Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Distanzunterricht in der Schule

Aktenzeichen  7 CE 21.437

Datum:
2.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11005
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 3
BayEUG Art. 2 Abs. 4 S. 1, Art. 57 Abs. 2 S. 1
BaySchO § 19 Abs. 4

 

Leitsatz

Ebenso wenig wie ein allgemeines „Recht auf unverkürzten Unterricht“ oder auf ein „bestimmtes Unterrichtspensum“ gibt es ein subjektives Recht auf „Unterricht nach Stundenplan“. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 3 E 21.34 2021-01-25 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. Januar 2021 ist in Nr. I und II wirkungslos geworden, soweit der Antrag des Antragstellers zu 2 abgelehnt worden ist und über die Kosten des Verfahrens entschieden wurde. Insoweit wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Antragsteller zu 1, 3 und 4 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Nachdem der Rechtsstreit in Bezug auf den Antragsteller zu 2 mit Schriftsatz vom 1. März 2021 sinngemäß in der Hauptsache für erledigt erklärt und der Antragsgegner dieser Erklärung mit Schriftsatz vom 2. März 2021 zugestimmt hat, ist das Verfahren insoweit einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO analog) und der in der Vorinstanz ergangene Beschluss insoweit in Nr. I und II für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
Soweit der Beschluss fortbesteht, bleibt die zulässige Beschwerde der Antragsteller zu 1, 3 und 4 (im Folgenden: Antragsteller) ohne Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Recht abgelehnt.
1. Der Einwand der Antragsteller, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe sich der Antrag auf Erlass der beantragten Regelungsanordnung bereits im dortigen Verfahren teilweise erledigt, rechtfertigt keine Änderung des angegriffenen Beschlusses. Die Antragsteller tragen hierzu vor, der erste Antrag habe sehr wohl aus mehreren Regelungsbestandteilen bestanden. Das Gericht sollte den Antragsteller (gemeint wohl: den Antragsgegner) verpflichten, die Antragsteller a) im Umfang des jeweiligen Stundenplans mittels Chat-Tools oder einem anderen technischen Programm durch die jeweilige Fachlehrkraft, die den Unterrichtsstoff vermittelt, während der Covid-19 bedingten Schulschließungen b) zu den im Stundenplan angegebenen Unterrichtszeiten zu beschulen. Wie im Schreiben vom 21. Januar 2021 ausgeführt, habe die Schule mit Wirkung zum 20. Januar 2021 die Beschulung auf einen auf dem Stundenplan basierenden Live-Unterricht umgestellt, weshalb sich der Regelungsbestandteil b) durch Änderung der Beschulungspraxis erledigt habe. Mit diesem Vorbringen können die Antragsteller nicht durchdringen.
Streitgegenstand in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht der materielle – im Hauptsacheverfahren zu verfolgende – Hauptanspruch, sondern nur der im Eilverfahren geltend gemachte prozessuale Anspruch auf vorläufige Sicherung oder Regelung dieses Hauptanspruchs (vgl. VGH BW, B.v. 6.2.2020 – 1 S 3300/19 – juris Rn. 26 m.w.N.). Ob das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass sich der Eilantrag nicht teilweise erledigt hat, kann dahinstehen. Denn die Antragsteller haben nicht nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gerügt, dass das Verwaltungsgericht ihre mit Schriftsatz vom 21. Januar 2021 abgegebene Erklärung prozessual unzutreffend behandelt hätte, weil im Hinblick auf den Widerspruch des Antragsgegners eine auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Weiteres zulässige teilweise Antragsänderung auf Feststellung der Erledigung vorgelegen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2012 – 7 VR 9.12 u.a. – juris Rn. 4 f.; BayVGH, B.v. 18.12.2002 – 7 CE 02.2672 – juris Rn. 8), über die dann – jedenfalls im Umfang der Erledigungserklärung – ausschließlich hätte entschieden werden müssen.
2. Der Senat teilt die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts zur Erforderlichkeit eines vorherigen Antrags beim Antragsgegner. Den gegenteiligen Ausführungen der Antragsteller liegt ein unzutreffendes Verständnis von der Bedeutung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses zugrunde.
Auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme des Gerichts das Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Diese Prozessvoraussetzung schützt nicht den Gegner, sondern das Gericht (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, vor §§ 40-53 Rn. 11). Am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es grundsätzlich dann, wenn der Bürger vor der Antragstellung bei Gericht der zuständigen Behörde sein Begehren nicht vorgetragen hat (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 70 m.w.N.). Da die Gerichte nicht überflüssig bemüht werden sollen, ist der Bürger vor einer Befassung der Gerichte grundsätzlich gehalten, alles zu tun, um sein Rechtsschutzziel zunächst auf einfacherem, schnellerem oder effizienterem Wege durchzusetzen.
Die Antragsteller weisen zwar grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass es – abgesehen von den Fällen, in denen bereits das materielle Recht einen vorhergehenden Antrag bei der Behörde erfordert – in Einzelfällen eines vorherigen Antrags nicht bedarf. Soweit sie jedoch der Ansicht sind, das Antragserfordernis entfalle vorliegend bereits deshalb, weil sie ordnungsgemäß an der Schule des Antragsgegners angemeldet seien und es keines jährlich wiederkehrenden Antrags auf Durchführung von Unterricht bedürfe, zudem § 19 Abs. 4 Satz 3 BaySchO eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Beschulung auch ohne vorherigen Antrag erforderlich mache, verkennen sie, dass es vorliegend in der Sache nicht um die Frage geht, ob die Schule zur Durchführung von Unterricht verpflichtet ist, sondern die Modalitäten des Distanzunterrichts streitig sind, weil sie eine bestimmte Ausgestaltung des Distanzunterrichts fordern. Zwar ist durch die Anmeldung der Antragsteller ein Rechtsverhältnis zur Schule entstanden, so dass die Frage der vorherigen Befassung der Schule mit dem konkreten Begehren der Antragsteller nicht bereits eine Frage der Statthaftigkeit des Eilantrags nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 123 Rn. 121b). Das mit der Anmeldung entstehende Rechtsverhältnis zwischen der Schule und den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigen führt jedoch nicht dazu, dass jegliches Begehren (vorläufig) mittels Eilrechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gerichtlich geltend gemacht werden könnte, ohne dass dem Antragsgegner, insbesondere der jeweiligen Schule, vorher Gelegenheit gegeben wird, dem Begehren von sich aus nachzukommen.
Gerade im Hinblick auf Art. 2 Abs. 4 Satz 1 BayEUG waren die Antragsteller daher gehalten, ihr Anliegen vor einer Befassung des Verwaltungsgerichts gegenüber der Schule zu äußern. Dass ihnen durch einen vorherigen Antrag wegen Zeitablaufs schwere, nicht mehr oder nur schwer rückgängig zu machende Nachteile entstanden wären, zeigen sie im Beschwerdeverfahren nicht auf. Soweit sie sich auf massive Eingriffe in den Rechtskreis ihrer Erziehungsberechtigten durch die konkrete Ausgestaltung der schulorganisatorischen Maßnahme „Distanzunterricht“ berufen, werden bereits keine Nachteile für die Antragsteller aufgezeigt. Ihr Einwand, ein entsprechender vorheriger Antrag wäre mit hoher Sicherheit von der Schule abgelehnt worden, so dass das Antragserfordernis gegen das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes verstoße, ist durch nichts belegt und daher spekulativ. Auch die Aussichtslosigkeit eines vorherigen Antrags wird lediglich behauptet. Anhaltspunkte, warum die Antragsteller bereits bei Stellung ihres Eilantrags vollumfassend von einer erkennbaren Aussichtslosigkeit eines vorherigen Antrags ausgehen durften (vgl. Schoch in Schoch/Schneider a.a.O.), sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil zeigen die auch während des Eilverfahrens in Bezug auf digitalen Unterricht vorgenommenen Anpassungen, über die auch die Erziehungsberechtigten der Antragsteller informiert waren, dass neben dem Antragsgegner auch die Schule der Antragsteller von sich aus bemüht war und ist, unter Beachtung von pädagogisch-didaktischen, aber auch technischen, personellen, rechtlichen und gesundheitlichen Gesichtspunkten eine für alle Beteiligten – Schülerinnen und Schüler unterschiedlichsten Alters sowie Lehrerinnen und Lehrer, also nicht nur für die Antragsteller – praktikable, zumutbare und möglichst zufriedenstellende Handhabung des Distanzunterrichts zu entwickeln und umzusetzen, um so die pandemiebedingten Schulschließungen einigermaßen kompensieren zu können.
Keine andere Bewertung folgt aus dem Umstand, dass auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen. Die Ansicht, dass dies entgegen der herrschenden Meinung (vgl. hierzu Rechtsprechungsübersicht in Schoch/Schneider, VwGO, § 123 Rn. 121b) dazu führen soll, das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig zu bejahen, wenn sich der Eilrechtsschutz während des laufenden Verfahrens aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners als erforderlich erweist (vgl. hierzu Rennert in Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 34 m.w.N.), überzeugt nicht. Es birgt die Gefahr, dass das Antragserfordernis letztlich leerlaufen würde, da das prozessuale Verweigern der begehrten Maßnahme auch dann zur Zulässigkeit des Eilantrags führen würde, wenn es in der Sache berechtigt ist. Das Antragserfordernis stellt nicht nur eine „bloße Förmelei“ dar.
3. Unabhängig davon ist der Antrag der Antragsteller auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung jedenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch für den geltend gemachten Anspruch auf Beschulung durch Livekommunikation (Videounterricht, Chatprogramme oder ähnlichem technischem Programm) im Umfang des jeweiligen Stundenplans durch die jeweilige Fachlehrkraft haben. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden, ausführlichen Gründen des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Antragsteller kommen mit ihrem Beschwerdevorbringen bereits den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht nach. Eine Darlegung der Beschwerdegründe i.S.v. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO bedeutet, sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, wobei sich die Dichte der geforderten Auseinandersetzung an der inhaltlichen Dichte der Beschlussbegründung orientiert (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 146 Rn. 22a f. mit Verweis auf § 124a Rn. 27 ff.). Eine derartige Darlegung lässt das Beschwerdevorbringen vermissen. Die Antragsteller setzen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, beim Distanzunterricht ergebe sich ein subjektiver Anspruch auf Livekommunikation im Umfang des jeweiligen Stundenplans weder aus einfachem Recht noch aus Verfassungsrecht, lediglich ihre gegenteilige Auffassung entgegen, ohne hinreichend substantiiert auf die ausführliche Begründung des Verwaltungsgerichts einzugehen. Unabhängig davon zeigen sie auch im Beschwerdeverfahren nicht durchgreifend auf, aus welcher Anspruchsgrundlage sich das von ihnen geltend gemachte Begehren herleiten soll (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 3.7.2020 – 20 NE 20.1443 – juris Rn. 27 ff.).
a) Ohne sich mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, warum § 19 Abs. 4 BaySchO als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren ausscheidet, sind die Antragsteller der Ansicht, der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. November 2021 – Au 3 E 20.2200 – Rn. 23 sei zu entnehmen, dass der jeweilige Schüler nach § 19 Abs. 4 BayScHO einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Durchführung von Präsenz- bzw. Distanzunterricht habe und ein Anordnungsanspruch bestehe, wenn das dem Schulleiter zustehende Ermessen auf Null reduziert sei. Somit bestünde „bei ermessensfehlerhafter Entscheidung der Schulleitung ein Anordnungsanspruch“. Bei dieser Argumentation übersehen die Antragsteller, dass es bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg nicht um die Ausgestaltung des Distanzunterrichts ging, sondern dem Beschluss ein Antrag auf uneingeschränkten Präsenzunterricht zugrunde lag. Eine Begründung, warum sich dennoch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg – und entgegen den Ausführungen im angegriffenen Beschluss – aus § 19 Abs. 4 BaySchO der rechtliche Schluss ziehen lässt, eine konkrete Ausgestaltung des Distanzunterrichts beanspruchen zu können, bleiben die Antragsteller schuldig.
b) Soweit die Antragsteller darauf verweisen, das Verwaltungsgericht Augsburg habe ausgeführt, dass es sich beim Distanzunterricht um eine besondere Unterrichtsform im Kontext von Stundenplan und Unterrichtszeit handele, folgt auch hieraus nicht, dass sie einen Anspruch darauf hätten, dass der Distanzunterricht ausschließlich im Wege der Livekommunikation stattzufinden hat. Gemäß Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayEUG ist der Schulleiter für einen geordneten Schulbetrieb und Unterricht sowie gemeinsam mit den Lehrkräften für die Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler zuständig. Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 2 BayEUG tragen die Lehrkräfte die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schülerinnen und Schüler. Dies bedeutet, dass der Schulleitung und den Lehrkräften grundsätzlich auch die Gestaltung des Distanzunterrichts obliegt.
Die konkrete Gestaltung des Distanzunterrichts an der Schule der Antragsteller stellt in Anbetracht der umfassenden Anpassungen und Veränderungen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie im schulischen Alltag erforderlich geworden sind, weder eine evidente noch in keiner Weise sachlich vertretbar zu rechtfertigende Verkürzung des Unterrichts dar (vgl. Rux, Schulrecht, Rn. 833). Der Antragsgegner bzw. die Schule der Antragsteller sind bestrebt, die unterschiedlichen Belange der Schülerinnen und Schüler, aber auch die zum Teil gegenläufigen Interessen der Eltern, in ein Gleichgewicht zu bringen. Einen Anspruch darauf, dass dabei vorrangig ihre Belange zu berücksichtigen wären, haben die Antragsteller nicht. Ebenso wenig wie es ein allgemeines „Recht auf unverkürzten Unterricht“ oder auf ein „bestimmtes Unterrichtspensum“ gibt (vgl. Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018 Rn. 831), gibt es ein subjektives Recht auf „Unterricht nach Stundenplan“ (vgl. Rux a.a.O. Rn. 832). Daran ändern auch die vorhandenen Lehrpläne und Stundentafeln nichts, da ihnen bereits die erforderliche Außenwirkung fehlt (vgl. Rux a.a.O. Rn. 831). Aus ihrem Vorbringen, um die Schulpflicht erfüllen zu können, bedürfe es unabhängig von der Unterrichtsform der Beschulung durch die Schule, wenn kein Unterricht angeboten werde, könnten die Antragsteller ihre Schulpflicht nicht erfüllen, die Entscheidung sei somit ermessensfehlerhaft, da der Antragsgegner nicht die nötige Beschulung zur Erfüllung der Schulpflicht sichergestellt habe, ergibt sich keine andere Bewertung. Auch insoweit verkennen die Antragsteller, dass aus der Schulpflicht weder ein Anspruch auf ein bestimmtes Unterrichtspensum noch auf eine konkrete Unterrichtsgestaltung abgeleitet werden kann. Ihrer Kritik, das Verwaltungsgericht sei nicht darauf eingegangen, warum „zeitversetzte Kommunikation“ als Unterricht gewertet werden könne, liegt die unzutreffende Ansicht zugrunde, die Antragsteller oder ihre Erziehungsberechtigten hätten ein subjektives Recht auf ein direktes und umfassendes Mitspracherecht bei der konkreten Ausgestaltung des Distanzunterrichts.
Soweit die Antragsteller der Ansicht sind, ein jeweils am Anfang der Woche vorgelegtes Aufgabenkonvolut zur Selbsteinteilung erfülle nicht die Vorgaben des Unterrichts im Rahmen des Lehrplans, lassen sie auch insoweit außer Betracht, dass es nicht um die Beschulung als solche geht, sondern um die Ausgestaltung des Distanzunterrichts. Im Übrigen wird bei dieser Argumentation völlig unberücksichtigt gelassen, dass der an ihrer Schule praktizierte Distanzunterricht ausweislich der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Elterninformation vom 18. Januar 2021 seit dem 20. Januar 2021 mit einem Richtwert von ca. 50% der Fachstunden in Form von Videokonferenzen durchgeführt wird. Nach Angaben des Antragsgegners im Schreiben vom 25. Februar 2021 liegt die Quote der Videokonferenzen für die Jahrgangstufen 5 bis 11 neuerlich bei 51,8%. Den Antragstellern bleibt es unbenommen, die ihnen u.a. über Lernplattformen zur Verfügung gestellten Aufgaben während der Zeiten zu bearbeiten, in denen ansonsten Präsenzunterricht stattfindet.
Auch mit ihrem Einwand, aus § 19 Abs. 4 BaySchO ergebe sich lediglich die räumliche, nicht aber die zeitliche Trennung zwischen der Vermittlung des Stoffes durch die Lehrkraft und dem virtuellen Empfang durch den Schüler, können die Antragsteller nicht durchdringen. Inwieweit ihre Schlussfolgerung rechtlich zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch dieser Hinweis belegt nicht, dass sich aus § 19 Abs. 4 BayScHO ein Anspruch auf eine Ausgestaltung des Distanzunterrichts nach den Vorstellungen der Antragsteller ergibt. Die Entscheidung darüber, wieviel Distanzunterricht mittels Livekommunikation durchgeführt werden kann, obliegt der Schule bzw. dem jeweiligen Fachlehrer.
Aus diesem Grund geht in der Sache auch ihre Rüge ins Leere, das Verwaltungsgericht sei auf die wesentlichen Bestandteile des Unterrichts, nämlich der mündlichen Vermittlung von Stoff unter zeitgleicher, nicht zwingend ortsgleicher Anwesenheit zwischen Lehrkraft und Schülern, nicht eingegangen. Warum aus dem in diesem Zusammenhang zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28. Januar 2010 – C-473/08 – (juris Rn. 32), das sich mit der Auslegung von Vorschriften zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in Bezug auf Lehrleistungen beschäftigt, Schlussfolgerungen für das vorliegende schulrechtliche Verfahren gezogen werden können, zeigen die Antragsteller im Beschwerdeverfahren auch unter Berücksichtigung ihres Schriftsatzes vom 28. Februar 2021 nicht auf. Der Europäische Gerichtshofs hat in dieser Entscheidung festgestellt, das Wort „Unterrichtseinheit“ sei „in diesem Zusammenhang“, d.h. im Zusammenhang mit der 6. Umsatzsteuerrichtlinie so zu verstehen, dass es im Wesentlichen die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an die Schüler (und Studierenden) einschließt. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob der von den Antragstellern auch neuerlich zitierten Randnummer 32 überhaupt eine Definition von Unterricht in dem von ihnen genannten Sinn zu entnehmen ist. Jedenfalls ergibt sich aus der Randnummer 32 nicht, dass (Distanz) Unterricht einzig aus einem „1 zu 1“ oder „1 zu Vielen“ Livekommunikations-Angebot bestehen muss.
c) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ergibt sich nichts Anderes aus den Ausführungen unter der Rubrik „Digitale Werkzeuge unterstützen den Distanzunterricht“ auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Es ist zwar zutreffend, dass das Staatsministerium dort u.a. die gängigsten Möglichkeiten der „direkten“ Live-Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften auflistet und erläutert. Jedoch ist die Behauptung der Antragsteller, aus dem dortigen Hinweis, „während die Termine für die Live-Kommunikation für alle fest vorgegeben sind“ folge, dass das Staatsministerium die Möglichkeiten der Live-Kommunikation zu den Unterrichtszeiten vorgebe, nicht nachvollziehbar, weil sie völlig aus dem Zusammenhang gerissen und durch nichts belegt ist. Im Gegenteil nennt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf seiner Homepage als digitale Werkzeuge für den Distanzunterricht auch Tools für die zeitversetzte Kommunikation. Dies wäre völlig sinnlos, wenn Distanzunterricht ausschließlich in Form der Live-Kommunikation stattzufinden hätte.
d) Ebenfalls nicht durchdringen können die Antragsteller, soweit sie sich auf eine Gleichbehandlung mit Schülern der Q 11 des Dom-Gymnasiums Freising berufen. Sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen können allenfalls innerhalb der einzelnen Schule zu einem Anspruch auf gleichmäßige Verteilung der Unterrichtskapazitäten führen (vgl. Rux, Schulrecht, Rn. 834).
III.
Soweit das Verfahren hinsichtlich des Antragstellers zu 2 für erledigt erklärt wurde, ist über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Antragsteller zu 2 aufzugeben, da dieser aus den unter Nr. II genannten Gründen unterlegen wäre.
Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3 und 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist es nicht zu beanstanden, dass bereits das Verwaltungsgericht die Streitgegenstände nach § 39 Abs. 1 GKG zusammengerechnet hat. Die Addition der mehreren Streitgegenstände ist auch bei subjektiver Antragshäufung geboten, wenn – wie vorliegend – zwischen mehreren Antragstellern keine Rechtsgemeinschaft besteht. Denn die subjektive Antragshäufung bedeutet nicht, dass das Verfahren lediglich einen einzigen – einheitlichen – Streitgegenstand hat. Auch wenn bei einer subjektiven Antragshäufung mehrere Antragsteller gemeinsam den gleichen Antrag stellen, entstehen entsprechend viele Prozessrechtsverhältnisse, die lediglich nach dem Willen der Antragsteller in einem Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden sind, mit der – im Vergleich zu Einzelverfahren – günstigen Kostenfolge, dass der Wert der einzelnen Streitgegenstände gemäß § 39 Abs. 1 GKG zu addieren ist. Dies würde nur dann nicht gelten, wenn es Anhaltspunkte dafür geben würde, dass die Antragsteller eine Maßnahme als Rechtsgemeinschaft begehren oder bekämpfen (vgl. Nr. 1.1.3 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 14 C 13.2464 – NVwZ-RR 2014, 407 Rn. 3 f.).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).


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