Verwaltungsrecht

Vorrücken auf Probe in die nächste Jahrgangsstufe – Einschätzungsspielraum der Lehrerkonferenz

Aktenzeichen  7 ZB 17.1645

Datum:
31.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1355
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2
VwGO § 124a Abs. 5 S. 4, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein Vorrücken auf Probe in eine Jahrgangsstufe kann gemäß Art. 53 Abs. 6 S. 2 BayEUG auch im Falle einer eventuellen Krankheit (nur dann) gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücke geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der Prognose, ob ein Schüler den an ihn zu stellenden Anforderungen in einer Jahrgangsstufe voraussichtlich gewachsen sein wird, kommt der Lehrerkonferenz ein fachlicher und insbesondere pädagogischer Einschätzungsspielraum zu, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 K 14.4501 2017-03-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Entscheidung der Lehrerkonferenz des A.-Gymnasiums B. vom 22. Juli 2014, dem Kläger das Vorrücken in die 8. Jahrgangsstufe des Gymnasiums auf Probe zu versagen, in Form des Widerspruchsbescheids des A.-Gymnasiums B. vom 16. September 2014 rechtswidrig war und dass der Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Vorrücken in die 8. Jahrgangsstufe hatte.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 28. März 2017, den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 10. August 2017, abgewiesen. Die Voraussetzungen des allein maßgeblichen Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG seien nicht erfüllt. Die vorgelegten ärztlichen Atteste seien schon nicht ausreichend aussagekräftig und die seitens der Lehrerkonferenz getroffene (negative) Prognoseentscheidung im Hinblick auf die zu erwartenden Leistungen des Klägers nach einem Vorrücken auf Probe in die 8. Jahrgangsstufe sei nicht zu beanstanden.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils geltend. Auf den Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 10. Oktober 2017 wird verwiesen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Auf den Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 18. Oktober 2017 wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die streitgegenständliche Entscheidung der Lehrerkonferenz in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2014 ist rechtmäßig. Der Senat folgt den Gründen des erstinstanzlichen Urteils und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren zu bemerken:
Ob das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall tatsächlich, wie der Kläger meint, die an ärztliche Bescheinigungen zu stellenden Anforderungen „überspannt“ hat, bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn auch wenn die vorgelegten Atteste ausreichend aussagekräftig sein sollten, kann gemäß Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG auch im Falle einer eventuellen Krankheit ein Vorrücken auf Probe (nur dann) gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann. Erforderlich ist sonach eine – positive – Prognose, dass der Kläger den in der 8. Jahrgangsstufe an ihn zu stellenden Anforderungen voraussichtlich gewachsen sein wird. Zuständig für diese Prognose ist gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung – GSO, früher inhaltsgleich: § 63 GSO) die Lehrerkonferenz, der insoweit ein fachlicher und insbesondere pädagogischer Einschätzungsspielraum zukommt, der – worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat – vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann.
Gemessen daran ist die von der Lehrerkonferenz des A.-Gymnasiums getroffene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere die Aussage, „das Gesamtbild der Einzelnoten in allen Fächern während des Schuljahres 2013/ 2014, welches bereits ein Wiederholungsjahr (für den Kläger) war und nicht erfolgreich zur Stabilisierung der Leistungen genutzt werden konnte, lässt nicht erkennen, dass mit Einsetzen der Therapie … eine deutlich erkennbare Verbesserung der Notentendenzen eingetreten ist“, ist auch in den Augen des erkennenden Senats überzeugend und nachvollziehbar. Bereits diese Einschätzung rechtfertigt den Schluss, dass nicht erwartet werden kann, der Kläger werde im nächsten Schuljahr das Ziel der Jahrgangsstufe erreichen (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO).
Wenn die Lehrerkonferenz darüber hinaus vor dem Hintergrund einer ärztlicherseits diagnostizierten „ausgeprägten Minderung des Selbstwertgefühls mit Störung des Selbstvertrauens“ auf Seiten des Klägers (Bescheinigung vom 9. Juli 2014, Bl. 2 des Behördenakts) künftig nicht auszuschließende Misserfolgserlebnisse befürchtet und entsprechend gewürdigt hat, liegt darin entgegen der Ansicht des Klägers auch keine unzulässige eigene medizinische Diagnose der Lehrerkonferenz. Vielmehr handelt es sich insoweit um die gebotene Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände, um einen umfassenden Gesamteindruck zu gewinnen, der wiederum eine aus fachlich-pädagogischer Sicht möglichst zutreffende Prognose erlaubt.
Soweit der Kläger bzw. dessen gesetzliche Vertreter diese Prognose auch deshalb für falsch halten, weil die in der 8. Jahrgangsstufe steigende „Lärmbeanspruchung“ (gemeint: Lernbeanspruchung) ebenso wie das Erfordernis des Nachholens versäumten Stoffs „im allgemeinen alle Schüler gleichmäßig trifft“ und vielmehr zu berücksichtigen sei, dass der Kläger das Klassenziel nur „ganz knapp wegen der Durchschnittsnoten in Englisch und Geographie von jeweils 4,7 versäumte“, setzen sie lediglich ihre eigene, den Senat indes nicht überzeugende Einschätzung und Gewichtung aller Umstände an die Stelle derjenigen der dafür fachlich qualifizierten Lehrerkonferenz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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