Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung eines Beamten zum sog. TAUVE-Test

Aktenzeichen  3 CE 18.2253

Datum:
26.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37582
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FachV-Pol/VS. § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Es ist eine Ausformung des Leistungsgrundsatzes des Art. 33 Abs. 2 GG, wenn zur Ausbildungsqualifizierung nur solche Beamte zugelassen werden, die über die erforderliche Eignung für die Führungsämter im Polizeivollzugsdienst verfügen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Dienstherr ist dazu berechtigt, Bewerber um eine Ausbildungsqualifizierung auszunehmen, soweit gegen sie ein Disziplinarverfahren geführt wird. Die begrenzte Anzahl für die Ausbildungsqualifizierung zur Verfügung stehender Plätze und die Auswahl der Bewerber anhand der Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG machen deutlich, dass es sich um eine besondere Form der Förderung der Beamten handelt, die die Erwartung einer uneingeschränkten Eignung rechtfertigt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 18.5040 2018-10-26 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Antragstellerin vorläufig zum sog. TAUVE-Test zuzulassen, zu Recht abgelehnt.
1. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner davon ausgehe, dass die Antragstellerin derzeit nicht erkennen lasse, den Anforderungen der Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst gewachsen zu sein (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FachV-Pol/VS). Die aktuell bestehenden Bedenken hinsichtlich der charakterlichen Eignung der Antragstellerin seien im Bescheid vom 10. Oktober 2018 nachvollziehbar dargestellt. Allein der Vorfall am 23. September 2017 bzw. das danach von der Antragstellerin an den Tag gelegte Verhalten, wegen dem gegenüber der Antragstellerin am 11. September 2018 (gerade noch nur) eine Missbilligung ausgesprochen worden sei, lasse die Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung nicht unberechtigt erscheinen. Die Nichtzulassung zur Teilnahme am TAUVE-Test 2018 für die Ausbildungsqualifizierung 2019 unter Einräumung der Möglichkeit, sich zu bewähren und diese Zweifel auszuräumen, stelle sich gegenüber der Aberkennung der ihr in der periodischen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2017 zuerkannten Eignung für die Ausbildungsqualifizierung als milderes Mittel dar. Im Übrigen würden ihr keine unzumutbaren Nachteile daraus erwachsen, wenn sie erst 2020 oder später an der Ausbildungsqualifizierung teilnehmen könnte. Soweit sie erhebliche Verzögerungen in ihrer weiteren beruflichen Entwicklung befürchte, seien diese rein hypothetisch. Es stehe nicht fest, ob sie den TAUVE-Test bestehen werde.
2. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FachV-Pol/VS können zur Ausbildungsqualifizierung für die dritte Qualifikationsebene nur Beamte und Beamtinnen zugelassen werden, die u.a. erkennen lassen, dass sie den Anforderungen der Ämter ab der dritten Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst gewachsen sein werden und bei denen in der letzten periodischen Beurteilung festgestellt wurde, dass sie für die Ausbildungsqualifizierung in Betracht kommen (Art. 58 Abs. 5 Nr. 1 LlbG). Dies ist eine Ausformung des Leistungsgrundsatzes des Art. 33 Abs. 2 GG, da zur Ausbildungsqualifizierung nur solche Beamte zugelassen werden sollen, die über die erforderliche Eignung für die Führungsämter im Polizeivollzugsdienst verfügen. Daher konnte der Antragsgegner die Zulassung der Antragstellerin zum TAUVE-Test mit der Begründung ablehnen, es bestünden derzeit Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung. Der Dienstherr ist nicht nur dazu berechtigt, Bewerber um ein Beförderungsamt vom Auswahlverfahren auszunehmen, soweit gegen sie ein Disziplinarverfahren geführt wird. Der Dienstherr würde sich ansonsten in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte oder in vergleichbarer Weise förderte und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass Anlass besteht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (vgl. SächsOVG, B.v. 9.10.2013 – 2 B 455/13 – juris Rn. 21 m.w.N.). Auch für die Teilnahme an der Ausbildungsqualifizierung gilt nichts anderes. Zwar geht mit ihr keine unmittelbare Statusänderung einher, die sich nachfolgend nur noch schwer oder gar nicht mehr rückgängig machen ließe. Die begrenzte Anzahl für die Ausbildungsqualifizierung zur Verfügung stehender Plätze und die Auswahl der Bewerber anhand der Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG machen aber deutlich, dass es sich um eine besondere Form der Förderung der Beamten handelt, die die Erwartung einer uneingeschränkten Eignung rechtfertigt. Schon Zweifel an der Eignung rechtfertigen es deshalb, den Betroffenen von der Möglichkeit der Aufstiegsausbildung auszuschließen (SächsOVG a.a.O. Rn. 22). In die Entscheidung des Dienstherrn über die Zulassung zur Ausbildungsqualifizierung können im Hinblick auf die Eignung des Bewerbers zudem auch solche für eine charakterliche Nichteignung sprechenden Umstände einbezogen werden, die – wie hier – nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung oder zu einer Disziplinarmaßnahme geführt haben (vgl. OVG MV, B.v. 12.9.2007 – 2 M 159/07 – juris Rn. 12).
Hieran gemessen ist der Antragsgegner anhand der von ihm gewürdigten Tatsachen mit zutreffenden Erwägungen zu der Einschätzung gelangt, dass derzeit (weiterhin) Zweifel an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin bestehen, so dass er die Zulassung der Antragstellerin zum TAUVE-Test versagt hat.
Laut Bescheid vom 10. Oktober 2018 wurde gegen die Antragstellerin bereits 2014 ein Disziplinarverfahren wegen Erschleichung einer Beförderungsleistung geführt, als sie entgegen einer ausdrücklichen dienstlichen Weisung in Uniform mit der Bahn fuhr, ohne eine Fahrkarte zu besitzen oder freifahrberechtigt zu sein, was mit Disziplinarverfügung vom 2. Juli 2014 mit einer Geldbuße in Höhe von 750,- € geahndet wurde. Zudem führte das Verhalten der Antragstellerin bei einer Verkehrskontrolle am 23. September 2017 dazu, dass eine Alkoholprobe nicht gerichtsverwertbar war, was sie einem anderen Polizeibeamten in die Schuhe schieben wollte, wofür die Antragstellerin mit Verfügung vom 11. September 2018 eine ausdrückliche Missbilligung erhielt; das gegen die Antragstellerin wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt geführte Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatanwaltschaft vom 12. Februar 2018 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Hieraus hat der Antragsgegner unter Würdigung der gesamten Persönlichkeit der Antragstellerin, v.a. des aktuellen Persönlichkeitsbilds ihres Dienststellenleiters vom 14. Mai 2018, den Schluss gezogen, dass derzeit (noch) Zweifel bestünden, ob sie die Eignung für die Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst besitze. Ihr seit 2012 an den Tag gelegtes, mehrmaliges Fehlverhalten sei teils in besonderem Maße achtungs- und vertrauensschädigend und werde der Vorbildfunktion eines Polizeibeamten in der Öffentlichkeit und insbesondere einer späteren Vorgesetztenfunktion in der 3. Qualifikationsebene nicht gerecht. Deshalb erfülle die Antragstellerin derzeit die Voraussetzungen für eine Zulassung für die Ausbildungsqualifizierung für die Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst noch nicht. Sie werde daher nicht zur Teilnahme am TAUVE-Test zugelassen. Hierfür sei erforderlich, dass sich die Antragstellerin zunächst noch auf einer anderen Dienststelle in einem unbelasteten Umfeld bewähre, um sicher beurteilen zu können, ob sie für eine künftige Führungsrolle geeignet sei. Diese Einschätzung hält sich im Rahmen des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums des Antragsgegners und ist rechtlich deshalb nicht zu beanstanden.
3. Die hiergegen vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass seit dem Vorfall vom 23. September 2017, mit dem der Antragsgegner ausschließlich die Zweifel an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin begründe, bereits mehr als ein Jahr vergangen sei, in dem sich die Antragstellerin nach den Angaben ihres Dienststellenleiters im Persönlichkeitsbild vom 14. Mai 2018 bewährt habe, der ihr die uneingeschränkte Eignung für die Ausbildungsqualifizierung bescheinigt habe, trifft es nicht zu, dass der Antragsgegner seine Einschätzung, die Antragstellerin sei derzeit noch nicht charakterlich für die Ausbildungsqualifizierung geeignet, allein auf den genannten Vorfall gestützt hat. Der Antragsgegner hat diese Einschätzung vielmehr auf eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit der Antragstellerin gestützt, so dass die Ablehnung auf einer breiteren Tatsachenbasis fußt. Die Stellungnahme des Dienststellenleiters stellt demgegenüber lediglich einen Ausschnitt bzw. eine Momentaufnahme dar, der nicht die gleiche Aussagekraft wie einer umfassenden Würdigung zukommt; so war diesem das gegen die Antragstellerin 2014 geführte Disziplinarverfahren nicht bekannt. Im Übrigen hat der Antragsgegner die Stellungnahme des Dienststellenleiters auch bei seiner Entscheidung mitberücksichtigt, ist aber vor dem Hintergrund der von ihm als gravierend eingestuften beiden Vorfälle zu einem anderen Ergebnis gekommen. Es trifft auch nicht zu, dass der Vorfall vom 23. September 2017 dem Antragsgegner bereits vor dem Beurteilungsstichtag 31. Mai 2017 bekannt gewesen sei, aber nicht als so gravierend bewertet worden sei. Diesen Vorfall konnte er in der periodischen Beurteilung 2017 noch nicht berücksichtigen. Den 2014 disziplinarisch geahndeten Vorfall, der 2017 bereits bekannt war, hat der Antragsgegner zusammen mit dem neuerlichen Vorfall 2017 in der Gesamtschau zulässigerweise als erschwerend gewertet. Wenn die Antragstellerin weiter meint, dass insoweit der Zeitraum vom 14. Mai 2018 bis 10. Oktober 2018 unberücksichtigt geblieben sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass – wie bei einer dienstlichen Beurteilung – auch insoweit auf einen Stichtag abzustellen ist, bis zu dem für die Beurteilung der charakterlichen Eignung maßgebliche Tatsachen berücksichtigt werden können. Im Übrigen legt die Antragstellerin auch nicht dar, dass sich in dieser Zeit Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass sie entgegen der Einschätzung des Antragsgegners im Bescheid vom 10. Oktober 2018 nunmehr auch für die Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst charakterlich geeignet wäre.
Vor dem Hintergrund der von ihm zugrunde gelegten Tatsachen ist nachvollziehbar, wenn der Antragsgegner auch nach über einem Jahr eine weitere Bewährungszeit für die Antragstellerin für erforderlich gehalten hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2018) das Verfahren gegen die Antragstellerin, das im September 2018 zu einer Missbilligung führte, gerade erst abgeschlossen war, während dessen sie sich noch nicht endgültig bewährt haben konnte. Auch die – im Übrigen nicht glaubhaft gemachte – Behauptung, dass im Bereich des Antragsgegners die Verwaltungsübung bestehe, bei einer Missbilligung regelmäßig eine Bewährungszeit von sechs Monaten anzunehmen, führt nicht dazu, dass die im vorliegenden Einzelfall verfügte Verlängerung der Bewährungszeit rechtswidrig wäre. Die Antragstellerin legt nicht substantiiert dar, weshalb die Bewährungszeit auch in ihrem Fall lediglich sechs Monate betragen sollte, obwohl mehrere gravierende Vorfälle im Raum stehen. Auch Art. 7 Abs. 2 Satz 2 BayDG legt keine feste Bewährungszeit fest, diese hat sich vielmehr an der Schwere der Vorwürfe zu orientieren. Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner vorliegend auch nach einer Bewährungszeit von über einem Jahr die Zweifel an der charakterlichen Eignung der Antragstellerin aufrechterhalten hat, da diese nach seiner Einschätzung auch derzeit noch nicht für Führungsfunktionen geeignet ist. Wenn die Antragstellerin insoweit behauptet, dass die Verlängerung der Bewährungszeit nicht (ausreichend) begründet worden wäre, trägt sie ebenfalls keine substantiierten Einwände gegen die Einschätzung des Antragsgegners vor, die Antragstellerin sei aufgrund der genannten Vorfälle derzeit (noch) nicht für Ämter ab der 3. Qualifikationsebene im fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst charakterlich geeignet. Soweit die Antragstellerin meint, dass ein Widerruf der Aufstiegseignung nach der Beurteilung 2017 ihr die Möglichkeit eröffnet hätte, hiergegen vorzugehen, wäre dies wohl nicht in Betracht gekommen, weil sich der Vorfall 2017 erst nach dem Ablauf des maßgeblichen Beurteilungszeitraums ereignet hat. Dementsprechend hat der Antragsgegner den Vorfall vom 23. September 2017 zum Anlass genommen, die Aussage in der Beurteilung 2017 für die Zukunft neu zu beurteilen (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG).
Im Übrigen entstehen der Antragstellerin keine unzumutbaren Nachteile daraus, wenn sie erst 2019 am TAUVE-Test und deshalb auch erst 2020 oder später an der Ausbildungsqualifizierung teilnehmen kann. Die von ihr befürchteten evtl. Nachteile für ihr berufliches Fortkommen resultieren allein aus ihrem eigenen Verhalten und sind deshalb von ihr hinzunehmen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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