Verwaltungsrecht

Versagung einer Heilpraktikererlaubnis wegen unzureichender heilkundlicher Kenntnisse und Fähigkeiten

Aktenzeichen  21 ZB 15.2367

Datum:
1.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
A&R – 2019, 288
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HeilPraktG aF § 1 Abs. 1
1. DV-HeilPraktG aF § 2 Abs. 1 S. 1 lit. i
AMG § 48
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an die Überprüfung der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Bewerbers um die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung als Arzt beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie nach § 2 Abs. 1 S. 1 lit. i der 1. DV-HeilPraktG aF. (Rn. 9 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn eine Verschreibung suchtrisikobehafteter Medikamente gem. § 48 AMG Ärzten vorbehalten ist, muss ein auf dem Gebiet der Psychotherapie tätiger Heilpraktiker über die Medikamenteneinnahme seines Patienten informiert sein und die Wirkungen eines Arzneimittels kennen, um bei Beschwerden des Patienten klären zu können, ob es sich um Krankheitssymptome, Nebenwirkungen oder vielleicht Entzugssymptome handelt (Bestätigung von VGH München BeckRS 1996, 15561). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der heilkundlich tätige Psychotherapeut muss in der Lage sein, seelische Erkrankungen zu erkennen, die auf eine Suizidgefahr hindeuten. Aus diesem Grund können von ihm auch Grundkenntnisse im öffentlichen Unterbringungsrecht und im Betreuungsrecht verlangt werden (Bestätigung von VGH München BeckRS 9998, 82684). Dem Bewerber um eine Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung als Arzt in der mündlichen Prüfung gestellte Fragen nach dem Begriff eines Betreuungsvereins, nach den zeitlichen Fristen einer Betreuung und nach einem Ausschluss der Betreuung im Fall eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Betreuer und Betreutem gehen über derartige Grundkenntnisse nicht hinaus. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nach der am 22.3.2018 in Kraft getretenen Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 lit. i der 1. DV-HeilPraktG ist die vor Erteilung der Erlaubnis vorzunehmende Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Bewerbers nunmehr ausdrücklich “auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern” durchzuführen. Zudem ist mit der Neuregelung die Erlaubniserteilung auch dann ausgeschlossen, wenn die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die “ihn aufsuchenden Patientinnen und Patienten” bedeuten würde. Die damit bestimmten Anforderungen an die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten bleiben jedenfalls nicht hinter den Anforderungen zurück, die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung maßgebend waren. (Rn. 27 und 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 14.2614 2015-08-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Dem Kläger geht es darum, die Beklagte zur Erteilung der Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie zu verpflichten.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 beantragte der Kläger die Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie bei der Beklagten. Am 16. März 2011 bestand er den schriftlichen Teil der Prüfung. Die am 20. Juni 2011 absolvierte mündliche Prüfung wurde als „nicht bestanden“ bewertet.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Überprüfung keine ausreichenden heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten habe nachweisen können. Maßgeblich für das Nichtbestehen seien erhebliche Mängel auf folgenden Gebieten gewesen: Differentialdiagnostische Überlegungen im vorgelegten Fallbeispiel, diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf einschlägige Krankheitsbilder, Erstellen eines Behandlungskonzepts entsprechend der Diagnose, Grundkenntnisse im Unterbringungs- und im Betreuungsrecht.
Den Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2014 ab, nachdem eine weitere Überprüfung des Klägers am 7. August 2013 durch den Gemeinsamen Gutachterausschuss der Regierungen für den Vollzug des Heilpraktikergesetzes „Psychotherapie“ einstimmig zur Auffassung gelangt war, dass die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, eingeschränkt auf das Gebiet der nicht ärztlichen Psychotherapie durch den Kläger zu einer Gefährdung der Volksgesundheit führen würde.
Die Klage auf Erteilung der begehrten Erlaubnis hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. August 2015 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1.1 Das vom Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des Klägers abgewiesen und dazu auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (HeilprG a.F.) sowie der dazu ergangenen Durchführungsverordnung in der ebenfalls bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (1. DV-HeilprG a.F.) im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde. Das nach § 1 Abs. 1 HeilprG (a.F.) bestehende präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sei als subjektive Berufszulassungsschranke zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, die ein besonderes Gemeinschaftsgut darstelle, erforderlich und deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Erlaubnis werde nach § 2 Abs. 1 Buchst. i der 1. DVHeilprG (a.F.) dann nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergebe, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Bewerber müssten, um nicht die Volksgesundheit zu gefährden, ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung der angestrebten heilkundlichen Tätigkeit gegenüber der den Ärzten vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen besitzen. Sie müssten ferner auch ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf das einschlägige Krankheitsbild haben. Die Bewertung der vom Kläger gezeigten Leistungen (mündlich-praktischer Teil der Überprüfung am 20. Juni 2011) als nicht ausreichend begegne keinen rechtlichen Bedenken. Auch bei der im Widerspruchsverfahren durchgeführten zweiten mündlichen Kenntnisüberprüfung habe der Kläger keine ausreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten gezeigt.
1.1.1 Der Klägerbevollmächtigte wendet ein, das Verwaltungsgericht überdehne die Regelungen der Gefahrenabwehr, wenn es ausführe, die Heilpraktikererlaubnis bestärke den Patienten in gewisser Hinsicht in der Erwartung, sich in die Hände eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften zu begeben. Das Verwaltungsgericht definiere somit einen Standard für einen Anspruch auf Zulassung der Heilpraktikererlaubnis und verkenne, dass es sich bei der Erteilung der Heilpraktikererlaubnis nicht um einen Qualifikationsnachweis handele, sondern um „ein Negativ-Testat“, das lediglich feststellen solle, dass vom Heilpraktiker keine Gefahr für die Volksgesundheit ausgehe.
Das greift ersichtlich nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat keine dem § 2 der 1. DV-HeilprG (a.F) widersprechenden Anforderungen an die Überprüfung der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten formuliert, sondern unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 24.1.1990 – 7 B 89.1893 und B.v. 22.6.2009 – 21 BV 05.256 – jeweils juris.) dargelegt, dass für die Tätigkeit eines Heilpraktikers keine Fachprüfung stattfinde. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht des Weiteren ausgeführt, dass an einen Bewerber nur die zum Schutz der Volksgesundheit notwendigen Mindestanforderungen gestellt werden dürfen und damit keine Kenntnisse und Fähigkeiten zu verlangen sind, welche die angestrebte heilkundliche Tätigkeit eines Heilpraktikers nicht berühren (UA, S. 7).
1.1.2 Mit dem Zulassungsantrag wird des Weiteren gerügt, das Verwaltungsgericht habe zwar selbst festgestellt, dass gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bewerber ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung heilkundlicher Tätigkeit gegenüber der den Ärzten vorbehaltenen heilkundlichen Tätigkeit besitzen müssten, um nicht die Volksgesundheit zu gefährden. Es habe dann aber insoweit den konkreten Sachverhalt nicht zutreffend gewürdigt. Der Kläger habe in den mündlichen Prüfungen jeweils eine klare Abgrenzung seiner Kompetenz zu der eines Arztes gezogen und in entsprechenden Fällen differentialdiagnostisch das Ausmaß der Erkrankung geprüft und zum Wohle des Patienten die Konsultation eines Arztes empfohlen. Zu keinem Zeitpunkt habe der Kläger eine Diagnose erstellt, die das Ausmaß der Erkrankung des Patienten nicht erkannt habe.
Das rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe zu Recht die differentialdiagnostischen Überlegungen des Klägers in Bezug auf einschlägige Krankheitsbilder als mangelhaft angesehen, wird durch den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2014 belegt, der insoweit insbesondere auf der ärztlichen Stellungnahme zur mündlichen Überprüfung des Klägers am 20. Juni 2011 und auf dem Ergebnisprotokoll der mündlichen Überprüfung durch den Gemeinsamen Gutachterausschuss der Regierungen für den Vollzug des Heilpraktikergesetzes (Psychotherapie) am 7. August 2013 beruht. Danach habe der Kläger am 20. Juni 2011 zu einem ihm vorgelegten Fall zwar mehrere Verdachtsdiagnosen genannt. Diese seien aber im ICD-10-Klassifikationssystem so nicht vorhanden oder seien in Bezug auf das Fallbeispiel nicht zutreffend gewesen. Der Kläger habe die von ihm angegebene Angststörung nicht präzisieren können und die im Fallbeispiel mit zahlreichen vegetativen Symptomen sehr typisch geschilderte Panikstörung nicht erkannt. Dem Gemeinsamen Gutachterausschuss Psychiatrie sei beizupflichten, soweit er vor allem auf das Erfordernis ausreichender eigener diagnostischer Fähigkeiten des Heilpraktikers hinweise und klarstelle, dass es gerade nicht genüge, bei Erkennen einer schweren Störung um Hilfe suchende Patienten pauschal an Fachärzte zu verweisen. Nur mit den zu überprüfenden (erforderlichen) Kenntnissen und Fähigkeiten zeige der Heilpraktiker, dass die Ausübung der Heilkunde durch ihn keine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.
Der Zulassungsantrag setzt sich damit nicht konkret auseinander und kann schon aus diesem Grund keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils wecken.
1.1.3 Der Klägervertreter kann auch nicht mit dem Vorbringen durchdringen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass an den Kläger als Prüfungskandidaten überzogene Anforderungen gestellt worden seien.
Der Einwand, der Kläger habe nicht nach Suchtrisiken von Medikamenten gefragt werden dürfen, greift nicht durch. Auch wenn eine Verschreibung solcher Mittel gemäß § 48 AMG ausdrücklich Ärzten vorbehalten ist, muss ein auf dem Gebiet der Psychotherapie tätiger Heilpraktiker über die Medikamenteneinnahme seines Patienten informiert sein und die Wirkungen eines Arzneimittels kennen, um bei Beschwerden des Patienten klären zu können, ob es sich um Krankheitssymptome, Nebenwirkungen oder vielleicht Entzugssymptome handelt (vgl. BayVGH, U.v. 20.11.1996 – 7 B 95.3170 – BeckRS 1996, 15561).
Das Vorbringen, die von der Beklagten verlangten Kenntnisse hinsichtlich Unterbringungs- und Betreuungsrecht seien völlig überzogen gewesen, trifft nicht zu. Auch der heilkundlich tätige Psychotherapeut muss in der Lage sein, seelische Erkrankungen zu erkennen, die auf eine Suizidgefahr hindeuten. Aus diesem Grund können von ihm auch Grundkenntnisse im öffentlichen Unterbringungsrecht und im Betreuungsrecht verlangt werden (so bereits BayVGH, U.v. 7.8.1995 – 7 B 94.4171 – juris Rn. 29). Die dem Kläger in der mündlichen Prüfung hierzu gestellten Fragen nach dem Begriff eines Betreuungsvereins, nach den zeitlichen Fristen einer Betreuung und nach einem Ausschluss der Betreuung im Fall eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Betreuer und Betreutem (Vgl. Blatt 37 f. der beigezogenen Verfahrensakte der Regierung von Oberbayern) gehen über diese Grundkenntnisse nicht hinaus.
1.1.4 Im Rahmen der Grundsatzrüge macht der Klägerbevollmächtigte der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend, indem er ausführt: Das Verwaltungsgericht habe die Ergebnisse der vom Kläger bestandenen schriftlichen Prüfung unberücksichtigt gelassen und so ein fehlerhaftes Verständnis des Heilpraktikergesetzes offenbart. Zudem habe das Verwaltungsgericht die Therapie- und Methodenfreiheit für Heilpraktiker ignoriert. Diese führe dazu, dass dem Kläger als Prüfungskandidat grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum hinsichtlich der von ihm gewählten Therapie und Methoden eröffnet sei.
Daraus ergibt sich nichts zugunsten des Klägers.
Nach der zum Heilpraktikergesetz (a.F.) und zur Ersten Durchführungsverordnung (a.F.) ergangenen Vollzugsbestimmungen vom 27. Januar 2010 (AllMBl 2010, 21) besteht die Kenntnisüberprüfung aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil; bei Nichtbestehen eines Teils der Überprüfung gilt die gesamte Überprüfung als erfolglos abgelegt (Nr. 4.4.1 und 4.4.2 der Vollzugsbestimmungen). Nichts anderes ergibt sich aus den im Zeitpunkt der Kenntnisüberprüfung des Klägers vorhandenen „Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz“ des Bundesministeriums für Gesundheit vom 2. September 1992 (abgedruckt in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, Anlage zu DVO HeilprG). Nach Nr. 2.2 der Leitlinien entscheidet der Amtsarzt aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Überprüfung, ob beim Betroffenen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ausübung der Heilkunde durch diesen eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Es ist weder vorgetragen noch offensichtlich, dass diese Vollzugsbestimmungen und die genannten Leitlinien die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Heilpraktikeranwärters in einer Weise konkretisieren, die dem Heilpraktikergesetz oder der dazu ergangenen Durchführungsverordnung zuwiderlaufen.
Im Einklang mit den Vollzugsbestimmungen bzw. den Leitlinien kam die Amtsärztin auf der Grundlage der mündlichen Überprüfung am 20. Juni 2011 zu der Einschätzung, dass die Ausübung der Heilkunde eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie durch den Kläger angesichts seiner unzureichenden Kenntnisse zu einer Gefährdung der Volksgesundheit im Sinn des § 2 Abs. 1 Buchst. i der 1. DV-HeilprG (a.F.) führen würde. Die Mitglieder des Gutachterausschusses gelangten nach der erneuten mündlichen Überprüfung des Klägers am 7. August 2013 einstimmig zu der gleichen Bewertung (vgl. Bl. 122 u. 51 der beigezogenen Verfahrensakte der Regierung von Oberbayern).
Der Hinweis auf die Therapie- und Methodenfreiheit geht schon deshalb fehl, weil der Kläger in den mündlichen Überprüfungen schon erhebliche Defizite hinsichtlich seiner der Therapie- und Methodenwahl vorgelagerten Fähigkeit zeigte, eine berufsbezogene Diagnose zu stellen.
1.2 Die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.
Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72).
Dem genügt das Zulassungsvorbringen ersichtlich nicht, weil entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO schon keine konkrete Grundsatzfrage formuliert wurde.
1.3 Zugunsten des Klägers ergibt sich nichts daraus, dass § 2 Abs. 1 der 1. DV-HeilprG durch Art. 17 f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3191) geändert wurde. Mithin kann dahinstehen, ob für die Entscheidung über den Zulassungsantrag die Sach- und Rechtslage -im Zeitpunkt der Antragstellung (so für Anträge auf Berufszulassung Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 223) maßgebend ist oder – wie regelmäßig bei Verpflichtungsbegehren – die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Nach der ausweislich der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 9. Januar 2018 (BGBl I S. 126) am 22. März 2018 in Kraft getretenen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DV-HeilprG ist die vor Erteilung der Erlaubnis vorzunehmende Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Antragstellers nunmehr ausdrücklich „auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern“ durchzuführen. Zudem ist mit der Neuregelung die Erlaubniserteilung auch dann ausgeschlossen, wenn die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die „ihn aufsuchenden Patientinnen und Patienten“ bedeuten würde.
Die damit bestimmten Anforderungen an die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten bleiben jedenfalls nicht hinter den Anforderungen zurück, die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung maßgebend waren. Anlass für Gesetzesänderung war die Feststellung der Landesminister und Senatoren für Gesundheit, dass die Anforderungen an die Erlaubniserteilung nach dem Heilpraktikerrecht nicht mehr den Qualitätserfordernissen genügen, die aus Gründen des Patientenschutzes an die selbständige Ausübung der Heilkunde zu stellen sind. Das Bundesministerium für Gesundheit wurde deshalb aufgefordert, die bisher ohne gesetzliche Anordnung bei der Überprüfung der Heilpraktikeranwärter berücksichtigten „Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern“ vom 2. September 1992 zu überarbeiten und gegebenenfalls auszuweiten, um einerseits dem Patientenschutz besser gerecht zu werden und andererseits bessere Voraussetzungen für die Einheitlichkeit der Kenntnisüberprüfungen schaffen zu können. Aus diesem Grund wurde der Verbindlichkeitscharakter der Leitlinien erhöht. Eine zusätzliche Verbindlichkeit sollte dadurch erreicht werden, dass sich die Gefahrenabwehrprüfung nicht mehr nur auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung bezieht, sondern gezielt auch den einzelnen Patienten des Heilpraktikers in den Blick nimmt (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 142).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 4. August 2015 rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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