Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 20.10076

Datum:
9.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32758
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV aF § 7 Abs. 3 S. 6, § 10 Abs. 1 S. 4
VwGO § 123

 

Leitsatz

Die Studienplatzvergabe über die Kapazitätsberechnung hinaus (sog. Überbuchung) verletzt weder Rechte von Bewerbern um außerkapazitäre Studienplätze noch vermittelt sie ihnen einen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines Studienplatzes. Der Anspruch auf Zulassung zum Studium kann sich nur auf die Kapaziätsberechnung beziehen und dass über die dort festgesetzte Anzahl hinaus noch Kapazitäten bestehen. Dabei werden „Überbuchungen“ im (innerkapazitären) Vergabeverfahren grundsätzlich als kapazitätsdeckend anerkannt (BeckRS 2020, 14713). (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E L 19.10120 2020-04-27 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin (Vorklinik) im ersten Fachsemester an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2019/2020. Er macht geltend, dass mit der in Satzung der LMU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2019/2020 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 3. Juli 2019 festgesetzten Zahl von 878 Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 27. April 2020 abgelehnt. Es werde als nicht überwiegend wahrscheinlich angesehen, dass an der LMU im Studiengang Humanmedizin, 1. Studienabschnitt (Vorklinik), im Wintersemester 2019/2020 über die Zahl der als kapazitätsdeckend vergeben anzuerkennenden 919 Studienplätze hinaus noch ein weiterer Studienplatz zur Verfügung steht, der vom Antragsteller in Anspruch genommen werden könnte.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde. Der Bevollmächtigte trägt im Wesentlichen vor, die von der LMU vorgenommene Überbuchung von 41 Studienplätzen sei nicht tolerierbar. Die „enorme Höhe“ der prozentualen Überbuchung sei „als Indiz für eine willkürlich vorgenommene und damit in jedem Fall nicht kapazitätserschöpfende Überbuchung“ zu werten. Für eine derartige Überbuchung gebe es in § 7 Abs. 2 HZV keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage; erforderlich sei eine landesgesetzliche Regelung. Das Verwaltungsgericht habe es versäumt aufzuklären, wie hoch der Überbuchungsfaktor unter Berücksichtigung des tatsächlichen Nichtannahmeverhaltens von Studienbewerbern und Studienbewerberinnen in Bezug auf die festgesetzte Zahl der Studienplätze gewesen sei.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde mit Schriftsatz vom 14. Juli 2020.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die LMU ihre Ausbildungskapazität im 1. Studienabschnitt (Vorklinik) des Studiengangs Humanmedizin ausgeschöpft hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind über die festgesetzten Zulassungszahlen hinausgehende Überbuchungen von Studienplätzen im (innerkapazitären) Vergabeverfahren grundsätzlich als kapazitätsdeckend anzuerkennen. Sie beruhen auf einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage (§ 7 Abs. 3 Satz 6, § 10 Abs. 1 Satz 4 BayHZV a.F.) und bezwecken, die knappen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen möglichst zeitnah auszuschöpfen. Maßgeblich hierfür ist das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre. Die im Wege von Überbuchungen ordnungsgemäß vergebenen Studienplätze sind nicht mehr frei; deren kapazitätswirksame Besetzung kann einem Bewerber im gerichtlichen Zulassungsverfahren entgegengehalten werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 7 CE 20.10064 – juris Rn. 8; B.v. 8.1.2018 – 7 CE 17.10225 – juris Rn. 8).
Eine Überbuchung verletzt die Rechte von Bewerbern um außerkapazitäre Studienplätze grundsätzlich nicht und vermittelt ihnen daher keinen Rechtsanspruch auf Zuweisung eines solchen. Der Antragsteller hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Kapazitätsberechnung der LMU nicht kapazitätserschöpfend ist und sich über die in der Zulassungszahlsatzung festgesetzte Anzahl von 878 Studienplätzen im 1. Fachsemester hinaus noch mindestens ein weiterer freier Studienplatz errechnen lässt, den der Antragsteller für sich beanspruchen könnte. Nur unter dieser Voraussetzung wäre zu prüfen, ob die Überbuchung zulässig ist und dem Antragsteller als kapazitätsdeckend entgegengehalten werden könnte. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Anzahl der überbuchten Studienplätze bzw. der Überbuchungsfaktor willkürlich hoch angesetzt worden wären, sind bei einer Überschreitung von 4,6% nicht ersichtlich. Auf die weiteren vom Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Überbuchung kommt es deshalb nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung in den erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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