Verwaltungsrecht

Widerruf der Gaststättenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit, Einräumung bestimmenden Einflusses einer gewerberechtlich unzuverlässigen Person auf die Geschäftsführung, Begehung einer Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten, Verstöße gegen Auflagen zur Gaststättenerlaubnis, Shisha-Bar

Aktenzeichen  AN 4 K 20.00895

Datum:
6.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53579
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG
GastG § 5 Abs. 1
§ 31 HS. 1 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der nach Aufhebung der Zwangsmittelandrohung in Ziffer 3 verbleibende Bescheid der Beklagten vom 1. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis (Ziffer 1) ist rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Gaststättengesetz (GastG) i.d.F. d. Bek. vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3418), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 420). Nach § 15 Abs. 2 GastG ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
b) Der Kläger besaß im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Widerruf der Gaststättenerlaubnis (BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 6 C 15.04 – BVerwGE 124, 110 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 18.10.2012 – 12 B 12.1048 – juris Rn. 35) nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG.
Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (BVerwG, B.v. 23.9.1991 – 1 B 96.91 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 9.5.2003 – 22 B 03.360 – juris Rn. 8). Der Begriff der Unzuverlässigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG entspricht demjenigen des § 35 Abs. 1 GewO (BVerwG, B.v. 23.9.1991 – 1 B 96.91 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 9.5.2003 – 22 B 03.360 – juris Rn. 8), sodass auf die diesbezügliche Rechtsprechung und Kommentarliteratur zurückgegriffen werden kann.
Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergab sich bereits hinreichend aus dem Umstand, dass er seinem Bruder als gewerberechtlich unzuverlässiger Person bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung eingeräumt hat (aa). Darüber hinaus konnte die negative Prognose bezüglich der mangelnden Zuverlässigkeit des Klägers auch auf die Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten gestützt werden, die der Kläger in dem knappen Jahr seit Übernahme des Gaststättenbetriebes begangen hatte (bb).
aa) Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergab sich bereits hinreichend aus dem Umstand, dass er seinem Bruder, dem ehemaligen Inhaber der Gaststätte, bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung eingeräumt hat, obwohl dieser gewerberechtlich unzuverlässig war.
Die Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden muss auch dann verneint werden, wenn dieser einem unzuverlässigen Dritten maßgeblichen bzw. bestimmenden Einfluss auf die Führung des Gewerbebetriebes einräumt oder auch nur nicht willens oder in der Lage ist, einen solchen Einfluss auszuschalten (BVerwG, U.v. 16.10.1959 – VII C 63.59 – BVerwGE 9, 222 – VerwRspr 1960, 731/732; BayVGH, B.v. 24.5.2016 – 22 ZB 16.252 – juris Rn. 15; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 85. EL September 2020, § 35 Rn. 69 m.w.N.).
Die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit des Bruders des Klägers ergab sich aus dem bestandskräftigen Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit mit Bescheid vom 27. November 2018. Anders als von der Beklagten im Bescheid vom 1. April 2020 ausgeführt, folgte der bestimmende Einfluss des Bruders des Klägers nicht bereits daraus, dass dieser Verpächter der Gaststätte war. Eine Verpächterstellung des Bruders ist nicht ersichtlich, vielmehr hat der Kläger mit dem Eigentümer des Betriebsgrundstücks am 6. Mai 2019 einen eigenen Mietvertrag geschlossen (Bl. 13 ff. Behördenakte). Jedoch beruhte der bestimmende Einfluss des Bruders des Klägers auf die Geschäftsführung der Gaststätte auf folgenden Tatsachen: Der Kläger hatte den Betrieb der Gaststätte „…“ im Mai 2019 übernommen, nachdem die Gaststättenerlaubnis seines Bruders zum Betrieb eben jener Gaststätte im November 2018 widerrufen worden war. Der Klägervertreter führte schriftsätzlich aus, dass der Kläger seinen Bruder als verantwortlichen Betriebsleiter eingesetzt habe, da dieser nach Einschätzung des Klägers die dafür nötigen Eigenschaften besitze. In der mündlichen Verhandlung führte der Klägervertreter weiter aus, dass der Bruder besser Deutsch spreche und sein Bruder daher in der Gaststätte helfe, indem er z.B. das Personal einteile und gegenüber der Polizei auftrete. Diese Ausführungen der Klägerseite werden dadurch bestätigt, dass sich der Bruder des Klägers bei mehreren Kontrollen der Gaststätte gegenüber den Beamten der Polizei bzw. des Ordnungsamtes als der Verantwortliche zu erkennen gab, während der Kläger selbst nicht zugegen war. So war der Bruder des Klägers einziger Ansprechpartner bei den Kontrollen am 2. Juni 2019, 3. Juni 2019, 4. Juni 2019, 8. Juni 2019, 31. Oktober 2019, 22. November 2019, 18. Januar 2020, 19. Februar 2020 und 21. Februar 2020.
Die Klägerseite hat durch ihre eigene Schilderung anschaulich dargelegt, dass der Bruder des Klägers auch nach dem Widerruf seiner eigenen Gaststättenerlaubnis auf die Führung des Gaststättenbetriebes des Klägers maßgeblichen Einfluss genommen hat. Der Kläger, der aufgrund seiner mangelnden Deutschkenntnisse vielfach nicht in der Lage sein dürfte, die erforderlichen Handlungen im Gaststättenbetrieb vorzunehmen (z.B. Warenbestellung, Personalgespräche, Korrespondenz mit Behörden), überließ die Ausführung dieser Aufgaben seinem unzuverlässigen Bruder.
Die Beklagte spricht im Bescheid vom 1. April 2020 sogar den „konkreten Verdacht“ aus, dass der Kläger als Strohmann seines Bruders fungiere. Das „Strohmannverhältnis“ ist als noch stärkere Form der Einflussnahme eines unzuverlässigen Dritten auf den Gewerbetreibenden anerkannt und setzt voraus, dass der Strohmann zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse als Gewerbetreibender vorgeschoben wird, das in Frage stehende Gewerbe in Wirklichkeit aber von einem anderen betrieben wird (Heß in Friauf, GewO, 325. EL, Stand: Juni 2021, § 35 Rn. 122). Das Gericht konnte aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht die Überzeugung davon gewinnen, dass der Kläger über keinerlei eigenen Entscheidungsspielraum mehr verfügte und als bloße „Marionette“ seines Bruders fungierte, was ihn zum Strohmann seines Bruders gemacht hätte. Jedoch reicht es für eine Unzuverlässigkeit des Klägers aus, dass er seinem unzuverlässigen Bruder bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung eingeräumt hat.
bb) Darüber hinaus konnte die negative Zuverlässigkeitsprognose auch auf die Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten gestützt werden, die der Kläger in dem knappen Jahr seit Übernahme des Gaststättenbetriebes begangen hatte.
(1) Die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden kann insbesondere aus der Begehung von Ordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, wobei es eines Gewerbebezuges und einer Vielzahl von Verstößen bedarf, aus denen ein Hang zur Nichtbeachtung gesetzlicher Bestimmungen abgeleitet werden kann (Brüning in BeckOK, 54. Ed., Stand: 01.03.2021, § 35 Rn. 22 f.; Heß in Friauf, GewO, 325. EL, Stand: Juni 2021, § 35 Rn. 180; Ennuschat in ders./Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 47). Irrelevant ist insofern, ob ein Bußgeldverfahren stattgefunden hat, denn es kommt nicht auf die rechtskräftige Ahndung von Verwaltungsrecht, sondern auf den dieser Ahndung zugrundeliegenden Sachverhalt an (Heß in Friauf, GewO, 325. EL, Stand: Juni 2021, § 35 Rn. 180; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, 85. EL September 2020, § 35 Rn. 42 f.).
(2) Keine Ordnungswidrigkeit stellte die Bewirtung von Gästen im Außenbereich am 2. Juni 2019 und 5. Juni 2019 dar.
Nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne die nach § 2 Abs. 1 GastG erforderliche Erlaubnis ein Gaststättengewerbe betreibt. Der Kläger hat am 2. Juni 2019 und 5. Juni 2019 im Außenbereich seiner Gaststätte Personen bewirtet, obwohl die Gaststättenerlaubnis erst mit Bescheid vom 18. Juli 2019 auf die Verkehrsfläche vor dem Anwesen … … in … erweitert wurde. Auf den Lichtbildern (Bl. 74, 98 Behördenakte) sind zwar Personen zu sehen, die im überdachten Eingangsbereich und auf dem Gehweg vor der Gaststätte sitzen und teilweise auch Getränke vor sich stehen haben, der Akte ist jedoch nicht zu entnehmen, ob auch alkoholische Getränke im Außenbereich ausgeschenkt wurden, wofür es einer Erlaubnis gemäß § 2 GastG bedurft hätte. Die Sondernutzungserlaubnis, die eine Außenbestuhlung erlaubt, wurde bereits am 31. Mai 2019 erteilt. Daher ist zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass an diesen beiden Tagen kein erlaubnispflichtiger Gaststättenbetrieb im Außenbereich stattgefunden hat.
(3) Der Kläger handelte jedoch ordnungswidrig, indem er am 30. September 2019 das Verweilen von Gästen nach Beginn der Sperrzeit in den Betriebsräumen geduldet hat.
Nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 GastG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Inhaber einer Schankwirtschaft, Speisewirtschaft oder öffentlichen Vergnügungsstätte duldet, dass ein Gast nach Beginn der Sperrzeit in den Betriebsräumen verweilt. Nach § 1 Nr. 2 der Verordnung der Beklagten über die Sperrzeit für Gaststätten und öffentliche Vergnügungsstätten (Sperrzeit-VO – SpZVO) vom 23. Mai 2007 (Amtsblatt S. 185) gilt für den Gaststättenbetrieb auf öffentlichen Verkehrsflächen (Sondernutzungen) eine Sperrzeit von 23:00 bis 6:00 Uhr. Der Kläger als Inhaber der Schankwirtschaft „…“ hat am 30. September 2019 geduldet, dass nach Eintritt der Sperrzeit um 23:15 Uhr noch sechs Gäste mit teilweise gefüllten Gläsern im Außenbereich seiner Gaststätte saßen (Bl. 268 Behördenakte). Damit hat er eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 GastG i.V.m. § 1 Nr. 2 SpZVO begangen.
(4) Weiter hat der Kläger durch zahlreiche Verstöße gegen verschiedene Auflagen nach § 5 GastG in der Zeit von Juni 2019 bis Februar 2020 Ordnungswidrigkeiten begangen.
Ordnungswidrig handelt nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 GastG auch, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Auflage oder Anordnung nach § 5 GastG nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt. Der Kläger ist verschiedenen Auflagen gemäß § 5 Abs. 1 GastG der Gaststättenerlaubnis vom 27. Mai 2019 – teilweise mehrmals innerhalb weniger Monate – nicht nachgekommen. Im Einzelnen stehen folgende Verstöße zur Überzeugung des Gerichts fest:
– Nach Nr. II.9 der Gaststättenerlaubnis sind in den Innenräumen der Gaststätte die Verwendung und das Rauchen von Shishatabak und anderen tabakhaltigen Erzeugnissen in den Shishapfeifen untersagt. Diese Auflage dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Nr. 8 des Gesetzes zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz – GSG) vom 23. Juli 2010 (GVBl. S. 314), welches das Rauchen in den Innenräumen von Gaststätten verbietet. Gegen dieses Verbot hat der Kläger am 2. Juni 2019 verstoßen. Bei einer polizeilichen Kontrolle stellten die Beamten fest, dass in einer Shisha ein Tabak-Melasse-Gemisch geraucht wurde (Bl. 85 Behördenakte).
– Nach Nr. II.10 und II.11 der Gaststättenerlaubnis müssen an den Fenstern im Innenbereich Schilder mit dem Hinweis angebracht sein, dass das Rauchen von tabakhaltigen Shishas verboten ist bzw. dass beim Zubereiten und Rauchen der Shishas Kohlenmonoxid entsteht, was zu erheblichen Gesundheitsgefahren führen kann. Weiter müssen nach Nr. II.16 an den Fenstern im Außenbereich Hinweisschilder angebracht sein, welche die Raucher und heimgehenden Gäste nach Eintritt der Sperrzeit zu ruhigem Verhalten anhalten. Das Fehlen solcher Hinweisschilder wurde bei Kontrollen am 2. Juni 2019 (Bl. 94 Behördenakte), 6. Juni 2019 (Bl. 136 Behördenakte), 18. Oktober 2019 (Bl. 142 Behördenakte), 19. Januar 2020 (Bl. 354 Behördenakte) und 21. Februar 2020 (Bl. 339 Behördenakte) festgestellt.
– Nach Nr. II.17 der Gaststättenerlaubnis sind während der Betriebszeiten sämtliche Türen und Fenster geschlossen zu halten. Diese Auflage gilt seit dem 5. Juli 2019 erst ab jeweils 22 Uhr. Gegen diese Auflage hat der Kläger am 2. Juni 2019 (Bl. 94 Behördenakte), 4. Juni 2019 (Bl. 49 Behördenakte), 5. Juni 2019 (Bl. 68 Behördenakte), 6. Juni 2019 (Bl. 136 Behördenakte), 8. Juni 2019 (Bl. 63 Behördenakte), 9. Juni 2019 (Bl. 38 Behördenakte), 26. Juni 2019 (Bl. 113 Behördenakte), 15. September 2019 (Bl. 279 Behördenakte), 30. September 2019 (Bl. 268 Behördenakte), 31. Oktober 2019 (Bl. 326 Behördenakte), 18. Januar 2020 (Bl. 345 Behördenakte), 19. Februar 2020 (Bl. 366 Behördenakte) und 21. Februar 2020 (Bl. 339 Behördenakte) verstoßen. An diesen Tagen standen die Türen der Shisha-Bar während der Betriebszeit mehrmals bzw. über einen längeren Zeitraum offen. Die Verstöße nach dem 5. Juli 2019 ereigneten sich sämtlich nach 22 Uhr.
– Weiter ist nach Nr. II.18 der Gaststättenerlaubnis die Aufbewahrung und Lagerung sämtlicher Tabakprodukte und tabakähnlicher Erzeugnisse in sämtlichen Betriebsräumen untersagt. Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle am 18. Oktober 2019 wurde festgestellt, dass im Eingangsbereich der Gaststätte Tabak vorgehalten wurde (Bl. 142 Behördenakte).
– Nach Nr. II.25 der Gaststättenerlaubnis ist eine vollständige Ausfertigung der Gaststättenerlaubnis in den Betriebsräumen vorzuhalten und bei Kontrolle den zuständigen Behörden unverzüglich vorzulegen. Bei einer polizeilichen Kontrolle am 1. Oktober 2019 konnte die Gaststättenerlaubnis nicht ausgehändigt werden (Bl. 261 Behördenakte).
– Nach Nr. II.1 der Erweiterung der Gaststättenerlaubnis vom 18. Juli 2019 dürfen während der Betriebszeiten maximal 16 Sitzplätze im Außenbereich aufgestellt werden. Am 18. Oktober 2019 wurde im Rahmen einer Kontrolle festgestellt, dass im Außenbereich Sitzgelegenheiten für 20 Personen aufgebaut waren (Bl. 142 Behördenakte).
– Nach Nr. II.4 der Erweiterung der Gaststättenerlaubnis vom 18. Juli 2019 sind nach 23 Uhr sämtliche Tische und Stühle im Außenbereich der Gaststätte zusammenzustellen. Dies ist offensichtlich am 30. September 2019 nicht erfolgt, denn sonst hätten um 23:15 Uhr nicht noch sechs Gäste mit Getränken im Außenbereich sitzen können (Bl. 268 Behördenakte).
Verstöße gegen die Auflage Nr. II.12 der Gaststättenerlaubnis können dem Kläger hingegen nicht zur Last gelegt werden. Die Auflage Nr. II.12 war von Anfang an gegenstandslos und wurde auch später nicht wirksam erlassen.
Die Auflage Nr. II.12 untersagte das Entzünden und Abbrennen kohlebetriebener Shishas in sämtlichen Betriebsräumen, formulierte mithin ein endgültiges Verbot kohlebetriebener Shishas. In Widerspruch dazu untersagte die Auflage Nr. II.1 das Entzünden und Abbrennen von Shishas bis zur Erfüllung der Auflagen Nr. II.2 bis II.6, enthielt somit ein aufschiebend bedingtes Verbot und eröffnete dem Kläger die Möglichkeit, durch Erfüllung besagter Auflagen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Shishas zu schaffen. Eine widerspruchsbeseitigende Auslegung dahingehend, dass sich Nr. II.1 nur auf elektrobetriebene Shishas bezog, während Nr. II.12 ausdrücklich nur kohlebetriebene Shishas untersagte, war nicht möglich, denn ein Blick in Nr. II.2 bis II.6 zeigte, dass Nr. II.1 ebenfalls auf kohlebetriebene Shishas abzielte. In Nr. II.2 bis II.6 wurde die Installation und Wartung von CO-Warnmeldern und der Einbau von Be- und Entlüftungsanlagen in der Gaststätte zum Schutz der Mitarbeiter und Gäste vor gesundheitsgefährdenden Kohlenstoffmonooxidkonzentrationen in den Betriebsräumen geregelt. Die Entstehung von Kohlenstoffmonooxid setzt einen Verbrennungsvorgang voraus, wie er bei der Benutzung von Kohle zum Betrieb von Wasserpfeifen stattfindet, nicht jedoch bei elektrischem Betrieb von Wasserpfeifen. Folglich bezogen sich beide Auflagen auf kohlebetriebene Shishas, enthielten aber einander widersprechende Regelungen: Einmal wurde das Entzünden und Abbrennen kohlebetriebener Shishas endgültig untersagt (Nr. II.12), einmal wurde das Entzünden und Abbrennen (ebenfalls kohlebetriebener) Shishas bis zur Erfüllung bestimmter Voraussetzungen untersagt (Nr. II.1).
Die zur Beseitigung dieses Widerspruchs erforderliche Auslegung durch Heranziehung der Begründung der Gaststättenerlaubnis ergab, dass der Erlass der Auflagen Nr. II.1 bis II.6 gewollt und die Auflage Nr. II.12 somit gegenstandslos war. In den Gründen auf Seite 4 der Gaststättenerlaubnis führte die Beklagte unter anderem aus, dass bei der Zubereitung und beim Rauchen von Shisha-Pfeifen Kohlenstoffmonoxid entstehe, welches eine erhebliche Gefahr für Personen im Lokal darstelle. Durch die Auflagen könne sichergestellt werden, dass der Kohlenstoffmonoxidgehalt in den Zubereitungsräumen und im Gastraum dauerhaft auf einem für Mitarbeiter und Gäste sicheren Niveau gehalten werden kann. Die schriftliche Bestätigung der Fachfirma über ein Kohlenstoffmonoxidmessgerät, welches extern gewartet werde und die Kohlenstoffmonoxidwerte dauerhaft aufzeichne, erfülle die Anforderungen an eine dauerhafte und zuverlässige Gefahrenabwehr. Das Prinzip der „doppelten Absicherung“ durch Lüftungsanlage und Kohlenstoffmonoxidwarnmelder sei allgemein anerkannt, um Gesundheitsgefahren wirksam abzuwenden. Damit nahm die Beklagte inhaltlich erkennbar Bezug auf die Auflagen zum Einbau eines Gaswarngerätes mit CO-Sensor in den Zubereitungsräumen und im Gastraum (Nr. II.2), die Dokumentation der Spitzenwerte durch einen Datenlogger (Nr. II.3), die zu dokumentierende regelmäßige Testung bzw. Nachkalibrierung der Geräte durch eine Fachfirma (Nr. II.4) und den Einbau von Be- und Entlüftungsanlagen in den Zubereitungsräumen und im Gastraum (Nr. II.5). Die Beklagte ging in der Begründung somit erkennbar von der Geltung der Auflagen Nr. II.2 bis II.6 aus, auf welche die Auflage Nr. II.1 verwies.
Die Auflage Nr. II.12 wurde auch durch den Widerruf der Auflagen Nr. II.1 bis II.6 mit Bescheid vom 7. November 2019 nicht wirksam erlassen. Der Widerrufsbescheid vom 7. November 2019 wurde von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgehoben.
Unabhängig davon, ob der Kläger auch gegen Nr. II.12 der Gaststättenerlaubnis verstoßen hat, lassen die oben aufgelisteten teilweise wiederholten Verstöße gegen mindestens neun verschiedene Auflagen der Gaststättenerlaubnis in der Gesamtschau die Prognose zu, dass der Kläger auch künftig nicht willens oder in der Lage ist, sich an bestehende Auflagen zu halten und damit weiterhin ordnungswidrig handeln wird.
c) Wird die gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers bejaht, ist der Widerruf der Gaststättenerlaubnis zwingend geboten. § 15 Abs. 2 GastG räumt der Behörde insoweit kein Ermessen ein (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182 – juris Rn. 18). Der Ausschluss des unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsleben und damit auch der Widerruf der Gaststättenerlaubnis stehen in Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung des Art. 12 GG (BVerwG, B.v. 7.6.1996 – 1 B 92.96 – juris Rn. 4). Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis kann nur in besonderen Ausnahmefällen unverhältnismäßig sein (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 22 CS 14.182 – juris Rn. 18). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
2. Die Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebes (Ziffer 2) ab Bestandskraft des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis ist rechtmäßig.
Die Untersagung findet ihre Rechtsgrundlage in § 31 Halbs. 1 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Nach § 31 Halbs. 1 GastG finden auf die den Vorschriften des Gaststättengesetzes unterliegenden Gewerbebetriebe die Vorschriften der Gewerbeordnung soweit Anwendung, als nicht im Gaststättengesetz besondere Bestimmungen getroffen sind. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis erforderlich ist, ohne diese Erlaubnis betrieben wird.
Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO liegen vor. Der Betrieb einer Gaststätte, in der alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, erfordert gemäß § 2 GastG eine Erlaubnis. Ab Bestandskraft des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis darf der Kläger in der Gaststätte keinen Alkohol mehr ausschenken und kann die Beklagte insofern die Fortsetzung des Gaststättenbetriebes untersagen. Nach der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 1. April 2020 durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2020 hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Untersagung ab Bestandskraft des Widerrufs gelten soll.
Die Ausübung des Ermessens durch die Beklagten lässt keine Ermessensfehler erkennen.
3. Einwände gegen die Kostenlast und die Gebührenfestsetzung (Ziffer 5) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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