Verwaltungsrecht

Vollziehung, Anfechtungsklage, Versorgung, Ermessensentscheidung, Verwaltungsakt, Sofortvollzug, Sperrwirkung, Wohnung, Anordnung, Vollziehbarkeit, Aussetzungsinteresse, Schusswaffen, Wirkung, Umgang, aufschiebende Wirkung, sofortige Vollziehung, aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  AN 15 S 20.2909

Datum:
30.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40004
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der am 30. Dezember 2020 erhobenen Klage gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 29. Dezember 2020 wird insoweit wiederhergestellt, als sich die Klage gegen das Verbot des Abbrennens bzw. Abschießens pyrotechnischer Gegenstände im Bereich der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks richtet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Feuerwerksverbot im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
Mit Allgemeinverfügung vom 29. Dezember 2020 ordnete die Stadt …an, dass im Zeitraum zwischen dem 31. Dezember 2020, 00:00 Uhr, und dem 1. Januar 2021, 24:00 Uhr, im gesamten Stadtgebiet … keine pyrotechnischen Gegenstände außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks mit sich geführt werden (Ziffer 1. a)), keine pyrotechnischen Gegenstände abgebrannt werden (Ziffer 1. b)) und keine pyrotechnische Munition mit Schusswaffen abgeschossen werden darf (Ziffer 1. c)). Hiervon ausgenommen wurden pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F1 im Sinne von § 3a des Sprengstoffgesetzes, der Einsatz von pyrotechnischen Gegenständen in Notfällen, Einsatzlagen und ähnlichen Ausnahmesituationen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Ziffer 2). Die Gültigkeit der Allgemeinverfügung wurde auf ab dem 31. Dezember 2020 um 00:00 Uhr bis zum 1. Januar 2021 um 24:00 Uhr festgesetzt (Ziffer 3). Auf die Begründung der Allgemeinverfügung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2020 sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Auf die Antragsbegründung wird Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin äußerte sich bisher nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
A.
Der Antragsgegner wendet sich ausweislich seines Antragsschriftsatzes vom 30. Dezember 2020 gegen die gesamte Allgemeinverfügung (§ 88 VwGO). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass er sich auch ausdrücklich gegen das Verbot des Mitsichführens und Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks wendet. Streitgegenstand des vorliegenden Antrags ist somit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die am 29. Dezember 2020 erlassene Allgemeinverfügung.
B.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist teilweise zulässig und begründet.
Gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt kraft Gesetzes bei den in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO aufgeführten Maßnahmen sowie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei Anordnungen der sofortigen Vollziehbarkeit.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen und in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, dessen sofortige Vollziehung angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen. In letztgenannter Variante überprüft das Gericht zunächst, ob die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspricht. Sodann trifft das Gericht bei beiden Varianten eine eigene originäre Ermessensentscheidung, wobei es unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung für den Sofortvollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO) bzw. für die aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Anordnung vornimmt (vgl. z.B. VG Ansbach B.v. 1.2.2018 – AN 9 S 17.02461 – juris).
1. Der Antrag ist nur teilweise zulässig.
1.1 Der Antrag ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, da in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung die sofortige Vollziehung angeordnet wurde.
1.2 Soweit sich der Antrag auf das Mitführen, Abbrennen bzw. Abschießen pyrotechnischer Gegenstände an öffentlichen Orten erstreckt, ist bereits die Zulässigkeit mangels Vorliegens eines Rechtsschutzbedürfnisses abzulehnen. Wie jedes gerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO das Vorliegen eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses. Dies ist dann nicht gegeben, wenn kein Bedürfnis für die Anrufung des Gerichts besteht bzw. wenn die gerichtliche Entscheidung von vornherein nutzlos ist (vgl. Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 80 Rn. 82). Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage, soweit sie sich auf die Aufhebung des Verbots pyrotechnische Gegenstände an öffentlichen Orten mitzuführen, abzubrennen bzw. abzuschießen bezieht, würde dem Antragsteller keinen zusätzlichen Nutzen bringen, da die Möglichkeit einer Verwendung der pyrotechnischen Gegenstände an öffentlichen Orten bereits aufgrund entgegenstehender Regelungen in der 11. BayIfSMV im Ergebnis nicht gegeben ist. Das Abbrennen von Feuerwerk stellt keinen triftigen Grund zum Verlassen der Wohnung im Sinne des § 2 Satz 1 11. BayIfSMV dar. Nach § 3 11. BayIfSMV ist der Aufenthalt außerhalb einer Wohnung zwischen 21 Uhr und 5 Uhr untersagt. Vom Wohnungsbegriff in § 3 11. BayIfSMV ist nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung, Kontakte zu unterbinden, wohl zwar das unmittelbar vom umschlossenen Wohnraum zugängliche (Garten-)Grundstück, nicht jedoch Gemeinschafts- und Begegnungsflächen umfasst, die von mehreren Wohnungsparteien gemeinsam genutzt werden können (BayVGH, B.v. 29.12.2020 – 20 CS 20.3139).
1.3 Soweit sich der Antrag gegen das Verbot, im privaten Raum pyrotechnische Gegenstände abzubrennen oder pyrotechnische Munition mit Schusswaffen abzuschießen richtet, ist die Zulässigkeit zu bejahen.
2. Die Sofortvollzugsanordnung begegnet in formeller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat die Antragsgegnerin, entsprechend den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, eine auf den Einzelfall abstellende und nicht nur formelhafte Begründung verwendet. Die Antragsgegnerin stellt einzelfallbezogen auf das öffentliche Interesse am effektiven Schutz von Gesundheit und Menschenleben ab und verweist auf die konkrete Situation der gegenwärtigen Corona-Pandemie.
3. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, ist das ein starkes Indiz für ein Überwiegen des behördlichen Vollzugsinteresses gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse. Erweist sich dagegen der Hauptsacherechtsbehelf im Wege summarischer Prüfung als erfolgreich, so besteht kein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Im Falle offener Erfolgsaussichten nach summarischer Prüfung ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BayVGH B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris; VG Ansbach B.v. 22.10.2015 – AN 9 S 15.01739 – juris).
3.1 Soweit der Antrag zulässig ist, d.h. soweit sich die Klage im Hauptsacheverfahren gegen das Verbot, im privaten Raum pyrotechnische Gegenstände abzubrennen oder pyrotechnische Munition mit Schusswaffen abzuschießen, richtet, geht das Gericht im Wege einer summarischen Prüfung von einem Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs aus, da keine hinreichende Rechtsgrundlage ersichtlich ist.
Ziel der Allgemeinverfügung ist, nach der insoweit eindeutigen Begründung, der Schutz von Gesundheit und Leben während der Silvesterfeierlichkeiten durch Aufrechterhaltung und Sicherstellung einer ärztlichen und pflegerischen Versorgung aller Patienten. Zudem soll die Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten verhindert werden.
Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Landesstraf- und Verordnungsgesetz dürfte wohl keine geeignete Rechtsgrundlage darstellen.
Es gilt insoweit zu berücksichtigen, dass die bundesrechtlichen Bestimmungen des Sprengstoffgesetzes (SprengG) und die hierzu erlassene Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) den Umgang mit Feuerwerkskörpern und anderen pyrotechnischen Gegenständen in Bezug auf feuerwerksspezifische Gefahren abschließend und grundsätzlich mit Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber regeln (vgl. hierzu OVG Lüneburg, B.v. 18.12.2020 – 13 MN 568/20 – juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 29.12.2020 – 20 CS 20.3139 Rn. 13).
Der BayVGH führt mit Beschluss vom 29.12.2020 (Az. 20 CS 20.3139) diesbezüglich aus:
„Das Sprengstoffgesetz betrifft sowohl den gewerblichen als auch den nicht gewerblichen Umgang mit pyrotechnischen Gegenständen. Es regelt auch deren Verwendung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SprengG, § 3 Abs. 2 Nr. 1 SprengG) und erfasst damit das Abbrennen von Feuerwerken. Denn pyrotechnische Gegenstände sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 SprengG u.a. Gegenstände, die Vergnügungszwecken dienen und in denen explosionsgefährliche Stoffe unter Ausnutzung der darin enthaltenen Energie Licht-, Schall-, Rauch-, Nebel-, Heiz-, Druck- oder Bewegungswirkungen erzeugen. § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG ermächtigt das Bundesministerium des Innern u.a. dazu, durch Rechtsverordnung zum Schutze vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen Dritter zu bestimmen, dass explosionsgefährliche Stoffe nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Dabei kann auch bestimmt werden, dass pyrotechnische Gegenstände nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten verwendet werden dürfen und dass die zuständige Behörde Ausnahmen hiervon zulassen bzw. zusätzliche Beschränkungen anordnen kann. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium des Innern Gebrauch gemacht durch Erlass der 1. SprengV. Durch diese bundesrechtlichen Vorschriften ist der Umgang mit Feuerwerk hinsichtlich der damit einhergehenden Explosionsgefahren sowie der damit verbundenen Lärmimmissionen als feuerwerkspezifischen Gefahren abschließend und mit Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber geregelt. Dies folgt aus Art. 71 GG. Nach dieser Verfassungsnorm haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Das Sprengstoffrecht ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Das vom Bund geschaffene Sprengstoffgesetz enthält keine Ermächtigung der Länder zu gesetzlichen Regelungen, insbesondere keine Verordnungsermächtigungen im Bereich des Sprengstoffrechts (HessVGH, U. v. 13.5.2016 – 8 C 1136/15.N – NVwZ-RR 2016, 874).
Dieser gesetzlichen Aufgabe folgend hat der Bundesminister des Inneren mit Zustimmung des Bundesrates die Dritte Verordnung zur Änderung der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz vom 18. Dezember 2020 (BAnz AT 21.12.2020 V1) erlassen und bestimmt, dass pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 dem Verbraucher im Jahr 2020 nicht überlassen werden dürfen. Als Grund führt der Verordnungsgeber hierzu aus (BR-Drucksache 765/20):
„An den vergangenen Jahreswechseln kam es immer wieder zu vielen, teils schweren Verletzungen im Zusammenhang mit Feuerwerkskörpern. Die Auslastung der Krankenhäuser, insbesondere der Notfallambulanzen, ist auch deswegen an diesen Tagen im Vergleich zum Rest des Jahres regelmäßig bereits ungewöhnlich hoch. Aufgrund des aktuellen Corona-Infektionsgeschehens sind Engpässe in der medizinischen Versorgung, insbesondere der zur Verfügung stehenden Krankenhausbetten kurz- und mittelfristig nicht auszuschließen. In Ergänzung zu vielen anderen Maßnahmen des Infektionsschutzes ist es daher aus Gründen des Gesundheitsschutzes auch geboten, diese Kapazitäten soweit wie möglich zu schonen und absehbare, erhebliche und vermeidbare Steigerungen des allgemeinen medizinischen Behandlungsbedarfs insbesondere in Krankenhäusern zu verhindern.“
Damit hat der Bund deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich hierbei nicht um eine Infektionsschutzmaßnahme, sondern um eine flankierende Maßnahme des Gesundheitsschutzes handelt. Nichts anderes gilt für ein Verbot des Abbrennens von Feuerwerk, denn das Verwenden von pyrotechnischen Gegenständen unterfällt ebenso dem Anwendungsbereich der §§ 20 ff. SprengV. Für das Jahr 2020 wurde deshalb ein generelles Verkaufsverbot für Silvesterfeuerwerk an Verbraucher eingeführt. Dies sollte eine notwendige weitere Maßnahme zur Bewältigung der Auswirkungen auf das Gesundheitswesen im Zusammenhang mit der fortschreitenden Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der hierdurch verursachten CoronavirusKrankheit-2019 (COVID-19) sein (BR-Drucksache 765/20). Ein allgemeines Verwendungsverbot im Zeitraum 31. Dezember 2020 und 1. Januar 2021 hingegen hat der Bundesverordnungsgeber – trotz der dazu bestehenden Ermächtigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG – nicht ausgesprochen und die Regelung des § 23 1. SprengV nicht geändert. Zudem kann nach § 24 Abs. 2 SprengV die zuständige Behörde allgemein oder im Einzelfall anordnen, dass pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind (Nr. 1), und der Kategorie F2 mit ausschließlicher Knallwirkung in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten (Nr. 2) auch am 31. Dezember und am 1. Januar nicht abgebrannt werden dürfen.“
Die Antragsgegnerin hat aber gerade keine Maßnahmen nach § 24 Abs. 2 SprengV getroffen, sondern allgemein unter Heranziehung des Art. 7 LStVG das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen mit Ausnahme von Gegenständen der Kategorie F1 und mit Ausnahme des Einsatzes von pyrotechnischen Gegenständen in Notfällen, Einsatzlagen und ähnlichen Ausnahmesituationen verboten.
Innerhalb des Sicherheitsrechts stellen sich unter Berücksichtigung vorstehender Erwägungen, insbesondere auch in Ansehung der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG dem Bundesverordnungsgeber eingeräumten Ermächtigung, die Regelungen des Sprengstoffrechts als dem allgemeinen landesrechtlichen Sicherheitsrecht gegenüber grundsätzlich abschließende Regelungen dar.
Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage hin zu einer infektionsschutzrechtlichen Grundlage scheidet wohl schon wegen einer damit einhergehenden Veränderung des Wesens der Allgemeinverfügung aus (vgl. NK-VwVfG/Sönke E. Schulz VwVfG § 47 Rn. 23; BeckOK VwVfG/Schemmer VwVfG § 47 Rn. 17 f.; BayVGH, B.v. 29.12.2020 – 20 CS 20.3139 Rn. 21). Die streitgegenständliche Verfügung hat gerade nicht die Zielsetzung der Bekämpfung spezifisch infektionsschutzrechtlicher Gefahren in Form der Verhinderung der Verbreitung ansteckender Krankheiten. Der angestrebte Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems beinhaltet ebenso wie die Verhinderung der Begehung von Ordnungswidrigkeiten schwerpunktmäßig eine sicherheitsrechtliche Zielsetzung und dürfte vor diesem Hintergrund auch nur auf Rechtsgrundlagen des Sicherheitsrechts zu stützen sein.
3.2 Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen überwiegt bezüglich des Verbotes, im privaten Raum pyrotechnische Gegenstände abzubrennen oder pyrotechnische Munition mit Schusswaffen abzuschießen, das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug der Allgemeinverfügung.
Zwar ist derzeit zweifelsohne von einer äußerst angespannten Situation des pandemischen Geschehens auszugehen, wie unter anderem dem Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 29. Dezember 2020 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-29-de.pdf? blob=publicationFile) zu entnehmen ist. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass das allgemeine Verkaufsverbot nach § 22 1. SprengV, die Ausgangsbeschränkungen gem. § 2 11. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung BayIfSMV, die nächtlichen Ausgangssperren nach § 3 11. BayIfSMV und das Versammlungsverbot nach § 5 Satz 3 11. BayIfSMV dazu führen werden, dass in einem wesentlich geringeren Umfang als in den vergangenen Jahren Feuerwerk abgebrannt werden wird und dass sich somit auch deutlich weniger feuerwerksbedingte Verletzungen als in den vergangenen Jahren ergeben werden.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der sich bezüglich des Verbotes für den privaten Raum im Wege der summarischen Prüfung ergebenden wohl überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache, überwiegt diesbezüglich das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
C.
Nach alledem war dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Allgemeinverfügung bezüglich des Verbotes für den privaten Raum somit stattzugeben, im Übrigen war, bezüglich des Verbotes für den öffentlichen Raum, der Antrag abzulehnen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der Eilantrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Streitwertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht ist.


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