Verwaltungsrecht

Vorherige Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der EU (hier: Griechenland)

Aktenzeichen  M 32 K 18.31577

Datum:
6.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39922
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
GRCh Art. 4

 

Leitsatz

Anerkannte Schutzberechtigte erhalten in Griechenland keine staatliche Hilfe. Dieser Befund widerlegt jedoch nicht die unionsrechtliche Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
I. Die Klage ist im Verpflichtungsbegehren unzulässig. Denn jedenfalls seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939) kann die auf der Grundlage der Tatbestände des § 29 Abs. 1 Nr. 1 – 5 AsylG vorgenommene Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig nur noch mit der Anfechtungsklage angegriffen werden; nach der gerichtlichen Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung ist das Bundesamt automatisch zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (siehe BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris; U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – juris; U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris).
II. Die Klage ist in dem im Verpflichtungsbegehren als Minus enthaltenen Kassationsbegehren unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1VwGO.
Das ergibt sich aus Folgendem (vgl. VG Cottbus, U.v. 6.10.2021 – 5 K 1855/18.A – juris):
1. Die Unzulässigkeitsentscheidung über den Asylantrag findet in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ihre Rechtsgrundlage. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist vorliegend der Fall. Nach Auskunft der griechischen Behörden wurde der Klägerin in Griechenland der Flüchtlingsstatus zuerkannt.
Liegen wie hier die geschriebenen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, kann eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus Gründen vorrangigen Unionsrechts gleichwohl ausgeschlossen sein. Das ist der Fall, wenn die Lebensverhältnisse, die einen Asylbewerber als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta zu erfahren; nach Art. 4 EU-GR-Charta darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 lit. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u.a. – juris und U.v. 19.3. 2019 – C-297/17 u.a. – juris; siehe auch BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris). Damit ist geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 EU-GR-Charta im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen (BVerwG a.a.O., juris Rn. 15). Etwaige systemische Mängel des Asylverfahrens im Mitgliedstaat der (Erst-)Anerkennung und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse für anerkannte Schutzberechtigte dort nicht den Bestimmungen der Art. 20 ff. der (Anerkennungs-)RL 2011/95/EU gerecht werden, ohne dass dies zu einer Verletzung von Art. 4 EU-GR-Charta führt, stehen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegen (BVerwG a.a.O., juris Rn. 16).
Ein Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta liegt hier nicht vor.
Gegen eine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der RL 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3. 2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 85) und dessen Umsetzung ins nationale Recht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient. Die Anwendung dieser Vermutung ist nicht disponibel, sondern zwingend (EuGH, U.v. 19. März 2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 41). Die zur Widerlegung dieser Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH a.a.O., juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die ein Asylantragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH a.a.O, juris Rn. 88). Angegebene individuellen Umstände eines Klägers bilden zwar Anlass zur eingehenderen Prüfung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 15. 12. 2020 – 7 A 11038/18 – juris Rn. 37), sind aber für sich genommen keine Grundlage für die Widerlegung der Vermutung. Sie stellen schon keine objektiven Angaben im oben genannten Sinne dar. Ferner kommt ihnen, zumal wenn sie mehrere Jahre zurückliegen, nur in begrenztem Umfang Erkenntniswert zu, keinesfalls führen sie zur einer Beweislastumkehr (BVerwG, B.v. 6.6. 2014 – 10 B 35.14 -, Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2). Selbst obergerichtlichen Urteilen zu Grunde liegenden Erkenntnisse büßen bereits nach dreieinhalb Jahren derart an Aussagekraft ein, dass sie nicht mehr zur Widerlegung der unionsrechtlichen Vermutung herangezogen werden können (so ausdrücklich OVG Lüneburg, B.v. 4.12.2020 – 10 LA 264/19 – juris Rn. 16).
Objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben, die die Vermutung widerlegen, insbesondere Auskünfte oder Berichte, liegen nicht vor.
Zunächst hat der UNHCR keine generelle Empfehlung ausgesprochen, Inhaber internationalen Schutzes nicht nach Griechenland zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen Empfehlung kommt besondere Bedeutung zu (VG Regensburg, U.v. 19.8.2021 – RO 11 K 20.31058 – juris). Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedsstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U.v. 30.5. 2013 – C-528/11 – juris).
Allerdings trifft es zu, dass zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland keine staatliche Hilfe erhalten. Die Maßnahmen des griechischen Staates beschränken sich nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vielmehr im Wesentlichen darauf, der Rückführung zuzustimmen, die Ankunft des Betroffenen am Flughafen Athen zu bestätigen und Informationen zur nächsten Ausländerbehörde zu erteilen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018). Dieser Befund widerlegt jedoch im Falle der Klägerin nicht die unionsrechtliche Vermutung. Die auf diesem Befund gegründete Prognose findet nämlich in den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen keine Bestätigung:
a. Dies gilt zunächst für die Gefahr der Obdachlosigkeit. Gegen diese Gefahr spricht bereits ganz entscheidend, dass objektive Berichte, wonach Obdachlosigkeit bei anerkannt Schutzberechtigten massenhaft oder auch nur vermehrt auftritt, nicht existieren. Im Gegenteil weist die Deutsche Botschaft in Athen darauf hin, dass Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen und Migranten in Athen trotz der fehlenden staatlichen Unterstützung kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt („Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021“ Seite 2f.). An ihrem gleichlautenden Bericht zur Lage im Jahre 2018 (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018) hält die Deutsche Botschaft in Athen unter ausdrücklichem Hinweis darauf fest, dass auch nach September 2020 (Brand in Moria auf Lesbos) keine Veränderung feststellbar ist (Deutsche Botschaft a.a.O. Seite 3). Ein solcher Missstand müsste indes angesichts 68.000 als schutzberechtigt Anerkannter, die in Griechenland leben (Zahl für 2019: Quelle Eurostat), offen zu Tage treten. Die Berichterstattung darüber, dass mehrere Hundert Migranten auf dem V. Platz im Zentrum Athens kampierten (Ärzte ohne Grenzen vom 14. Juli 2020: „Regierung treibt Tausende Flüchtlinge gezielt in die Obdachlosigkeit“; Financial Times vom 20. Juli 2020: „Europe shows a Janus face to migrants“; Keep Talking Greece vom 15. Juni 2020: „Recognized Refugees:From the islands Hotspots, Homeless in Athens“), widerlegt diese Einschätzung nicht, sondern bestätigt sie. Sie zeigt, dass Obdachlosigkeit unter den Migranten nicht unbemerkt bleibt, sondern von der Berichterstattung sofort aufgegriffen wird und erlaubt deshalb den Rückschluss, dass das Fehlen von Berichten über andernorts nicht lediglich vereinzelt auftretende Obdachlosigkeit nicht auf mediales Desinteresse, sondern darauf zurückgeht, dass Obdachlosigkeit von Migranten nicht in Erscheinung tritt. Im Übrigen ist den Berichten zu entnehmen, dass die dort befindlichen Personen darauf verzichtet haben sollen, eine Unterkunft im Rahmen des sog. „Helios-Programms“ zu beantragen (Keep Talking Greece vom 15. Juni 2020: „Recognized Refugees:From the islands Hotspots, Homeless in Athens“), sie letztlich aber in Notunterkünfte (Financial Times vom 20. Juli 2020: „Europe shows a Janus face to migrants“) bzw. in staatliche Flüchtlingseinrichtungen (Laiona, Skaramangas, Schisto und Amygdaleza) gebracht worden sind (Deutsche Botschaft in Athen a.a.O: Seite 3). Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, mit dem Auswärtigen Amt davon auszugehen, dass zurückkehrenden Schutzberechtigten ungeachtet des Fehlens staatlicher Unterbringungsmöglichkeiten jedenfalls informelle Möglichkeiten der Unterkunftsfindung durch eigene Strukturen und durch Inanspruchnahme landsmännischer Vernetzung zur Verfügung stehen (so ausdrücklich Deutsche Botschaft a.a.O. Seite 3 und Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018). Schließlich weist auch der Liaisonbeamte des Bundesamtes in Griechenland darauf hin, dass die Obdachlosigkeit durch das Anwachsen sozialer Strukturen der Flüchtlinge erfolgreich zurückgedrängt werden konnte (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019). Inhaber internationalen Schutzes auf derartige informelle Unterkunftsmöglichkeiten zu verweisen, verstößt auch nicht gegen Art. 3 EMRK oder Art. 4 EU-GR-Charta (so auch VG Potsdam, Gerichtsbescheid vom 8.6.2020 – 11 K 1087/20.A – Seite 9 des Entscheidungsabdrucks). Denn eine eigene, dauerhaft zur alleinigen Verfügung stehende Wohnung ist nicht erforderlich, wenn durch den Zugang zu wechselnden Unterkünften Obdachlosigkeit hinreichend sicher vermieden werden kann; auch Sammel- oder Lagerunterkünfte, die ein sicheres, witterungsfestes Obdach bieten und auch sonst eine menschenwürdige Unterkunft gewährleisten, sind nicht ausgeschlossen (BVerwG, U.v. 18. 2. 2021 – 1 C 4.20 – juris Rn. 37).
Ob etwas Anderes für den Fall anzunehmen wäre, dass anerkannt Schutzberechtigte gezwungen wären, in illegal besetzten Häusern ohne Zugang zu Wasser und Strom unterzukommen, kann dahinstehen. Dass nämlich diese Art der Unterbringung für Rückkehrer im Regelfall tatsächlich die einzig verbleibende Option darstellt, lässt sich den vorliegenden Erkenntnissen zur Überzeugung des Gerichts schon nicht entnehmen. Der griechische Flüchtlingsrat und Pro Asyl mögen in ihren Stellungnahmen zwar Entsprechendes nahelegen (vgl. Greek Council for Refugees, Report to the UN Committee on economic, social and cultural rights in view of its 55th session, 8. Januar 2015; Pro Asyl, a.a.O.); objektive und hinreichend aktuelle Anhaltspunkte für diese Einschätzung benennen sie indes – wie dargestellt – nicht. Fest steht letztlich lediglich, dass es informelle Wohnprojekte in Form besetzter Gebäude, z.B. ehemaliger Schulen und Krankenhäuser, in Athen und Thessaloniki gibt, in denen sich Migranten Obdach außerhalb des offiziellen Unterkunftssystems geschaffen haben (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Greifswald vom 26. September 2018; ekathimerini.com, Protest in central Athens over Exarchia squat evictions, 14. September 2019, abrufbar unter: http://www.ekathimerini.com/244537/article/ekathimerini/news/protestincentralathensoverexarchiasquatevictions). Es steht auch nicht fest, dass es sich bei den dort aufhältigen Personen um anerkannte Schutzberechtigte handelt. Das Auswärtige Amt vermutet jedenfalls, dass die betroffenen Personen mehrheitlich nicht über einen Schutzstatus verfügen (Auswärtiges Amt, a.a.O.). Besteht danach aber schon kein hinreichender Grund für die Annahme, dass es sich bei den in besetzten Häusern untergekommenen Migranten (mehrheitlich) überhaupt um anerkannt Schutzberechtigte handelt, so verbietet sich erst Recht der Schluss, anerkannt Schutzberechtigte seien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gezwungen, auf diese Art der Unterkunft zurückzugreifen, sofern sie nicht auf der Straße leben wollten. Soweit besetzte Häuser in Athen polizeilich geräumt werden, werden im Übrigen die dort lebenden Migranten anschließend in Flüchtlingsunterkünften auf dem Festland untergebracht (Deutsche Botschaft in Athen a.a.O. Seite 3).
Berücksichtigt man zudem, dass auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen bei der Wohnungsfindung unterstützen und teilweise selbst Wohnraum anbieten (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Chemnitz vom 1. Februar 2019; Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018; für eine Übersicht der Hilfsorganisationen vgl. auch https://saferefugees.info/speciality/acommodation), erscheint es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der nicht in besonderer Weise schutzbedürftige Kläger im Falle einer Überstellung nach Griechenland nicht in der Lage sein wird, sich unter eigenverantwortlicher Inanspruchnahme der Hilfe von Nichtregierungsorganisationen oder informelle Netzwerke eine Unterkunft zu beschaffen, mag diese auch hinter dem in Deutschland üblichen Standard zurückbleiben.
Der wiederholt bestätigte Befund der Deutschen Botschaft in Athen, wonach massenhaft oder auch nur vermehrt auftretende Obdachlosigkeit bei anerkannt Schutzberechtigten weder durch Augenschein noch auf Grund von Berichten feststellbar ist, lässt sich nicht mit dem bloßen Hinweis darauf entkräften, dass es in Griechenland überhaupt Obdachlose gibt (a.A. wohl OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, U.v. 21. 1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris Rn. 42 f). Soweit für das ca. 3,1 Mio Einwohner zählende Athen von schätzungsweise 1500 Obdachlosen im Jahre 2019 berichtet wird (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen a.a.O.) zeigt der Vergleich mit Berlin (ca. 3,7 Mio. Einwohner), dass die Obdachlosigkeit ein allgemeines Phänomen großer Städte ist und deshalb für sich genommen keinen Rückschluss auf eine Verletzung von international Schutzberechtigten in ihrem Recht aus Art. 4 EU-GR-Charta zulässt. Vielmehr tritt sie auch in Ländern mit einem staatlichen Anspruch auf Obdach auf. So wurden in Berlin unter ungleich schwierigeren klimatischen Verhältnissen in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2020 knapp 2000 Obdachlose gezählt (vgl. statista.com), wobei die Schätzungen von 6000 bis 0000 Personen ausgehen (vgl. Tagesspiegel vom 7. Februar 2020). Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die zur Obdachlosigkeit in Athen herangezogenen Medienberichte entweder vorwiegend (vgl. fm4.orf.at. vom 4. Februar 2018 „Obdachlosigkeit in Athen“) oder ausschließlich (vgl. z.B. TAZ vom 1. August 2019: „Obdachlosigkeit in Griechenland“) Schicksale von griechischen Staatsbürgern beschreiben. Dabei wird auch berichtet, dass sich die zahlenmäßige Zusammensetzung der Obdachlosen im Vergleich zu vergangen Jahren, als weit über die Hälfte Obdachloser Ausländer gewesen waren, zuungunsten griechischer Staatsbürger stark verändert hat. Einen Hinweis darauf, ob unter den Ausländern auch Inhaber internationalen Schutzes zu finden sind, fehlen gänzlich. Auch soweit der angeführte Bericht der Griechenland-Zeitung vom 12. Juli 2018 „Obdachlose: Im Durchschnitt männlich, bis 44 Jahre alt“ von 793 Obdachlosen in Athen spricht, handelt es sich ausschließlich um Zahlen betreffend griechische Staatsbürger (vgl. Deutsche Botschaft Athen, „Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021“ Seite 3).
Unter dem Blickwinkel eines realen Risikos für anerkannt Schutzberechtigte im Fall einer Abschiebung obdachlos zu werden, lässt sich die unionsrechtliche Vermutung auch nicht auf Grund der übrigen Erkenntnismittel widerlegen. Soweit dies in der Rechtsprechung anders gesehen wird (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O. unter Hinweis auf VG Aachen, U.v. 6.5.2020 – 10 K 1722/18.A – juris Rn. 112; VG Magdeburg, U.v. 10.10.2019 – 6 A 390/19 – juris, und vom 30.8.2019 – 8 A 239/18 – juris; VG Köln, U.v. 28.11. 2019 – 20 K 2489/18.A – juris), beruht diese Einschätzung im Wesentlichen auf Stellungnahmen von Pro Asyl zu den Lebensbedingungen von Inhabern internationalen Schutzes, in denen der Eindruck vermittelt wird, dass anerkannt Schutzberechtigte in Griechenland regelmäßig gezwungen seien, auf der Straße oder in verlassenen Gebäuden ohne Zugang zu Wasser und Strom zu leben (vgl. Stiftung Pro Asyl, Stellungnahmen Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland vom 23. Juni 2017 und vom 30. August 2018 sowie Fallstudie vom 4. Januar 2019; vgl. auch AIDA, Länderbericht Griechenland, Update 2018, S. 185/186). Diese Schlussfolgerung der Stiftung beruht indes offenbar ausschließlich auf Gesprächen, die Mitarbeiter mit betroffenen Schutzberechtigten geführt haben. Bei diesen subjektiven Erfahrungsberichten dürfte es sich schon nicht um objektive Erkenntnisse handeln. Insbesondere wurden diese nicht verifiziert. Zudem entbehren sie einer tragfähigen Begründung für die Repräsentativität der angeführten Einzelschicksale. So sind in der Stellungnahme zu den Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter vom 23. Juni 2017 Auszüge aus Interviews mit insgesamt neun international Schutzberechtigten (und ihrer Familien) und in der Fallstudie vom 4. Januar 2019 eine Familie als Beispiel aufgeführt. Schon angesichts dessen, dass der UNHCR zum Ende des Jahres 2018 von 44.500 Flüchtlingen und Migranten auf dem Festland Griechenlands ausging, die seit dem Jahr 2015 in Griechenland eingetroffen sind (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 26. September 2018), lassen diese Berichte kaum den Schluss zu, dass allen Rückkehrern ungeachtet einer besonderen Schutzbedürftigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein entsprechendes Schicksal droht; zumal es sich bei den befragten Personen teilweise um Familien mit kleinen Kindern handelte, die ohnehin besondere Schwierigkeiten bei der Unterkunftsfindung haben dürften. Hinzu kommt, dass auch die von Pro Asyl begleiteten Schutzberechtigten zwar angegeben haben, keinerlei staatliche Unterstützung erhalten zu haben. Dass sie deshalb (dauerhaft) auf der Straße bzw. in verlassenen Häusern ohne Zugang zu Wasser und Strom leben mussten, behaupten sie indes selbst nur vereinzelt. Vielmehr scheinen Mehrere bei Freunden untergekommen zu sein (vgl. Pro Asyl, Stellungnahme Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, 23. Juni 2017, S. 30 ff.).
b. Die unionsrechtliche Vermutung für ein mit Art. 4 der EU-GR-Charta konformes Existenzminimum wird auch mit Blick auf die elementarsten Bedürfnisse nach Ernährung und Hygiene nicht widerlegt.
Grundsätzlich gilt für anerkannte Schutzberechtigte die Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen und EU-Bürgern mit Aufenthaltsrecht in Griechenland, d.h. dass sie nach Anerkennung weitgehend selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen (Deutsche Botschaft in Athen a.a.O. Seite 1). Anerkannt Schutzberechtigte, die das Land verlassen haben, sind aber jedenfalls in den ersten Jahren nach ihrer Rückkehr faktisch von jedweden Wohlfahrtsleistungen ausgeschlossen. Auch erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin in der Anfangsphase allein durch Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen erzielen kann, um ihr Existenzminimum zu sichern. Die Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbstätigkeit in Griechenland ist generell schwierig. Zwar steht der Zugang zum Arbeitsmarkt rechtlich allen dauerhaft und legal im Land lebenden Personen, also auch anerkannt Schutzberechtigten, offen. Aufgrund der hohen allgemeinen Arbeitslosigkeit (16,9% im zweiten Quartal 2019) haben zurückkehrende Schutzberechtigte aber faktisch schlechte Chancen, in Griechenland Arbeit zu finden (Deutsche Botschaft in Athen a.a.O. Seite 6).
Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gesunde und erwerbsfähige Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann es mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch unter Inanspruchnahme vorhandener Hilfsangebote nicht schaffen wird, sich in Griechenland mit den Nötigsten zu versorgen, um die elementarsten Bedürfnisse der Familie zu befriedigen. Es ergibt sich (auch) aus den vorliegenden Erkenntnisquellen, dass Schutzberechtigte eine Versorgung mit den nötigsten Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs voraussichtlich zunächst über Hilfsorganisationen werden sicherstellen müssen, wenn ihnen eigene finanzielle Mittel nicht zur Verfügung stehen werden. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass in Griechenland mit Schwerpunkt in Athen und Thessaloniki, wo auch die meisten Schutzberechtigten leben, zahlreiche internationale und lokale Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Hilfswerke aktiv sind, die Unterstützungsleistungen anbieten. Ihre Unterstützung ist von überragender Bedeutung (Deutsche Botschaft a.a.O. Seite 3 f). Sie helfen bei der Beschaffung der für die Beantragung von Sozialhilfe erforderlichen Dokumente, bieten Sprachkurse an, und unterstützen bei der Arbeitssuche. Viele Nichtregierungsorganisationen unterhalten zudem Suppenküchen, in denen Bedürftige – auch anerkannt Schutzberechtigte – warme Mahlzeiten erhalten. Diese Hilfsmaßnahmen, bei denen kein Grund für die Annahme besteht, dass sie die Klägerin nicht wird in Anspruch nehmen können, bilden ein „elementares Auffangnetz gegen Hunger und Entbehrungen“ (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Schwerin vom 26. September 2018). Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich die griechische Wirtschaft mittlerweile erholt und die bisherige Prognose von 3,6% Wachstum für das Jahr 2021 auf 5,9 korrigiert wurde (vgl.tagesschau.de. Bericht vom 16. September 2021, „Kommt „der Aufschwung für alle“?“). Insbesondere die Tourismusbranche erlebt eine wachsende Nachfrage (vgl. DW, Bericht vom 28. August 2021, „Hat sich der Tourismus in Griechenland erholt?“). Im Vergleich zum Vorjahr erzielten die griechischen Tourismus-Unternehmen im zweiten Quartal des laufenden Jahres ein Umsatzplus vom 766% (GriechenlandZeitung, Bericht vom 17. September 2021, „Griechenlands Tourismus-Branche kann im Corona-Jahr 2021 aufatmen“). Damit entsteht Nachfrage auch nach ungelernten Arbeitskräften.
Diese durch den wirtschaftlichen Aufschwung entstehenden Chancen zu ergreifen, kann von der Klägerin und ihrem Ehemann erwartet werden. Im Übrigen ist die Zahl ankommender Asylantragsteller in Griechenland mit der Folge drastisch gesunken, dass hierdurch weder die Leistungsfähigkeit der Hilfsorganisationen gefährdet noch die die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes zusätzlich belastet werden. Sind allein im vierten Quartal des Jahres 2015 419.268 Asylsuchende per Boot in Griechenland angekommen, lag die Zahl dieser Einreisen im ersten Quartal 2020 bei ca. 5.500 und im Mai 2020 bei 228 (vgl. statista.com). Im gesamten Zeitraum vom September 2020 bis September 2021 wurden lediglich 2930 Bootsflüchtlinge gezählt (vgl. statista.com). Auch die Zahl der Asylanträge ist erheblich zurückgegangen und lag im ersten Quartal 2020 unter 20.000. In der Folgezeit hat sich dieser Trend erheblich verstärkt. So wurden vom Juni 2020 bis Juni 2021 nurmehr rund 2295 Asylbewerber registriert (vgl. statista.com).
Parallel zum drastischen Rückgang neuer Asylantragsteller nimmt die Sekundärmigration aus Griechenland stark zu. Eine erhebliche Anzahl der in Griechenland registrierten Asylbewerber reist in andere Länder weiter (vgl. Deutsche Botschaft in Athen a.a.O. Seite 1), wie es auch die Klägerin und ihr Ehemann getan haben. Allein in Deutschland sind zwischen Dezember 2015 und Mitte Mai 2021 13.313 Inhaber internationalen Schutzes aus Griechenland als Asylantragsteller registriert worden (Meyerhöfer, Aktuelle Rechtsprechung zu in Griechenland „Anerkannten“ in Asylmagazin 2021, 200ff unter Berufung auf das Bundesinnenministerium). Aktuell würden monatlich ca. 1000 in Griechenland als schutzberechtigt Anerkannte in Deutschland ankommen (Meyerhöfer a.a.O.). Das Ausmaß der Sekundärmigration wird durch den Umstand verdeutlicht, dass im Jahre 2018 das Migrationssaldo für Griechenland 16.440 Personen betrug, während sich die Zahl der Asylanträge auf 66.965 belief (Quelle Eurostat). Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass in die Berechnung des Migrationssaldos nicht nur asylbedingte, sondern alle Zuzüge einfließen, also auch etwa die Zuzüge aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. Soweit die Befürchtung geäußert wird, dass das Registrierungsverfahren für Flüchtlingshilfeorganisationen ihre Leistungsfähigkeit gefährden könnte (Expertenrat für NGO-Recht CONF/EXP (2020) 4, Stellungnahme zur Kompatibilität mit Europäischen Standards der letzten und geplanten Änderungen der griechischen Gesetzbebung über die Registrierung von NRO, erstellt vom Expertenrat für NRO-Recht der Konferenz der INGOs des Europarates Seite 18), ist auch längere Zeit nach Einführung dieses Registrierungsverfahrens nicht erkennbar, dass sich diese Befürchtungen bewahrheitet hätten und die Hilfsorganisationen, zumal bei der Hilfe außerhalb von Lagern für Asylbewerber, substantiell an Leistungsfähigkeit eingebüßt hätten.
c. Schließlich ist auch die grundlegende Gesundheitsversorgung in Griechenland gesichert. Dies gilt insbesondere für die Notfallversorgung in Krankenhäusern. Fälle von ärztlicher Behandlungsverweigerung außerhalb der Notfallversorgung sind nach Auskunft des Auswärtigen Amtes seltene Ausnahmefälle (Auswärtiges Amt, Auskünfte an das VG Stade vom 6. Dezember 2018 und an das VG Greifswald vom 26. September 2018) und vermögen schon deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta zu begründen.
d. Die Zustände in den Aufnahmelagern auf den griechischen Inseln (etwa in Moria) sind für die hier anzustellende Rückkehrprognose deshalb nicht maßgeblich, weil anerkannt Schutzberechtigte auf das Festland überstellt werden und innerhalb Griechenlands Freizügigkeit genießen. Gleiches gilt für die Frage von Rückschiebungen von Booten in griechischen Küstengewässern.
e. Ungeachtet des Vorstehenden sind zurückkehrende Schutzberechtigte auch nicht staatlicher Gleichgültigkeit seitens des griechischen Behörden ausgesetzt (so auch VG Berlin, B.v. 6.12.2018 – 9 L 703.18 A -, juris Rn. 17). Vielmehr hat der griechische Staat in Folge der – die Überstellung von Dublin-Rückkehrern betreffenden – Entscheidungen des EGMR (U.v. 21.1.2011 – Nr. 30696/09 – M.S.S. v. Belgien und Griechenland – juris) und des EuGH (U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) aus dem Jahr 2011 zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Lebensbedingungen nicht nur von Asylbewerbern, sondern auch von anerkannt Schutzberechtigten zu verbessern. Dass dies bisher – wie dargestellt – nur in begrenztem Umfang gelungen ist, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme einer Gleichgültigkeit griechischer Behörden. Insofern spricht aus Sicht des Gerichts viel für die Annahme, dass der griechische Staat die Notlage anerkannt Schutzberechtigter sehr wohl erkannt hat, aber derzeit in weiten Teilen schlicht nicht beheben kann. Gleichwohl bemüht sich der griechische Staat, auf Notlagen ad hoc zu reagieren, was sich an dem Beispiel der obdachlosen Schutzberechtigten, die auf dem V. Platz in Athen kampierten, zeigt, denen der Zugang zum „Helios-Programm“ eröffnet wurde und die mit Notunterkünften versorgt wurden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 26. November 2020 an das VG Magdeburg).
f. Im Übrigen wird auf die ausführlichen und zutreffenden Darlegungen zu Art. 3 EMRK, welche Bestimmung mit Art. 4 EU-GR-Charta identisch ist, im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.
g. Die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erweist sich nach alledem als rechtmäßig.
2. Rechtmäßig ist auch die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu treffende Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
a. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im Falle einer Abschiebung nach Griechenland droht keine konventionswidrige Behandlung. Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 85). Diese Vermutung wird nach den vorstehenden Ausführungen vorliegend nicht widerlegt. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
b. Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Griechenland als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 -, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186). Nichts Anderes gilt mit Blick auf die Covid-19-Pandemie. Selbst wenn pandemiebedingt erneut Einreisebeschränkungen verhängt werden sollten, begründete dies kein Abschiebungsverbot, weil die Unmöglichkeit der Abschiebung kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bildet (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.1998 – 9 B 604.98 – juris; BVerwG, B.v. 1.9.1998 – 1 B 41.98 – Buchholz 402.240 § 50 AuslG 1990 Nr. 4; vgl. auch BVerwG, B.v. 11.5.1998 – 9 B 409.98 – InfAuslR 1999, 525-526). Dies gilt erst recht bei absehbar vorübergehenden Hindernissen. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
3. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 35 AsylG. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 des AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere liegt weder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch ein solches nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor (siehe oben).
Das konkludent mit der Befristungsentscheidung ausgesprochene Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet ebenso keinen Bedenken.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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