Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen “Nichtakt”

Aktenzeichen  20 CS 16.1469

Datum:
25.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 13
AO AO § 122
AO AO § 218 Abs. 2
VwGO VwGO § 43 Abs. 1, § 113 Abs. 5, § 146
BayKAG BayKAG Art. 13 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Feststellungsklage und nicht die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger geltend macht, einen Bescheid nicht erhalten zu haben, der Bescheid also rechtlich nicht existent geworden sein soll (sog. Nichtakt). Mit der Feststellungsklage wird dann das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses begehrt (§ 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), dass der Verwaltungsakt nicht wirksam geworden ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat. Im Eilverfahren ist damit ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
2 Da über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verwaltungsakt entschieden wird, kann ein Rückzahlungsanspruch im Hauptsacheverfahren nur mit der Verpflichtungsklage und nicht mit der Leistungsklage auf direkte Zahlung verfolgt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 S 16.597 2016-06-28 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Juni 2016 wird geändert. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 286,73 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Hauptsacheklage anzuordnen, ist unzulässig.
Nach der Rechtsprechung des Senats (U.v. 24.11.2011 – 20 B 11.1659 – BayVBl 2012, 763) ist nicht die Anfechtungsklage, sondern die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO die richtige Klageart, wenn der Abgabeschuldner behauptet, einen Abgabebescheid nicht erhalten zu haben. Sollte dieser Vortrag des Antragstellers zutreffen, handelt es sich nämlich um einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Nichtakt), der in seiner rechtlichen Unwirksamkeit einem nichtigen Verwaltungsakt gleicht. Den Erfordernissen eines hinreichenden Rechtsschutzes entspricht es in einem solchen Fall, die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO für statthaft zu erachten mit der Maßgabe, dass die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird (§ 43 Abs. 1 1. Alternative VwGO), und zwar die Feststellung, dass der Verwaltungsakt nicht wirksam geworden ist und deshalb die mit ihm beabsichtigte Regelung nicht erreicht hat (vgl. BVerwG vom 21.11.1986 NVwZ 1987, 330; s. auch Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 RdNr. 16). Scheidet damit in der Hauptsache eine Anfechtungsklage aus, ist der Antrag gemaß § 80 Abs. 5 VwGO unstatthaft und folglich unzulässig.
Verbindet der Antragsteller wie im vorliegenden Fall sein Klagebegehren mit einem Rückzahlungsanspruch, so ist hier in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 VwGO zu erheben. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. § 218 Absatz 2 Abgabenordnung (AO) ist über Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Hierunter fällt auch der vom Kläger geltend gemachte Rückforderungsanspruch gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i.V.m. § 37 Absatz 2 AO. Aufgrund dieses vorangeschalteten Verwaltungsverfahrens wäre eine Leistungsklage auf direkte Zahlung des Rückforderungsbetrages unzulässig (vgl. BFH, U. v. 30.11.1999 – BFH Aktenzeichen VII R 97/98 – juris). Der vom Verwaltungsgericht herangezogene, hier ohnehin nicht einschlägige § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO hätte insoweit ebenso einen materiellen Folgenbeseitigungsanspruch vorausgesetzt. Prozessuale Voraussetzung einer auf den Erlaß eines Abrechnungsbescheids gerichteten Verpflichtungsklage ist allerdings, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten gestellt hat und dieser über den Antrag entschieden oder gemäß § 75 VwGO in angemessener Frist nicht entschieden hat. Nachdem der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises an seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage festgehalten hat, ist der Antrag unzulässig und damit abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Kraheberger Dr. Stadler Dr. Thumann


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