Verwaltungsrecht

Verweisung – Fortsetzungsfeststellungsklage nach Identitätsfeststellung

Aktenzeichen  B 1 K 17.313

Datum:
5.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46364
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52 Nr. 2, Nr. 3
BayPOG Art. 3 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Regelungen des § 52 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO finden auch auf die Fortsetzungsfeststellungsklage Anwendung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine teleologische Reduktion des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO bei einer Vielzahl einzelner Polizeidienststellen in unterschiedlichen Verwaltungsgerichtsbezirken scheidet angesichts seines Zwecks, dem Kläger einen für ihn örtlich leichter erreichbaren Gerichtsstand zu gewähren, aus.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Das Verwaltungsgericht Bayreuth erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht München.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer von der bayerischen Polizei durchgeführten Identitätsfeststellung.
Am 12.11.2016 reiste der Kläger mit weiteren Personen mit einem Reisebus aus dem Raum Niederbayern zur Versammlung „Tot sind nur jene, die vergessen werden“, einer Versammlung unter freiem Himmel, nach W. Die bayerische Polizei stoppte den Bus und führte auf der Autobahnraststätte M der A 93 (Regierungsbezirk O) eine Identitätsfeststellung sowie eine Durchsuchung nach gefährlichen Gegenständen der Businsassen durch.
Zur Bewältigung der Versammlungslage in W. am 12.11.2016 wurde beim Polizeipräsidium O. ein Polizeiführungsstab eingerichtet. Die Gesamteinsatzzuständigkeit für das Versammlungsgeschehen oblag dem stellvertretenden Leiter des Polizeipräsidiums O. Zur Durchführung der Kontrollen waren auch Beamte der IV. Bereitschaftspolizeiabteilung N. eingesetzt, die dem Polizeipräsidium O. zur Unterstützung zugeteilt waren.
Der Kläger erhob mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19.04.2017 Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte, die Rechtswidrigkeit seiner Identitätsfeststellung am 12.11.2016 festzustellen.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth äußerte mit Schreiben vom 27.09.2018 Zweifel an seiner örtlichen Zuständigkeit und gab den Beteiligten Gelegenheit, zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht München Stellung zu nehmen.
II.
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist nicht das Verwaltungsgericht Bayreuth, sondern das Verwaltungsgericht München zuständig, so dass der vorliegende Rechtsstreit dorthin zu verweisen ist.
1. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München ergibt sich aus § 52 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwGO. Hiernach ist bei Anfechtungsklagen, die nicht unter § 52 Nr. 1 oder 4 VwGO fallen, das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat, wenn der Verwaltungsakt von einer Behörde erlassen wurde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt.
a) Zwar ist für das Begehren des Klägers, (alleine) die Rechtswidrigkeit seiner Identitätsfeststellung festzustellen, die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog die statthafte Klageart (vgl. BeckOK, BayPAG, Art. 13 Rn. 26; BayVGH, B.v. 13.03.2017 – 10 ZB 16.965). Jedoch finden die Regelungen des § 52 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO auch auf die Fortsetzungsfeststellungsklage Anwendung, da letztere von der Anfechtungsklage abgeleitet wird (vgl. VG Freiburg, B.v. 03.06.2013 – 4 K 896/13 – juris, Rn. 3; VG Frankfurt an der Oder, B.v. 27.03.2013 – 6 K 1186/12 – juris, Rn. 2. f. m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, § 52 Rn. 8 und § 113 Rn. 97).
b) Die hier handelnde Behörde ist in jedem Fall für mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke, nämlich für das ganze bayerische Staatsgebiet, zuständig; auf die Frage, welcher Dienststelle der bayerischen Polizei (PP O., IV. Abteilung der Bereitschaftspolizei aus N. etc.) die Beamten angehörten, welche die streitgegenständliche Kontrolle durchgeführt haben, kommt es damit für die Frage des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts nicht an.
Zunächst ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 POG, dass Polizeibeamte in bestimmten Dienstbereichen eingesetzt werden, sie aber nach Art. 3 Abs. 1 BayPOG die Befugnis haben, die Aufgaben der Polizei im gesamten Staatsgebiet wahrzunehmen; sie werden im Einzelfall gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 BayPOG in den dort genannten Fällen auch außerhalb ihres Dienstbereichs tätig.
Hinzu kommt, dass im konkreten Fall eine explizit erklärte Zuständigkeit des Polizeipräsidiums O. gerade über den Regierungsbezirk O. hinaus gegeben war. Für die Anwendbarkeit von § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO ist es unerheblich, ob sich die Zuständigkeit der Behörde nur im konkreten Einzelfall begründet oder allgemein besteht; die Zuständigkeit kann auch ohne territoriale Anknüpfung sachlich oder personell umschrieben sein (BayVGH, B.v. 10.11.2011 – 12 C 11.1450 – juris, Rn. 11 m.w.N.). Wegen dieser Möglichkeit auch einer nur personellen Umschreibung einer Zuständigkeitsbegründung im Einzelfall ist es auch unschädlich, dass die Zuständigkeit für das gesamte Staatsgebiet nur den Polizeivollzugsbeamten, nicht aber etwa den Angestellten, einer Polizeidienststelle zukommt.
c) Das Gericht teilt nicht die Ansicht des Beklagten, wegen der Vielzahl der einzelnen Polizeidienststellen in den unterschiedlichen Verwaltungsgerichtsbezirken die Anwendbarkeit des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO teleologisch zu reduzieren und in der vorliegenden Konstellation nicht anzuwenden. Denn neben dem Zweck, die Konzentration von Verfahren bei einem Verwaltungsgericht zu vermeiden (vgl. BeckOK, VwGO, § 52 Rn. 12), verfolgt die Regelung des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO auch den Zweck, dem Kläger einen für ihn örtlich leichter erreichbaren Gerichtsstand zu gewähren (vgl. VG Würzburg, U.v. 18.03.2010 – W 1 K 09.1244 – juris, Rn. 15 m.w.N.). Letzterer Normzweck greift auch im vorliegenden Fall. Damit kann die Regelung des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO auch bei Verwaltungsakten von Polizeivollzugsbeamten zumindest teilweise den von ihr angestrebten Sinn und Zweck erfüllen. Eine teleologische Reduktion scheidet daher aus.
d) Der streitgegenständliche Verwaltungsakt – die der Identitätsfeststellung immanente Duldungsanordnung – wurde im Regierungsbezirk O1. erlassen, denn die in Rede stehende Kontrolle des Busses am 12.11.2016 fand nicht im Regierungsbezirk O., sondern im Regierungsbezirk O1. statt. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist dort erlassen, wo er ausgesprochen wird (vgl. BeckOK, VwGO, § 52 Rn. 12).
e) Da sich die Zuständigkeit des Polizeipräsidiums Oberfranken auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckte und der Kläger seinen Wohnsitz im Regierungsbezirk O. hat, ist nach § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayAGVwGO das Verwaltungsgericht München für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig. Der Rechtsstreit ist daher nach zuvor erfolgter Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG an das Verwaltungsgericht München zu verweisen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO)


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