Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit von “Reichsbürgern”

Aktenzeichen  24 ZB 18.2502

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14659
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2
BJagdG § 17 Abs. 1

 

Leitsatz

Personen, die der sog. “Reichsbürgerbewegung” zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, sind waffenrechtlich unzuverlässig. Verhaltensweisen und Einlassungen, die sich typischerweise als solche der sog. “Reichsbürgerbewegung” darstellen, rechtfertigen die auf Tatsachen gestützte Prognose einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (Fortführung von BayVGH BeckRS 2018, 201). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.750 2018-10-17 GeB VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 26.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich u.a. gegen den Widerruf seiner waffen-, sprengstoff- und jagdrechtlichen Erlaubnisse.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2018 zum überwiegenden Teil abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2017 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. September 2018 sei – bis auf dessen Nr. 2 – rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser sei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sog. „Reichsbürgerbewegung“ unzuverlässig i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SprengG und § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG geworden.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter Verweisung auf Teile seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er geltend, es lägen Zulassungsgründe nach §§ 124 b, 124 Abs. 2 Nr. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gem. §§ 124 b, 124 Abs. 2 Nr. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind – abgesehen davon, dass die Vorschrift des § 124 b VwGO bereits mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgehoben wurde – bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.
1. Die Darlegung der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) erfordert nicht nur die genaue Benennung des Gerichts und die zweifelsfreie Angabe seiner Divergenzentscheidung. Darzulegen ist auch, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird. Zur Geltendmachung der Divergenzrüge reicht es nicht aus, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung derartiger Rechtssätze des Divergenzgerichts aufzuzeigen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2008 – 9 B 15.08 – NVwZ 2008, 1115 Rn. 22 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73 m.w.N.).
Vorliegend beschränkt sich der Kläger darauf, eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Oktober 2018 (Az. 21 CS 18.264) zu zitieren, von der das Verwaltungsgericht seiner Ansicht nach mit seinem Gerichtsbescheid abweicht, indem es die in dieser obergerichtlichen Rechtsprechung „geforderte Prognose zur generellen Anerkennung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch den Kläger und Antragsteller außer Acht lasse“. Er unterlässt es jedoch, einen tragenden Rechts- oder Tatsachensatz der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen, der dem angeführten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs widersprechen könnte.
2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Der Kläger ist der Auffassung, es sei obergerichtlich nicht abschließend geklärt, „unter welchen Voraussetzungen ein Bürger als sog. „Reichsbürger“ gelten soll und inwieweit seitens des Staates hieran negative Folgen wie der Verlust der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit geknüpft werden dürfen“. Unter Bezugnahme auf eine beigefügte Pressemitteilung des OVG Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2018 macht er geltend, in Bezug auf seine Person könne nicht festgestellt werden, dass er über reine Sympathiebekundungen in Bezug auf die „Reichsbürgerbewegung“ hinaus ausdrücklich oder konkludent seine Bindung an in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechtsvorschriften in Abrede oder unter einen Vorbehalt stelle. Auch die seitens des Bayerischen Staatsministeriums des Innern mit Rundschreiben vom 29. Dezember 2016 postulierten diesbezüglichen Kriterien seien noch nicht gerichtlich überprüft worden.
Mit diesem Vortrag ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist bereits geklärt, dass Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, waffenrechtlich unzuverlässig sind und dass Verhaltensweisen und Einlassungen, die sich typischerweise als solche der sog. „Reichsbürgerbewegung“ darstellen, die auf Tatsachen gestützte Prognose einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (z.B. BayVGH, B.v. 10.01.2018 – 21 CS 17.1339 – juris m.w.N.). Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht auf S. 18ff. des streitgegenständlichen Gerichtsbescheids in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mehrere Vorkommnisse und Verhaltensweisen des Klägers aufgeführt, die in den Augen des Gerichts dessen Zugehörigkeit zur – äußerst heterogenen – Szene der „Reichsbürger“ belegen. So habe der Kläger einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf RuStAG 1913 gestellt, da er sich von der ihm durch die Staatsfiktion „BRiD“ zugeteilten Staatsbürgerschaft „Deutsch“, die ihn zum Sklaven, Rechtlosen und vogelfreien Staatenlosen gemacht habe, distanziere. Die Bundesrepublik von Deutschland sei nur ein Teil von Deutschland und sei von den Vereinten Nationen abgemeldet worden, sodass es diese auf internationaler Ebene nicht mehr gebe. Die Bundesrepublik sei noch nie ein Staat gewesen. Im Übrigen habe der Kläger – in für Reichsbürger typischer Weise – zu erkennen gegeben, dass er das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehne und Vertretern des Staates die Legitimation abspreche. Ob diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts zutreffen, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nr. 50.2, 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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