Verwaltungsrecht

Vorläufige Wiedererteilung eines Jagdscheins und waffenrechtlicher Erlaubnisse

Aktenzeichen  21 CE 17.2547

Datum:
6.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3055
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BJagdG § 18 S. 3
GG Art. 3

 

Leitsatz

Allein der Umstand, dass der Antragsteller derzeit rechtlich gehindert ist, die Jagd auszuüben, stellt keinen wesentlichen Nachteil dar, der ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren gem. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO rechtfertigen könnte. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 E 17.4926 2017-11-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.000.- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Wiedererteilung eines Jagdscheins und waffenrechtlicher Erlaubnisse zum 1. April 2018.
Mit seit 5. Januar 2016 rechtskräftigen Bescheiden vom 17. Dezember 2014 und 23. Februar 2015 hatte das Landratsamt den Jagdschein und die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers (Mitbenutzungserlaubnis für die in die Waffenbesitzkarten seiner Ehefrau eingetragenen Schusswaffen) wegen Unzuverlässigkeit (Verstöße gegen Aufbewahrungspflichten von Schusswaffen) widerrufen (vgl. VG München, U.v. 7.10.2015 – M 7 K 15.912 – und U.v. 7.10.2015 – M 7 K 15.915; BayVGH, B.v. 23.12.2015 – 21 ZB 15.2418 und 21 ZB 15.2419).
Am 7. Februar 2017 sicherte das Landratsamt dem Antragsteller schriftlich zu, ihm ab dem 1. April 2019 auf entsprechenden Antrag bei Vorliegen der sonstigen Erteilungsvoraussetzungen (i.S. v. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. §§ 5 und 6 WaffG) wieder einen Jagdschein zu erteilen. Nachdem der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 7. März 2017 erklärt hatte, dass mit einer „Sperrfrist“ bis zum 1. April 2019 kein Einverständnis bestehe und nunmehr eine angemessene, gerichtlich überprüfbare Sperrfrist festgesetzt werden möge, teilte das Landratsamt am 7. April 2017 mit, dass dem Antragsteller frühestens zum 1. April 2019 der Jagdschein erteilt werde und es ihm freistehe, den Verwaltungsrechtsweg im Wege einer Verpflichtungsklage zu beschreiten.
Am 11. Juni 2017 erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht (M 7 K 17.2587) mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller ab 1. April 2018 den Jagdschein und die waffenrechtlichen Erlaubnisse wiederzuerteilen.
Den am 17. Oktober 2017 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. November 2017 abgelehnt.
II.
1. Die zulässige (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die zur Begründung der Beschwerde fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
Zu Recht hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zum 1. April 2018 (Beginn des Jagdjahres) den Jagdschein und die waffenrechtlichen Erlaubnisse vorläufig wiederzuerteilen.
1.1 Die Beschwerde wendet sich erfolglos gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller beruft sich darauf, dass ihm ein Anordnungsgrund zur Seite stehe. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei notwendig, da mit einer Hauptsacheentscheidung erst im Jahr 2019 gerechnet werden könne und er somit im gesamten Jagdjahr 2018/2019 vom Jagdschein und den waffenrechtlichen Erlaubnissen keinen Gebrauch machen könne, obwohl er hierauf einen Anspruch habe. Wenn im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Entscheidung über die Frage der Angemessenheit der Sperrfrist mit dem Argument verweigert werden könnte, dass das „Nicht-auf-die-Jagd-gehen-können“ kein schwerer Nachteil sei, würde dies jegliche Rechtsschutzmöglichkeiten für den Antragsteller ad absurdum führen.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung ausgeführt, dass im Verfahren gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt, wenn das Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5 m.w.N.). Allein der Umstand, dass der Antragsteller derzeit rechtlich gehindert ist, die Jagd auszuüben, stellt keinen wesentlichen Nachteil in diesem Sinne dar (vgl. BA S. 5 f.). Auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller die behauptete Unzumutbarkeit des Abwartens des Hauptsacheverfahrens weder substantiiert dargelegt noch gar glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass der Antragsteller seine jagdliche Tätigkeit vom 1. April 2018 bis 31. März 2019 wegen der voraussichtlichen Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht mehr ausüben können wird („Nicht-auf-die-Jagd-gehen-können“), vermag eine die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigende Dringlichkeit nicht zu begründen. Darüber hinaus sind wesentliche Nachteile, die für den Antragsteller ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens unzumutbar machen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.2 Die Beschwerde hat unabhängig vom fehlenden Anordnungsgrund auch deshalb keinen Erfolg, weil der Antragsteller keinen die zumindest zeitweise Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsanspruch auf Wiedererteilung eines Jagdscheins und der waffenrechtlichen Erlaubnisse glaubhaft gemacht hat. Das würde eine vorliegend nicht festzustellende hohe Wahrscheinlichkeit seines Obsiegens in der Hauptsache voraussetzen.
Der Antragsteller ist der Ansicht, er habe einen gebundenen Anspruch auf Wiedererteilung des Jagdscheins und der waffenrechtlichen Erlaubnisse zum 1. April 2018. Die vom Antragsgegner in Aussicht genommene „Sperrfrist“ bis zum 1. April 2019 sei viel zu lang bemessen in Anbetracht der allenfalls sehr geringen Vorwerfbarkeit im Hinblick auf die dem Antragsteller zur Last gelegten Verstöße gegen die Aufbewahrungspflichten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 GG gebiete eine gleichartige Handhabung der Bemessung von Sperrfristen bei den Landratsämtern in Bayern.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Behörde keine „Sperrfrist“ nach § 18 Satz 3 BJagdG festgesetzt. Dem behördlichen Schreiben vom 7. Februar 2017, in dem das Landratsamt dem Antragsteller zugesichert hat, dass er – sollten die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen (i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. §§ 5 und 6 WaffG) für den Jagdschein vorliegen – ab dem 1. April 2019 seinen Jagdschein erhalten wird, kann eine verbindliche behördliche Sperrfristfestsetzung nicht entnommen werden. Der Inhalt des Schreibens beschränkt sich vielmehr auf eine den Antragsteller begünstigende Zusicherung. Demgemäß erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass er mit der „in Aussicht genommenen Sperrfrist“ nicht einverstanden sei, und nunmehr eine Sperrfrist festgesetzt werden möge, die gerichtlich überprüft werden könne. Das Landratsamt verwies den Antragsteller mit Schreiben vom 7. April 2017 auf den Verwaltungsrechtsweg im Rahmen einer Verpflichtungsklage und führte aus, obwohl eine noch längere Wartezeit begründbar sei, habe die Behörde sich ausnahmsweise bereit erklärt, dem Antragsteller zum 1. April 2019 wieder den Jagdschein zu erteilen. Auch dieses behördliche Schreiben ist ersichtlich nicht auf die Regelung einer Sperrfrist gerichtet (vgl. zur Wirkung einer Sperrfrist: BA S. 6).
Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts (BA S. 7), dass derzeit – unabhängig von der Frage der Sperrfristfestsetzung – kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache besteht. Seinem auf Wiedererteilung des Jagdscheins und der waffenrechtlichen Erlaubnisse zum 1. April 2018 gerichteten Begehren stehen Zweifel an der Wiedererlangung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit zum beantragten Zeitpunkt entgegen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Die dem Antragsteller im Widerrufsverfahren zur Last gelegten Verstöße gegen Aufbewahrungsvorschriften hat der Senat seinerzeit als schwerwiegend eingestuft (BayVGH, Beschlüsse vom 23.12.2015 – 21 ZB 15.2418 und 15.2419, jeweils S. 4). Dem ist nicht weiter nachzugehen. Da vorliegend eine Entscheidung erwirkt werden soll, die eine Hauptsacheentscheidung vorwegnähme, ist an die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ein strenger Maßstab anzulegen. Es kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass das Hauptsacheverfahren bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar zugunsten des Antragstellers ausgehen würde (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3/13 – juris Rn. 7).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.5, Nr. 20.3 und Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach sind für die Erteilung des Jagdscheins 8.000,- EUR und für eine Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe 5.000.- EUR zzgl. 750.- EUR je weiterer Waffe (hier 11 Langwaffen, 2 Kurzwaffen) anzusetzen. Der so für das Hauptsacheverfahren errechnete Gesamtbetrag wird in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG).


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