Verwaltungsrecht

Wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig Klage im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wechsel des Zuständigkeitsstaats für die Pilotenlizenzierung

Aktenzeichen  8 ZB 18.1931

Datum:
2.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1224
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
VO (EU) Nr. 1178/2011

 

Leitsatz

1. Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung begründen nur dann zur Zulassung der Berufung führende Richtigkeitszweifel, wenn nicht nur bloße eine andere Bewertung des Sachverhalts möglich ist, sondern gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die behördeninterne Weitergabe personen- und lizenzbezogener Angaben auf standardisierten Formblättern in einem Verwaltungsverfahren kommt keine solche Außenwirkung zu, die geeignet wäre, sich abträglich auf das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit  auszuwirken und damit sein allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verletzen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 18.151 2018-08-01 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt den Widerruf bzw. die Änderung einer Mitteilung der Regierung von Mittelfranken – Luftamt Nordbayern – gegenüber der britischen Luftfahrtbehörde.
Der im Jahr 1941 geborene Kläger war seit 1961 Inhaber eines Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer, zuletzt erteilt am 18. Juni 2013 als Lizenz PPL(C). Diese Erlaubnis wurde vom Luftamt Nordbayern mit Bescheid vom 18. August 2015 widerrufen. Das Flugmedizinische Zentrum (AeMC) in Fürstenfeldbruck hatte im Oktober/November 2014 die Flugtauglichkeit des Klägers für alle Klassen verneint.
Der Antrag des Klägers vom 10. Februar 2015, die Zuständigkeit für seine Pilotenlizenz und die medizinischen Berichte auf Österreich zu übertragen, blieb erfolglos.
Mit E-Mail vom 22. Oktober 2016 teilte die britische Civil Aviation Authority (UK CAA) dem Luftamt Nordbayern mit, dass der Kläger die Übertragung seiner Lizenz auf das Vereinigte Königreich beantragt habe. Das Luftamt wurde gebeten, Details zur Lizenz des Klägers auf dem standardisierten Formblatt (Doc155) zu übermitteln. Das Luftamt beantwortete die Frage “Past or pending enforcement action” mit “Yes” und äußerte sich ergänzend wie folgt: “There are objections against transfer or recognition or validation in UK, because Mr. [Kläger] is classified as finally unfit class 2 und class LAPL Part MED according regulation (EU) 1178/2011 by CAA Luftfahrt-Bundesamt Braunschweig, Medical Department / Aeromedical Section Dr. med. K.”.
Mit E-Mail vom 17. November 2016 informierte die UK CAA (Medical Department) das Luftamt Nordbayern, dass das – die Flugtauglichkeit des Klägers bestätigende – Tauglichkeitszeugnis eines britischen flugmedizinischen Sachverständigen vom 16. März 2016 ungültig sei. Dieser habe das Zeugnis irrtümlich ausgestellt.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat die Klage des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, die o.g. Angaben des Luftamtes Nordbayern zu ändern bzw. zu ergänzen, mit Urteil vom 1. August 2018 abgewiesen. Ein Rechtschutzbedürfnis für die begehrte Änderung der Mitteilung sei nicht gegeben. Da das Transferverfahren bei der UK CAA beendet bzw. eingestellt sei, könne dem Kläger selbst eine erfolgreiche Klage auf Widerruf bzw. Korrektur der Äußerungen keinerlei Vorteile bringen. Am 19. Februar 2018 hatte das Verwaltungsgericht bereits einen entsprechenden Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtschutz abgelehnt (Az. W 6 E 18.152).
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil. Er macht ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit geltend, weil das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass die angegriffene Mitteilung des Luftamtes Nordbayern an die UK CAA für die Beendigung des Lizenzübertragungsverfahrens kausal gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers aus der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Art. 19 Abs. 4 GG gebiete es, ihm die Möglichkeit zu geben, sich gegen die falschen behördlichen Tatsachenbehauptungen zur Wehr zu setzen.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt oder liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 19). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19).
Nach diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf.
1.1 Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht verkenne, dass die unrichtigen Angaben des Luftamtes kausal für die Nichtübertragung der Lizenz des Klägers auf das Vereinigte Königreich gewesen seien, rügt der Kläger in der Sache nicht – wie behauptet – die Zugrundelegung eines unvollständigen Sachverhalts, sondern Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung (Interpretation der E-Mail der UK CAA vom 17.11.2016). Solche Fehler sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 8 ZB 18.1235 – BayVBl 2019, 237 = juris Rn. 25 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19). Für einen darauf gestützten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten (VGH BW, B.v. 11.2.2019 – 12 S 2789/18 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 21.6.2012 – 18 A 1459/11 – juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 67). Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist in einem solchen Fall nur dann gegeben, wenn gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt dafür nicht (BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17).
Solche zur Zulassung der Berufung führende Mängel lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Soweit die Zulassungsbegründung behauptet, der Kläger habe durch die Mitteilung des Luftamtes Nordbayern vom 27. Oktober 2016 an die britische Luftfahrtbehörde UK CAA einen Nachteil erlitten, unterscheidet sie nicht zwischen dem Widerruf des flugmedizinischen Tauglichkeitszeugnisses und der (Nicht-)Übertragung der behördlichen Zuständigkeit auf das Vereinigte Königreich (vgl. hierzu Verordnung [EU] Nr. 1178/2011, Anhang I, Abschnitt A, FCL.015 Buchst. d). Der Vorhalt, die E-Mail der UK CAA vom 17. November 2016 lasse keinen anderen Schluss zu, als dass das dort geführte Lizenzübertragungsverfahren allein aufgrund der Angaben des Luftamtes Nordbayern in dem Formblatt (datiert auf den 27.10.2016) beendet worden sei, ist deshalb schon im Ansatz verfehlt. Denn die UK CAA äußerte sich damit nicht zu dem Lizenzübertragungsverfahren, sondern ausschließlich zu den Hintergründen und der Gültigkeit des vom dortigen flugmedizinischen Sachverständigen (UK AME) am 16. März 2016 ausgestellten Tauglichkeitszeugnisses. Die UK CAA beantwortete damit nur die Anfrage des Luftamtes Nordbayern vom 8. August 2016. Die Antwort hatte keinen Bezug zu dem bei einer anderen Stelle innerhalb der UK CAA geführten Verfahren zur Übertragung der Zuständigkeit auf das Vereinigte Königreich. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt der E-Mail, sondern auch daraus, dass als unterzeichnende Stelle die Medizinischen Abteilung (Medical Department) auftritt, nicht aber die für das Lizenzübertragungsverfahren zuständige Stelle (“Licensing Assessment”, vgl. S. 350 der Behördenakte).
Das Verwaltungsgericht hat der E-Mail vom 17. November 2016 auch nicht – wie der Kläger behauptet – entnommen, dass das Lizenzübertragungsverfahren beendet worden ist, weil die UK CAA ihre Unzuständigkeit erkannt hätte. Das angegriffene Urteil enthält keine solche Wertung. Dies ergäbe auch keinen Sinn, weil ein Verfahren zur Übertragung der Zuständigkeit auf einen anderen Staat nicht voraussetzen kann, dass der Staat, der zuständig werden soll, dies schon vorher ist. Stattdessen ist der o.g. E-Mail der Medizinischen Abteilung der UK CAA, wie das Verwaltungsgericht in seinem Eilbeschluss vom 19. Februar 2019 zutreffend festgestellt hat (vgl. dort S. 10 BA), zu entnehmen, dass die britische Luftfahrtbehörde das medizinische Tauglichkeitszeugnis vom 16. März 2016 für ungültig hielt, weil die Zuständigkeit für die Lizenzierung und die medizinischen Berichte im Ausstellungszeitpunkt bei der Bundesrepublik Deutschland lag. Abgesehen davon ist dieser E-Mail der UK CAA auch keine Mehrdeutigkeit zu entnehmen. Der vom Zulassungsantrag angeführte Satz (“As the pilot´s State of Licence Issue is Germany, the paperwork for the medical examination should have been sent to the German Authority.”) schildert nicht nur einen heilbaren Formfehler, sondern einen durchgreifenden Zuständigkeitsmangel.
1.2 Der Zulassungsantrag zeigt auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers rechtsfehlerhaft verneint hat.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass das Rechtschutzbedürfnis dann fehlt, wenn die Rechtsstellung des Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde, die Klage also nutzlos wäre. Nutzlos ist eine Klage, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (BVerwG, U.v. 1.10.2015 – 7 C 8.14 – BVerwGE 153, 99 = juris Rn. 19; U.v. 16.7.2015 – 1 C 29.14 – BVerwGE 152, 283 = juris Rn. 21). Die Zulassungsbegründung legt nicht substanziiert dar, inwiefern eine Änderung oder Ergänzung der Mitteilung des Luftamtes Nordbayern vom 27. Oktober 2016 die Rechtsstellung des Klägers jetzt noch verbessern könnte (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, Vor §§ 40-53 Rn. 16), nachdem sein bei der UK CAA geführtes Verfahren zum Wechsel der Zuständigkeit auf das Vereinigte Königreich inzwischen eingestellt wurde (vgl. Sitzungsprotokoll des VG vom 1.8.2018 S. 3). Das nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachte Zulassungsvorbringen im Schriftsatz vom 21. Dezember 2018, das Transferverfahren sei nicht final beendet, sondern ruhe lediglich derzeit, steht im Widerspruch zu der ursprünglichen klägerischen Darstellung in der Zulassungsbegründung vom 2. Oktober 2018 (vgl. dort S. 14) und erfüllt damit nicht die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Auch das Vorbringen des Klägers, aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erwachse ein von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG umfasstes Recht, die Richtigkeit behördlicher Tatsachenbehauptungen gerichtlich überprüfen zu lassen, greift zu kurz. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit auszuwirken (BVerfG, B.v. 10.11.1998 – 1 BvR 1531/96 – BVerfGE 99, 185 = juris Leitsatz 1 und Rn. 42; BVerwG, U.v. 27.2.2019 – 6 C 1.18 – GewArch 2019, 292 = juris Rn. 15). Die behördeninterne Weitergabe personen- und lizenzbezogener Angaben auf standardisierten Formblättern in einem Verwaltungsverfahren kommt keine solche Außenwirkung zu; die ausgetauschten Informationen verbleiben geschützt im innerstaatlichen Bereich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Erstgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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