Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Transport eines geladenen Jagdgewehres im Auto

Aktenzeichen  24 ZB 19.695

Datum:
11.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 802
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2b

 

Leitsatz

Der Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis, der sein Jagdgewehr in geladenem Zustand im Auto in räumlicher Nähe zu seinem im Fußraum des Beifahrersitzes liegenden Jagdhund transportiert, ist unzuverlässig, auch wenn sich ein derartiger Vorfall nicht in genau derselben Weise wiederholen mag, weil ein derartiges Verhalten ein bedenkliches Verständnis im Hinblick auf den gebotenen sorgfältigen Umgang mit Schusswaffen offenbart. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.1943 2019-02-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 17.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den mit Bescheid des Beklagten vom 3. April 2017 ausgesprochenen Widerruf seiner Waffenbesitzkarte. Grund für diese behördliche Entscheidung war unter anderem, dass der Kläger, ein Fischzüchter und Teichwirt, durch einen Schuss aus seinem eigenen Jagdgewehr am Arm verletzt worden war. Nach Aussage des Klägers hatte er zuvor bei der Vergrämung von Kormoranen durch Abgabe eines Schusses einen angeblich zum wiederholten Mal in der Nähe seines Teiches wildernden Hund entdeckt. Während der anschließenden Suchfahrt nach dessen Halterin habe er sein Jagdgewehr in geladenem Zustand neben seinem im Fußraum des Autos liegenden Jagdhund angelehnt. Als er die Halterin des Hundes gefunden und mit ihr gesprochen habe, sei deren Hund von außen gegen sein Auto gesprungen. Sein eigener Jagdhund habe daraufhin sein „Territorium“ verteidigt und sich von innen gegen die Scheibe gedrückt, wobei er den Schuss ausgelöst habe.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 6. Februar 2019 abgewiesen. Der Kläger habe sein Jagdgewehr in geladenem Zustand im Auto in räumlicher Nähe zu seinem im Fußraum des Beifahrersitzes liegenden Jagdhund transportiert. Er habe es somit am gebotenen vorsichtigen Umgang mit seiner Schusswaffe im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG fehlen lassen und sei im waffenrechtlichen Sinne nachträglich unzuverlässig geworden.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Innerhalb offener Frist hat er vorgetragen, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel, weil das Verwaltungsgericht vor allem die seiner Ansicht nach „rechtssystematisch verunglückte“ Vorschrift des § 5 WaffG nicht richtig interpretiert habe und dem streitgegenständlichen Geschehen nicht gerecht geworden sei. Nach einem weiteren Wechsel seiner Bevollmächtigten hat er außerdem geltend machen lassen, das angefochtene Urteil leide an einem Verfahrensfehler.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – hält den Antrag auf Zulassung der Berufung für unbegründet und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des vorgelegten Behördenakts verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Bescheid des Beklagten vom 3. April 2017, mit dem unter anderem der Widerruf der zugunsten des Klägers erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis verfügt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger aufgrund des von ihm gezeigten Verhaltens im waffenrechtlichen Sinne nachträglich unzuverlässig geworden ist und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 zunächst Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen folgendes anzumerken:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis des Klägers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den unabdingbaren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis gehört auch, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG), was unter anderem dann nicht der Fall ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die betreffende Person mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG).
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, die Voraussetzungen dieser Vorschriften seien im Fall des Klägers unter anderem aufgrund des von ihm gezeigten, sorglosen Umgangs mit seiner geladenen Jagdwaffe, der eine negative Prognose im Hinblick auf seinen künftigen Umgang mit Waffen rechtfertige, erfüllt.
a) An der Richtigkeit dieser Entscheidung ändert nichts, dass der Kläger selbst der Auffassung ist, keinesfalls im waffenrechtlichen Sinn „absolut unzuverlässig“ zu sein. Er macht sinngemäß unter anderem geltend, das Waffengesetz sei in den letzten 30 Jahren immer wieder – teilweise aus rein populistischen Gründen – verschärft worden und insbesondere die Vorschrift des § 5 WaffG sei „rechtssystematisch verunglückt“ und stelle eine „gesetzgeberische Fehlleistung“ dar. So würden etwa Personen, die wegen eines Verbrechens oder sonstiger schwerer Straftaten verurteilt seien, gleichgesetzt mit Menschen, von denen man – wie in seinem Fall – „lediglich“ annehme, dass sie künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Beide Personengruppen würden gleichermaßen als „absolut unzuverlässig“ betrachtet, obwohl dies dem von ihm geschilderten, streitgegenständlichen Geschehen nicht gerecht werde. Denn „natürlich“ werde sich ein derart außergewöhnlicher Geschehensablauf, der im Übrigen nicht zuletzt auch auf das Fehlverhalten der Führerin des nicht ausreichend kontrollierten Hundes zurückzuführen sei, nicht wiederholen.
Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Zwar mag sich ein derartiger Vorfall in der Tat nicht in genau derselben Weise wiederholen, gleichwohl offenbart er ein bedenkliches Verständnis des Klägers im Hinblick auf den gebotenen sorgfältigen Umgang mit Schusswaffen. Im Übrigen verkennt der Kläger, dass es allein Sache des Gesetzgebers ist, den im Grundsatz stets gefahrgeneigten Umgang mit Waffen im Sinne eines größtmöglichen Schutzes der Allgemeinheit sowie des jeweiligen Waffenbesitzers angemessen zu regeln. Dabei ist ihm ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eingeräumt, dessen Grenzen hier – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht überschritten sind. Aus rechtlicher Sicht ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber sowohl bereits verurteilten Straftätern (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG), als auch Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG), den Besitz der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit abspricht. Beiden Gruppen gemeinsam ist nämlich, dass sie – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – gleichermaßen keine hinreichende Gewähr dafür bieten, künftig die bestehenden Gesetze jederzeit zu achten und mit Waffen stets sorgsam umzugehen.
b) Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte strafgerichtliche Verurteilung inhaltlich zu überprüfen, so bestand dafür kein Anlass. Abgesehen davon, dass in einem solchen Zusammenhang grundsätzlich von der Richtigkeit eines rechtskräftigen Strafurteils einschließlich der darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen ausgegangen werden darf (vgl. N. Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 1 Rn. 4), hat das Verwaltungsgericht eine nähere Prüfung auch deshalb für entbehrlich gehalten, weil es – selbständig tragend – davon ausgegangen ist, der Kläger sei bereits gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG als unzuverlässig anzusehen. Dagegen ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
c) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte in seinem Fall auch nicht unverhältnismäßig. Falls – wie er vorträgt – eine aus Sicht eines Fischzüchters notwendige Vergrämung von Kormoranen durch Knall- oder Schreckschussgeräte tatsächlich nicht erfolgversprechend sein sollte, bleibt es ihm jedenfalls unbenommen, im Bedarfsfall einen Dritten mit der Vertreibung von Kormoranen zu beauftragen. Soweit der Kläger im Übrigen sicherstellen möchte, seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse möglichst bald wiederzuerlangen, ist das nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem der Kläger – dem verfügten Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids entsprechend – ausschließlich den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte angefochten hat.
2. Der von den jetzigen Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 darüber hinaus geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wurde trotz der dem angefochtenen Urteil vom 6. Februar 2019 (den damaligen Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 11. März 2019) beigefügten, zutreffenden Rechtsmittelbelehrungnicht innerhalb der zweimonatigen gesetzlichen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt und ist deshalb nicht zu berücksichtigen. Denn der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf dieser Frist (hier am 11. Mai 2019) ist ausgeschlossen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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