Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen Straftat

Aktenzeichen  24 ZB 21.126

Datum:
22.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7387
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124

 

Leitsatz

1. Wer bereits dreimal in strafrechtlich relevanter Weise gegen das Waffenrecht verstoßen hat, ist waffenrechtlich unzuverlässig. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bedarf keiner besonderen waffentechnischen Kenntnisse, um nachzuprüfen, ob die Verurteilung des Betroffenen wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu Recht erfolgte oder nicht. Die strafgerichtliche Verurteilung darf insoweit ohne eigenständige Prüfung als richtig zugrunde gelegt werden, wenn es nicht auf der Hand liegt, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht und die Behörde auch nicht ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 19.806 2020-11-17 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 22.000, – Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und seines Kleinen Waffenscheins sowie hierzu ergangene Nebenentscheidungen.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 17. November 2020 abgewiesen. Der Kläger sei gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen, da er wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist. Eine Abweichung von der Regelvermutung komme nicht in Betracht. Zudem ergebe sich seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit aus dem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG wegen wiederholter Verstöße gegen das Waffengesetz. Weder der Einwand, es habe sich nicht um „richtige“ Waffen gehandelt, da diese nicht gebrauchsfähig gewesen seien, noch der Umstand, dass der Widerruf erst mit Bescheid vom 13. August 2019 und damit erst deutlich nach der Durchsuchung am 22. Oktober 2015 erfolgt ist, führten zu einem anderen Ergebnis.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Erstgericht bei der Beurteilung des Gefahren- und Unrechtspotenzials nicht berücksichtigt habe, dass die Verfehlungen des Klägers Gegenstände beträfen, die zwar Waffen im Sinne des Gesetzes, aber in ihrem aufgefundenen und beschlagnahmten Zustand tatsächlich zur Verwendung als Waffe nicht geeignet gewesen seien und durch den Kläger auch nicht in einen Zustand dieser Art hätten versetzt werden können. Darüber hinaus weise die Rechtssache tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf. Schließlich hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutend, „ob zutreffender Weise es allein in der Verantwortung und Entscheidung der Beklagten liegt, ob und wann gehandelt wird, ohne dass dies Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Handelns erzielt“.
Die Beklagte ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des vorgelegten Behördenakts verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil der streitgegenständliche Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie des Kleinen Waffenscheins mitsamt seinen Nebenanordnungen rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Soweit der Kläger in der Zulassungsbegründung rügt, dass das deutlich geringere Gefahren- und Unrechtspotenzial von den aufgefundenen, nicht zur Verwendung geeigneten Waffen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts keine Rolle gespielt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass das Erstgericht diesen Aspekt sehr wohl bei seiner Entscheidung berücksichtigt, aber hieraus nicht den vom Kläger gewünschten Schluss gezogen hat. Es führt hierzu aus, dass dieser Einwand schon dem Grunde nach nicht zu einem anderen Ergebnis führen könne. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme es nicht darauf an, ob jemand mit seinen Waffen schon unmittelbar Gefahren für Menschen verursacht habe, sondern es werde vielmehr von einem Waffenbesitzer verlangt, dass sein gesamtes Verhalten keinen Anlass dafür biete, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln. Da der Kläger bereits dreimal in strafrechtlich relevanter Weise gegen das Waffenrecht verstoßen habe, könne er ein derartiges Vertrauen für sich nicht mehr in Anspruch nehmen (UA Seite 10/11). Diese Ausführungen sind zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wurde nicht dargelegt und liegt auch nicht vor.
Der Kläger hat weder in einer dem § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise substantiiert und unter konkreter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe die tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache dargelegt (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 71), noch hat er sich zur Darlegung der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substantiell auseinandergesetzt und deutlich gemacht, in welchem konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Punkt das Urteil zweifelhaft ist (OVG Münster, B.v. 31.7.1998 – 10 A 1329/98 – juris). Im Übrigen bedarf es entgegen der Zulassungsbegründung keiner besonderen waffentechnischen Kenntnisse, um nachzuprüfen, ob die Verurteilung des Klägers wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu Recht erfolgte oder nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn.9), der auch der erkennende Senat folgt (BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 24 ZB 18.2457; B.v. 23.6.2020 – 24 CS 20.1226; B.v. 14.7.2020 – 24 ZB 19.1176), darf die strafgerichtliche Verurteilung insoweit ohne eigenständige Prüfung als richtig zugrunde gelegt werden, nachdem es nicht auf der Hand liegt, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht und die Behörde auch nicht ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (vgl. Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 4 ff.). Damit ist mit dem Verwaltungsgericht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Tatbestand der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG erfüllt ist. Die strafgerichtliche Verurteilung ist nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 letzter Halbsatz WaffG auch noch berücksichtigungsfähig, nachdem ihre Rechtskraft am 9. August 2018 eintrat. Auf den Zeitraum zwischen der Begehung der Straftat und der späteren Aburteilung kommt es nach der gesetzlichen Regelung nicht an.
3. Schließlich hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Richtig verstanden will der Kläger geklärt wissen, wie lange die Waffenbehörde nach möglichen Verstößen eines Waffenbesitzers gegen strafrechtlich relevante waffenrechtliche Vorschriften zuwarten darf, bevor sie hieraus etwaige Konsequenzen zieht. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Dadurch, dass die Regelung des § 5 Abs. 2 WaffG eine strafgerichtliche Verurteilung voraussetzt, wird deutlich, dass die Waffenbehörde zunächst die Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung zumindest abwarten darf. Wie lange sie nach Eintritt der Rechtskraft auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit eines Betroffenen schließen darf, die ihrerseits Voraussetzung für einen grundsätzlich nicht im behördlichen Ermessen stehenden Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist, regelt der letzte Halbsatz des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG (vgl. oben 2.). Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass es allein in der Verantwortung und Entscheidung der Waffenbehörde liegt, „ob und wann sie handelt“.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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