Freundin) zu bitten, ihm seinen Kebele-Ausweis, den er zu Hause zurückgelassen hat, zu schicken. Mit diesem Identitätsdokument wäre die Beantragung und Ausstellung eines äthiopischen Passes kein Problem. Sollte der Kebele-Ausweis nicht mehr auffindbar sein (was ebenfalls zu erläutern und glaubhaft zu machen wäre), hätte es nahe gelegen, die Verwandten oder Bekannten mit der Beschaffung einer Geburtsurkunde zu beauftragen. Die Einschaltung von Verwandten oder Bekannten in Äthiopien zur Beibringung einer Geburtsurkunde ist nach den vorliegenden Informationen des Auswärtigen Amtes fast noch erfolgversprechender als die Mandatierung eines Anwalts. Dass der Antragsteller die nächstliegenden Schritte nicht unternommen hat, obwohl er von der Ausländerbehörde auch auf diese Möglichkeiten hingewiesen wurde, lässt darauf schließen, dass es ihm nicht wirklich ernst damit ist, sich einen Pass zu beschaffen. Vielmehr scheint er sich darauf zu verlassen, dass er ohne entsprechende Dokumente vor einer Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist, und daher nur die weniger erfolgversprechenden Wege zu beschreiten. In dieses Bild passt, dass der Antragsteller offensichtlich auch nicht seinen in Deutschland lebenden Cousin dazu veranlasst hat, die Erklärung, die zur Identitätsklärung hätte beitragen können, abzugeben.
Da somit der Antragsteller die Erfüllung der negativen Tatbestandsvoraussetzung des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG und damit den geltend gemachten Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht glaubhaft gemacht hat, ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).


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