Verwaltungsrecht

Versagung einer Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz

Aktenzeichen  RO 4 S 20.81

Datum:
12.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ProstSchG § 12, § 14 Abs. 2 Nr. 5, § 16, § 37 Abs. 4 S. 1
BauGB § 34
BauNVO § 4
GewO § 15 Abs. 2 S. 1
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, § 80 Abs. 2 Nr. 4, § 113 Abs. 5 S. 1, § 114 S. 1, § 123, § 154 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1. Die Erlaubnisfiktion des § 37 Abs. 4 Satz 1 ProstSchG tritt durch rechtzeitige Anzeige und Antragstellung unter Beifügung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen ein. Ob weitere, durch die Behörde generell oder im Einzelfall angeforderte Unterlagen vorgelegt werden, hat auf den Eintritt der Fiktion keinen Einfluss. (Rn. 13)
2. Die nach dem Prostituiertenschutzgesetz zuständige Behörde hat eine Erlaubnis nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG auch dann zu versagen, wenn die Prostitutionsstätte bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Sie ist selbst zur Prüfung dieser Frage berufen, hat aber bindende Vorentscheidungen der Bauaufsichtsbehörden zu beachten. (Rn. 22 – 28)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Ablehnung einer Erlaubnis für eine Prostitutionsstätte.
Die Antragstellerin betreibt seit August 2008 in der H. Straße … in …1 eine Prostitutionsstätte. Es handelt sich um eine im Hinterhaus gelegene Wohnung von etwa 95 m2 Größe, in der sich bei einer Kontrolle am 27.6.2018 zwei Prostituierte aufhielten. Bei der vorgelegten Behördenakte befindet sich ein „genehmigt“-gestempelter Gebäudeplan vom 23.2.1968 zur Erweiterung des bestehenden Wohnhauses, auf dem die betreffenden Räume als Wohnung ausgewiesen sind. Ein Aktenvermerk des Bauordnungsamtes der Antragsgegnerin vom 4.9.2018 hält fest, dass das Anwesen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liege. In der Umgebung befänden sich außer einer Firma für Dienstleistungen aller Art, einem Heizungsbauunternehmen und einem Pilspub ausschließlich Wohngebäude.
Die Antragstellerin zeigte die genannte Liegenschaft am 17.8.2017 bei der Antragsgegnerin als Prostitutionsstätte an und beantragte am 27.11.2017 unter Beifügung entsprechender Unterlagen eine Erlaubnis nach § 12 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Die Antragsgegnerin bescheinigte der Antragstellerin mit Bescheid vom 18.8.2017 den Eingang der Anzeige und wies sie darauf hin, dass die Fortführung des Prostitutionsgewerbes bis zur Entscheidung über den Antrag als erlaubt gelte. Mit Schreiben vom 13.11.2019 teilte sie der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag abzulehnen.
Mit Bescheid vom 23.12.2019, zugestellt am 10.1.2020, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG für die genannte Prostitutionsstätte ab (Nr. 1) und untersagte deren weiteren Betrieb (Nr. 2). Zugleich wurde der Antragstellerin aufgegeben, den Betrieb der Prostitutionsstätte binnen zwei Wochen nach Zustellung (bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung: nach Bestandskraft des Bescheids) einzustellen (Nr. 3). Weiter ordnete die Behörde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 bis 3 an (Nr. 4) und drohte der Antragstellerin hinsichtlich der Verpflichtung in Nr. 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,– EUR an (Nr. 5). Darüber hinaus erlegte sie der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens in Höhe von 500,– EUR auf (Nr. 6 und 7).
Zur Begründung stellt der Bescheid auf § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG ab. Hiernach müsse die Erlaubnis versagt werden, wenn die örtliche Lage der Prostitutionsstätte dem öffentlichen Interesse widerspreche, insbesondere wenn eine Gefährdung der Jugend zu befürchten sei. Die Prostitutionsstätte sei baurechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig. Ihr räumlicher Umgriff stelle sich als faktisches allgemeines Wohngebiet dar, in dem Prostitutionsstätten – auch solche der Wohnungsprostitution – bauplanungsrechtlich unzulässig seien. Sie könnten auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Zudem bestehe Sichtkontakt zu einem Kindergarten. Die Betriebsuntersagung in Nr. 2 des Bescheids beruhe auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) und sei in pflichtgemäßem Ermessen ergangen. Eine Frist von zwei Wochen zur Einstellung des Betriebs erscheine angemessen, weil für die Räume lediglich Kurzfristmietverträge für einzelne Tage oder längstens eine Woche abgeschlossen würden. Alle getroffenen Anordnungen seien auch verhältnismäßig, insbesondere weil die Rechtsvorschriften für das Prostitutionsgewerbe der Vermeidung schwerer Straftaten dienten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruhe auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es bestünden umfassende gesetzliche Anforderungen an die Betreiber von Prostitutionsstätten, die höchste Rechtsgüter wie die körperlichen Unversehrtheit und die Freiheit der Person schützten. Entsprechend habe die Allgemeinheit ein besonderes Interesse an rechtmäßigen Zuständen im Prostitutionsgewerbe. Auch müssten Wettbewerbsvorteile vermieden werden, die die Antragstellerin durch einen illegalen Betrieb einer Prostitutionsstätte erlangen könnte. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege daher das private Interesse, den genannten Prostitutionsbetrieb bis zum Abschluss einer gerichtlichen Prüfung ohne Erlaubnis weiter zu betreiben.
Die Antragstellerin hat am 20.1.2020 Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.12.2019 erhoben (RO 4 K 20.82) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie führt an, dass die ausgesprochene Sofortvollzugsanordnung formal rechtswidrig sei. Der angegriffene Bescheid verstoße aber auch gegen materielles Recht. Gemäß § 12 Abs. 7 ProstSchG blieben Erlaubnispflichten nach anderen Gesetzen, insbesondere nach den baurechtlichen Regelungen, unberührt. Diesen Grundsatz habe die Antragsgegnerin verletzt, indem sie über den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG hinaus bauplanungsrechtliche Belange in ihre Prüfung einbezogen und damit einen tatsächlich nicht bestehenden Versagungsgrund zugrunde gelegt habe. Im Übrigen bestehe der behauptete räumliche Zusammenhang zwischen dem Kindergarten und dem Betrieb der Antragstellerin nicht. Folglich könne eine Gefährdung der Jugend nicht angenommen werden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20.1.2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.12.2019 hinsichtlich der Nr. 1 bis 3, 6 und 7 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 5 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Eilantrags bestünden. Es sei fraglich, ob die Antragstellerin, die behördlich angeforderte Grundriss- und Lagepläne nicht bis 31.12.2017 vorgelegt habe, überhaupt von der Erlaubnisfiktion des § 37 Abs. 4 ProstSchG profitieren könne. Sei dies nicht der Fall, so greife der streitgegenständliche Bescheid nicht in Rechtspositionen der Antragstellerin ein, weshalb der Antrag unzulässig sei. Jedenfalls aber sei er unbegründet. Die Anordnung des Sofortvollzugs genüge den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Für die Entscheidung über die Erlaubnis habe die Antragsgegnerin die bauplanungsrechtliche Situation zugrunde legen dürfen. § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG stehe dem nicht entgegen, weil es dem öffentlichen Interesse widerspreche, eine baurechtlich unzulässige Prostitutionsstätte gewerberechtlich zu erlauben. Von der genannten Liegenschaft gehe, auch aufgrund ihrer Lage im Hinterhof, eine milieubedingte Unruhe durch Zu- und Abfahrten auch zur Nachtzeit aus, was als Belästigung für die Allgemeinheit qualifiziert werden müsse. Das langjährige Bestehen der Prostitutionsstätte stehe der Betriebsuntersagung nicht entgegen. Es liege kein faktischer Duldungszustand, sondern eine gesetzliche Neuregelung durch das Prostituiertenschutzgesetz vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Die Akte des Verfahrens RO 4 K 20.82 wurde beigezogen.
II.
Der Antrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
1. Das Eilrechtschutzbegehren der Antragstellerin ist als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Es fehlt dem Antrag insbesondere nicht deshalb die Statthaftigkeit, weil im hier vorliegenden Fall einer Versagungsgegenklage in der Hauptsache Eilrechtsschutz grundsätzlich über die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu gewähren ist (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 29). Denn die nach § 123 Abs. 5 VwGO grundsätzlich vorrangige Regelung des § 80 Abs. 5 VwGO kommt auch in Fällen der Versagungsgegenklage zur Anwendung, wenn durch die Ablehnung des Antrags der Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition bewirkt wird (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 80 Rn. 57). Eine solche Konstellation kann nach der Rechtsprechung der Kammer auch im Bereich des Prostituiertenschutzgesetzes vorliegen (VG Regensburg, B.v. 14.10.2019 – RO 4 S 19.1402 – nicht veröffentlicht; ebenso VG Köln, B.v. 21.2.2019 – 1 L 41/19 – juris Rn. 7 ff.). Voraussetzung hierfür ist, dass die betreffende Prostitutionsstätte bis zum Erlass des Ablehnungsbescheids nach § 37 Abs. 4 Satz 1, § 37 Abs. 2 ProstSchG als erlaubt gegolten hat.
Dies ist hier der Fall. Das Gericht kann in diesem Zusammenhang offen lassen, welche Auswirkungen der (unzutreffende) Hinweis im Bescheid vom 18.8.2017 hat, dass schon infolge der Anzeige die Fortführung des Prostitutionsgewerbes als erlaubt gelte. Denn entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die Voraussetzungen für den Eintritt der Fiktionswirkung vorliegend durch rechtzeitige Anzeige und Antragstellung eingetreten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Antragstellerin ihren Antragsunterlagen keine Grundrisse beigefügt hat. Zwar tritt die Erlaubnisfiktion nach § 37 Abs. 4 Satz 1 ProstSchG nur ein, wenn der eingereichte Antrag den Anforderungen des § 12 ProstSchG genügt (VG Köln, B.v. 21.2.2019 – 1 L 41/19 – juris Rn. 11). Notwendig ist damit nach § 12 Abs. 5 Satz 2 ProstSchG insbesondere auch die Vorlage des Betriebskonzepts, der weiteren erforderlichen Unterlagen und Angaben zum Nachweis der Erlaubnisvoraussetzungen sowie der Daten der handelnden Personen. Dem ist die Antragstellerin aber rechtzeitig nachgekommen. Einer Vorlage konkreter Grundrisse bedurfte es für den Eintritt der Fiktionswirkung nicht. Namentlich erlegen die Vorschriften des § 12 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 16 ProstSchG, auf die sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang beruft, der Antragstellerin keine entsprechende Verpflichtung auf. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin, die nach § 16 Abs. 2 oder § 12 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 ProstSchG erforderlichen Angaben nicht auch durch die vorgenommene textliche Darstellung machen konnte. Dass sich andererseits die Antragsgegnerin zu einer Entscheidung ohne Kenntnis entsprechender Grundrisse nicht in der Lage gesehen hat, steht dem Eintritt der Fiktionswirkung nicht entgegen. Denn der Gesetzgeber hat diese nach dem klaren Wortlaut des § 37 Abs. 4 Satz 1 ProstSchG nicht vom Willen der Behörde abhängig machen wollen. Es sollte gerade nicht in das Belieben der handelnden Ämter gestellt sein, die Erlaubnisfiktion durch Forderung zusätzlicher Unterlagen zu verhindern (vgl. BT-Drs. 18/8556 S. 101).
2. Der Antrag ist aber unbegründet. Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen (wenn diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist) oder wiederherstellen (wenn eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt). Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
Gemessen an diesen Maßstäben muss der Antrag ohne Erfolg bleiben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt den gesetzlichen Anforderungen (dazu a)). Eine summarische Prüfung der erhobenen Verpflichtungsklage ergibt, dass diese voraussichtlich zulässig, aber unbegründet sein wird. Entsprechend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aufschiebungsinteresse der Antragstellerin (dazu b)).
a) Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt den formellen Anforderungen. Insbesondere ist, anders als die Antragstellerin meint, dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan. Diese Begründungspflicht verlangt von der zuständigen Behörde, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids unter Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls darzustellen (BayVGH, B.v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356 – NVwZ-RR 2002, 646). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat unter anderem eine Warnfunktion für die handelnde Behörde. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters ihrer Anordnung bewusst wird und die konkret betroffenen Interessen sorgsam prüft und abwägt (BayVGH, B.v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797 – juris Rn. 2). Nichtssagende, formelhafte Wendungen reichen deshalb nicht aus. Allerdings genügt dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, dass die Behörde diese Interessenlage aufzeigt und deutlich macht, dass sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist. Dies kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem im weiteren Sinne auch der streitgegenständliche Bescheid gehört, in Betracht (BayVGH, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe ist die vorliegend zu prüfende Begründung ausreichend. Die Antragsgegnerin hat sich in genügender Weise auf die hier widerstreitenden Interessen der betroffenen Antragstellerin und der Allgemeinheit bezogen. Ihre Ausführungen lassen erkennen, dass sie sich mit dem konkreten Einzelfall ausreichend befasst und ihre Entscheidung im Hinblick darauf getroffen hat. Dies reicht – auch angesichts der im Sicherheitsrecht geltenden Erleichterungen – aus.
b) Die summarische Prüfung der erhobenen Versagungsgegenklage liefert das Ergebnis, dass diese voraussichtlich erfolglos sein wird. Die im Bescheid vom 23.12.2019 getroffenen Maßnahmen stellen sich als rechtmäßig dar. Dies gilt sowohl für die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG (dazu aa)), als auch für die Untersagungsverfügung in Nr. 2 des Bescheids und die Verpflichtung zur Einstellung des Betriebs (dazu bb)) sowie für die getroffenen Nebenentscheidungen (dazu cc)).
aa) Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Ablehnung des Antrags ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Prostitutionsstätte im Rahmen der §§ 12, 14 ProstSchG zu berücksichtigen ist (dazu aaa)). Sie hat auch rechtsfehlerfrei bejaht, dass die nach dem Prostituiertenschutzgesetz zuständige Behörde vorliegend selbst die Kompetenz zur Prüfung dieser Frage hatte (dazu bbb)). Ihr Ergebnis, dass die Prostitutionsstätte bauplanungsrechtlich unzulässig sei, trifft zu (dazu ccc)).
aaa) Die Antragsgegnerin hat ihrer Entscheidung fehlerfrei auch bauplanungsrechtliche Erwägungen zugrunde gelegt. Die Einwendung der Antragstellerin, dass diese im Verfahren nach dem Prostituiertenschutzgesetz nicht Prüfungsgegenstand seien, greift nicht durch.
Die Antragstellerin beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung zum einen auf § 12 Abs. 7 ProstSchG. Dieser bestimmt, dass Erlaubnis- oder Anzeigepflichten nach anderen Vorschriften, insbesondere nach den baurechtlichen Normen, unberührt bleiben. Dieser Regelung ist indes nicht zu entnehmen, dass die nach dem Prostituiertenschutzgesetz zuständige Behörde ihre Entscheidung nicht auch auf Gründe des Baurechts stützen könnte. Denn die Norm besagt ihrem Wortlaut nach nur, dass durch die Erlaubnis nach § 12 ProstSchG keine Konzentrationswirkung eintritt und daneben beispielsweise eine Baugenehmigung erforderlich sein kann. Dieser Inhalt ergibt sich auch aus der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 18/8556 S. 77). Dass mit der Norm eine Begrenzung des behördlichen Prüfungsmaßstabs beabsichtigt gewesen wäre, ist hingegen nicht erkennbar.
Die Antragstellerin stützt sich darüber hinaus auf die eingeschränkte Formulierung des § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG. In der Tat enthält dieser keinen generellen Verweis auf die baurechtlichen Anforderungen, sondern bestimmt, dass die Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz auch zu versagen ist, wenn das Betriebskonzept oder die örtliche Lage des Prostitutionsgewerbes dem öffentlichen Interesse widersprechen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich dadurch eine Gefährdung der Jugend oder schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes oder Gefahren oder sonstige erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lassen. Zwar böte der Wortlaut dieser Bestimmung in der Tat einen Anknüpfungspunkt dafür, die Prüfungskompetenz der zuständigen Behörde nach dem Prostituiertenschutzgesetz auf bestimmte Fragen der örtlichen Lage zu beschränken. Nicht übersehen werden darf aber, dass die in Halbsatz 2 der Vorschrift vorgenommene Aufzählung beispielhaften Charakter hat und nicht abschließend ist. Es bleibt schon danach dabei, dass sich der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG allgemein und uneingeschränkt auf die örtliche Lage bezieht. Die von der Antragstellerin vorgeschlagene Auslegung lässt sich im Übrigen nicht mit den vom Gesetzgeber verfolgten Absichten in Einklang bringen. Denn die Begründung (BT-Drs. 18/8556 S. 79) führt insoweit aus:
Eine Versagung der Erlaubnis hat auch zu erfolgen, wenn aufgrund des Betriebskonzepts des Prostitutionsgewerbes oder dessen örtlicher Lage eine Gefährdung der in Nummer 5 genannten Schutzgüter zu befürchten ist. Die Vorschrift ist dem § 4 Absatz 1 Nummer 3 des Gaststättengesetzes nachgebildet (vgl. zu dieser Vorschrift: BVerwG Urteil vom 17.10.1989 – 1 C 18/87).
Hier besteht von Seiten der Erlaubnisbehörde materieller Prüfungsbedarf, ob ein solcher Versagungsgrund vorliegt. Die Behörde kann sich zur Prüfung dabei gegebenenfalls bei den zuständigen Baubehörden informieren, und auf deren Prüfungen zu baunutzungs- und bauplanungsrechtlichen Belangen Bezug nehmen.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG eine zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Gaststättengesetz (GastG) gleichlaufende Regelung schaffen und die anerkannte Auslegung dieser Norm durch das Bundesverwaltungsgericht für das Prostituiertenschutzgesetz übernommen wissen wollte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung das Verhältnis zwischen gaststättenrechtlicher Erlaubnis und Baugenehmigung geklärt. Es hat festgehalten, dass ein Gaststättenbetrieb, der wegen seiner örtlichen Lage ganz oder teilweise den Vorschriften des Bauplanungsrechts widerspricht, zugleich dem öffentlichen Interesse im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG zuwiderläuft, weshalb die Gaststättenerlaubnis versagt werden muss (BVerwG, U.v. 17.10.1989 – 1 C 18/87 – NVwZ 1990, 559 f.). Aus den zitierten Teilen der Gesetzesbegründung folgt daher der Wille des Gesetzgebers, im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG eine Ablehnung des Antrags auch deshalb zu ermöglichen, weil die zur Genehmigung gestellte Prostitutionsstätte mit den bauplanungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist. Die Antragsgegnerin war folglich nicht gehindert, bauplanungsrechtliche Fragen zum Gegenstand ihrer Prüfung nach dem Prostituiertenschutzgesetz zu machen (ebenso Stühler, GewArch 2016, 129/135).
bbb) Die Versagung der Erlaubnis wird auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin als möglicherweise „sachnähere“ Behörde die Möglichkeit hätte, im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens eine Nutzungsuntersagung auszusprechen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht auch festgehalten, dass die feststellende Regelung der Baugenehmigung im gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren insoweit Bindungswirkung entfaltet, als Rechtsfragen betroffen sind, deren Beurteilung in die originäre Regelungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde fällt oder zu ihr zumindest den stärkeren Bezug aufweist (U.v. 17.10.1989 – 1 C 18/87 – NVwZ 1990, 559/560). Es hat aber zugleich ausgesprochen, dass bei Fehlen entsprechend bindender Vorentscheidungen die Gaststättenbehörde zur Prüfung der örtlichen Lage und damit auch des Bauplanungsrechts berufen ist. Eine bislang fehlende Baugenehmigung steht danach der Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis nicht entgegen. Die Gaststättenbehörde ist nach dieser Rechtsprechung an der Prüfung auch nicht deshalb gehindert, weil sie – anders als die Bauaufsichtsbehörde – baurechtliche Vorfragen nicht mit Bindungswirkung entscheiden kann.
Eine vergleichbare Konstellation liegt hinsichtlich des Bescheids vom 23.12.2019 vor. Die gegenwärtige Nutzung der Prostitutionsstätte ist baurechtlich nicht genehmigt. Es fehlt an bindenden Vorentscheidungen der Bauaufsichtsbehörde. Daher war die nach dem Prostituiertenschutzgesetz zuständige Behörde auch zu einer eigenständigen Prüfung baurechtlicher Vorfragen im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 5 ProstSchG berufen (vgl. Stühler, GewArch 2016, 129/135).
ccc) Die vor diesem Hintergrund zu prüfende Frage, ob Bauplanungsrecht verletzt ist, hat die Antragsgegnerin zu Recht bejaht. Weil die Prostitutionsstätte nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt, richtet sich ihre Zulässigkeit nach § 34 BauGB. Dabei hat die Antragsgegnerin den räumlichen Umgriff der Prostitutionsstätte zutreffend als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) qualifiziert. Denn in der Umgebung des Anwesens befinden sich ganz überwiegend Wohngebäude. Die Stellungnahme des Bauordnungsamtes nennt darüber hinaus noch einen Betrieb für Dienstleistungen aller Art, einen Pilspub und eine Firma für Heizungsbau. Diese örtlichen Gegebenheiten entsprechen den Vorgaben für das allgemeine Wohngebiet, das vorwiegend dem Wohnen dient. Zulässig sind hier neben Wohngebäuden unter anderem auch zur Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe. Damit bemisst sich die Zulässigkeit der Prostitutionsstätte nach § 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Bordelle und bordellähnliche Betriebe als Gewerbebetriebe einzuordnen (BVerwG B.v. 2.11.2015 – 4 B 32/15 – NVwZ 2016, 151; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2019, § 4 BauNVO Rn. 120). Als regelmäßig störende gewerbliche Nutzung stuft die höchstrichterliche Rechtsprechung auch die sogenannte Wohnungsprostitution ein. So hat das Bundesverwaltungsgericht für eine vermietete Wohnung im ersten Obergeschoss eines Gebäudes, in der ein bis zwei Prostituierte tätig sind, klargestellt, dass insoweit die für Bordelle und bordellähnliche Betriebe geltenden Anforderungen ebenfalls Anwendung finden (BVerwG, B.v. 28.6.1995 – 4 B 137/95 – NVwZ-RR 1996, 84). Dies gilt selbst dann, wenn die Prostitution mit einer Wohnnutzung in den selben Räumen verbunden ist. Zweifel können nach dieser Rechtsprechung allenfalls in dem hier nicht vorliegenden Fall bestehen, dass die Prostitution nur gelegentlich ausgeübt wird. Erfolgt die Vermietung hingegen zum Zweck der Ausübung der Prostitution, ist von gewerblicher und nicht von Wohnnutzung auszugehen.
Das streitgegenständliche Anwesen wird für Prostitutionszwecke vermietet und von etwa zwei Prostituierten genutzt. Die Nutzung verstößt nach den dargestellten Grundsätzen also gegen Bauplanungsrecht. Die Wohnungsprostitutionsstätte ist weder allgemein nach § 4 Abs. 2 BauNVO zulässig, noch kann sie wegen ihrer störenden Auswirkungen gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden. Die Antragsgegnerin hat die begehrte Erlaubnis nach § 12 ProstSchG daher zurecht versagt. Auf die Frage, ob wegen des in der Nähe befindlichen Kindergartens auch eine Gefährdung der Jugend zu befürchten ist, kommt es nicht an.
bb) Rechtmäßig ist in der Folge auch die in Nr. 2 des Bescheids vom 23.12.2019 ausgesprochene Untersagungsverfügung. Die Antragsgegnerin hat sich hierfür – weil eine spezielle Regelung im Prostituiertenschutzgesetz fehlt – zu Recht auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO gestützt (BayVGH, B.v. 29.3.2019 – 22 CS 19.297 – juris Rn. 18; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Oktober 2019, § 15 Rn. 12). Nach dieser Norm kann die Fortsetzung des Betriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung erforderlich ist, ohne eine solche betrieben wird. Diese Voraussetzungen sind mit der Ablehnung des Erlaubnisantrages nach § 12 ProstSchG gegeben. Zugleich hat die Behörde zutreffend erkannt, dass ihr im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO Ermessen zukam. Dass der Antragsgegner bei dessen Ausübung nach § 114 Satz 1 VwGO beachtliche Ermessensfehler unterlaufen wären, ist nicht ersichtlich.
Als rechtmäßige Anordnung stellt sich auch die Einstellungsverfügung in Nr. 3 des angegriffenen Bescheids dar, die sich ebenfalls auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO stützt. Die im Bescheid gewährte Frist von zwei Wochen zur Einstellung des Betriebs ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Bei der Behördenakte befinden sich Ablichtungen verschiedener Vereinbarungen zwischen der Antragstellerin und Prostituierten, die teils auf einzelne Tage, teils auf Zeiträume von einer bis zu zwei Wochen Dauer lauten. Sie sehen vor, dass der Vertrag jederzeit ohne Einhaltung irgendwelcher Fristen sofort beendet werden kann. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin den bisher laufenden Betrieb der Prostitutionsstätte binnen zweier Wochen tatsächlich abwickeln kann und die gewährte Frist ausreichend ist.
cc) Bedenken gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 5 des Bescheids und die behördliche Kostenentscheidung in Nr. 6 und 7 sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hält sich die Gebührenanforderung in dem von Nr. 7.VIII.1/6.1 Kostenverzeichnis gezogenen Rahmen.
3. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz. Das Gericht hat Nr. 1.5 und 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit seiner Entscheidung berücksichtigt.


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