Verwaltungsrecht

Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe auf Probe

Aktenzeichen  M 3 E 17.5149

Datum:
27.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 137422
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 53 Abs. 6
BayGSO § 31 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

1 Bei der Prognoseentscheidung über ein Vorrücken auf Probe (Art. 53 Abs. 6 BayEUG) steht der Lehrerkonferenz ein fachlich-pädagogischer Beurteilungsspielraum zu (stRspr BayVGH BeckRS 2009, 43098). Die Entscheidung ist am Ende des Schuljahres vor Erteilung des Jahreszeugnisses von der besuchten und nicht einer zur Aufnahme des Schülers bereiten Schule zu treffen. Nachträgliche (positive oder negative) Entwicklungen der Leistungen beeinflussen die Prognose nicht. (Rn. 22, 28 und 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Voraussetzungen für ein Vorrücken auf Probe (Art. 53 Abs. 6 BayEUG iVm § 31 GSO) liegen nicht vor, wenn in zentralen Fächern (Englisch, Mathematik) große Wissenslücken bestehen, die ihre Ursache in einer geringen Leistungsbereitschaft und mangelnden Arbeitshaltung haben. (Rn. 24 und 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Streitgegenstand ist die Entscheidung des … Gymnasiums in … (im Folgenden: Gymnasium), dem Antragsteller am Ende des Schuljahres 2016/2017 das Vorrücken auf Probe von der 6. in die 7. Jahrgangsstufe nicht zu gestatten.
Der Antragsteller besuchte im Schuljahr 2016/2017 die 6. Jahrgangsstufe des Gymnasiums. Im Jahreszeugnis des Schuljahres 2016/2017 erzielte er in den Fächern Mathematik und Englisch jeweils die Note 5, seine übrigen Noten waren: Deutsch 3, Latein 4, Ethik 4, Natur und Technik 4, Geschichte 2, Kunst 3, Musik 6, Sport 3. Er erhielt vom Gymnasium keine Vorrückenserlaubnis in die 7. Jahrgangsstufe. Das Zeugnis enthielt u.a. den Hinweis, dass der Antragsteller sich aktiver und zielstrebiger am Unterricht beteiligen und die Beständigkeit und Sorgfalt seiner Arbeitsweise noch verbessern müsse. Sein Verhalten habe wiederholt Anlass zu Ermahnungen gegeben.
Die Klassenkonferenz hatte am 18. Juli 2017 einstimmig ein Vorrücken auf Probe nicht empfohlen. Begründet wurde dies damit, dass das Gesamtbild aller erzielten Leistungen des Antragstellers bei einem Vorrücken auf Probe nicht erwarten lasse, dass er das Ziel der siebten Jahrgangsstufe erreichen könne. Zusätzlich zeige der Antragsteller in einigen Fächern (v.a. Englisch) eine Arbeitsverweigerung, weshalb auch die Arbeitshaltung nicht für ein Vorrücken auf Probe spräche. Es bestünden daneben große Lücken aus den Vorjahren, die nicht geschlossen worden seien, eine mangelnde Beteiligung am Unterricht, mangelnde Grundkenntnisse, schwankender Einsatz, fehlendes Durchhaltevermögen, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und wenig Bereitschaft, sich mit schwierigen Aufgaben auseinanderzusetzen. Daher empfahl die Klassenkonferenz einstimmig den Übertritt auf die Realschule. Nachdem sich die Lehrerkonferenz in der Sitzung vom 24. Juli 2017 der Empfehlung der Klassenkonferenz einstimmig angeschlossen hat, teilte dies die Schule dem Antragsteller mit E-Mail vom 31. Juli 2017 mit.
Die am 6. September 2017 in Englisch und am 7. September 2017 in Mathematik abgelegten Nachprüfungen wurden jeweils mit der Note 6 bewertet.
Gegen die ablehnende Entscheidung des Vorrückens auf Probe wandten die Erziehungsberechtigten des Antragstellers in ihrem Widerspruch vom 17. September 2017 ein, dass gegen die angeblich großen Wissenslücken aus den Vorjahren die durchaus passablen Noten aus der 5. Jahrgangsstufe sprächen. Hingewiesen wurde auf die Problematik der Mobbingsituation in der Klasse gegen den Antragsteller, die sich negativ auf seine Psyche, Konzentrationsvermögen und letztendlich auf die Leistungsbewertung ausgewirkt hätten. Bei Wegfall dieser erheblichen Beeinträchtigung sei in Zukunft wieder mit akzeptablen Leistungen und Erreichen des Klassenziels der 7. Klasse zu rechnen. Die Lehrerkonferenz habe sich mit dem Thema Mobbing jedoch nicht auseinandergesetzt. Der Antragsteller habe des Weiteren in den Ferien Einzelunterricht in Mathematik und Englisch erhalten, so dass ein eventuell fehlender Kenntnisstand aus der 6. Jahrgangsstufe bereits nachgeholt sei. Darüber hinaus stünde ein Wohnungs- und damit auch Schulwechsel nach … an. Das Gymnasium in … sei bereit, den Antragsteller – vorbehaltlich der rechtlichen Voraussetzung – probeweise in die 7. Jahrgangsstufe aufzunehmen. Auch die zwischenzeitlich in der 6. Jahrgangsstufe des Schuljahrs 2017/2018 erbrachten guten Leistungen (schriftliche Arbeit in Mathematik mit Note 2, LateinEx mit Note 1, und jeweils der Note 3 im Jahrgangsstufentest Englisch und Deutsch) zeigten, dass nunmehr keine großen oder nicht behebbaren Wissenslücken des Antragstellers bestünden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 wies die Schule den Widerspruch zurück. Die Klassenkonferenz der ehemaligen Klasse des Antragstellers vom 22. September 2017 und die anhand deren Empfehlung entscheidende Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 seien einstimmig der Auffassung gewesen, dass auch nach erneuter Abwägung an der ablehnenden Entscheidung des Vorrückens auf Probe festgehalten werde. Laut Protokoll legte die Lehrerkonferenz ihrer Entscheidung das Protokoll der Klassenkonferenz vom 22. September 2017 zugrunde, der zufolge angesichts des mangelnden Arbeitsverhaltens des Antragstellers im Schuljahr 2017/2017 die Zustimmung zum Vorrücken auf Probe nicht habe erteilt werden können. Der Antragsteller solle zunächst seine Lücken in der 6. Jahrgangsstufe schließen, um schulisch erfolgreich zu sein. Auch wenn er in Fächern, die ihn interessiert hätten (u.a. Geschichte), phasenweise gut mitgearbeitet habe, habe sich bei ihm eine sehr geringe Frustrationstoleranz und unkameradschaftliches Verhalten gezeigt, wenn auch andere Schüler ihre Beiträge einbringen durften. Bezüglich der Mobbingsituation wurde u.a. auch auf die Mitschriften der Klassenkonferenzen zum Zwischen- und Jahreszeugnis verwiesen, denen zufolge der Antragsteller durch Provokationen und unkameradschaftliches Verhalten, Verärgerungen bei seinen Mitschülern erzeugt habe, sich aber ausschließlich in der Opferrolle sehe. Er sei damit nicht nur Opfer von Mobbing, sondern genauso Täter und Auslöser. Die problematische häusliche Situation (geplanter Umzug der Familie, Räumungsklage) sei bei allen Beratungen thematisiert und berücksichtigt worden. Sie sei dennoch nicht, ebenso wie das Mobbing, für die schwachen Leistungen des Antragstellers ursächlich.
Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 30. Oktober 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 3 K 17.5150).
Am 27. Oktober 2017 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München im Wege der einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig – bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache – das Vorrücken auf Probe in die 7. Jahrgangsstufe im Schuljahr 2017/2018 zu gestatten.
Zur Begründung wurde, über die im Widerspruch vorgetragenen Argumente hinaus, im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller sei im vorangegangenen Schuljahr extremen Mobbinghandlungen seiner Mitschüler ausgesetzt gewesen. So seien die Eltern des Antragstellers vom Gymnasium sogar aufgefordert worden, den Antragsteller nicht an einer Klassenfahrt zum Chiemsee teilnehmen zu lassen, da für dessen Sicherheit nicht habe garantiert werden können. Hinzu sei aufgrund von Unklarheiten über die Wohnsituation eine schwierige häusliche Situation gekommen, die den Antragsteller erheblich verunsichert hätte. Beide Problematiken seien von dem Antragsgegner nur unzureichend bis gar nicht gewürdigt worden, sodass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei. Die mangelhaften Leistungen seien gerade nicht allein auf eine fehlende Leistungsbereitschaft des Antragstellers zurückzuführen. Auch habe in der Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 für das Fach Englisch eine Lehrerin gesprochen, die den Antragsteller gar nicht unterrichtet habe. Der Beschlussfassung seien damit unzutreffende Informationen zugrunde gelegt worden. Der Antragsgegner habe daher die Grenzen des pädagogischen Ermessensspielraums überschritten. Des Weiteren sei der Antragsteller auch in der aktuell besuchten 6. Klasse der Antragsgegnerin einem heftigen Mobbingangriff in der Umkleidekabine ausgesetzt gewesen, bei dem der Antragsteller eine Gehirnerschütterung erlitten habe.
Der Antragsgegner zeigt am 9. November 2017 seine Vertretung durch die Prozessvertretung der Regierung von Oberbayern an und nimmt mit Schriftsatz vom 22. November 2017, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 23. November 2017, unter Vorlage der Verwaltungsakte zum Antrag Stellung und beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt zunächst vor, dem Eilantrag fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da die mögliche Probezeit am Schuljahresbeginn nur bis zum 15. Dezember dauere und daher mittlerweile weit überwiegend abgelaufen sei. Jedenfalls sei der Eilantrag unbegründet. Sowohl in der Klassenkonferenz als auch in der Lehrerkonferenz sei das Vorrücken auf Probe einstimmig abgelehnt worden, da nach überwiegender Auffassung die Grundvoraussetzung für ein Vorrücken auf Probe, nämlich das fehlende eigene Verschulden, nicht gegeben sei. Nachweise einer eigenen erheblichen Beeinträchtigung mit der Folge von Leistungsminderungen habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Doch auch die positive Erwartung, dass entstandene Lücken geschlossen werden könnten und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden könne, fehle. Die Prognose der Lehrerkonferenz beruhe insbesondere nicht auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen zur Leistungssituation des Antragstellers und enthalte keine Rechtsfehler. Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null seien nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner legt des Weiteren eine Stellungnahme des Schulleiters des Gymnasiums vom 9. November 2017 sowie eine dazugehörige Ergänzung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Der Antrag ist zulässig. Die Zweifel des Antragsgegners an der Unzulässigkeit des Antrags aufgrund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses sind unbegründet. Nach der Rechtsprechung (BayVGH B.v.15.3.2012 – 7 ZB 11.2935 -; VG München, U.v. 3.8.2011 – M 3 K 11.771), erledigt sich ein Anspruch auf Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe nicht einmal mit Ablauf des Schuljahrs, für das das Vorrücken beantragt wurde; dementsprechend erledigt sich ein Anspruch auf Vorrücken auf Probe bei rechtzeitiger Antragstellung nicht mit Ablauf der Probezeit. Vorliegend hat der Antragsteller von der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. September 2017 Gebrauch gemacht und am 27. Oktober 2017 den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt. Er hat somit seine ihm zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten wahrgenommen; diese Rechtsstellung kann ihm durch die Dauer des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr genommen werden (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG).
Der Antrag ist unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) und der Grund der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind dabei glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Einen Anspruch auf probeweises Vorrücken konnte der Antragsteller nicht glaubhaft machen.
Gemäß Art. 53 Abs. 6 Satz 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch § 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 362) geändert worden ist, kann Schülerinnen und Schülern, die die Erlaubnis zum Vorrücken nicht erhalten haben, in einzelnen Schularten und Jahrgangsstufen nach Maßgabe näherer Regelungen in den Schulordnungen das Vorrücken auf Probe gestattet werden. Eine derartige Regelung über das Vorrücken auf Probe am Gymnasium enthält § 31 Abs. 1 Satz 1 Gymnasialschulordnung (GSO) vom 23. Januar 2007 (GVBl. S. 68, BayRS 2235-1-1-1-K), die zuletzt durch § 8 der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 193) geändert worden ist. Danach können Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 9, die das Ziel der jeweiligen Jahrgangsstufe und damit die Erlaubnis zum Vorrücken erstmals nicht erreicht haben, mit Einverständnis ihrer Erziehungsberechtigten auf Probe vorrücken, wenn nach dem Gesamtbild aller erzielten Leistungen erwartet werden kann, dass sie im nächsten Schuljahr das Ziel der Jahrgangsstufe erreichen.
Als weitere Rechtsgrundlage für das Vorrücken auf Probe sieht Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG vor, dass Schülerinnen und Schülern, die infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen die Voraussetzungen zum Vorrücken nicht erfüllen (z.B. wegen Krankheit), das Vorrücken auf Probe gestattet werden kann, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann.
Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 53 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO und des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG trifft die Lehrerkonferenz auf der Grundlage einer Empfehlung der Klassenkonferenz (§ 31 Abs. 1 Satz 3 GSO).
Aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die ablehnenden Entscheidungen der Lehrerkonferenz vom 24. Juli 2017 und vom 26. September 2017, ein Vorrücken auf Probe in die 7. Jahrgangsstufe abzulehnen, nicht zu beanstanden.
Es kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob beim Antragsteller die Voraussetzung des Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG, dass die Leistungen für das Vorrücken infolge nachgewiesener erheblicher Beeinträchtigungen ohne eigenes Verschulden wegen Leistungsminderungen nicht erbracht werden konnten, gegeben ist. Denn selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzung kann das Vorrücken auf Probe, ebenso wie auf der Grundlage des Art. 53 Abs. 6 Satz 1 BayEUG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO, nur gestattet werden, wenn zu erwarten ist, dass die entstandenen Lücken geschlossen werden können und das angestrebte Bildungsziel erreicht werden kann (Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG) bzw. wenn nach dem Gesamtbild aller erzielten Leistungen erwartet werden kann, dass im nächsten Schuljahr das Ziel der Jahrgangsstufe erreicht wird (§ 31 Abs. 1 Satz 1 GSO). Bei der insoweit zu treffenden Prognose steht der Lehrerkonferenz ein fachlich-pädagogischer Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (ständige Rspr, z.B. BayVGH, B.v. 10.3.2009 – 7 CE 09.174 – juris Rn. 18; B.v. 8.12.2004 – 7 CE 04.2910 – juris -; B.v. 10.10.2007 – 7 CE 07.2384 – juris – Rn. 12).
Nach der im Eilverfahren gebotenen überschlägigen Überprüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine Anhaltspunkte, dass die im streitgegenständlichen Verfahren getroffene Prognose über das Nichtvorrücken auf Probe, rechtsfehlerhaft zu Stande gekommen wäre und die Grenzen des insofern der Lehrerkonferenz eingeräumten Beurteilungsspielraums überschritten worden wären. Insbesondere hat die Lehrerkonferenz bei ihrer Beschlussfassung keine Verfahrensfehler begangen und ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen.
Die Lehrerkonferenz ist bei ihrer Prognose von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die Schule hat zu Recht beim Antragsteller große Wissenslücken festgestellt. Sie hatte bei ihrer Beurteilung von den vom Antragsteller in der Schule gezeigten Leistungen auszugehen, da die Berücksichtigung privater, sei es auch fachlicher Beurteilungen über den Leistungsstand eines Schülers bei der Bildung der Jahresfortgangsnote auf der Grundlage des § 28 GSO nicht vorgesehen ist. Die vom Antragsteller in der Schule erbrachten Leistungen zeigten in drei, davon zwei vorrückungsrelevanten Fächern, so große Wissenslücken, dass sie nicht mehr mit „ausreichend“ beurteilt werden konnten. Dass diese Wissenslücken sich auch auf den Bereich des Grundwissens erstrecken, haben die Lehrkräfte aufgrund der von ihnen im Unterricht gemachten Beobachtungen in vom Gericht nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Die Leistungen des Antragstellers in den Fächern Englisch, Mathematik und Musik hatten sich zwischen dem Zwischenzeugnis und dem Jahreszeugnis nicht verbessert; dieses Notenbild stützt die fachlich-pädagogische Einschätzung der Lehrkräfte, die den Antragsteller in Englisch und Mathematik unterrichtet haben, dass dieser sehr große Wissenslücken hat. Der Einwand des Antragstellers, dass gegen die angeblichen großen Wissenslücken aus den Vorjahren die durchaus passablen Noten aus der 5. Jahrgangsstufe sprächen – im Jahreszeugnis der 5. Jahrgangsstufe hatte der Antragsteller in Englisch die Note 3 und in Mathematik die Note 4 – hilft nicht darüber hinweg, dass sich die streitgegenständliche Prognoseentscheidung auf die Leistungen der 6. Jahrgangsstufe stützt. Wenn diese mangelhaft sind, so ist der seitens des Gymnasiums vorgetragene Aspekt großer (nicht geschlossener) Lücken aus den Vorjahren und im Grundwissen, nicht zu beanstanden.
Bei der Einschätzung der Lehrerkonferenz, dass Ursache für die vom Antragsteller erbrachten, zum Erreichen des Klassenziels nicht ausreichenden Leistungen seine sehr geringe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit sei, kann das Gericht keine Rechtsfehler erkennen. Es ist nicht erkennbar, dass das schlechte Jahresergebnis auf vom üblichen Leistungsstand gravierend abweichenden, völlig untypischen Leistungen während eines bestimmten Zeitraums beruht hätte, die durch ein belastendes Ereignis (z.B. den Tod eines dem Antragsteller nahestehenden Familienangehörigen) erklärlich wären, jedoch die grundsätzlich bestehende Leistungsfähigkeit des Schülers nicht infrage stellen würden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn das Notenbild des Antragstellers hat sich zwischen dem Zwischenzeugnis und dem Jahreszeugnis in keinem Fach verbessert, sondern ist bis auf die Verschlechterungen um eine Notenstufe in den Fächern Latein (von Note 3 auf Note 4) und Geschichte (von Note 1 auf Note 2) gleich geblieben. Das vom Gymnasium vorgetragene Argument einer mangelnden Arbeitshaltung des Antragstellers kann auch insofern nicht beanstandet werden, als es sich hierbei gerade um eine im rein schulischen Bereich gemachte Beobachtung handelt, die die Eltern anhand eigener Beobachtungen im häuslichen Bereich anhand der ihnen vorliegenden Hausaufgaben und Unterrichtsblätter nicht widerlegen können.
Die in der Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 bei der Entscheidung über den Widerspruch berücksichtigten nicht bestandenen Nachprüfungen und Beobachtungen der Lehrer des Antragstellers in den Fächern Mathematik und Englisch zu Beginn der wiederholten 6. Jahrgangsstufe im aktuellen Schuljahr 2017/2018, führen ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Prognoseentscheidung. Dem Antragsteller ist allerdings insofern Recht zu geben, als diese Beobachtungen für die Erstellung der Prognose unerheblich sind. Die Prognoseentscheidung ist allein aufgrund der Tatsachengrundlage des Schuljahresendes 2016/2017 zu treffen. Entwicklungen des Schuljahres 2017/2018 sind dabei nicht zu berücksichtigen. Dennoch ist es für die ordnungsgemäß getroffene Prognoseentscheidung unschädlich, wenn zu einem späteren Zeitpunkt (Entscheidung über den Widerspruch im neuen Schuljahr), das aktuelle Arbeitsverhalten ebenfalls angesprochen wird, solange es nur als Ergänzung und Bestätigung der abschließend, auf Leistungen des vergangenen Schuljahres, getroffenen Prognose herangezogen wird. Da die Aussagen über Leistungen im aktuellen Schuljahr ohnehin nicht von Belang sind, kann die Klärung bezüglich der im Protokoll genannten, laut Gymnasium aufgrund eines Versehens der Protokollantin, nicht den Antragsteller in Englisch unterrichtenden Lehrerin im Schuljahr 2017/2018 dahinstehen.
Dementsprechend können jedoch auch nicht die positiven Entwicklungsschritte des Antragstellers, nach dem für die Prognose entscheidungsrelevanten Zeitpunkts, auf die Prognoseentscheidung Einfluss nehmen. Der Einwand des Antragstellers, er habe in den Sommerferien 2017 Einzelunterricht in Mathematik und Englisch erhalten und so einen etwaig fehlenden Kenntnisstand aus der 6. Jahrgangsstufe bereits nachgeholt, führt zu keinem anderen Ergebnis der Prognoseentscheidung. Dass für die Bildung der Jahresfortgangsnote allein die in der GSO vorgesehenen Leistungsnachweise maßgeblich sind, wurde bereits ausgeführt. Ebenso sind die von Antragstellerseite vorgelegte Extemporale aus dem Lateinischen (Note 1), der 1. Test im Fach Mathematik (Note 2) und die Jahrgangsstufentests in den Fächern Englisch (Note 3) und Deutsch (Note 3) aus den Monaten September/Oktober 2017 bei der Beurteilung der Prognoseentscheidung außer Acht zu lassen. Insoweit kann offen bleiben, ob diese Bewertungen in der wiederholten 6. Jahrgangsstufe aussagekräftig dafür sind, dass der Antragsteller auch im Verlauf der angestrebten 7. Jahrgangsstufe ausreichende Leistungen erbracht hätte.
Dem vorgenannten Rechtsgedanken folgend, ist ebenfalls das Angebot des Gymnasiums …, es halte es aus pädagogischen Gründen vertretbar, den Antragsteller, vorbehaltlich der rechtlichen Voraussetzungen, probeweise in die 7. Jahrgangsstufe ihres Gymnasiums aufzunehmen, unerheblich. Mit der Schulleitung des besagten Gymnasiums wurde anlässlich eines vorgesehenen Wechsels des Antragstellers aufgrund eines geplanten Umzugs seiner Familie die Thematik besprochen. Allerdings ist, wie bereits ausgeführt, die Entscheidung über das Vorrücken auf Probe am Ende des Schuljahres, jedoch vor Erteilung des Jahreszeugnisses, also von der Schule, die das Jahreszeugnis ausstellt, zu treffen. Dies ergibt sich nicht nur aus Sinn und Zweck der Regelung, sondern auch aus dem Wortlaut des § 31 Abs. 2 GSO, wonach das Vorrücken auf Probe als Bemerkung in das Jahreszeugnis aufgenommen wird (s. auch VG München, U.v. 8.11.2016 – M 3 K 16.3910 –). Demgegenüber enthalten weder das BayEUG noch die GSO eine Sonderregelung, wonach im Fall eines Schulwechsels die aufnehmende Schule die Entscheidung über das Vorrücken auf Probe unabhängig von der am Schuljahresende von der vormals besuchten Schule bereits getroffenen Entscheidung selbst treffen könnte. Die Wertung einer im nachfolgenden Schuljahr eventuell neu zu besuchenden Schule ist damit für die streitgegenständliche Entscheidung ohne Bedeutung. Schließlich hat diese zu Recht ihre Bereitschaft, den Antragsteller auf Probe in die 7. Jahrgangsstufe zu versetzen, vom Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen hierfür abhängig gemacht und damit der Rechtslage Rechnung getragen.
Die Klärung des Einwands des Antragstellers, dass auch der Klassenkonferenz die Bereitschaft der aufnehmenden Schule in … habe bekannt sein müssen, kann damit mangels Entscheidungserheblichkeit der Aufnahmebereitschaft für die Prognoseentscheidung dahinstehen.
Die Lehrerkonferenz hat bei der von ihr angestellten Prognose auch die Problematiken des Mobbings und der schwierigen häuslichen Situation in nicht zu beanstandender Weise eingestellt. So nimmt die Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 vollumfänglich Bezug auf die vorhergehende Beratung der Klassenkonferenz der ehemaligen 6. Klasse des Antragstellers vom 22. September 2017. Hierbei wurde unter Punkt 3. auf eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Antragstellers durch Mobbing und unter Punkt 4. zu der problematischen häuslichen Situation Stellung genommen. Die in die Beurteilung als Argument für ein Wiederholen der Jahrgangsstufe eingestellte Feststellung von Integrationsproblemen des Antragstellers in den Sozialverband der Klasse kann nicht beanstandet werden. Es handelt sich um eine im rein schulischen Bereich gemachte Beobachtung, deren Richtigkeit im Übrigen vom Antragsteller nicht versucht wurde zu widerlegen. Denn bestritten wird vom Antragsteller nur, dass auch von ihm Mobbinghandlungen ausgegangen seien. Die Klärung der Frage, aus welchen Gründen das Gymnasium dem Antragsteller vorgeschlagen hatte, nicht an der Klassenfahrt teilzunehmen, kann daher dahinstehen. Im Übrigen wurden die Ursachen für die schwachen Leistungen des Schülers von dem Gymnasium nicht in seiner häuslichen Situation oder im Mobbing gesehen, sodass auch bei einem Entfallen dieser ungünstigen Beeinflussungen, nicht mit einer positiven Prognose gerechnet werden konnte.
Auch die Argumentation des Gymnasiums, dass seine Entscheidung im Interesse und zum Wohl des Antragstellers ergangen sei, da der Antragsteller durch ein Wiederholgen die bestehenden Lücken des Lernstoffs betreffend der 6. Jahrgangstufe schließen könne und so mit einem gesicherten Grundwissen in die 7. Jahrgangsstufe vorrücken könne, liegt im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Zwar darf die Schule die Vorrückensentscheidung nicht maßgeblich oder ausschließlich auf Aspekte des Wohls des Schülers stützen. Vorliegend wurde das Wohl des Schülers jedoch nur ergänzend aufgeführt und die negative Prognose bezüglich des Erreichens des Ziels der Jahrgangstufe 7 in erster Linie auf den Leistungsstand und auf die oben dargestellten, fehlenden Voraussetzungen für ein probeweises Vorrücken gestützt.
Der Vortrag des Antragstellers, der Schulleiter habe bei der Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 behauptet, auch der Vater des Antragstellers sei zu dem Schluss gekommen, dass das Nichtvorrücken auf Probe das Beste für den Schüler sei, kann durch die Niederschrift zu selbiger nicht belegt werden. Hiernach sei man bei dem Gespräch zwischen Schulleitung und Vater des Antragstellers am 18. September 2017 zu dem Schluss gekommen, dass es „aus Sicht der Schule“ das Beste für den Antragsteller sei, die 6. Jahrgangsstufe zu wiederholen. In der Lehrerkonferenz vom 26. September 2017 wurde somit diesbezüglich keine unzutreffende Sachverhaltsgrundlage geschaffen.
Somit ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Vorrücken auf Probe gemäß Art. Art. 53 Abs. 6 Satz 1 BayEUG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 GSO und Art. 53 Abs. 6 Satz 2 BayEUG nicht glaubhaft gemacht.
Auch ist keine andere rechtliche Möglichkeit ersichtlich, dem Antragsteller das Vorrücken in die 7. Jahrgangstufe zu ermöglichen. Denn die Möglichkeit des Art. 53 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz BayEUG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1 GSO, die Erlaubnis zum Vorrücken aufgrund einer zu Beginn des neuen Schuljahres erfolgreich abgelegten Nachprüfung, die bei einem Wohnsitzwechsel gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 GSO auch an einer neuen Schule abgelegt werden kann, zu erhalten, hatte der Antragsteller bereits durch Teilnahme an den Nachprüfungen ohne Erfolg wahrgenommen.
Aus den dargestellten Gründen war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über den Streitwert beruht unter Berücksichtigung der Vorläufigkeit des Verfahrens auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.


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